Lieblingstweets im November (Teil 2)

Sehr knapp, aber immerhin noch im November. Zu meiner Entschuldigung, ich musste Plätzchen backen und Adventskalender basteln. Und… ähm… die ersten vier Folgen der sechsten Staffel von Buffy gucken. Alles sehr wichtiges Zeug.

Schöner Suchen – Die Softwareentwickler-Edition

Weil ich gelegentlich über meinen Beruf als Softwareentwicklerin schreibe, kommen auch öfter mal Leute auf meinen Blog, die irgendwas über Softwareentwicklung wissen wollen. Um hier Abhilfe zu schaffen, gibt es mal wieder eine Spezialfolge „Schöner Suchen“, diesmal mit Fragen rund um Softwareentwicklung und was man da so macht. Übrigens habe ich schon 2011 mal auf Englisch darüber geschrieben, was Softwareentwickler so machen, wenn sie nicht gerade Software entwickeln.

im welchen beruf schreibt man eine software

Diesen Beruf nennt man Softwareentwickler. Alternativ Anwendungsentwickler. Gerne auch etwas fancy-anglistiziert Software Developer. Möglicherweise auch Software Engineer. Oder Programmierer. Man kann das auch aufdröseln, dann gibt es Webentwickler, Datenbankspezialisten oder Softwarearchitekten. Oder Senior Systems Architect oder so ein Unfug.

Man könnte fast glauben, der Fantasie wären an dieser Stelle keine Grenzen gesetzt und tatsächlich ist das auch so. Jedenfalls muss ich immer selber nachgucken, wie denn meine aktuelle Stelle offiziell gerade heißt, wenn es um Visitenkarten oder so ein Gedöns geht.

Die Frage, die zwar keiner gestellt hat, die man aber in diesem Zuge gleich mitbeantworten kann, lautet: Was muss man machen, um Softwareentwickler zu werden?

Auch hier gibt es viele Wege, die ans Ziel führen, vom offensichtlichen Informatikstudium bis hin zum weniger offensichtlichen Quereinsteiger. Wenn man sich die eher offensichtlichen Möglichkeiten anguckt, so hat man erst mal zwei Optionen: Studieren oder Ausbildung. Studieren kann man Informatik, aber natürlich auch Wirtschaftsinformatik, Medizininformatik und was weiß ich nicht noch. Ich habe da nicht den Überblick, welche Spezialgebiete es so gibt, aber ich behaupte, es sind eine ganze Menge.

Wenn man lieber eine Ausbildung machen möchte, dann gibt es den Fachinformatiker aufgeteilt in Anwendungsentwicklung (FIAE) und Systemintegration (FISI). Den Ausbildungsberuf gibt es noch nicht so lange, nämlich seit irgendwann Ende der Neunziger. Vorher gab es aber schon den Mathematisch-Technischen Assistenten (MaTA). In unserem Ausbildungsbetrieb gab es beide Sorten Fachinformatiker und Mathematisch-Technische Assistenten. Der Hauptunterschied bestand bei uns darin, dass die Fachinformatiker Berufsschule haben mussten und die MaTAs nicht, außerdem sehen die Prüfungen anders aus. Was man nach (und während) der Ausbildung praktisch damit macht, ist aber sehr ähnlich.

Ich habe bisher übrigens noch keine Korrelation zwischen der Art der Ausbildung und der Qualität der Arbeit feststellen können, auch wenn das Studierte manchmal nicht so gerne hören wollen. Das Problem bei dem Beruf ist ja auch, dass sich dauernd irgendwas ändert, angefangen bei Programmiersprachen, über Architekturkonzepte bis hin zu Arbeitsprozessen. Wer mehr Wert auf eine theoretische Basis legt, sollte zum Studium greifen, das ist sicherlich nicht verkehrt. Man muss aber dann davon ausgehen, dass man sehr viel davon später nie mehr brauchen wird. Auch scheint es immer noch ausreichend Betriebe zu geben, in denen man ohne Studium keine Karriere machen kann (was auch immer man unter „Karriere“ verstehen mag).

Die Realität ist wie immer kompliziert und individuell. In meinem Fall hatte ich nach fünf Semestern Geisteswissenschaftsstudium kein gesteigertes Interesse an weiteren acht bis zehn Semestern hauptsächlich theoretischer Informatik und habe mich dementsprechend pragmatisch für eine Ausbildung entschieden, bei der ich nicht nur Geld verdient habe, sondern auch nach zweieinhalb Jahren fertig war. Es gibt Argumente für und gegen beide Optionen, und letztendlich kann man auch immer noch beides machen, wenn man das denn unbedingt möchte.

braucht man für softwareentwickler informatik

Ja. Viel interessanter ist die Frage, was man denn unter Informatik so versteht. Was man als Softwareentwickler überraschenderweise nicht zwingend braucht, ist besonders viel theoretische Mathematik. Deswegen lernt man sowas während der Ausbildung auch nicht, während des Studiums aber schon, hab ich mir jedenfalls sagen lassen. Dafür lernt man während der Ausbildung praktisches Zeug wie Projektmangement und ordentliche SQL-Abfragen. Das lernt man zwar an der Uni angeblich auch, meine Erfahrung sagt mir aber, dass das oft auf einer eher theoretischen Ebene passiert und man sehr, sehr gut aufpassen sollte, wenn jemand sagt, er hätte ja auch an der Uni ein Seminar über Projektmanagement gehabt.

Zur Frage zurück: Softwareentwicklung IST Informatik, aber natürlich nicht nur. Man muss mit einem Rechner umgehen können und man muss programmieren können. Was man dann da genau macht und welchen Kenntnisse und Fähigkeiten man dafür braucht, hängt sehr von der konkreten Tätigkeiten ab. Ich bastele zum Beispiel mehr Programmlogik und Benutzeroberflächen, ein Kollege bastelt lustige 3D-Sachen mit vielen putzigen Dreiecken. Informatik ist das beides, aber ich muss eben keine Vektorberechnung mehr können.

was muss man als softwareentwickler können

Um den Beruf zu lernen oder tatsächlich nachher im Beruf? Um den Beruf zu lernen, muss man gar nicht so viel können, wie die Leute immer glauben (und viele Softwareentwickler immer behaupten). Zum Beispiel, ich erwähnte es bereits, braucht man gar nicht so viel Mathematik, eigentlich fast gar keine, jedenfalls nicht unbedingt. Es gibt natürlich Bereiche, wo man sehr viel Mathematik braucht, weil da komplizierte Berechnungen gemacht werden, aber es gibt ausreichend viele Arbeitsfelder, wo das eben nicht so ist. Was man aber schon können sollte: Strukturiert und logisch denken, gelegentlich auch mal ein bisschen abstrakt. Insofern besteht da schon eine Verbindung zur Mathematik.

Eine gewisse Affinität zu technischen Sachen sollte auch da sein. Es ist für diesen Job wenig hilfreich, wenn man Computer prinzipiell doof findet. Aber auch da kommt es wieder darauf an, was man macht. Ich finde zum Beispiel, es gibt kaum etwas Nervtötenderes als einen WLAN-Router einzurichten. Ich empfinde dabei weder Freude noch Genugtuung, auch wenn das viele Leute immer glauben und mich dann fragen, ob ich ihnen nicht mal helfen kann. Meistens helfe ich dann auch, aber nur, weil ich nett bin und nicht, weil mir das Spaß macht oder ich wüsste, was ich da tue.

Was außerdem hilft, auch wenn einem das oft erstmal keiner sagt: Englischkenntnisse, die Fähigkeit, sich schriftlich irgendwie ausdrücken zu können (Dokumentationen! Bugreports! Team-Wiki!) und eine gewisse Bereitschaft, mit Nicht-Softwaremenschen über technische Dinge reden zu können und zwar so, dass die das auch verstehen. Das sind alles Fähigkeiten, die oft ein bisschen außer acht gelassen werden, weil man denkt, dass die Hauptsache ja ist, dass so ein Softwareentwickler gut programmieren kann.

arbeitstag softwareentwickler

Auch hier gibt es keine Pauschalantwort, also erzähle ich jetzt, wie es bei mir üblicherweise die letzten zehn Jahre so war. Wer jetzt „Aber bei mir ist das ganz anders!“ sagt, der hat bestimmt recht, und darf gerne seine eigene Geschichte erzählen.

Um die Klischees zu bestätigen: Als Softwareentwickler sitzt man schon sehr oft vorm Rechner und tippert da irgendwelchen Code rein. Wenn die Hauptaufgabe ist, Software zu basteln, die vorher noch nicht da war oder Funktionalitäten reinzufummeln, die es noch nicht gab oder Bugs zu fixen, die die Nutzer kirre machen, dann besteht ein nicht zu vernachlässigender Teil dieser Aufgabe darin, Code zu schreiben, der nachher das tut, was er tun soll.

Was Softwareentwickler aber auch noch machen: In Meetings irgendwelche Sachen besprechen, mit Kollegen diskutieren, wie man irgendein Problem am besten löst, Lösungsansätze auf Papier zu kritzeln, Aufwände schätzen, Dokumentationen schreiben, Dinge erklären und vieles mehr. Manchmal darf man sogar mit auf Messen oder zu Kunden. Ich habe dazu bereits hier etwas geschrieben.

Was die Rahmenbedingungen angeht, so unterscheidet sich das nicht groß von anderen Bürojobs. Meine Wochenarbeitszeit betrug bislang immer irgendwas zwischn 37,5 und 40 Stunden, manchmal hatte ich Gleitzeit, manchmal nicht. Wochenendarbeit musste ich geschätzt ungefähr zwei bis drei Mal machen, und die Male, die ich bis spät abends im Büro bleiben musste, weil irgendwas dringend fertig werden musste, kann ich vermutlich auch noch an zwei Händen abzählen. Ich habe aber auch ganz klug immer nur In-House-Softwareentwicklung gemacht, also keine Kundenprojekte, oder wenn dann, irgendwelche Kundenprojekte, die intern so verhandelt wurden, dass man nicht auf einmal einen aufgebrachten Kunden am Telefon hatte.

Es ist also davon auszugehen, dass es genug Softwareentwickler gibt, die schlimme Geschichten von unbezahlten Überstunden und Kunden aus der Hölle erzählen können. Dass ich das nicht kann, beschränkt zwar mein Smalltalkrepertoire auf Stehpartys, macht mich aber insgesamt eventuell zu einem glücklicheren Menschen.

was kann man besser bei spiele firmen brauxhen fachinformatiker für systemintergration oder softwareentwicklung

Ich nehme an, du meinst nicht Softwareentwicklung, sondern Anwendungsentwicklung. Fachinformatiker Softwareentwicklung gibt es nicht.

Die Antwort lautet: Beides. Aber.

Nach meiner Erfahrung braucht man (jedenfalls in Softwarefirmen) tendenziell mehr Anwendungsentwickler als Systemintegratoren. Dafür muss man verstehen, was der Unterschied ist, und der ist so: Anwendungsentwickler programmieren. Die sitzen am Rechner und schreiben Code für Programme. (Es handelt sich hierbei übrigens um stark verkürzte Beschreibungen der Berufsprofile.) Systemintegratoren kümmern sich um die IT-Infrastruktur der Firma. Üblicherweise heißt das, dass sich die Systemintegratoren um die Hardware kümmern, ebenso um die Telefonanlage, das Firmennetzwerk, die Server und die Berechtigungen, die alle sowohl auf ihrer Hardware als auch für irgendwelchen Laufwerke bekommen dürfen. Der Systemintegrator ist dein Ansprechpartner, wenn du einen neuen Rechner brauchst, dein Passwort verschlampt hast, das Internet oder das Intranet kaputt ist, du Zugang zu einem Firmenlaufwerk brauchst oder sonst irgendwas.

Spielefirmen werden sowohl die Leute brauchen, die die Software (also die Spiele) programmieren, als auch die, die den Laden in Schwung und am Laufen halten. Überleg dir einfach, was du lieber machen möchtest, beide Berufe sind ausreichend zukunftstauglich.

Vor allem aber: Lass das mit der Spielefirma und such dir eine ordentliche Firma, bei der du mit ordentlichen und modernen Technologien arbeitest, nach 40 Stunden nach Hause gehen kannst, vernünftig bezahlt wirst und eine realistische Chance hast, weiterbildende Maßnahmen wie Schulungen und Konferenzen in Anspruch nehmen zu können. Das, was man da macht, klingt vielleicht weniger cool, ist aber wahrscheinlich genauso gut.

entwixkler oder tester was ist die bessere berufswahl

Bezogen auf was? Gehaltsmäßig sind Entwickler oft besser dran, aber das liegt daran, dass viele Firmen die Leistung von Testern grob falsch einschätzen und es soll sogar Firmen geben, die Tester besser bezahlen als Entwickler.

Softwareentwickler bauen Zeug. Sie sind eher konstruktiv und optimistisch, denn sie erschaffen neuen Kram und gehen irgendwie und vollkommen irrigerweise davon aus, dass das wohl insgesamt funktionieren wird, was sie da tun. Sie versuchen kretaiv, möglichst gute Lösungen für ein bestehendes Problem zu finden. Manchmal ist das Problem auch ein nicht existierendes, von dem Leute nur glauben, das es bestünde, aber das ist eine andere Geschichte.

Tester machen Zeug kaputt. Als Tester musst du eine tendenziell trollige destruktive Ader haben und pessimistisch davon ausgehen, dass das, was der Softwareentwickler da gebaut hat, auf keinen Fall ernsthaft funktionieren kann. Tester müssen möglichst kreativ möglichst viele Wege finden, um ein bestehendes Programm aus dem Konzept zu bringen.

(Diese Unterscheidung ist deutlich verkürzt und sehr plakativ. Die Wahrheit ist wie immer kompliziert. Ich habe auch hier schon mal etwas ausführlicher und auf Englisch über die Beziehung zwischen Entwicklern und Testern geschrieben.)

Beide Berufe sind toll, wenn man Spaß dabei hat. Außerdem spricht nichts dagegen, von einem zum anderen zu wechseln, wenn man merkt, dass einem das mehr liegt. (Und wenn irgendein Vollhonk kommt und meint, dass Entwickler ja schon insgesamt der schwierigere und anspruchsvollere Beruf ist, dann darf man ihn auslachen.)

sollte ein software tester komunikativ sein

Ja. Unbedingt. Überhaupt sollten nicht nur Softwaretester, sondern auch Softwareentwickler kommunikativ sein. Am besten dann auch die Designer, Business-Analysten und Produktmanager. Kommunikation hilft im Arbeitsalltag ungemein, um Missverständnisse zu vermeiden und Arbeit nicht doppelt oder gleich umsonst zu machen. Das Bild des unkommunikativen Softwaremenschen ist allgemein überschätzt und sollte öfter und explizit verachtet werden.

sind softwareentwickler immer am pc

Nein. Ich schrieb bereits weiter oben darüber. Manchmal sitzt man sogar in ganz schlimmen Meetings und wünscht sich nichts sehnlicher, als zurück an den Rechner zu können. Wenn man aber auch sonst gar nicht so gerne am PC sitzt, ist der Beruf wohl nichts für einen.

zu dumm für software entwicklung

Ach was. Unfug. Hast du’s schon mal versucht? Und wenn ja, wo ist das Problem?

softwareentwickler verzweifelt

Das passiert auch manchmal. Aber das gibt es ja in jedem Beruf, von sowas darf man sich nicht langfristig irritieren lassen.

Daily Music: Johnny Come Lately von Cerys Matthews/Catatonia

Eine meiner möglicherweise coolsten Aktionen war, dass ich auf einem Catatonia-Konzert war. Das ist aus mehreren Gründen cool, nämlich erstens, weil es zeigt, dass ich schon mit 18 einen exzellenten Musikgeschmack hatte, zweitens, weil ich es irgendwie geschafft habe, auf ein Konzert zu gehen, bevor sich die Band auflöste und drittens, weil das Konzert im Kölner Luxor war, das ganz vielleicht damals schon Prime Club hieß, vielleicht aber auch nicht, das weiß ich nicht mehr genau, und dass ich es deswegen irgendwie geschafft habe, nach ganz vorne zu kommen, nicht zuletzt, weil die Konzertbegleitung mich sehr souverän und bestimmt einfach mit nach vorne durchschleuste.

Jedenfalls gibt es Catatonia nicht mehr, aber man kann ja trotzdem die Musik noch hören, die bleibt nämlich super, wie zum Beispiel „Johnny Come Lately“, das Cerys Matthews hier auf einem Live-Konzert spielt. (Cerys Matthews ist übrigens wirklich unglaublich klein, das sieht man auch sehr gut, wenn man bei einem Konzert auf einmal in der ersten Reihe steht.)

Cinderella von Sergei Prokofjew im Aaltotheater in Essen

Ob sie mich mit Karten fürs Ballett locken könnte, fragt Inkanina mich auf Twitter. Öh, ja, sage ich, denn ich mache ja bekanntlich fast alles mit. Also, zwei Karten hätte sie für die Premiere von Prokofjews Cinderella, aber an dem Tag könnte sie leider nicht, ich könnte also beide haben und einfach jemanden mitnehmen.

Da bin ich ja schon überfordert. Es ist schwer genug, die Leute in die Oper zu bekommen und da wird immerhin noch gesungen, aber ins Ballett? Ich habe doch selber keine Ahnung von Ballett, ich war noch nie im Ballett, ich kenne auch kaum Leute, bei denen ich denken würde, dass sie ins Ballett gehen wollen würden. Aber ich finde doch noch jemanden, Brooke hat nicht nur Lust, sondern sogar Zeit und weil an dem Wochenende der BVB im Ruhrgebiet spielt, sogar Gelegenheit, nach Essen zu kommen. Ansonsten wäre ich auch alleine gegangen, ein bisschen ist es ja auch egal, man sitzt ja die meiste Zeit sowieso rum und darf sich nicht unterhalten, aber wenn ich schon zwei Karten habe, kann man das ja auch ausnutzen.

Ballett also. Kenn ich gar nicht. Ich hab nur Bunheads geguckt und geliebt und innerlich ein bisschen rumgewütet, als es abgesetzt wurde. Bei Bunheads hatte ich das erste Mal das Gefühl, ich könnte Tanzerei ernsthaft interessant finden. Da kommt so eine Einladung gerade recht und ich kann jetzt überprüfen, ob ich das wirklich interessant finde oder eher so theoretisch und im Rahmen einer Amy-Sherman-Palladino-Serie.

Die Zeitangaben sind widersprüchlich, im Internet steht etwas anderes als auf der Karte, also nehme ich mal den früheren Termin und bekomme um kurz vor sieben noch von einem streikenden Menschen einen Zettel in die Hand gedrückt, weil das Orchester streikt. Er beruhigt mich aber, es würde selbstverständlich schon gespielt werden, aber vielleicht eben mit ein bisschen Verzögerung.

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Brooke hat den Haupteingang auch gefunden, schnell den Mantel abgeben und dann gongt es auch schon und wir fallen erstmal unangenehm auf, weil wir von der falschen Seite in den Saal kommen und uns an sehr vielen Menschen vorbei auf unsere ziemlich guten Plätze drängeln müssen. Es wird dunkel, der Vorhang geht auf und wir sehen die Vorgeschichte von Cinderella in wenigen Bildern. Cinderella mit ihren Eltern. Dunkel. Cinderella, die ihre Mutter anguckt. Dunkel. Cinderella nur mit ihrem Vater. Dunkel. Vorhang. Soviel dazu. Was lernen wir daraus? Es war einmal eine glückliche Familie, aber dann starb die Mutter und Vater und Tochter bleiben übrig.

Streikpause gibt’s auch nicht. Sowas.

Generell ist es gut, dass wir hier Cinderella gucken und nicht irgendwas anderes. Hier kenne ich zumindest die Story und kann mir das, was auf der Bühne passiert recht gut zusammeninterpretieren. Die drei Tänzer in den grauen Kleidern, die da etwas grotesk über die Bühne tanzen, das sind die Stiefmutter und die Stiefschwestern. Ich muss ein paar Mal gucken, aber ja, das sind Männer, die diese Rollen spielen. Im Nachhinein lese ich, dass das oft so gemacht wird, inmitten der ganzen Eigenheiten dieser modernen Inszenierung ist das also beinahe traditionell.

Da ich mich mit Tanzen aber gar nicht auskenne, kann ich den Grad zwischen klassischer und moderner Inszenierung nur erahnen. Eher modern, aber eben mit klassischen Elementen, die allerdings rar gesät sind. Tutu trägt hier keiner, auf Spitze wird nur selten getanzt, aber dazu kommen wir sowieso später. Cinderellas Vater trägt Anzug und schleppt eine Orange mit sich rum, Cinderella tanz barfuß und trägt ein einfaches blaues Kleid. Auf der Bühne stehen weiße Möbel schräg im Boden eingesunken, ich habe spontane Alice-im-Wunderland-Assoziationen. Und ja, es ist ein bisschen anstrengend, für meine erste Balletterfahrung hätte es vielleicht doch etwas klassischer sein können, aber dann eben nicht. Das Leben ist kein Wunschkonzert, noch nicht mal, wenn man ins Tanztheater geht.

Um noch etwas weniger klassisch zu sein, wird auf einmal ein grüner Rasenstreifen ausgerollt und dann hört das Orchester auf zu spielen und es erklingt „Because of You“ von Les Baxter. Noch einmal darf Cinderellas Mutter auftreten und mit Mann und Tochter zu maximal-kitschiger Musik der fünfziger Jahre tanzen. Und zwar, jetzt kommt’s: Auf Spitze. Mit Spitzentanz – oder wie wir Ballettexperten sagen: en pointe – ist das nämlich so: Fast alles, was die Leute da auf der Bühne machen, kann ich irgendwie nachvollziehen. Ich kann das zwar nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass man das kann, wenn man es halt lange genug macht und oft genug übt. Spagat verstehe ich. Luftsprünge verstehe ich. Hebefiguren verstehe ich, Dirty Dancing ist da nicht unschuldig. Verstehe ich alles. Ich kann’s nicht, aber mein Gehirn hat kein Problem damit, das irgendwie zu verstehen.

Spitzentanz verstehe ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll, das ist vollkommen abgefahren, was die da macht. Das kann doch gar nicht gehen, wie soll das gehen, das KANN nicht gehen. Ich starre also fasziniert auf die Bühne und bin überzeugt davon, dass das überhaupt nicht funktionieren kann, was die da macht. Leider gibt es heute Abend viel zu wenig Spitzentanz, aber vielleicht ist das auch gut so, sonst würde mein Hirn ob dieser Ungeheuerlichkeit noch durchdrehen. Ich befürchte auch, dass sich diese Faszination auf Dauer ein bisschen abnutzt, irgendwann sieht man wahrscheinlich auch als Nichttänzer ein, dass das irgendwie gehen muss, wenn es dauernd jemand tut, aber noch bin ich nicht soweit. Glücklicherweise. So kann ich noch ein bisschen weiter fasziniert auf die Bühne starren.

Dann setzt wieder das Orchester ein und die grotesk-groben Mannweiber bereiten sich schon mal auf den Ball vor und setzen nebenbei alles daran, Cinderella und ihren Vater zu trennen. Da wird weggetragen, in den Weg gestellt und abgelenkt und zwar immer sehr gemein. Ein fröhliches Leben hat Cinderella da nicht, das sieht man schon und außerdem weiß man das ja auch aus dem Märchen.

Dann kommt ein Bote mit einer Taube und einem roten Kleid für Cinderella und es wird ein bisschen surreal. Die Taube wird irgendwie an einer grünen Wand befestigt und an der Wand wird auch rumgetanzt. Vor allem gibt es dazu keine Musik, sondern nur ein seltsames Kratzgeräusch. Sehr lange geht das so. Vielleicht ist das der Orchesterstreik, wahrscheinlich gehört es einfach zur Inszenierung. Ich könnte das besser sagen, wenn ich die Musik kennen würde, tu ich aber nicht. Also nehmen wir dieses Zwischenspiel hin, wundern uns ein bisschen, denken „Tjo, modern halt“ und dann Vorhang, Pause.

Wir nutzen die Pause, um Programmhefte zu besorgen und ein bisschen durchs Aalto zu laufen, das Brooke von innen noch gar nicht kennt. Auf den Balkon kann man leider in dieser Jahreszeit nicht mehr, dabei ist das für mich eins der Highlights des Aaltos. Im Sommer hier zu stehen, während draußen im Stadtpark die Leute grillen, das ist toll, das ist so Ruhrgebiet, so Essen. Hochkultur und Picknick direkt nebeneinander, das geht nicht überall.

Nach der Pause sind wir jedenfalls wieder rechtzeitig im Saal und diesmal auch von der richtigen Seite. Der zweite Akt kommt ebenso modern daher, schon vom Bühnenbild. Ein großer Berg aus einer riesigen Landkarte steht da und oben drauf ein kleines Schloss. Es geht also zum Ball und wie sich das für einen Ball gehört kommen ordentlich Leute zum Tanzen, unter anderem auch Stiefmutter mit ihren Töchtern und natürlich der Prinz. Die Stieftöchter können den Prinzen leider nicht mit ihren Tanzkünsten überzeugen, und dann kommt natürlich Cinderella und kann sehr wohl überzeugen. Der Rest der Geschichte ist hinlänglich bekannt. Es wird getanzt, verliebt, es wird Mitternacht und Cinderella kann nur unter Schuhverlust schnell genug vom Schloss verschwinden.

Nachdem der Vorhang zum dritten Akt aufgegangen ist, sehen wir in eine Art Montage, wie der Prinz mit dem verlorenen Schuh einmal um die Welt reist, um die zum Schuh gehörende Frau zu finden und dabei wenig erfolgreich ist. In jedem Land eine neue Cinderella in einem hübschen roten Kleid, von denen wirklich eines hübscher ist als das andere und ich mich frage, ob man wohl mal die Garderobe plündern könnte, aber keiner passt der Schuh, trotz ausdauernden Tanzens.

Schließlich kommt er wieder bei Cinderella vorbei, aber die ist natürlich erstmal nicht da, dafür sind die beiden Stiefschwestern umso erpichter darauf, den Schuh anzuprobieren. Passt aber nicht. Die Stiefmutter probiert es auch, und überzeugt den Prinzen dabei fast, als Cinderella das ganze mitbekommt und fürchterlich beleidigt ist, weil der Prinz auf ihre Stiefmutter beinahe reingefallen wäre. Fast schon ist die Liebesgeschichte vorbei, aber sie besinnt sich dann doch noch eines Besseren und kommt zu ihrem Prinzen zurück. Es folgt ein sehr, sehr langer Pas de deux während dem Cinderella immer wieder fast den Schuh anprobiert, und dann doch nicht. Bein ausgestreckt zum Schuh hin, man denkt schon „So. Jetzt aber.“ und wieder nichts. Es ist zum verrückt werden. Ich bin kurz davor „JETZT ZIEH HALT DEN VERDAMMTEN SCHUH ENDLICH AN!“ zu rufen, ich vermute aber, das kommt nicht so gut. Wahrscheinlich ist das richtig, dass sich das so lang hinzieht, es macht mich nur etwas nervös.

Dann aber: Schuh an, der Prinz hat Gewissheit, jetzt schneit es noch ein bisschen auf die Möbel, das ist wirklich sehr hübsch, ich mag sowas. Der Prinz und Cinderella dürfen sich ins Happy End tanzen, Vorhang, aus, Applaus. Viel Applaus. Sehr viel Applaus. Ist immerhin ja auch Premiere. Alle Tänzer verbeugen sich, dann kommen noch Choreografen, Dirigenten, und was weiß ich noch auf die Bühne und dürfen sich verbeugen und es wird applaudiert und gejubelt und dann ist vorbei.

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Mein erstes Ballett. Es hätte etwas klassischer sein können, einfach, um überhaupt erstmal damit warm zu werden, aber so war es auch sehr gut. Zwischendurch versuchen Brooke und ich uns zu erklären, was das jetzt schon wieder soll und warum zum Beispiel Männer Frauenrollen spielen. Ich mache ein paar Erklärungsversuche, die ich aber mit „… but I’m just making wild assumptions here“ ins richtige Verhältnis rücke. Trotzdem: Schön war’s. Ich mag das. Das ist ja auch eine Feststellung, dass man gerne Leuten zuguckt, die sich auf der Bühne in interessanten Kostümen zu schöner Musik bewegen. Das weiß man ja auch nicht, bis man es einmal gemacht hat.

Aber von dem Spitzentanz, da hätte es etwas mehr sein können. Es war so unheimlich faszinierend. Danke, Inkanina, für die Karten! Jetzt müssen wir nur noch zusehen, dass du die auch wieder zurückbekommst, aber das kriegen wir auch noch hin.

Cinderella läuft noch bis Anfang Februar im Aalto in Essen und es gibt auch für die meisten Aufführungen noch Karten. Mehr Informationen und Bilder gibt es hier.

Lieblingstweets im November (Teil 1)

DISTELN! HIRSCH AUF PREISELBEEREN! EINHORNKASCHMIR! ERDMÄNNCHEN! DÖNER!

Für die folgenden Tweets gibt es dann noch etwas Extraliebe:

Kleine Anleitung für Konzertbesucher

Liebe Konzertbesucher und solche, die es werden wollen!

Auf Konzerte gehen ist eigentlich ganz einfach. Meistens muss man sich nur eine Karte besorgen (das geht mittlerweile beispielsweise im Internet, man muss dann fast gar nichts mehr tun), und zur richtigen Zeit am richtigen Ort auftauchen. Das andere machen alles andere Leute für einen. Es gibt Leute, die einen reinlassen, Leute, die einem den Mantel aufhängen, Leute, die die Instrumente aufgebaut und verkabelt haben, Leute, die das Lichtgedöns machen, Leute, die das Tongedöns machen. Es gibt Leute, die vorher ein bisschen Musik machen (in Fachkreisen nennt man das „Vorgruppe“ oder „Support“) und dann die Leute, wegen denen man gekommen ist. Meistens haben sie noch andere Leute mitgebracht, die die Instrumente spielen, die da noch so auf der Bühne rumstehen.

Es ist also wirklich ganz einfach. Man muss quasi nichts können für so einen Konzertbesuch, man muss nur hingehen, rumstehen oder rumsitzen und atmen. Wenn man will, kann man auch klatschen, jubeln und mitsingen, es ist davon auszugehen, dass das im Zweifelsfall aber auch die anderen Konzertbesucher in ausreichendem Maße für einen übernehmen. Optional kann man Bier trinken und Laugenbrezeln essen, muss man aber nicht. Insgesamt sind das alles Fähigkeiten, die man als normal intelligenter Mensch durchaus im Repertoire haben sollte.

Was auch noch hilft: Generell nett zu den anderen Menschen um einen herum sein, und die normalen Regeln der Rücksichtnahme befolgen. Dann ist eigentlich alles super.

Aber.

Wenn das alles so einfach wäre, dann müsste ich diesen Artikel nicht schreiben. Ich war aber gestern Abend auf einem Konzert. Da werde ich später noch drüber berichten, ich habe Nick Cave in der Philips Halle (die jetzt den völlig bescheuerten Namen Mitsubishi Electric HALLE trägt) in Düsseldorf gesehen, es war sehr schön, wobei schön bei Nick Cave nicht ganz das passende Wort ist. Aber lassen wir es dabei, es war sehr schön, und Details folgen ja sowieso später, das hab ich ja schon gesagt.

Jedenfalls war ich da auf diesem Konzert, und musste feststellen, dass die einfachen Regeln für Konzertbesuche offensichtlich doch nicht allen Anwesenden bekannt waren. Das ist schade, aber man kann ja Abhilfe schaffen. Es folgen also ein paar einfache und verständliche Hinweise, wie man sich auf einem Konzert verhalten sollte und vor allem: Wie besser nicht.

 

1. Ein Konzert ist kein Kaffeekränzchen

Für manche Menschen stellt sich auf so einem Konzert vollkommen überraschend heraus, dass man sich auf Konzerten gar nicht ungestört unterhalten kann, weil oben auf der Bühne diese Leute stehen, die Musik machen. Weil diese Menschen über eine ungeheure Flexibilität verfügen, unterhalten sie sich dann trotzdem.

Hier nun ein hilfreicher Hinweis: Wenn Sie sich mit alten Freunden zum Quatschen treffen wollen, ist ein Konzert möglicherweise nicht der beste Ort, um dies zu tun. Auch nicht, wenn Sie den musizierenden Künstler beide total geil finden. Das hat zwei Gründe: Erstens stört die Musik Sie bei der Aufarbeitung der Erlebnisse der letzten paar Monate, die Sie sich nicht gesehen haben. Zweitens stören Sie ungefähr alle Menschen, die um Sie herumstehen und eigentlich gekommen sind, um dem Künstler zuzuhören. Ich weiß: Abgefahren! Die anderen Menschen sind gar nicht zum Quatschen da! Wer hätte das gedacht?

Sollten Sie einmal angesprochen und gebeten werden, die Quatscherei einzustellen, so empfiehlt es sich, diesem Ratschlag Folge zu leisten. Vielleicht war Ihnen ja wirklich nicht bewusst, dass Sie so laut geredet haben. Wie man nicht reagieren sollte: Beleidigt sein. Behaupten, dass das ja wohl nicht so schlimm wäre. Dem Intervenierenden unterstellen, er wäre ein humorloser Spießer.

Sollten Sie zum zweiten Mal angesprochen und gebeten werden, die Quatscherei doch jetzt wirklich mal einzustellen, und zwar von einer völlig anderen Person aus einer völlig anderen Richtung, so ist es wirklich dringend erforderlich, kurz in sich zu gehen und sowohl die eigene Wirkung auf seine Mitmenschen als auch die Motivationsgründe für diesen Konzertbesuch zu hinterfragen. Es ist nun also an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen und Entscheidungen zu treffen.

Entscheiden Sie sich für das Konzert, so bleiben Sie einfach, wo Sie sind, beschränken die Quatscherei aber sowohl, was Lautstärke als auch Häufigkeit angeht auf ein für Ihre Umwelt erträgliches Maß. Das bedeutet, möglichst wenig möglichst leise zu sagen. Am besten in den Momenten, wenn gerade alle applaudieren.

Entscheiden Sie sich für den Informationsaustausch, so entfernen Sie sich rasch aus der Menge, ziehen sich an den Rand des Konzertsaales zurück und halten sich von Ihren Mitmenschen fern. Alternativ verlassen Sie den Konzertsaal, gehen nach Hause, öffnen eine Flasche Wein oder alternativ zwei Bier und legen einfach eine Platte des Künstlers auf, der gerade noch auf der Bühne stand. Vorteile für Sie: Sie haben die Musik, können sich aber ungestört unterhalten. Außerdem ist das Bier günstiger. Vorteile für alle anderen: Sie können der Musik jetzt ungestört zuhören und müssen sich nicht über die quatschenden Volltrottel ärgern.

Noch ein kleiner Hinweis aus aktuellem Anlass: Es ist sehr, sehr peinlich, wenn man sich als vermeintlicher Nick-Cave-Kenner aufspielt und dann nach „Stagger Lee“ einen anderen Konzertbesucher fragt, ob das jetzt von der neuen Platte wäre.

 

2a. Dein Handyphoto wird nicht besser, wenn du es zehn Mal machst.

Ich habe kein Problem damit, wenn Leute auf Konzerten fotografieren oder filmen. Ich mache das selber. Schon allein, weil ich normalerweise über das Konzert schreibe und da gerne Bilder habe, um den langen Artikel optisch etwas aufzulockern.

Aber.

Handykameras sind für Konzertfotografie eher so mittel geeignet. Man kann das machen, ich mache das auch, aber man braucht jetzt nicht zu hoffen, dass da nachher superscharfe tolle Bilder bei rauskommen. Werden sie nicht. Auch nicht, wenn man es zehn Mal versucht. Auch nicht, wenn man minutenlang die Kamera hochhält und verzweifelt rein- und rauszoomt, den Fokus verschiebt und mit jeder denkbaren Einstellung versucht, mehr aus der Kamera rauszubekommen als je drin sein könnte. Finden Sie sich damit ab. Wenn Sie nicht bereit sind, sich damit abzufinden, kaufen Sie sich halt eine teure DSLR mit nem geilen Objektiv, kommen drei Stunden früher und sehen zu, dass Sie ganz, ganz vorne einen Platz bekommen. Dann wird das vielleicht auch was mit dem Bild.

Solange Sie keine teure DSLR mit nem geilen Objektiv haben und direkt vorne stehen, holen Sie halt Ihr Smartphone raus, halten Sie es kurz hoch, machen das Bild und rechnen damit, dass es vielleicht unscharf ist. Die Kamera, die Sie sonst nämlich minutenlang in die Höhe strecken, ist genau im Blickfeld Ihres Hintermannes oder Ihrer Hinterfrau. Die können dann genau das, was Sie gerade so toll finden, dass Sie es unbedingt für die Nachwelt festhalten wollen, nicht sehen. Gar nicht. Und wenn Sie zehn Mal hintereinander versuchen, ein geiles Bild zu machen, dann können die hinter Ihnen zehn Mal so lange nichts sehen.

 

2b. Blitz ist Mist!

Fotografieren mit Blitz ist Mist. Generell. Fast immer. Bei Handykameras sowieso. Nicht mit Blitz fotografieren. Erstens werden die Fotos noch schlechter, als sie es ohne Blitz ohnehin schon wären und zweitens nervt es alle um einen rum.

Noch dümmer ist übrigens, es fünf Mal hintereinander nicht zu schaffen, ein bekifftes Konzert-Selfie zu machen. Mit Blitz. Das hat so viele Ebenen der Dummheit, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, aber ich versuch’s mal:

1. Ein Selfie? Auf einem Konzert? Ich meine: ECHT JETZT? Meint ihr das ernst?

2. Ein Selfie mit Blitz? Wisst ihr eigentlich, wie bescheuert das aussieht? Die Ausleuchtung ist beschissen und im Zweifelsfall seht ihr dann auch den ganzen Siff, der sich mittlerweile auf dem Boden gesammelt hat.

3. EIN SELFIE MIT BLITZ? FÜNF MAL HINTEREINANDER? WÄHREND AUF DER BÜHNE MUSIK GESPIELT WIRD?

3b. Wie verpeilt muss man eigentlich sein, es nicht hinzukriegen, ein vernünftiges Bild von sich zu machen?

4. Beim nächsten Mal mach ich euch Hasenohren. Jedes Mal. Bis einer weint.

 

3. Diese weichen warmen Dinger um einen rum, das sind andere Menschen.

Das um einen herum auf so einem Konzert, das sind keine weichen warmen Blobs zum Anlehnen und Sachen abstellen, das sind andere Leute. Die haben Geld dafür bezahlt, um das da oben auf der Bühne sehen und hören zu können. Anrempeln ist uncool. Mehrfaches Anrempeln ist uncooler. Sich vordrängeln und genau vor einen Menschen zu stellen, der nachweislich und offensichtlich kleiner ist als man selbst, ist auch uncool.

Meine Toleranzgrenze ist da erstaunlich hoch. Ich bin so mehr oder weniger normal groß, es ist also nicht unwahrscheinlich, dass jemand größer ist als ich und ich glaube auch, dass es im Gedränge durchaus passieren kann, dass man nicht mitbekommt, dass man gerade jemandem im Weg steht, der bis eben noch gut auf die Bühne sehen konnte. Man kann sich aber bemühen. Ich bin sicher, dass das geht. Auch auf Konzerten.

 

4. Ein Extrahinweis für nervöse Raucher.

Es gibt mittlerweile in Deutschland sowas wie Gesetze zum Nichtraucherschutz. Die gelten zum Beispiel auch in der Mitsubishi Electric HALLE, das kann man sogar hier nachlesen. Ich bin mir immer nicht so sicher, ob ihr, als nervöse Raucher, zu dumm oder zu rücksichtslos seid, sich an diese Regeln zu halten, eins von beiden muss es ja sein. Sensible Nichtrauchernasen wie meine riechen übrigens auf mehrere Meter Entfernung, dass da ein nervöser Raucher offensichtlich mental nicht in der Lage ist, zwei Stunden auf seine Zigarette zu verzichten. Ich muss das gar nicht sehen, ich rieche das. Und zwar auch, wenn ihr nicht direkt neben mir steht. Letzte Woche schrieb ich noch begeistert auf, wie schön das ist, dass man mittlerweile nach Konzertbesuchen nicht mehr sämtliche Klamotten in die Wäsche schmeißen muss.

Es ist mir übrigens vollkommen wumpe, ob euer nostalgiegeprägtes Alt-68er-Rockkonzertfeeling durch das intolerante Rauchverbot beeinträchtigt wird. Dann geht halt auf Open-Air-Konzerte und Festivals, wenn ihr auf eure Zigarette nicht verzichten könnt. Oder haltet halt mal zweieinhalb Stündchen ohne Zigarette aus. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ihr das könnt. Ich glaube an euch. Und an das Gute im Menschen und sowas halt.

 

Unter Beachtung dieser simplen Regeln ist es quasi lächerlich einfach, ein Konzertbesucher zu werden, der seinen Mitkonzertbesuchern weder durch offensichtliche Dummheit noch durch vermeidbare Rücksichtslosigkeit negativ auffällt.

Schönere Konzertbesuche für alle! Gemeinsam schaffen wir das!

Schöner Suchen, Teil 8

Ein weiteres Mal versuche ich, die Anfragen, mit denen Menschen auf meinem Blog landeten, möglichst hilfreich zu beantworten und wie immer scheitere ich dabei kläglich.

wir gehen jede sache profesioneell ann

Alles außer Rechtschreibung, vermute ich.

klischee software aus amerika, die alles kann

Software, die alles kann, gibt es nicht und das ist auch gut so. Das steht zum Beispiel sehr schön in „Computers as Theatre“ von Brenda Laurel [Werbelink zum Buch], da geht es darum, dass es gar nicht förderlich für die Kreativität ist, wenn man mit einer Software alles machen kann und es vielmehr so ist, dass Limitationen gut sind, damit sich Kreativität entfalten kann. So ungefähr oder so ähnlich. Oder gibt es Software für Klischees, die alle Klischees drauf hat? Klischeegeneratorsoftware? Ich verstehe das Problem wohl nicht so gut.

eine tüte urlaub

Ich nähme sogar zwei.

wie weit komme ich mit dem fahrrad in einer halben stunde

Bergauf? Bergab? In der Stadt? Auf dem Land? Mit welcher Kondition? Mit welchem Rad? Grob würde ich sagen, also je nach dem, ein paar Kilometer sollte man schon kommen. Ich schaff in der Zeit ja zu Fuß schon zwischen zwei und drei Kilometern. So ist mir die Frage aber zu schwammig formuliert.

wo verschwinden sänger nach unten in der oper

Die verschwinden nach unten. Da ist bestimmt was, die sind nicht weg und auf immer verschwunden. Das Orchester sitzt ja auch im Orchestergraben unter der Bühne, also wird da auch noch ein bisschen Platz für die Sänger sein.

ich bin ein guter mensch ich war auch schon zu arschlöchern freundlich

Ich begegne grummeligen Menschen ja gerne mit ganz viel Freundlichkeit, und überfordere sie so kurzfristig. Manchmal werden sie dann auf einmal selber freundlich, es ist ganz erstaunlich. Manchmal geht das aber auch nicht, dann bin ich auch unfreundlich. Das ist okay, glaube ich.

nessy kann auch anders

Frau Nessy, was sagen Sie denn dazu?

einmal die woche reiten werde nicht besser

Geht’s um den Fortschritt oder macht es auch keinen Spaß? Wenn etwas langfristig keinen Spaß macht, würde ich es lassen. Wenn man nur nicht so dolle weiterkommt, man aber trotzdem Spaß dabei hat, finde ich das nicht schlimm. Man muss ja nicht immer überall alles super können. (Ich konnte das ja auch nicht.)

lustige sprueche fuer enkel goldene hochzeit großeltern kostenlos

Nee. Lassen Sie das. Echt jetzt. Niemand will das.

was kostet ein liter blut

Da ich gerade wieder „Buffy“ komplett durchgucke, habe ich da gleich ganz komische Assoziationen, die wahrscheinlich völlig unpassend sind. Abgesehen davon weiß ich es nicht und ich weiß auch nicht, ob es da eine klare Antwort gibt. Mich kostet ein Liter Blut zwei Mal zum Blutspendedienst gehen, so viel auf einmal dürfen die nämlich gar nicht abzapfen. Wieviel das dann im Weiterverkauf gibt, interessiert mich nicht. Ich kriege dafür etwas zu Essen, No-Name-Cola zum Aufpäppeln des Kreislaufs und eine Tafel Schokolade und mehr will ich gar nicht.

Deutschland, deine Bahnhöfe: Wuppertal-Vohwinkel

Pro: Der beste Umsteigebahnhof, rein zeitlich, wenn man von Essen nach Opladen will. Das ist aber vielleicht nur interessant für Leute aus Essen, deren Eltern in Opladen wohnen. Oder umgekehrt. Wie alles auf der Strecke viel Grün drumherum, fast beängstigend, aber ohne Frage nett. Außerdem überall Ausblick und eine Bahnhofshalle, die irgendwann mal wunderschön gewesen sein muss (jetzt allerdings nicht mehr). Packstation! Proberaum! „Elke s Second-Hand Stübchen“ [sic]! Außerdem ist der Bahnhof schrecklich fotogen. Obwohl er gar nicht so wirklich hübsch ist. Aber vielleicht gerade deswegen. Furchbar fotogen jedenfalls. Und mit Hausnummer. Total gut.

Contra: Wuppertal-Vohwinkel. Ich meine, echt jetzt. Wuppertal-Vohwinkel. Irgendwann hing ich mal in Wuppertal-Vohwinkel fest, ich hab aber schon vergessen, warum. Es fuhr jedenfalls nichts mehr und wenn man irgendwo nicht festhängen will, dann in Wuppertal-Vohwinkel. In Wuppertal-Vohwinkel ist es kalt und windig, man kann maximal einen Kaffee im Bahnhofskiosk trinken, damit es einem nicht mehr ganz so kalt ist, aber auch nur, wenn man noch Bargeld hat. Und überhaupt. Wuppertal-Vohwinkel.

Geheimtipps: Hoffentlich ist „Elke s Second-Hand Stübchen“ [sic] ein ganz großes Ding. Etwas anderes fällt mir nämlich jetzt nicht ein.  

Besser nicht: Im Winter hier festhängen. Dann ist es nämlich kalt und man muss die Eltern anrufen, damit sie nach Wuppertal-Vohwinkel kommen, um einen mit dem Auto hier abzuholen. Hab ich schon mal erzählt, dass meine Eltern kein Navi haben? Nein? Erwähnte ich, dass man nicht im Winter hier festhängen sollte? Klingt das hier so, als ob ich da aus sehr persönlichen Erfahrungen sprechen würde?

Die Tour: Aus der S9 ausgestiegen, ein bisschen auf den S-Bahnsteigen rumgelungert, dann runter in die Bahnhofshalle, rumgestaunt, ein bisschen vor die Tür, von der Sonne geblendet worden, schnell wieder rein, zu Gleis 2, da noch ein bisschen rumgelungert, zwischendurch mit der Schwiegermutter telefoniert und dann in die RB48 Richtung Opladen gestiegen.

Schild

Ausblick

Noch 'n Ausblick

Haus

Grafitti

Mehr Ausblick

Anderes Haus

Ampel

Packstation

Proberaum

Uhr

Elke

Bahnhofshalle

Außen

Hausnummer

Draußen

Elke

Andere Gleise

Kacheln

Zum Bahnsteig

Gleis 2

Uhr

Treppe

Geländer

Aussicht

Noch ein paar Dinge über mich, die niemand wirklich wissen wollte

1. Meine Liebe zu hübschen Zahlenreihen und ordentlichen Papierstapeln setzt lustigerweise beim Einstellen der Weckzeit komplett aus. Ich finde es auf höchste Weise unlogisch, sich um beispielsweise Punkt 7:30 Uhr wecken zu lassen, da Zeit ja ohnehin sehr willkürlich ist und man morgens sowieso so müde ist, dass es auf die Minute jetzt auch nicht ankommt. Ich weigere mich schlicht, bei dieser scheinbaren Logik mitzumachen. Wenn man mich bittet, den Wecker auf Viertel vor acht zu stellen, dann würde ich vielleicht 7:41 Uhr einstellen oder 7:47, aber AUF GAR KEINEN FALL 7:45 Uhr.

Ein Ausschnitt aus meiner Weckzeitliste im iPhone sieht dementsprechend so aus:

Foto

2. Dafür betätige ich die Snooze-Funktion immer mindestens drei Mal. Gerne öfter. Aufstehen ist nicht so meins. Ich stelle auch gerne zwei Weckzeiten ein, für den Fall, dass ich irgendwann aus Versehen nicht die Snooze-Funktion erwische, sondern den Wecker einfach ausstelle und dann weiterschlafe. Und es ist nicht so, als ob das nicht schon passiert wäre.

3. Ich bin allerdings mehr oder weniger sofort wach, wenn ich einmal in der Vertikalen bin. Das Problem ist nicht so sehr, dass ich morgens zu müde wäre, sondern, dass ich es im Bett einfach deutlich zu gemütlich finde.

4. Ich kann sehr gut schlafen. Ich habe schon auf Partys und Hochzeiten geschlafen, während neben mir Leute getanzt haben. Das ist leider keine Kernkompetenz, die häufig abgefragt wird.

5. Ich schlafe meistens innerhalb von fünf Minuten ein. Das weiß ich, seit ich zum Einschlafen regelmäßig Folgen der Drei ??? höre und da dann am nächsten Morgen halbwegs nachvollziehen kann, was das letzte ist, an das ich mich erinnere. Ich hatte auch mal so ein Armbanddingsi, das meinen Schlafrhythmus gemessen und diese Vermutung bestätigt hat. Ich bin halt einfach echt gut im Schlafen.

Amanda Palmer im Gloria in Köln

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Wie ich dazu kam, Konzertkarten für Amanda Palmer zu kaufen, das kann man in aller Ausführlichkeit hier nachlesen. Nach dem 15-Minuten-Konzert vor einem Jahr in Köln wusste ich, dass ich das mal in länger sehen wollen würde und letzten Freitag war es soweit. Amanda Palmer im Gloria in Köln. Der Gatte vergnügt sich allerdings derzeit in Rio de Janeiro, deswegen konnte ich das zweite Ticket abgeben, was sich relativ einfach gestaltete, schon allein, weil das Konzert ausverkauft war und ich auch drei Tickets locker losgeworden wäre.

(Für alle, die das nächste Mal keine Karten bekommen: Wenn ihr in der Nähe wohnt, im Zweifelsfall mal vorm Konzert vorbeischauen, eventuell hat man Glück und jemand versucht noch kurz vorher, Karten loszuwerden. Wie die preislich gehandelt werden, kann ich aber nicht sagen.)

So oder so ist die Schlange lang, als ich mit Sandra und Alexandra deutlich vor Konzertbeginn am Gloria auftauchen. Wir stellen uns in den Regen und warten, bis wir reingelassen werden und dann geht es immerhin recht fix.

Als wir in den Konzertsaal kommen, spielen dort Perhaps Contraption, eine Punkmarschband aus Großbritannien mit lauter Blasbläsern, ein paar Holzbläsern, Xylophon, Trommeln und Gesang aus dem Megaphon, alle gekleidet in purpur und gelb, alles ganz großartig und vor allem gar nicht auf der Bühne, sondern mitten im Zuschauerraum. Ich bin quasi jetzt schon begeistert.

Band

Nachdem Perhaps Contraction fertig sind, kommt die eigentliche Vorgruppe. Oder die zweite Vorgruppe. Jedenfalls noch eine Vorgruppe. Es sind Die Roten Punkte, ein australisches Duo à la White Stripes, Astrid Rot am Schlagzeug und Otto Rot an der Gitarre, nur halt mit Comedy dazwischen. Klingt seltsam, funktioniert aber erstaunlicherweise. Eigentlich heißen sie natürlich anders, aber das ist ja irrelevant. Das Publikum, inlusive mir, findet’s super. Generell und dann erst recht, als für „Ich bin nicht ein Roboter. I am a Lion!“ Amanda Palmer mit auf die Bühne kommt, um die Zweier-Kuhglocke zu spielen.

Die Roten Punkte

Jetzt geht es aber immer noch nicht los, jetzt kommt erst mal Jherek Bischoff, der in Amandas Band Bassist ist. Hier spielt er aber erst Gitarre und dann Ukulele und das teilweise so abgefahren, dass ich mit offenem Mund dastehe und auf die Bühne starre. Dann holt er Perhaps Contraption wieder auf die Bühne und spielt mit ihnen ein ganz entzückendes Lied namens „Eyes“ und macht, dass ich jetzt schon total glücklich und zufrieden bin, obwohl das Konzert noch überhaupt gar nicht angefangen hat. Das ist alles so schön und wundervoll, es ist ein einziger großer Hach-Moment mit Ausrufezeichen.

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Jetzt aber. Ein kurzes Intermezzo von Perhaps Contraption im Zuschauerraum und dann kommt Amanda Palmer und ihr Grand Theft Orchestra und es kann endlich richtig losgehen. Und losgehen tut’s, direkt mit „Do It With a Rock Star“. Das kenne ich sogar, obwohl ich im Amanda-Palmer-Gesamtwerk gar nicht so firm bin. Schon beim nächsten Lied passiert das, womit bei einem Konzert von Amanda Palmer immer rechnen muss. Sie springt ins Publikum und macht einfach weiter, die Leute machen ein bisschen Platz, und auf einmal wirbelt Amanda Palmer an einem vorbei.

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Das macht sie beim Cover von „Smells Like Teen Spirit“ einfach gleich noch mal, bei „Missed Me“, einem Song aus Dresden-Dolls-Zeiten geht das aber nicht, da muss sie Klavier spielen, und passend zum Weill/Brecht-Stil steht da auch nicht KURZWEIL auf dem Stage Piano, sondern KURTWEILL. Ein Konzert von Amanda Palmer ist wild und laut, es ist intim und sehr körperlich, und das sind genau die Dinge, vor denen ich ein bisschen Angst hatte, weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehen würde, wenn ich wirklich mittendrin bin. Es ist aber alles ganz toll und mitreißend und überhaupt nicht beängstigend. Erwähnte ich, dass es toll ist?

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Nach einem lauten Einstieg wird es aber jetzt ruhig. Amanda spielt Lou Reeds „Walk on the Wild Side“ und es ist sehr herzergreifend, vor allem, wenn man weiß, dass sie Lou Reed kannte. Das Publikum darf beim Refrain mitsingen und der Song endet auf einem mehrstimmigen A-Cappella-Gesang. Keine Ahnung, wie wir das hinbekommen haben, keine Ahnung, ob das tatsächlich irgendwie harmonisch ist, für mich klingt es so, das ist wunderbar, sowas möchte ich jetzt den ganzen Abend haben, bitte. (Es gibt hier ein YouTube-Video, da ist aber leider die Soundqualität nicht besonders gut.)

Erstmal geht es wieder laut weiter, und weil Amanda einige Zeit in Deutschland verbracht hat und ziemlich gut Deutsch spricht, ist es üblich, dass sie auf deutschen Konzerten irgendwas auf deutsch covert. Man kann sich das prima auf YouTube angucken, „Seeräuber Jenny“ hat sie schon gespielt und „Eisbär“ von Grauzone. Wir kriegen passend zur Bühnendekoration „99 Luftballons“ und dürfen aus voller Inbrunst mitsingen.

Bei „Bottomfeeder“ schmeißt sich Amanda dann von der Bühne ins Publikum und lässt sich von uns singend durch den Raum tragen, etwas, das ich auch noch nie gemacht habe, weil ich sonst ja eher zu Konzerten gehe, wo die Künstler brav auf ihrer Bühne bleiben. Manchmal gibt es sogar Sitzplätze fürs Publikum. Aber das hier ist ja was anderes, hier muss ich auf einmal die Hände hoch nehmen und Amanda Palmer weiter durchgeben und hinter ihr spannt sich ein riesiges Tülllaken über das Publikum, während an der Decke Lichter funkeln, wie großartig ist das denn bitte? Mal abgesehen davon, dass „Bottomfeeder“ ein ganz toller Song ist.

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Für ihren Solopart nimmt Amanda Palmer Requests entgegen und spielt erst „Runs in the Family“, weil das gewünscht wurde und dann „The Bed Song“, obwohl das nicht gewünscht wurde, because fuck you. Und nachdem sie den Song mit Tränen in den Augen beendet hatte, dürfen wir wählen, ob wir jetzt wieder glücklicher sein wollen oder ob sie uns „deeper into depression“ führen soll, und da warnt sie uns schon mal: „I’m gonna fuck you up.“ Das Publikum wählt mehrheitlich die Depression und Amanda spielt nur mit ihrer Ukulele einen Song, den sie geschrieben hat, um sich irgendwie aus ihrer eigenen Depression rauszuwühlen, um uns direkt nach mit „Map of Tasmania“ doch noch schnell wieder zurückzuholen, damit wir nicht alle weinend nach Hause müssen.

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Dann kommt die Band wieder, es geht wieder etwas lauter weiter und zum Schluss sind wieder alle auf der Bühne, Amanda und ihre Band, Perhaps Contraption und Die Roten Punkte und spielen, singen und tanzen zu „Leeds United“. Möglicherweise wiederhole ich mich, aber es ist wirklich alles ganz wunderbar.

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Zwei Zugaben gibt es, und ganz zuletzt spielt Amanda ihre Ukulele Anthem und dann dauert es gefühlt zwei Stunden, bis ich endlich meinen Mantel abholen kann und durch den Regen durch Köln zur U-Bahn trotten kann, noch ganz high und hyperaktiv von den letzten drei Stunden. Ich kann das wirklich nur jedem empfehlen und das meine ich ernst. Die Tickets fürs nächste Konzert sind quasi schon gekauft, zumindest in Gedanken. Amanda Fucking Palmer, wie sie sich selber nennt, ist eben eine fucking force of nature. Aber eine sehr sympathische und mitreißende, die man sich unbedingt mal live angucken sollte, und die nach dem Konzert noch sehr lange im Cafébereich des Gloria sitzt und Autogramme gibt.

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(Übrigens habe ich wieder feststellen dürfen, dass es diese Menschen aus dem Internet wirklich gibt. Als ich mich einmal umgucke, steht da Jens Scholz direkt hinter mir, irgendwann fragt mich jemand neben mir, ob ich nicht Anne Schüßler sei, und das ist Marcel alias Marzelpan. Er erzählt mir kurz vor dem Konzert, dass er Amanda Palmer eigentlich nur von ihrem TED-Talk kennt und sich das jetzt auch mal angucken wollte.)