Lieblingstweets im Oktober (Teil 2)

GELBE IKEA-TASCHEN! POKÉMON-KARTEN! EIN HOTEL UND VIER BAHNHÖFE! BELEUCHTUNGSKONZEPTE! UND DIE FITNESSTRACKER DER HÖCHSTBIETENDEN!

Arbeitsmaterial zu Übung 1

Das, was ich damals zu Übung 1 schrieb, hat jemand anders schon mal deutlich eloquenter und schöner formuliert, nämlich David Foster Wallace auf einer Abschlussrede. Die Rede ist unter dem Titel „This Is Water“ bekannt und auch veröffentlicht [Amazon-Werbelink].

Ein Auszug daraus wurde zu einem schönen Kurzfilm gemacht. Das kann man schön gucken, auch mehrfach, immer dann, wenn man sich mal wieder neu im Gesamtgefüge dieser Welt einordnen will.

This is Water from Patrick Buckley on Vimeo.

Was ist eigentlich dieses Scrum?

In meinem anderen Leben als erwerbstätige Person mache ich ja was mit Software. Früher habe ich programmiert, heute sage ich anderen Menschen, was sie programmieren sollen. In ersterem Zusammenhang habe ich auch schon das mit dieser agilen Entwicklung gemacht. Ein anderes Buzzword in diesem Zusammenhang ist Scrum, das hat man vielleicht schon mal gehört, denn es wird gerne ganz Buzzwordmäßig in den Raum geworfen, und in den meisten Fällen, das ist jedenfalls meine Erfahrung, wissen die Leute nicht, wovon sie reden.

Ich habe mit Daniel Meßner darüber geredet, was agile Softwareentwicklung ist und wie Scrum funktioniert. Herausgekommen ist eine Folge für seinen Podcast „Coding History“. Und zum Hören geht’s hier entlang.

Drei Momentaufnahmen, Herbst 2015 in Deutschland

1

Auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause überhole ich zu Fuß eine Familie, Vater, Mutter, eine kleine Tochter. Die Familie, das sieht man, hat irgendeinen Migrationshintergrund, was genau, vermag ich nicht zu sagen, aber woher sollte ich das auch wissen. Ob jemand aus der Türkei, aus Syrien oder dem Iran kommt, kann ich genauso wenig sehen wie ob jemand aus Frankreich, Holland oder Deutschland kommt.

Ein paar hundert Meter weiter komme ich an dem Flüchtlingszeltdorf vorbei. Große weiße Zelte, natürlich nicht aus Stoff, die Wände sind aus einer Art Metall, das ist schon alles sehr stabil. Vor ein paar Wochen war hier die Zufahrt zur Straße gesperrt, weil die Straße aufgerissen wurde, warum, weiß ich nicht, vielleicht musste Strom gelegt werden oder Wasser oder etwas ganz anderes, aber ich kenne mich da ja auch nicht aus. Bevor wir in Urlaub fuhren, das war Ende August, wohnte hier noch niemand.

Jetzt wohnen hier Menschen. Das merke ich auch nur, weil ich keine Kopfhörer im Ohr habe und den Menschenlärm hinter dem Zaun höre. Ein Drahtzaun zwar, aber sichtgeschützt durch viele Pflanzen, Bäume und Büsche, die davor wachsen. An den Stellen, wo man durchgucken kann, sehe ich jemanden sitzen, draußen hinter den Zelten. Hier wohnen jetzt Menschen.

Aus reiner Neugier suche ich den Eingang. Filmen und fotografieren ist ohne Erlaubnis von der Stadt verboten, betreten auch, ich komme nur bis kurz vor den Eingang, dann bin ich viel zu eingeschüchtert und außerdem weiß ich ja gar nicht, was ich hier eigentlich will, außer vielleicht das, was hier gerade passiert, nur ein paar hundert Meter von meiner Wohnung weg, mitten in der Stadt, etwas besser begreifen. Irgendwie zu fassen kriegen, was es bedeuten könnte. Aber ich habe keine Erlaubnis von der Stadt und auch sonst hier nichts zu suchen, also drehe ich wieder um und gehe zurück.

Auf dem kleinen Weg zwischen Flüchtlingsdorf und Straße kommt mir eine Familie entgegen, Vater, Mutter, eine kleine Tochter. Die gleiche Familie, die ich eben überholt habe. Die wohnen nicht nebenan in einer der Mehrfamilienhäuser mit Balkon und gemeinsamer Wiese. Die wohnen hier.

2

Auf dem Weg von der Straßenbahnhaltestelle nach Hause nehme ich einen Umweg und laufe am Flüchtlingszeltdorf vorbei. Es ist schon dunkel. Auf dem Weg begegne ich zwei Männern, beide haben ein Telefon am Ohr und reden in einer Sprache, die ich nicht verstehe, die ich noch nicht mal kenne. Was spricht man in Syrien? Arabisch? Syrisch? Gibt es Syrisch? Aber vielleicht sind es ja auch gar keine Syrer, was weiß ich schon?

Weiter vorne, direkt da, wo die Zufahrt zum Flüchtlingsdorf ist, steht eine Gruppe Männer, unterhält sich und lacht. Als ich daran vorbeilaufe sehe ich: Das sind Deutsche, die sich hier nur treffen, um gleich in der Turnhalle Sport zu treiben. Die Turnhalle ist genau neben dem Flüchtlingsdorf, warum wurde da eigentlich keiner untergebracht? Statt dessen Zelte aus Metall und Stoff auf dem Sportplatz daneben. Es wird vermutlich gute Gründe gegeben haben.

3

Ich sitze am ICE-Gleis am Bahnhof in Köln-Deutz und warte auf meinen Zug. Es ist Freitag, endlich Wochenende. Jetzt nach Hause, Junkfood kaufen und dann aufs Sofa. Dann fährt der Zug ein, etwas früh, denke ich, und es ist auch gar nicht mein Zug, sondern ein alter Intercity, einer von denen, wo man die Fenster noch öffnen kann. Der Zug wird langsamer, ich kann sehen, wer in den Abteilen sitzt und merke: Das ist ein Flüchtlingszug.

Am Bahnhof kommt der Zug zum Stehen, die Türen gehen nicht auf, aber dafür sieht mich eine Frau und schiebt das Fenster runter. Ich denke, dass sie mich vielleicht etwas fragen will und gehe zum Fenster, sie hält mir ein Handy aus dem Zug mit dem Bild einer Adresse in Mainz. „My brother“, sagt sie und deutet auf die Adresse. „Where is Mainz?“ „About two hours from here“, sage ich. „But south. Where you came from.“ Ich weiß nicht, ob sie mich versteht. Ein junger Mann kommt hinzu. „Dortmund“, sagt er. „How far?“ „About one hour“, sage ich. „One and a half maybe.“ „This is…?“ „This is Cologne, you are in Cologne.“

Die Frau deutet wieder auf ihr Telefon. Ich versuche, ihr zu erklären, wo Mainz ist, zwei Stunden von hier, aber nach Süden, da wo sie gerade herkommen („Where do you come from? Frankfurt? Munich?“ „Munich.“), vielleicht sind sie sogar über Mainz gefahren, aber das sage ich nicht, zu kompliziert und vielleicht auch zu frustrierend. Wie erklärt man jemandem, wo Mainz ist?

Ich versuche, die Karten-App auf meinem Handy zu öffnen, möchte ihnen zeigen: Hier sind wir, hier ist München, hier ist Mainz, da ist Dortmund. Drei Stunden von Dortmund nach Mainz, vielleicht vier, wenn sie überhaupt in Dortmund bleiben, das ist ja gar nicht gesagt. Drei oder vier Stunden von da, wo sie jetzt hinfahren bis da, wo der Bruder wohnt. Das Handy ist zu langsam, der Zug fährt ab, sie winken, ich winke. „Good luck“, rufe ich noch und frage mich gleich, ob das jetzt vielleicht das unpassendste ist, was man hätte wünschen können. Was wünscht man einem Flüchtling?

Ich setze mich wieder, während des Stops haben auch viele andere die Fenster runtergeschoben, gucken raus, lachen und winken. Ich winke zurück und lächle tapfer, obwohl ich eigentlich gar nicht mehr lächeln mag. Gefühlsverwirrung.

Als der letzte Wagen verschwindet und niemand mehr winkt, breche ich erstmal in Tränen aus.

Lieblingstweets im Oktober (Teil 1)

VERÄNGSTIGTER KÄSE! BUTTERSPEKULATIUS UND DOMINOSTEINE! WARENTRENNER! DÖNERPHILOSOPHIE! KÄSESCHEIBEN UND KANTINENAUFRUHR! UND ZEICHENTRICKHUNDE MIT WAFFELLÄDEN! (Oder so ähnlich.)

Übung 2

(Lernfeld: Dankbarkeit/Erdung, mindestens 1x täglich durchzuführen, Zeitaufwand 5 Minuten)

Bleiben Sie mal kurz stehen, egal wo Sie sind.

Gucken Sie sich um.

Alle Häuser soweit in Ordnung?

Straßen befahrbar?

Züge fahren prinzipiell? (Stellwerksbrände sind uns hier egal.)

Geschäfte haben geöffnet und es gibt ausreichend Waren im Angebot?

Sie haben genug Geld im Portemonnaie, um sich ein Brot zu kaufen?

Telefon funktioniert? Internet sowieso?

Den Menschen geht es gut?

Kranke Menschen können zum Arzt oder ins Krankenhaus?

Sie müssen keine Angst haben vor: Bomben, Militär, Terroristen, Hunger, Durst?

Sie müssen keine Angst haben, dass Ihr Partner heute Abend nach nicht Hause kommt?

Oder ihr Kind?

Sie müssen sich nicht fragen, ob ihre Wohnung noch da ist, wenn Sie heute Abend nach Hause kommen?

Sie dürfen glauben, was Sie wollen?

Oder an gar nichts glauben?

Das ist schön.

Und selbstverständlich.

Woanders ist das nicht selbstverständlich.

Freuen Sie sich ein paar Sekunden darüber, dass es hier so fucking friedlich ist.

Wiederholen Sie die Übung nach eigenem Ermessen mehrmals am Tag, aber mindestens einmal täglich.

Übung 1

(Lernfeld: Empathie, täglich durchzuführen, Zeitaufwand 5 bis 10 Minuten)

Wenn Sie gerade unterwegs sind, an einem Bahnhof, in der Bahn, in der Stadt, irgendwo, wo viele unbekannte und möglichst unterschiedliche Menschen unterwegs sind, machen Sie folgende Übung:

Wählen sie zufällig einen Menschen aus, ganz egal wen.

Machen Sie sich klar, dass Sie nichts von diesem anderen Menschen unterscheidet.

Machen Sie sich klar, dass dieser Mensch genauso wie sie gerade etwas denkt.

Vielleicht denkt er: „Verdammt, ich muss die Bahn erwischen, sonst muss ich zehn Minuten auf die nächste warten.“

Vielleicht denkt sie: „Was muss ich denn heute noch fürs Abendessen einkaufen?“

Vielleicht denkt er etwas sehr kompliziertes, vielleicht etwas sehr einfaches.

Vielleicht erinnert sie sich gerade an etwas.

Vielleicht geht es dem anderen unbekannten ganz anderen und doch ganz gleichen Menschen gut, vielleicht geht es ihm schlecht.

Machen Sie sich klar, dass dieser Mensch ein komplettes Leben in sich trägt, genau wie Sie.

Ein komplettes Leben mit einer Familie, mit Freunden, mit Schule, mit einem Job, mit schönen Dingen und schlechten Dingen.

Machen Sie sich klar, dass dieser Mensch genauso wie Sie schon mal ganz furchtbar gelitten hat.

Weil die Oma gestorben ist.

Weil er verlassen wurde.

Weil sie nicht wusste, wo das Geld herkommen sollte.

Machen Sie sich klar, dass dieser Mensch genauso wie Sie schon mal ganz furchtbar glücklich war.

Weil sie sich verliebt hat.

Weil er Vater wurde.

Weil sie einen Job in ihrer Traumstadt gefunden hat.

Machen Sie sich klar, dass dieser Mensch genau wie alle anderen Menschen denkt und liebt und leidet, sich ärgert, Angst hat, sich freut, sich langweilt, sich beeilen muss, einkaufen muss, die Nachrichten guckt (oder liest), schläft und aufsteht, isst und trinkt.

Machen Sie sich klar, dass Sie diesen Mensch nie komplett verstehen werden, genauso wie niemand Sie jemals komplett verstehen wird.

Es ist unerheblich, ob Sie diesen Menschen mögen würden.

Vielleicht haben Sie viel gemeinsam.

Vielleicht könnten Sie sich nicht leiden, würden Sie sich näher kennen.

Aber das ist unerheblich für diese Übung.

Dieser andere Mensch hat seine eigene Geschichte.

Er hat seine eigene Vergangenheit und seine eigene Zukunft.

Er ist ganz anders als Sie.

Und dann ist er wieder ganz genauso wie Sie, nämlich ein Mensch.

Komplett ausgestattet mit Gedanken und Geschichten.

Hier und jetzt.

 

Wiederholen Sie die Übung mit dem nächsten zufälligen Menschen.

Gelesen im September 2015

Im September waren wir zwei Wochen im Urlaub, ich habe also noch mehr gelesen als sonst so üblich.

Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit

Harari erzählt die Geschichte der Menschheit von der Stein- bis in die Neuzeit. Tatsächlich fand ich vor allem die frühen Kapitel sehr spannend und erkenntnisreich. Danach wurde es irgendwann etwas schnell und verwirrend, vielleicht habe ich aber auch nur zu schnell gelesen, das mache ich gerne so, ich vergesse auch immer schnell wieder, was ich so alles gelesen habe, bei Sachbüchern ist das nicht immer von Vorteil. Aber die interessantesten Dinge bleiben trotzdem hängen und so weiß ich jetzt, dass sich die ersten Bauern vermutlich weniger gesund und ausgewogen ernährt haben wie ihre Vorgänger, die noch gejagt und gesammelt haben. Und man kann sich eben die Frage stellen, ob Fortschritt immer so super ist, aber das fragen wir uns ja sowieso dauernd.

Eine kurze Geschichte der Menschheit von Yuval Noah Harari, deutsche Übersetzung von Jürgen Neubauer, erschienen 2013 bei der Deutschen Verlags-Anstalt, 528 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Meike Winnemuth: Um es kurz zu machen: Über das unverschämte Glück, auf der Welt zu sein

Dass Meike Winnemuth eine tolle Frau ist, die tolle Sachen macht, um dann tolle Bücher darüber zu schreiben, das muss ich hier hoffentlich keinem erzählen. Das hier ist eine Sammlung ihrer Kolumnen aus diversen Zeitschriften. Ich habe das stilecht auf einem kleinen Strandstühlchen im Sand am Meer gelesen. Das liest sich zackig durch, na komm, eine Geschichte noch, huch, Buch zu Ende! Ein Buch zum Glücklichmachen. Gelacht habe ich auch. Eine ausführliche Rezension folgt.

Um es kurz zu machen von Meike Winnemuth, erschienen 2015 im Knaus Verlag, 208 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Ned Beauman: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort

Vom Klappentext her hatte ich wirklich eine komplett andere Geschichte erwartet, irgendwas vollkommen absurdes mit Teleportationsmaschinen und so weiter. Tatsächlich kommt eine Teleportationsmaschine vor, diese ist aber nur der Aufhänger für die Geschichte von Egon Loeser, erfinderischer Bühnenbilder und überzeugt davon, dass die Welt ihm noch irgendwas schuldig ist. Dieser trifft im Berlin des Jahres 1931 auf einer Party auf seine ehemalige Nachhilfeschülerin Adele Hitler (keine Verwandtschaft) und ist von da an von dem Gedanken besessen, eben diese ins Bett zu bekommen. Was sich schwieriger rausstellt als gedacht, so dass Egon Loeser von Berlin über Paris bis nach Los Angeles jagt, immer auf der Suche nach Adele und immer vom Pech und dem Gefühl verfolgt, alle anderen hätten es besser als er. Das macht den Protagonisten nicht unbedingt sympathischer, das Buch ist aber dennoch ein großer Spaß und tatsächlich doch noch schön absurd, nur eben nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe.

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort von Ned Beauman, deutsche Übersetzung von Robin Detje, erschienen 2013 im Dumont Verlag, 416 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Megan Shepherd: The Cage

Im Urlaub abends angefangen und durchgelesen. Wie spät es dann war, weiß ich nicht, ich habe absichtlich nicht auf die Uhr geschaut. Das spricht schon mal für das Buch. Die Geschichte: Fünf Jugendliche wachen in einer seltsamen Umgebung auf. Alles ist da: Wüste, Meer, Wald und eine kleine Stadt, in der sie versorgt werden, aber was sollen sie hier? Ab hier gibt es Spoiler, also aufgepasst: Tatsächlich sind die fünf Teenager gefangen in einem Habitat von Außerirdischen. Was der Plan ist, das verrate ich jetzt natürlich nicht. Das Buch ist offensichtlich ausreichend spannend, sonst hätte ich es ja nicht in einem Zug gelesen. Die Geschichte wird gut durchgezogen und hat alles, was eine ordentliche YA-Science-Fiction braucht, da kann man nicht klagen. Aber: Ich war bis zum Schluss nicht sicher, ob mir das alles nicht zu absurd ist. Wirklich erklären kann ich nicht, was mich gestört hat, es war eher so ein dumpfes Gefühl, dass ich hier als Leser etwas zu leicht um den Finger gewickelt wurde. Auf der anderen Seite wurde ich ordentlich unterhalten, also ist es vielleicht auch egal. Eine deutsche Übersetzung konnte ich bislang nicht finden, kommt aber bestimmt auch.

The Cage von Megan Shepherd, erschienen 2015 bei Balzer & Bray, 405 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Maximilian Buddenbohm: Zwei, drei, vier: Wie ich eine Familie wurde

Es bot sich an, auch mal etwas von Herrn Buddenbohm zu lesen. Das heißt, ich lese ja dauernd etwas von Herrn Buddenbohm, nur eben in seinem Blog und nicht als Buch. Letzteres kann man aber auch schön machen. In diesem Buch schreibt Maximilian Buddenbohm davon, wie er die Herzdame kennenlernte, sie heiratete und mit erst dem einen und dem anderen Sohn eine richtige Familie mit allem drum und dran wurde. Auch für Leute wie mich, die ja dank Blog das Gefühl haben könnten, eh alles zu wissen, standen da noch viele neue Dinge drin. Und amüsant war es auch noch, aber das sind wir ja aus dieser Ecke nicht anders gewohnt.

Zwei, drei, vier: Wie ich eine Familie wurde von Maximilian Buddenbohm, erschienen 2010 im Paulinus Verlag, 200 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Naomi Novik: Uprooted

Sehr schöne Fantasy, wirklich, das habe ich – das kann ich schon mal vorwegnehmen – sehr gerne gelesen. Alle zehn Jahre kommt der Drachen von seiner Burg und wählt ein junges Mädchen aus, dass für zehn Jahre bei ihm bleiben wird. Was in diesen zehn Jahren passiert, weiß niemand, aber alle im Dorf wissen, dass Kasia die Auserwählte sein wird. Kasia, die schöne, kluge. Auch Agnieszka, Kasias beste Freundin, weiß das. Und dann kommt natürlich alles anders, man verrät wirklich überhaupt nichts, wenn man sagt, dass der Drachen (der kein Drachen ist, sondern nur ein geheimnisvoller Mann) Agnieszka auswählt. Denn die Geschichte geht dann in eine völlig andere Richtung, als man so gewohnt ist. Das ist alles sehr schön geschrieben, sehr dicht und spannend. Auch so ein Buch, bei dem ich mit dem Lesen nicht aufhören wollte.

Uprooted von Naomi Novik, erschienen 2015 im Del Rey Verlag, 448 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

John Green: Paper Towns

John Green mal wieder. Den schätze ich ja schon wegen seiner Videos für Mental Floss. Seine Jugendbücher gehen ja auch weg wie warme Semmel und werden dann verfilmt und gehen dann noch mehr weg wie warme Semmel. Paper Towns heißt in der deutschen Übersetzung Margos Spuren und kam auch kürzlich in die Kinos. Quentin ist seit jeher in seine Nachbarin Margo verliebt, in der High School gehört er aber eher zu den Außenseitern, während Margo zu den hippen Leuten gehört. Dann steht sie eines Tages bei ihm am Fenster und fordert ihn auf, ihr bei einem kleinen Rachefeldzug zu helfen, der sie eine Nacht lang quer durch die Stadt treibt. Am nächsten Tag ist Margo verschwunden. Quentin ist davon überzeugt, dass Margo ihm Spuren hinterlassen hat, die ihm zeigen, wo sie ist und begibt sich mit seinen Freunden auf die Suche. Das Buch endet lustigerweise sehr antiklimaktisch und man muss ein bisschen nachdenken, bis man versteht, dass es vielleicht nie um Margo ging, sondern um das, was Quentin bewegt, um sie zu finden. Sehr solide Jugendliteratur, da muss man sich um die Jugend von heute nicht sorgen, wenn sie wirklich sowas liest.

Paper Towns von John Green (deutsch Margos Spuren, übersetzt von Sophie Zeitz), erschienen 2009 im Speak Verlag, 336 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Ingrid Jonach: When the World was Flat (and we were in love)

Noch mal YA-Science-Fiction. Girl meets boy. Boy ist etwas schwer zugänglich, yadayadayada, hatten wir alles schon, liest sich aber in diversen Variationen ja immer ganz flockig, gerade im Urlaub. Wenn es dann zum Science-Fiction-Teil kommt, wird es irgendwann meines Erachtens etwas unlogisch, vielleicht habe ich aber nur nicht aufgepasst. Die Pointe kann ich dann auch wieder nicht vorwegnehmen, deswegen darf hier auch wieder kein Buzzword fallen, denn dann wäre schon wieder alles verraten. Ich hab’s gern gelesen, trotz bekannten Mustern und anfechtbarer Logik. Man liest das so runter und ist dabei gut unterhalten, mehr will man ja manchmal gar nicht. Die Kindle-Version kostet auch nur 2 Euro, da kann man wirklich nicht meckern.

When the World was Flat (and we were in love) von Ingrid Jonach, erschienen 2013 bei Angry Robots, 272 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Armin Maiwald: Aufbau vor laufender Kamera

Die Autobiografie von Armin Maiwald. Anfang des Jahres waren wir bei der Lesung, das war schon sehr interessant. Maiwald ist übrigens der, der Die Sendung mit der Maus erfunden hat. Ich bin immer wieder irritiert, dass niemand den Namen kennt und ich das jedes Mal erklären muss. Maiwald schreibt also alles auf, von seiner Kindheit im und nach dem Krieg, von den ersten Schritten beim Fernsehen, von seiner Familie und überhaupt allem. Man lernt eine Menge über die Geschichte des Fernsehens, man ahnt ja gar nicht, was früher alles nicht oder nur mit sehr viel Aufwand überhaupt funktionierte. Man lernt auch eine Menge über Köln. Maiwald schreibt ungefähr so, wie er auch seine Sachgeschichten erzählt. Bei jedem anderen Autoren hätte mich das vielleicht verwirrt, hier passt es. Sehr tolles, persönliches Buch.

Aufbau vor laufender Kamera von Armin Maiwald, erschienen 2015 bei Kiepenheuer & Witsch, 336 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Mathias Malzieu: Der kleinste Kuss der Welt

Ein schönes kurzes Märchen voll mit wunderbaren Sätzen. Das bisher beste Buch von Mathias Malzieu. Ich habe hier darüber geschrieben.

Der kleinste Kuss der Welt von Mathias Malzieu, deutsche Übersetzung von Sonja Finck, erschienen 2015 bei carl’s books, 144 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Inger-Maria Mahlke: Wie ihr wollt

Eines der Bücher, dass mir beim Anlesen der Bücher auf der Longlist des Deutschen Buchpreises gut gefiel und dann noch auf die Shortlist kam. Erzählt wird die Geschichte von Mary Grey, die bei der englischen Königin in Ungnade fiel und seit Jahren Hausarrest hat. Mary Grey erzählt selber und schreibt in ihrer Gefangenschaft ihre Geschichte auf, die letztlich auch die Geschichte des Kampfs um die Macht ist. Das Ganze ist auf der einen Seite ganz flott und amüsant erzählt, allerdings kommt man durch Zeitsprünge und etwas verwirrende Bezeichnungen der weiteren Verwandtschaft schnell durcheinander und muss entweder mit der Verwirrung leben oder dauernd bei Wikipedia nachschlagen. Da hilft auch der Stammbaum oder das kurze Personenregister im Buch nicht so viel. Zudem bleiben die Figuren (was auch an der allgemeinen Verwirrung liegt) sehr unnahbar. Was zurückbleibt: Das ganz gute Gefühl, dass man selber nie und nimmer in die Intrigen einer Königsfamilie verwickelt sein möchte. Ein gutes Buch, doch doch, man muss sich eben drauf einlassen. Ob’s für den Buchpreis reicht, keine Ahnung, ich habe die anderen Bücher nicht gelesen und auch vermutlich einen anderen Geschmack als die Juroren. Ungewöhnlich und – um mal ein Klischee zu bedienen – mutig ist es allemal.

Wie ihr wollt von Inger-Maria Mahlke, erschienen 2015 im Berlin Verlag, 272 Seiten [Amazon-Werbelink]