Mehr Geschenke an Weihnachten!

Jedes Jahr vor Weihnachten das gleiche Spiel. Menschen erzählen davon, wie sie sich glücklicherweise schon seit Jahren in der Familie verständigt haben, dass man sich nichts schenke. Andere Menschen weisen darauf hin, dass man doch dieses Jahr sein Weihnachtsbudget lieber spenden solle. Egal wie, egal wo, allgemein scheint es zum guten Ton zu gehören, sich als erwachsener Mensch zum weihnachtlichen Geschenkewahnsinn zu erziehen.

Wir haben doch alles! Und außerdem ist das doch nur Konsum! Pfui! In die Stadt will man auch nicht, da ist es so voll, da sind all die Menschen, die nicht so vernünftig waren, sich zum Nichtschenken zu verabreden! Und online ist böse, da geht der Einzelhandel kaputt! Genau genommen kann man Weihnachten gar nichts schenken, es sei denn, man hat an einem ruhigen Tag im Juni bereits alles erledigt. Beschenkt werden kann man erst recht nicht, es sei denn man ist höchstens, aber allerhöchstens 15 Jahre alt. Wer älter ist, hat Vernunft angenommen, wünscht sich nichts, will nichts, erst recht nicht als Geschenk, erst recht nicht zu Weihnachten!

Ich aber werde gerne beschenkt. Ich esse allerdings zum Frühstück auch ungetoastetes Weißbrot mit Nusspli, trinke dazu einen Becher kalte Milch und bin nachweislich eigentlich nur eine Achtjährige mit Führerschein und festem Job. Ich möchte einen Haufen Geschenke unterm Weihnachtsbaum haben, am besten alle in buntes Papier eingepackt mit Schleifchen und Glitzer. Ich möchte auch nicht wissen, was drin ist, ich bin ein Mensch, der Überraschungen liebt. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, vor Weihnachten das Geschenkeversteck meiner Eltern zu finden und schon mal zu gucken, wo ist denn da der Sinn, wenn man schon weiß, was man bekommt? An Ostern habe ich meine Oma gerne mehrfach genötigt, alle Ostersüßigkeiten noch mal zu verstecken. Das Interesse an den Süßigkeiten war eher so mäßig, das Suchen im Garten hingegen konnte mich stundenlang beschäftigen.

Allerdings verschenke ich auch gerne. Ich verschenke sogar noch lieber als ich beschenkt werde. Geburtstage und Weihnachten bietet sich da natürlich an, aber man kann natürlich das ganze Jahr durch Menschen beschenken, mit oder ohne Anlass. Man kann ihnen etwas mitbringen oder ein Überraschungspäckchen schicken, und dann tagelang rumhibbeln, weil man natürlich nicht allzu offensichtlich nachfragen kann, ob es angekommen ist, man will ja die Überraschung nicht kaputt machen.

Das beste aber ist: Man muss ja gar nicht immer viel Geld ausgeben, um andere zu beschenken. Ein Buch tut es auch, oder eine Flasche Wein, ein niedliches Stofftier gibt es bei IKEA für wenige Euro, selbstgebackene Plätzchen, selbstgemachtes Pesto, eine kleine Flasche aufgesetzten Likör. Generell geht: Wer seine Freunde und Angehörige nicht mit nutzlosem Tand belästigen will, schenkt Verbrauchbares. Ich habe aber auch schon Zeitschriften und hübsche Geschirrtücher verschenkt, habe beim Bastelladen Glanzbilder aufgetrieben und in Weihnachtskarten gesteckt und die Leute haben sich gefreut oder zumindest sehr überzeugend so getan als würden sie sich freuen. Wer Weihnachten zum Konsumfest verkommen lässt, ist selber schuld. Wer sich ein bisschen Mühe gibt, kann fast alles haben: Weihnachten, Geschenke, Konsumeingrenzung und gar nicht mal so viel Stress.

Die Geschenkeverweigerung an Weihnachten ist vielleicht oft nur ein Versuch, unserer Überforderung im vorweihnachtlichen Stress Herr zu werden und es klingt natürlich so schön vernünftig, abgeklärt und erwachsen. Wer aber gar nicht immer vernünftig, abgeklärt und erwachsen sein will, der braucht andere Mechanismen, um auch ohne Geschenkeverbot nicht durchzudrehen. Es muss ja nichts Großes sein.

Letztes Jahr konnte ich alle Geschenke für Eltern, Tanten und Cousins in exakt zwei Läden abhandeln. Einem mit nutzlosem Tand (ein Windlicht mit Insekt für Papa, ein Tyrannenquartett für den Cousin und Schlagzeugschlägerbleistifte für einen anderen Cousin) und einem mit Gewürzen, Schokolade und anderem kulinarischen Schnickschnack. Läden mit kulinarischem Schnickschnack kann ich nur empfehlen, man hat da im Nu ein kleines Paket zusammen, dass hoffentlich innerhalb eines Jahres aufgebraucht ist. Ich war geschätzt eine Dreiviertelstunde im Stress, weil beide Läden leider voll mit Leuten waren, die offensichtlich eine ähnliche Idee hatten wie ich, dann war gut.

Vielleicht hilft es ja auch, das Weihnachtsgeschenke nicht mehr als Pflicht zu sehen, sondern als Kür, nicht als notwendiges Übel, sondern als Herausforderung. Man lernt auch kein Klavierspielen ohne regelmäßig zu üben, aber mit der richtigen Einstellung kann auch das Üben Spaß machen. Fragen Sie da mal meinen Klavierlehrer, der hält Ihnen einen halbstündigen Vortrag darüber. Sehen wir es doch so: Man muss zu Weihnachten gar nichts schenken, nein nein, man darf und man kann und man sollte die Gelegenheit nutzen, zu schenken. Auch „Bei Tante Lisa weiß ich nie, was ich ihr schenken soll“, ist ja nur eine Ausrede. Statt dessen ruft man lieber „Challenge accepted!“ und findet raus, worüber sich Tante Lisa so richtig freuen würde. Im Zweifel kann man immer noch in einen Laden mit kulinarischem Schnickschnack gehen.

Irgendwann in den Siebziger Jahren hatten meine Mutter und ihre Geschwister die Idee, dass an jenem Weihnachten jeder jedem etwas schenken sollte. Dazu muss man vielleicht erklärend hinzufügen, dass meine Mutter acht Geschwister hatte. Neun mal acht, da ist man schon mal bei 72 Geschenken ohne dass Eltern und die Großmutter berücksichtigt sind. Natürlich waren die einzelnen Geschenke klein, aber der Geschenkeberg muss beachtlich gewesen sein, so beachtlich, dass auch die Kinder der nächsten Generation, ich und alle meine Cousinen und Cousins die Geschichte kennen. Ein Weihnachten, das in die Legendensammlung der Familie eingegangen ist als das Weihnachten mit den vielen Geschenken. Und ob man es jetzt wirklich mit oder ohne Geschenke feiern will oder vielleicht auch gar nicht, es ist vielleicht nicht das schlechteste Weihnachten, von dem man sich auch nach dreißig Jahren noch erzählt.

Deswegen bleibt vielleicht nur: Schenkt und lasst euch beschenken! Zu jedem Anlass und zu keinem. Oder lasst es bleiben, schenkt nichts, spendet und helft an anderer Stelle, macht das, was euch glücklich macht. Nur die Klage, Weihnachten würde zum Konsumfest verkommen, entlockt mir schon seit längerem nur ein müdes Gähnen. Die Klage ist alt und abgestanden, sie mag nicht immer von der Hand zu weisen sein. Aber ich möchte ein Weihnachten mit Geschenken, kleine, große, selbstgemachte, gekaufte, gut überlegte und spontane. Geschenke machen Freude, dem Schenker und dem Beschenkten und wir sollten diese Freude nicht jedes Jahr wieder verachten, weil es die einfachste Lösung ist.

4 Antworten auf „Mehr Geschenke an Weihnachten!“

  1. Hach! Aus genau diesem Grund lese und liebe ich Blogs. Hier „treffe“ ich, anders als im wahren Leben, Menschen, die meine Gedanken und Wünsche teilen.

    Mir geht es genauso. Danke für den Text, werde ihn ausdrucken und an meine geschenkunwillige Familie verteilen!

    (Vor-)Weihnachtliche Grüße
    Birgit

  2. Ich bin auch für Geschenke – weil ich gerne schenke und mich freue, wenn andere misch beschenken. Und wenn man frühzeitig anfängt, Geschenke zu besorgen, dann ist das zum einen kein Stress und zum anderen vergisst man (ich) einen Teil der Geschenke …

  3. Ich schenke grundsätzlich auch gern, aber ich behaupte es gibt Leute die kann man so gut wie gar nicht beschenken. Und dann gibt es noch die Menschen die einen nach Erhalt eines Geschenks anrufen um mitzuteilen, dass man ja zu diesem Anlass nichts verschenken würde und bisher auch noch nie was bekommen hätte.
    Tatsächlich war bei uns in diesem Jahr die Parole, nix Großes zu schenken Damit kann ich wunderbar leben, dann gibt es was Kleines zur kulinarischen Horizonterweiterung und gut ist. Sowieso sind Geschenke, die man aufessen oder „verbrauchen“ (Eintrittskarten zu Veranstaltungen) neben den Klassikern wie Buch immer noch am besten.
    Was ich tatsächlich kaum verschenke (und auch nicht bekommen will) sind Dinge die dekorativ herumstehen. Tand ist mir ein Graus. Sowas bekommen wirklich nur Menschen von denen ich 100%ig sicher weiß dass sie bestimmte Dinge dieser Art mögen und evtl. auch sammeln. Aber bevor jemand auf die Idee mir sowas zu schenken, möchte ich tatsächlich lieber nix.

  4. Ach ja, schenken macht doch so viel Spaß. Sich was für liebe Menschen auszudenken, und wenn es nur selbstgebastelte Gutscheine für Museumsbesuche oder Selbstgenähtes sind… ich habe eh nur das Gefühl, diese negative Einstellung wird von vielen nur deshalb zur Schau getragen, weil es „in“ ist und es gefühlt alle so machen; und insgeheim wünschen sie sich es nämlich doch ganz anders.

    Für dich alles gute und frohe Weihnachten
    LG
    Ulrike

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