Paris. Paris.

Ich habe gestern nirgendwo mein Beileid bekundet.

Ich habe keine Kerze ans Fenster gestellt, ich habe kein Bild eines Peace-Symbols mit Eiffeltum geteilt oder mein Profilbild in die französichen Nationalfarben getaucht.

Ich habe erst am Nachmittag zögerlich zwei oder drei Tweets, die mir besonders auffielen retweetet. Ich habe keine Nachrichten geguckt und kein Radio gehört. Gelegentlich habe ich auf Twitter, Facebook oder der SpiegelOnline-Seite vorbeigeschaut.

Statt dessen bin ich aufgestanden und habe gelesen, dann war ich einkaufen, habe zum Mittagessen eine Frikadelle mit Kartoffelsalat gegessen und dann Gulasch gekocht. Ich habe ein bisschen Hörbuch gehört und bei Wordfeud Wörter gelegt. Ich habe den Facebookbeitrag eines Menschen aus Biscarrosse geteilt, der seinen Hund verloren hat. (Warum ich das Tierheim von Biscarrosse in meiner Timeline habe, ist eine andere Geschichte.) Dann haben wir in einem Marathon „Person of Interest“ geguckt, Gulasch mit Nudeln gegessen (der Trick scheint wirklich zu sein, es einfach unendlich lange schmoren zu lassen) und Cola getrunken.

Geredet habe ich über die Anschläge mit meinem Mann und den Menschen im Techniktagebuchredaktionschat, denn irgendwo musste es hin, aber es wollte dieses Mal nicht in die Öffentlichkeit. Die schnelle Berichterstattung voller Gerüchte und Annahmen, die ich schon am Abend vorher auf Twitter mitbekam und die mich zwei Stunden nicht losließ, war mir zu viel.

„Ich will eigentlich überhaupt gar nichts wissen“, schrieb ich im Chat. „Ich will eigentlich alles sofort wissen“, schrieb jemand anderes.

Ich kann jede Reaktion verstehen. Also. Fast jede. Die Dauerbeschallung ist für den einen das richtige, andere schrieben Tweets, dass sie nichts zu sagen hatte, was ich in diesem Moment als sehr befremdlich fand, denn genau dieses Gefühl bewog mich dazu, wirklich auch mal gar nichts zu sagen. Aber ich mag auch nicht ausschließen, dass ich genau das bei einem anderen schrecklichen Ereignis nicht auch schon mal gemacht habe. Es gab viele tolle Kommentare, Bilder und Geschichten, die in meine Timeline gespült wurden, doch mein sonst sonst sehr lockerer Teilezeigefinger war still und ausnahmsweise mal gar nicht locker. Ich sah die vielen Leute, die diese Dinge teilten und dachte: „Das machen die doch schon sehr gut. Ich muss jetzt nicht auch noch.“

So dankbar ich für die vielen Leute war, die sich zu Wort gemeldet habe und Informationen oder einfach nur Emotionen geteilt haben, so froh war ich auch, genau das nicht zu tun und nicht tun zu müssen. Jedem hilft etwas anderes und alles was hilft, ist legitim.

Der Sinn von Terroranschlägen ist ja nicht, Menschen umzubringen. Die Toten sind Mittel zum Zweck und das Ziel ist Angstverbreitung. Weil es jeden zu jeder Zeit an jedem Ort treffen könnte. Das Ziel ist Einschüchterung. Die Menschen sollen Angst haben, immer und überall, bis ein ganz normaler Alltag unmöglich wird und sich alle nur noch verängstigt in ihre Häuser verkriechen und klein beigeben.

Es gibt genug Menschen, die jetzt trauern. Ich kenne niemanden, der bei den Anschlägen ums Leben gekommen ist oder weiß es noch nicht. Ich kann nur abstrakt trauern, nicht konkret. Es gibt genug Menschen, die sich jetzt Gedanken darüber machen müssen, wie man damit umgeht. Politisch. Gesellschaftlich. Was auch immer. Es gibt genug Menschen, die herausfinden müssen, wie es dazu kommen konnte und wer die Täter waren.

Ich gehöre zu keiner dieser Gruppen. Das beste, was ich als ganz normaler Mensch jetzt tun kann, ist mit meinen Alltag genauso weiterzumachen wie vorher. Mir meinen Alltag und mein Leben nicht nehmen zu lassen von Menschen, die glauben, sie hätten die Macht dazu.

Und deswegen wird es auch heute Lieblingstweets geben, denn es ist Mitte des Monats und da gibt es nun mal Lieblingstweets. Nicht weil mir Paris, Beirut oder Syrien egal wäre, sondern, weil ich mich nicht erschüttern lassen will. Keine Einschüchterung. Kein Verkriechen.

Weitermachen. Gulaschkochen gegen den Terror. Seriengucken gegen den Terror. Lieblingstweets gegen den Terror.

12 Antworten auf „Paris. Paris.“

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