Anne erklärt das Internet: Godwin’s Law

Wie wir alle wissen, sollte man Diskussionen in irgendwelchen Internetforen tunlichst meiden, am besten gar nicht lesen, erst recht nicht mitmachen und vor allem nicht erwarten, dass – sollte man den Fehler begehen, sich doch mit einzubringen – das Geschriebene in irgendeiner Form gelesen und verstanden wird.

Vor allem aber darf man sich nicht wundern, wenn irgendwann im Verlauf solch einer Diskussion irgendwas mit Nazis oder Hitler kommt, denn dass das passiert, ist so gut wie sicher.

Wir wissen das auch schon seit über zwanzig Jahren, nämlich spätestens seit 1990, als Mike Godwin  folgendes feststellte und dieses Phänomen damit auch zu dem Namen „Godwin’s Law“ kam:

“As an online discussion grows longer, the probability of a comparison involving Nazis or Hitler approaches one.“

Je länger also eine Diskussion im Internet wird, desto größer die Chance, dass irgendwer einen Nazi- oder Hitlervergleich macht. Tatsächlich schrieb schon Richard Sexton 1989 in einem Posting:

“You can tell when a USENET discussion is getting old when one of the participents [sic] drags out Hitler and the Nazis.”

Das Phänomen ist also hinlänglich bekannt. Dabei geht es eher sekundär darum, ob die Erwähnung der Nazis oder Hitlers gerechtfertigt ist, es bleibt aber anzunehmen, dass dies in den meisten Fällen nicht so ist. Wer den Vergleich bringt, „gewinnt“ dabei einen Point Godwin, der ihm feierlich von anderen aufmerksamen Diskussionsteilnehmern überreicht werden darf.

Vor ungefähr einem Jahr erschien ein Artikel über weibliche Softwareentwickler im Spiegel Online, für den auch yours truly interviewt wurde. Von dem, worüber wir uns in dem knapp einstündigen Telefonat unterhalten hatten, blieben ein paar sehr zusammengekürzte  Zitate übrig, darunter auch eines, in dem ich in etwa sagte, dass ich es sehr begrüßen würde, wenn Informatik in der Schule zum Pflichtfach würde, und dafür möglicherweise ein anderes Fach (z.B. Physik, Chemie oder Biologie) wegfallen müsste, und man sich eben mal fragen sollte, was in Zukunft wichtiger sein würde.

Mal abgesehen davon, dass ich das im Interview selber anders und differenzierter gesagt habe, was man als Leser natürlich nicht wissen kann, weiß ich jetzt, dass Hitler sowas Ähnliches wohl auch schon mal zu Max Planck gesagt hat, denn das war – sensationell! – der erste Kommentar im SpOn-Forum! Der erste Kommentar! Und gleich ein Hitlervergleich! MIT MIR! Wahnsinn!

Leider gibt es den Kommentar nicht mehr, er wurde im Laufe der nächsten Stunden dann irgendwann moderiert und verschwand. Schade eigentlich, denn direkt im ersten Kommentar Godwin’s Law zu bestätigen, das muss man auch erst mal schaffen. Nicht zuletzt wäre es ein wunderbares Beispiel für dieses Internetphänomen gewesen, aber nun gut, dann eben ohne.

(Wer hier selber auch mal den Beweis für Godwin’s Law erbringen will, für den habe ich hier ein paar ganz heiße Tipps. Hitler war nämlich auch Vegetarier, hatte einen Schäferhund und liebte Richard Wagner. Ich denke, mit ein bisschen Kreativität lässt sich daraus auch etwas Schönes basteln.)

6 Antworten auf „Anne erklärt das Internet: Godwin’s Law“

  1. Dass Hitler Vegetarier war, ist ein hartnäckiges Gerücht, stimmt aber wohl gar nicht. Dummerweise habe ich vergessen, woher ich diese Information habe, vermutlich von Foer, oder vielleicht auch irgendwo bei der Foer-Recherche gefunden.

    Aber hier, was ganz anderes: Mit so einem Quatsch wie Godwin zu argumentieren, das hätte Göbbels auch fertiggebracht.

  2. Foer, Fußnote zu S. 296, „Hitler war angeblich Vegetarier“: Die weitverbreitete Legende von Hitlers Vegetarismus hält sich ziemlich hartnäckig, aber ich habe keine Ahnung, ob sie stimmt. Besonders zweifelhaft erscheint sie angesichts verschiedener Hinweise auf seinen Wurstkonsum. Zum Beispiel: Henrik Eberle/Matthias Uhl (Hg.): Das Buch Hitler – Geheimdossier des NKWD für J.W. Stalin (Aus dem Russischen v. H. Ettinger, Bergisch Gladbach: Lübbe Verlag, 2005, S. 245.)

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