Tag 0 – 0,5: Essen – Calais – Dover

Wir waren ja in England und das war so gewesen:

Die Fährtickets sind für Samstagmorgen um 9 Uhr gebucht, also haben wir geplant, am Freitagabend einfach so weit wie möglich zu fahren, dann irgendwo zu übernachten und morgens dann nur noch ein kleines Stück bis zur Fähre zu fahren.

Von meiner Ankunft zu Hause nach der Arbeit bis zur Abfahrt räumen wir noch viel rum, der Kühlschrank muss noch sortiert werden, Klamotten eingepackt, das Stand-Up-Paddleboard nehmen wir aus Gründen diesmal nicht mit, was sehr viel zusätzlichen Stauraum ermöglicht, außerdem möchte mein Mann diesmal keine Bettdecke mitnehmen, sondern es mit den Schlafsäcken probieren, die eh im Bus sind (ich werde natürlich unter einer Daunendecke mit Damastbettwäsche schlafen und das ist noch nicht mal gelogen). Dann noch die ganze Elektronik, was vor allem die Kamera ist, der Laptop kommt hauptsächlich mit, weil ich während des Urlaubs die Bilder von der Kamera schon mal abspeichern will, aber auch, weil es doch erwiesenermaßen auch manchmal hilfreich sein kann, einen größeren Bildschirm als das Smartphone zu haben.

Es ist also schon 21 Uhr, als wir Richtung Westen aufbrechen, irgendwo an einer Raststätte in Holland kaufen wir Wasser und Kaffee, was bzw. ob wir überhaupt noch was essen, habe ich vergessen, obwohl es eigentlich nicht sein kann, dass wir nichts essen, das kommt mir absurd vor, dann hätte ich ja schrecklichen Hunger haben müssen.

Jedenfalls finden wir gegen 1 Uhr einen Stellplatz an einem Supermarkt in Bray-Dunes, auf dem man offiziell übernachten darf. Die ganz superoffiziellen Wohnmobilstellplätze sind schon besetzt, wir parken einfach auf dem Parkplatz und gehen davon aus, dass das schon niemanden stören wird. Das Dach wird nicht hochgemacht, wir schlafen beide unten, es regnet furchtbar, aber na ja, das ist ja noch nicht Urlaub, sondern nur Hinfahrt zum Urlaub.

Am nächsten Tag dann noch knapp vierzig Minuten Fahrt nach Calais, wir parken erst am Ticketschalter, da werde ich aber sofort wieder weggeschickt zum Check-In, denn wir haben ja schon gebucht, also fahren wir den anderen Autos hinterher zum Check-In, einmal Border Control, dann Kontrolle der Personalausweise fürs Check-In, wir kriegen ein Papierdingsi, auf dem die Reihe steht, in die wir uns mit dem Auto einreihen sollen, das Dingsi hängt man vorne an den Rückspiegel, noch ein bisschen warten, dann dürfen wir auch aufs oder vielmehr INS Schiff fahren, aussteigen, Treppe hoch, geschafft.

Mabs und Gilda fahren mit Auf die Fähre

Weil wir beide sehr hungrig sind, müssen wir erst mal frühstücken, ich hadere ein bisschen, nehme dann aber doch das Full English Breakfast, einfach, weil es da ist und geht. Am Ende ist es ein bisschen wie befürchtet, der Speck ist nicht knusprig (dafür reichlich, weil der Fährenrestaurantsmensch so wenig enthusiastisch bei der Arbeit ist, dass ihm das Auseinanderpflücken der Speckscheiben nach kurzer Bedenkzeit offensichtlich einfach zu viel Arbeit ist), und überhaupt ist es insgesamt etwas lieblos, aber Baked Beans! Mushrooms! Hash Brown! Immerhin bin ich satt.

Full English Breakfast

Ich bin ja noch nie mit der Fähre nach England gefahren, nur letztens eben von Kiel nach Litauen, da fährt man stundenlang auf der Ostsee und sieht nichts außer Meer. Das passiert hier nicht. Man legt ab, sieht noch das eine Ufer, frühstückt ein bisschen und sieht dann schon überraschend nah das andere Ufer. Wir können nur noch etwas Geld für mehr oder weniger sinnvolle Auto- und Elektrodinge im SeaShop loswerden (das Techniktagebuch berichtete hier ausführlicher), außerdem kaufe ich Kaugummi, eine sehr atypische Handlung, weil ich Kaugummi überhaupt nicht mag. Aufgrund von einer aktuell etwas desolaten Zahnputzsituation erscheint mir das aber sinnvoll. Mein Mann findet das weniger sinnvoll, wie sich rausstellt, befindet sich im Auto noch reichlich Kaugummi, dafür kauft er eine Flasche Weißwein, na ja.

White Cliffs of Dover

Jedenfalls long story short: Nach anderthalb Stunden legt das Schiff in Dover an, wir gehen wieder runter in den Bauch des Schiffes, ein bisschen warten, dann Zündung an und raus aus dem Schiff, rein in den Linksverkehr.

Das klappt erstmal gut, weil überall Leute stehen, die einen einweisen und man halt erstmal den anderen Autos hinterherfahren kann. Dann versuche ich, irgendeine sinnvolle erste Reisestation in das Navi einzutippen, wir verfahren uns in einem Kreisverkehr, kommen woanders raus, fahren wieder zurück und stehen sehr massiv mitten in Dover in einer ganz normalen Straße im Stau. Als wir versuchen, anderen vermeintlich ortskundigen Autos hinterher zu fahren, um dem Stau eventuell über Geheimpfade zu entkommen, landen wir einfach im nächsten Stau. Zwischenzeitlich juchze ich trotzdem vergnügt, weil WIR JETZT IN ENGLAND SIND und ALLES SO ENGLISCH AUSSIEHT, GUCK MAL HIER, DIE SCHAFE und da, GUCK MAL, EIN ALTES SCHLOSS und hier, EINE RICHTIGE ENGLISCHE TELEFONZELLE, GUCK DOCH MAL, GUCK!

Dover

Als es so gar nicht weitergeht, fragen wir einen Passanten, was los ist, er guckt erstmal aufs Nummernschild unseres Autos, wo wir denn überhaupt herkommen. Was das genau soll, bleibt ein Geheimnis, hätte er nicht mit uns geredet, wenn wir aus Frankreich gekommen wären oder spricht er fließend Italienisch und wollte nur mal gucken, ob er seine Fremdsprachenkenntnisse anwenden könnte oder ist er einfach nur neugierig? Ein Mysterium. Er weiß  jedenfalls auch nicht, was los ist, vielleicht ein Unfall oder ein Streik am Hafen, sagt aber, um nach Cornwall zu kommen, bräuchten wir gar nicht auf die M20, wir könnten auch da hoch Richtung Canterbury und dann auf die soundso und dann käme man eh auf die M20 und dann auf die M25 und das wäre genauso gut und seine Tochter würde in Cornwall leben, man bräuchte so acht Stunden. Dann fahren wir vorsichtig auf dem Bürgersteig an den wartenden Autos vorbei, der nette Mann weist uns noch in die Querstraße ein und wir machen es genauso, wie er gesagt hat.

Auf nach Cornwall, jedenfalls.


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