Zum ersten Mal: Für einen Artikel im Spiegel Online interviewt werden

Sollte es irgendwer nicht mitbekommen haben: Ich war Ende Juni im Spiegel Online. Genauer gesagt wurde ich in einem Artikel über Frauen in der IT-Branche zitiert.

Wie es dazu kam und wie das so war, das erzähl ich jetzt. Das war nämlich so:

Vor ein paar Monaten schrieb ich in dem anderen Blog darüber, wie doof ich das finde, dass es in meinem Beruf so wenig Frauen gibt. Da dieser Blog eher so mäßig frequentiert wird (ich könnte da auch mal wieder was schreiben), war das Feedback eher so gehtso, die großen Diskussionen blieben jedenfalls aus.

Dann trudelt vor ein paar Wochen am Montag eine Mail von einer Mitarbeiterin von Spiegel Online ein. Ob ich Lust hätte zu einem Telefoninterview, es ginge um Frauen in der IT-Branche. Ja sicher hab ich das. Frauen in der IT-Branche, da kann ich sogar richtig was zu sagen, vor allem, weil ich das ja bin, also eine Frau in der IT-Branche.

Der Artikel soll nächste Woche schon erscheinen, Interview also möglichst diese Woche, wann ich eben kann. Mittwochs feiert Oma Geburtstag, Freitag ist große Team-Präsentation, Donnerstag ist möglicherweise Stress wegen großer Team-Präsentation am Freitag. Dienstag, schlage ich vor. Dienstag ist eigentlich nichts, da kann ich auch früh nach Hause gehen.

Ob ich mich irgendwie vorbereiten solle, frage ich noch, ob man die Fragen schon vorher kriegt, und sich dann kluge Sachen dazu ausdenken kann, damit man am Telefon nicht auf einmal anfängt, wirres Zeug zu reden. Das traue ich mir nämlich durchaus zu. Gerade bei Themen, die mich emotional auch mal ein bisschen aufregen, da fange ich gerne an, wirres Zeug zu reden. In meinem Kopf klingt das dann zwar alles viel besser, intelligenter und geordneter, aber das weiß ja leider keiner außer mir.

Nein nein, kommt die Antwort, vorbereiten braucht man sich nicht, wir würden einfach am Telefon nett reden und das wäre schon okay so. Ein bisschen klingt mir das ja nach einer Falle, “nett reden”, ja klar, und dann sagt man was Wirres und prompt steht man dann mit einem wirren Zitat in der Zeitung. Aber ich vertraue da mal darauf, dass das auch ernst gemeint ist und das mit “nett reden” auch wirklich einfach nur “nett reden” gemeint ist. Dienstag also, 17 Uhr. Geht klar.

Ich bin hibbelig.

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Dienstag nachmittag verlasse ich das Büro schön pünktlich, um rechtzeitig zu Hause zu sein. Vorher mache ich noch ein paar kryptische Andeutungen auf Twitter, aber erzählt habe ich kaum jemandem davon. Ich bin da schrecklich zweckpessimistisch und verrate sowas immer erst, wenn es auch wirklich soweit ist. Je mehr Leute von sowas wissen, desto mehr Leute fragen dann nach und desto mehr Leute muss man dann im schlimmsten Fall erzählen: “Nee, war doch nichts.” Also ganz ruhig bleiben, aber innen rumhibbeln wie blöd.

Meinen Artikel im englischen Blog habe ich auch noch mal gelesen, damit ich überhaupt weiß, was ich da gesagt habe, und festgestellt, dass ich da total gute Sachen geschrieben habe. Faszinierend. Auch die anderen Blogartikel, die ich damals verlinkt habe, gucke ich mir noch mal an, damit das mit den Fakten auch einigermaßen hinhaut, sollte ich mich dazu hinreißen lassen, irgendwas faktenähnliches zu behaupten. Ich mache mir Notizen auf einem Post-It, exakt zwei, damit ich wesentliche Punkte nicht komplett vergesse und das war’s. Mehr kann ich jetzt nicht tun. Außer warten und hibbeln.

Um kurz nach fünf klingelt das Telefon. Das Interview geht los. Und tatsächlich, es ist total nett, wir reden eine knappe Dreiviertelstunde. Die Fragen sind gut, ich kann mich gar nicht verhaspeln, weil sie so schön formuliert sind, dass ich sofort den Faden kriege und auch behalte. Gut recherchiert sind sie auch, ich merke, da hat sich jemand den Artikel durchgelesen, hat sich ein bisschen mit meiner Person beschäftigt und sich Gedanken darüber gemacht, was man mich fragen könnte. Zwischendurch ist irgendwann mal die Verbindung weg, das passiert aus Gründen, die ich nicht verstehe gelegentlich mal, wenn ich telefoniere. Aber dann klingelt das Telefon wieder und wir reden weiter.

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Als ich auflege hab ich ein gutes Gefühl. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwas gesagt zu haben, das ich im Nachhinein doof finden könnte. Nach mir kommen noch zwei Interviews, das hab ich auch erfahren, außerdem bekomme ich eine Mitschrift der Zitate, die verwendet werden sollen und kann dann noch abnicken bzw. Einspruch erheben, wenn da was dabei sein sollte, das ich so nicht gut finde. Wie versprochen schicke ich noch eine Mail mit ein paar Links, auf die ich im Gespräch hingewiesen habe. Später kommt eine Mail zurück mit einem Dankeschön und der Anmerkung, sie habe sich jetzt auch schon zwei Bücher bestellt zum Thema “Geschichte der Informatik”. Das finde ich erstens total schön und erinnert mich zweitens daran, dass ich mich damit ja eigentlich auch noch mal ein bisschen beschäftigen könnte.

Die Mitschrift kommt einen Tag später. Passt alles so, das schreibe ich auch zurück. Allerdings ahne ich schon zu diesem Zeitpunkt, dass mindestens eines der Zitate ein Aufregerzitat sein könnte. Ich finde mich aber damit ab, dass man, wenn man interviewt wird und dann nachher Teile des Interviews aus dem Kontext des Gesamtgesprächs gerissen veröffentlicht werden, durchaus missverstanden werden kann und verbuche das schon mal vorträglich als wichtigen Erfahrungswert.

Danach bin ich weiter hibbelig und kann die nächste Woche kaum abwarten. Montag passiert nichts, Dienstag auch nicht, dann habe ich Panik, dass meine letzte Mail mit den Fotos und Blogverlinkungsinstruktionen nicht angekommen sein könnte und panike innerlich ein bisschen rum, bis ich eine Nachfragemail schreibe, ob denn alles heil angekommen sei. Ja, sei es, kommt die Antwort zurück, und der Artikel erscheint morgen. Morgen ist Mittwoch, ich schreibe noch einen Kryptiktweet und gebe den informierten Kreisen Bescheid, morgen das Karriereressort des Spiegel Online etwas aufmerksamer zu beobachten.

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Mittwoch passiert nichts. Ich drücke F5 auf der Spiegel-Online-Seite, aber ohne Erfolg. Auf Nachfragen muss ich mit einem “Na ja, wohl doch nicht heute” antworten und weiß wieder, warum ich so ungern irgendwelche Ankündigungen mache, wenn ich selber keine Kontrolle darüber habe, ob etwas passiert oder nicht. Ich behalte aber erstaunlicherweise die Ruhe. Was weiß ich, wie das bei so einer Online-Redaktion funktioniert. Kein Grund zur Unruhe, das wird schon kommen, nur eben dann nicht heute.

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Am Donnerstagmorgen also das gleiche Spielchen, hibbeliges Neuladen der Spiegel-Online-Seite, bis der Kollege gegenüber auf einmal vorliest “Mädels in der IT-Branche”. Hihi, denke ich, hihihi, und rufe die Seite auf. Erstmal gucken, ob ich überhaupt drin vorkomme. Ah ja, da steht mein Name, ich bin Pionierin, toll ist das. Auf die Bilder zum Artikel geklickt, da bin ich auch. Nur den Link zum Blog finde ich erst nicht, der steht rechts an der Seite, wo er wirklich nicht die Bohne zu finden ist. “Guck halt mal die Bilderstrecke”, sage ich total kryptisch und dann klickt der Kollege die falsche Bilderstrecke an, bis er schließlich doch mal ein bisschen weiterliest und über meinen Namen stolpert. Hihihi!

In der Zwischenzeit schreibe ich noch eine Mail, Artikel hab ich gefunden, finde ich gut, schreibe ich, aber das mit dem Link ist ein bisschen doof, den findet da doch niemand, ob man da nicht den Namen als Link nehmen könnte im Artikel selber. Und einen Grammatikfehler hab ich auch gefunden. Keine Ahnung, wie das in so einer Online-Redaktion funktioniert, aber ich steh ja nicht jeden Tag im Spiegel Online, ich finde, da kann man auch ein bisschen pedantisch sein, rein aus egoistischen Gründen. Tatsächlich kommt wenig später eine Mail zurück, schön, dass mir der Artikel gefällt, und das mit dem Link und dem Fehler ist jetzt behoben. Ich bin begeistert, denn insgeheim habe ich gar nicht damit gerechnet, dass man noch nachträglich und so schnell auf Änderungsvorschläge reagiert.

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Jetzt kann ich auch Mails rumschicken und auf Twitter und Facebook davon erzählen. Yeah! Ich bin im Spiegel Online! Lest das alle! Im Büro ist das Feedback sehr positiv, das freut mich jetzt mal extra. Und auch sonst scheinen sich die Leute darüber zu freuen und ich mich damit erst recht. Dann machen wir alle den Fehler, die Kommentare zu dem Artikel zu lesen und ich falle ein bisschen vom Glauben ab. Schon fast toll ist ja, dass mein Aufregerzitat direkt im allerersten Kommentar einen Hitlervergleich provoziert, damit hab selbst ich nicht gerechnet. Und man weiß ja auch, dass man keine SpOn-Kommentare lesen soll, aber ich mach’s jetzt natürlich trotzdem und bin doch ein bisschen entsetzt über das, was da abgeht. Schnell vergessen und weiterfreuen.

Abends sind wir auf der Gourmetmeile in Essen unterwegs und ein bisschen ist das natürlich auch hier Thema. Der Mann kommt nicht über die Kommentare im Diskussionsforum hinweg, auch wenn ich ihm mehrfach erkläre, dass das doch mittlerweile bekannt ist, dass man die nicht lesen soll. Den Hitlervergleich finden wir aber alle ob seiner Absurdität doch ein bisschen witzig und irgendwann nennen mich alle nur noch Adolfine.

Und das war’s dann eigentlich schon. Der Rummel um den Urheberrechtsartikel war um Längen größer, schon nach einem Tag ist der Artikel von den Headlines über die rechte Spalte im Archiv versandet. Die Onlinewelt ist schnelllebig, der Ruhm kurz, aber Spaß gemacht hat es trotzdem. Die Frage, ob ich sowas noch mal machen würde, stellt sich kaum: Na klar würde ich!

2 Antworten auf „Zum ersten Mal: Für einen Artikel im Spiegel Online interviewt werden“

  1. Es ist sicher spannend, selbst bei einem Artikel „dabei“ zu sein.
    Wenn ein außenstehender so einen Artikel bei SpOn oder so liest, hat man überhaupt keinen blassen Schimmer, wie das abgelaufen ist.

    Insgesamt finde ich den Artikel dann doch wenig spektakulär. Alles im Wesenlichen schon bekannt, nur andere Namen und andere Details. Ein Aufregerzitat ist mir nicht aufgefallen. Dann habe ich mir extra ein paar Kommentare unter dem SpOn-Artikel angeschaut. Wurde der Hitlervergleich gelöscht oder hat sich der nur gut versteckt?

    1. Ich fand auch einfach nett, mal mitzukriegen, wie sowas funktioniert. Man hätte aus dem Artikel etwas mehr machen können, darüber schreibe ich vielleicht demnächst noch mal was.

      Das Aufregerzitat war das letzte, wo es um die Einführung von Informatik als Pflichtfach geht, und ich bezüglich der vermutlich eh schon vollgestopften Stundenpläne eben gesagt habe, dass man dann eben vielleicht was anderes weglassen muss, also nur als Beispiel Physik oder Chemie. Es war aber so gemeint, dass man für ein(!) Pflichtjahr Informatik eben mal vielleicht ein halbes Jahr Physik und ein halbes Jahr Chemie weglassen könnte, nicht komplett.

      Der Hitlervergleich ist tatsächlich gelöscht worden, das wusste ich schon. Fand ich ja fast schade, andere Kommentare fand ich viel dööfer, da sie weniger absurd und dadurch auch fast bedenklicher waren.

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