Gelesen im Oktober 2015

Der Oktober war dominiert von Hörbüchern. Dabei kann man hübsch blöde kleine Spiele (Two Dots!) auf dem iPhone spielen oder aus dem Zugfenster starren.

Salman Rushdie: Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte

Als Hörbuch gehört und außerdem mein erster Rushdie. War vielleicht beides oder zumindest in der Kombination ein Fehler, denn das Buch konnte mich leider überhaupt nicht überzeugen, obwohl es doch vom Inhalt so klang, als könnte es genau mein Buch sein. Alte Mythologie verwoben mit der Welt, irgendwie ein bisschen apokalyptisch, ein bisschen märchenhaft. Hat aber leider gar nicht funktioniert, ich war eigentlich von so gut wie allen Charakteren mindestens einmal ganz furchtbar genervt, kein Identifikationspotential, wenn ich sie überhaupt auseinanderhalten konnte. Letzteres könnte aber auch ein Hörbuchproblem sein, das hatte ich bei „Dunkelsprung“ von Leonie Swann auch, da habe ich dann das Buch gelesen und da ging’s. Die Story, soweit ich sie noch zusammenkriege: Irgendwas mit alten Dschinns, die durch einen Riss zwischen den Welten von der Märchenwelt in unsere kommen und dann ist großer Weltuntergang mit Gekämpfe und zwischendurch auch ein bisschen Sex. Ich weiß ja nicht. Zudem fand ich das Buch sehr männlich, im negativen Sinne, da war so ein unterschwelliger Testosteronspiegel. Es gibt zwar auch starke Frauenfiguren, die waren mir aber dann wieder zu rar gesät und zu funktionshaft. Vielleicht muss es noch mal ein anderer Rushdie sein.

(Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte ergeben übrigens 1001 Nacht, wer sich über den Titel des Buches wundern sollte.)

Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte von Salman Rushdie, deutsche Übersetzung von Sigrid Ruschmeier, erschienen 2015 im Bertelsmann Verlag, 384 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Jenny Erpendeck: Gehen, ging, gegangen

Das Buch, das als ganz großer Anwärter für den Deutschen Buchpreis gehandelt wurde, höchstaktuell, weil es um Flüchtlinge geht, in diesem Fall afrikanische Flüchtlinge, die sich einfach mitten in Berlin auf einen Platz setzen, um sichtbar zu werden. So erfährt auch der emeritierte Professor Richard davon und versucht jetzt in der Leere, die der Tod seiner Frau und der Verlust seines Jobs hinterlassen haben, mehr über diese Menschen herauszufinden. Das ist alles sehr schön eindringlich und in klarer Sprache geschrieben. Ich mochte das Buch, obwohl ich mich immer gefragt habe, ob das alles realistisch ist. Und das ist vielleicht das Hauptproblem, wenn ein Thema auf einmal so brisant wird, man kommt nicht umher, die Geschichte, die ja letzten Endes dann eben nur eine Geschichte ist, zu hinterfragen und auf seine Plausibilität zu überprüfen. Und weil man es eben nicht weiß, scheitert man ganz kläglich. Da kann das Buch aber nichts für.

Gehen, ging, gegangen von Jenny Erpenbeck, erschienen 2015 im Knaus Verlag, 352 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Seth Dickinson: The Traitor Baru Cormorant

Für den Online-Buchclub gelesen. Sehr politische Fantasy, auf der einen Seite mag ich das, weil es mich fordert, auf der anderen Seite merke ich dann immer, wie wenig politisch sensibel ich bin und wie ich meistens die etwas elaborierteren politischen Ränkespiele nicht durchblicke. Baru Cormorant wächst auf einer Insel mit ihrer Mutter und ihren zwei Vätern auf, die von dem Empire of Masks erobert wird. Die Masquerade räumt ordentlich auf, eine Beziehung besteht aus Mann und Frau, alles andere ist sexuell unhygienisch und wird bestraft.

Einer von Barus Vätern verschwindet, sie hingegen wird als Savant auf die Schule aufgenommen und sieht ihre einzige Chance darin, das System von innen zu zerstören. Was auf der anderen Seite bedeutet, dass sie innerhalb des Systems so weit aufsteigen muss, dass sie diese Chance überhaupt wahrnehmen kann. Doch dann wird sie als Imperial Accountant nach Aurdwynn versetzt, wo viele kleine Regionen nicht nur gegen die Masquerade rebellieren, sondern auch darüberhinaus um Machtstellungen konkurrieren. Klingt kompliziert, ist es auch. Darüber hinaus aber sehr spannend, wenn man bereit ist, sich in einer Fantasy-Geschichte auf sehr viel, sehr vielschichtiges politisches Zeug einzulassen. Sehr gern gelesen, große Empfehlung, auch wenn es sicherlich nicht ein Buch für jeden ist. Ich habe keine deutsche Übersetzung gefunden.

The Traitor Baru Cormorant von Seth Dickinson, erschienen 2015 bei Pan MacMillan, 400 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Antoine de Saint-Exupéry: Vol de nuit (deutsch: Nachtflug)

Auf Französisch gelesen und dabei festgestellt, dass ich entweder zu wenig Flugvokabular habe oder einfach nicht so richtig aufgepasst habe, denn ich habe deutlich weniger verstanden als mir lieb war und musste die Geschichte dann in der Wikipedia nachlesen. Da klingt sie sehr hübsch. Es geht um einen Flieger, der in einem Nachtflug in einen Sturm gerät und die Personen auf der Erde, die auf irgendeine Art mit dem Piloten verbandelt sind. Da ist der Mann, der den Nachtflug angeordnet hat, die Frau des Piloten und die Menschen, die verstreut über Südamerika versuchen, Kontakt mit dem Piloten zu halten. Vielleicht sollte ich das Buch noch mal lesen, jetzt, wo ich weiß, worum es geht. Kurz genug zum mehrfach lesen ist es ja. Oder mal das Scheitern eingestehen und auf Deutsch lesen. Gibt’s zumindest auf französisch für einen Euro fürs Kindle.

Vol de Nuit von Antoine de Saint-Exupéry, erschienen 1997 bei Gallimard (die Originalausgabe erschien 1930), 187 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Robert Galbraith/Joanne K. Rowling: Der Ruf des Kuckucks

Als Hörbuch gehört. Wenn man einmal drin ist, ist das allerbeste britische Krimiunterhaltung. Aber ich mochte ja schon Ein plötzlicher Todesfall. Das Model Lula stürzt vom Balkon. Die Untersuchungsergebnisse sagen: Selbstmord. Doch der Bruder von Lula will nicht daran glauben und engagiert den Privatdetektiv Cormoran Strike, um den Fall aufzurollen und zu beweisen, dass es doch Mord war. Wenn Joanne K. Rowling etwas kann, dann eine sehr dichte Welt mit vielen glaubwürdigen Personen erschaffen. Das hat bei Harry Potter funktioniert und funktionierte genauso in Ein plötzlicher Todesfall und jetzt eben auch in Der Ruf des Kuckucks. Mal abgesehen davon, dass man sich das ganze richtig gut als Miniserie vorstellen kann und das meine ich in diesem Fall sehr positiv. Der zweite Band steht jedenfalls schon auf meinem Audible-Merkzettel.

Der Ruf des Kuckucks von Robert Galbraith/Joanne K. Rowling, deutsche Übersetzung von Wulf Bergner, Christoph Göhler und Kristof Kurz, erschienen 2013 bei Blanvalet, 640 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

Kerstin Gier: Silber – Das dritte Buch der Träume

Und noch ein Hörbuch, einfach, weil ich die ersten beiden Bände schon gehört hatte und spannend genug fand, außerdem sehr gut gelesen. Das ist jetzt mal wieder Jugendliteratur. Es geht um Liv Silver, die in London in einer Patchworkfamilie wohnt: Liv, ihre Schwester Mia, ihre Mutter, deren Freund und dessen beiden Kinder Grayson und Florence. Außerdem das österreichische Kindermärchen Lotti, die quasi dauernd backt, ein sehr sympathischer Charakter. Liv hat schon im ersten Band gelernt, wie man kontrolliert träumen und sich in die Träume anderer Menschen schleichen kann. Es ist allerdings sehr kompliziert, die Handlung des dritten Buchs zu beschreiben, ohne auf die ersten beiden Bücher Bezug zu nehmen. Im dritten Band kommt es jedenfalls zum großen Finale, denn wer in den Träumen anderer Menschen Macht hat, der nutzt diese nicht immer zum Guten. Manche Aspekte der Geschichte sind etwas konstruiert und überzogen (es kommen Dämonensekten vor und… nu ja, Lotti spricht anscheinend auch auf Englisch mit sehr österreichischem Akzent), insgesamt lässt sich das ganze aber sehr flüssig und spannend lesen bzw. hören und ist mal eine gelungene Abwechslung, wenn man kurz vorher noch komplizierte politische Fantasy gelesen hat. Macht Spaß und unterhält souverän. Mehr will man ja manchmal gar nicht.

Silber – das dritte Buch der Träume von Kerstin Gier, erschienen 2015 bei Fischer FJB, 464 Seiten [Amazon-Werbelink]

 

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