Penvénan, 1991

Ich bin wieder nur mit Mama und Tante M. und Robert und Dennis unterwegs, diesmal fahren wir in die Bretagne an die Nordküste, denn da haben Tante H. und Tante R. mit ihren Familien ein Haus gemietet und wir fahren mit den Zelten hinterher und bleiben in der Nähe auf einem Campingplatz.

Ich habe einen Hanni-und-Nanni-Sammelband aus der Bücherei dabei, ein ganz großes Buch, in dem alle 18 Bände sind und weil ich so schnell lese, schaffe ich jeden Tag einen Band. Außerdem habe ich schon die Englischbücher für das nächste Schuljahr dabei, weil ich Englisch so toll finde und schon weiterlernen will, nächstes Jahre komme ich in die sechste Klasse, ich bin zehn.

Das Haus ist von außen schön, aber innen drin ist es ganz dunkel, es hängen komische kitschige Bilder an der Wand und überhaupt ist alles seltsam.

Zum Baden fahren wir ans Meer, in einer kleinen Bucht ist ein Sandstrand, links und rechts sind Felsen, auf die man draufklettern kann. Wenn man sich traut, kann man dann auch runterspringen, aber das Wasser ist sehr, sehr kalt, also gehen wir gar nicht richtig viel ins Wasser.

Morgens frühstücken wir bei uns im Zelt, aber abends sind wir oft bei den anderen im Haus. Meine Backe tut beim Kauen weh, und Mama meint, das käme bestimmt von dem Baguette, weil man da immer so dran reißen muss beim Abbeißen. Tatsächlich habe ich aber Mumps, auf beiden Seiten, gleichzeitig. Weil ich krank bin und Fieber habe, darf ich im Haus schlafen. Onkel G. ist Arzt und weiß, was zu tun ist.

Irgendwer hat eine Kassette mit der Dschungelbuchgeschichte mitgenommen und im Haus hören wir sie rauf und runter und singen alle Lieder mit.

Wir fahren an einen anderen Strand, an dem viele Felsen sind. Wir klettern auf die Felsen und springen von einem zum anderen. Sarah und ich sind die ältesten und müssen auf die kleineren aufpassen, wenn es mal gefährlich wird.

Einmal kommt ein Stierkampf in die Stadt, eine Arena wird aufgebaut und alle wollen hin, aber ich finde Stierkämpfe doof und uninteressant und bleiben mit meinen Tanten zu Hause. Als die anderen zurückkommen sagen sie, es wäre langweilig gewesen, außerdem wäre der Stier gar kein Stier gewesen, sondern eine Kuh.

Les Sables-d’Olonne, 1990

Ich bin mit Mama und Tante M., einer Freundin von M., meinem Cousin Robert und seinem Freund Dennis auf einem Campingplatz irgendwo in der Nähe von Les Sables-d’Olonne. Papa ist dieses Jahr nicht mitgekommen. Im Auto hören wir abwechselnd meine Rolf-Zuckowski-Kassetten und eine Kassette mit Oldies von Mama. Ich mag The Eve of Destruction besonders gerne, dafür finde ich A Horse With No Name und In The Year 2525 doof. Nach den Ferien komme ich aufs Gymnasium, dann lerne ich endlich Englisch, ich bin neun.

Auf dem Campingplatz gibt es keine richtigen Toiletten, nur Kabinen mit einem Loch im Boden. Es stinkt und ist voller Fliegen. Ich gehe in den zwei Wochen exakt einmal auf dem Campingplatz auf Klo, weil es mir zu eklig ist.

Einmal gehen wir zum Angeln ans Meer, ich fange direkt einen kleinen Fisch. Er hängt am Haken und zappelt umher und tut mir ganz furchtbar leid. Wir pulen den Fisch vom Haken und werfen ihn wieder zurück ins Meer, aber ich ahne schon, dass er vielleicht nicht überleben wird. Danach gehe ich nie wieder Angeln.

Wir machen einen Ausflug zu einer Salinenanlage. Man kann mit Schiffchen durch die Salzwasserbecken fahren. An der Ablegestelle wartet eine Familie aus Deutschland mit zwei Töchtern, die ältere ist in meinem Alter. Wir reden nicht viel, beschließen aber, Brieffreundinnen zu werden und ich schreibe mir ihre Adresse auf. Sie heißt Kathrin und kommt aus Warendorf. Wir fahren nicht im selben Boot, Kathrin und ihre Familie fahren zuerst, wir in dem Boot danach. Als wir wieder anlegen, wartet Kathrin auf mich. Sie will noch meine Adresse haben, damit sie mir vielleicht noch aus dem Urlaub eine Karte schicken kann. Ich diktiere ihr die Adresse, „Zuger Klause 18“, sage ich. „Neues Wort?“ fragt Kathrin und ich denke, was für eine komische Frage, das weiß ich doch nicht, ob das ein neues Wort für sie ist. Aber Kathrin will nur wissen, ob Klause ein neues Wort ist oder ob der Straßenname zusammengeschrieben wird. Ach so. Neues Wort, na klar.

Meine erste Postkarte von Kathrin bekomme ich tatsächlich noch aus ihrem Frankreichurlaub. Es ist ein Kätzchen und ein Häschen darauf. Ein paar Briefe später finden wir heraus, dass wir am selben Tag geboren wurden.

postcard

Aubenas, 1989

Wir sind wieder mit K. und U. und Sebastian im Urlaub, wir fahren nach Aubenas, das ist eine richtige Stadt. Die Ferienwohnung hat einen Garten mit Obstbäumen, von dem wir die reifen Früchte pflücken können.

Zum Baden fahren wir an die Ardèche, das ist ein Fluß mit Kiesstrand. Ich freunde mich mit einem französischen Mädchen an, sie heißt Lise und wenn ich mitkommen soll, sagt sie „Allez“, das kenne ich nur aus dem Zirkus, da sagen sie „Allez-hop!“, aber was es bedeutet, weiß ich nicht, ich spreche ja kein Französisch, ich bin acht. Aber ich weiß, dass Lise meint, dass ich mitkommen soll, und dann fangen wir kleine Fischer mit unseren Keschern.

Ich habe eine Kassette mit Kinderliedern und einen Walkman, damit kann ich immer Musik hören, wenn ich will.

Außerdem will ich, dass wir zusammen Gesellschaftsspiele spielen, aber U. sagt, sie spielt nicht mit. Sie sagt aber auch, dass sie das nur sagt, damit ich mich freue, wenn sie dann vielleicht doch mitspielt und nicht umgekehrt, wenn sie jetzt ja sagt, aber dann doch nicht will, enttäuscht bin. Das leuchtet mir ein, aber sie spielt dann halt doch einfach nicht mit.

Einmal gehen wir ins Schwimmbad in der Stadt, das ist aber überhaupt nicht so wie die Schwimmbäder bei uns zu Hause, es ist klein und voll und es gibt gar keine Wiese, sondern nur Steinplatten um das Becken mit Liegestühlen. Wir gehen also auch nur einmal ins Schwimmbad, denn am Fluss ist es schöner.

Beaufort-sur-Gervanne, 1988

Wir sind schon wieder in Beaufort, es ist Herbst und ich bin acht. Diesmal sind wir nicht mit M. und G. und Lisa hier, sondern mit K. und U. und ihrem Sohn Sebastian, aber der ist noch ein Baby, ich bin sieben und werde bald acht. Außerdem ist Linda mit dabei, die Tochter von Freunden von K. und U. Linda ist ein bisschen jünger als ich.

Wir lernen eine Familie aus Stolberg kennen, die haben ein Haus gekauft, noch weiter hoch am Berg, es ist aber noch ein Baustelle. Die Küche ist groß und das Wasser kommt direkt von einer Quelle. Die Töchter heißen Lene und Ellen. Lene ist so alt wie ich und Ellen ein paar Jahre jünger. Lene hat ein Hörgerät, weil sie fast taub ist, das Hörgerät nennt sie „Horchi“.

Wir gehen auf den Friedhof vor der kleinen Kapelle. Der Friedhof ist klein und wurde irgendwann mal umgegraben, wenn man etwas sucht, kann man Zähne und Knochen finden.

Als wir in einer kleinen Stadt unterwegs sind, fasziniert mich die Sprache, in der die anderen Menschen reden, so schnell, ich verstehe überhaupt nichts. Ich möchte aber gerne verstehen, was die Leute reden. In einem Geschäft gibt es Drachen. Ich wünsche mir einen Drachen und darf mir einen aussuchen.

Ich habe meine Blockflöte mitgenommen und ein Notenheft und spiele Kinderlieder von einer Kassette nach und schreibe die Noten dazu auf. In dem Haus gibt es viele Bücher auf Holländisch, aber nicht so viele auf Deutsch, sonst könnte ich die lesen.

Die Erwachsenen wollen immer spazieren gehen, aber das ist langweilig.

Beaufort-sur-Gervanne, 1987

Das Haus liegt an einem Hang direkt an der Straße, man guckt auf Berge und dazwischen kleine Häuschen und die kleine verfallene Kapelle. Mit dem Auto fährt man lange, lange auf einer kleinen kurvigen Straße von Beaufort zum Ferienhaus oder eben zurück, der nächste Bäcker ist in Beaufort, es kommt einem vor wie eine Ewigkeit, wenn die Straße eine Kurve um den Felsen macht, hupt man, für den Fall, dass einem jemand entgegenkommt.

Das Haus ist groß und drumherum ist nur Natur, Papa stellt seine Malaise-Falle auf, ich darf mit seinem Schmetterlingsnetz Insekten fangen. Lisa mag das Weiße vom Ei nicht.

Wir baden in der Gervanne, das Wasser sammelt sich in einem kleinen Becken und strömt über glatte Felsen in ein größeres Becken, eine natürlich Wasserrutsche, Lisa und ich rutschen und rutschen, auf Luftmatratzen oder einfach auf dem Po. Das geht, weil wir noch klein und leicht sind, ich bin sechs. Das Wasser in dem großen Becken ist dunkel und tief und unheimlich, ich rutsche lieber.

Im Dorf hängt ein Bild von einem Mädchen, das ertrunken ist. Das Bild ist gruselig, ein aufgequollenes Gesicht, schwarz-weiß hängt es dort angeschlagen, damit jeder es sehen kann. Niemand weiß, wer das Mädchen ist, das ertrunken ist. Deswegen hängt das Bild damit, damit sich jemand meldet, der es weiß.

Limoges, 1986

Wir sind irgendwo an der Loire bei Limoges auf einem Bauernhof. Die Ferienwohnung ist im ersten Stock, man muss außen am Haus eine Steintreppe hoch und dann durch eine schwere Tür. Einmal klemme ich mir den Finger in der Tür und muss sehr weinen. Ich bin fünf und wir sind mit dem Auto nach Frankreich gefahren.

Auf dem Hof gibt es Tiere und einen Stall mit einem großen Haufen Zeug, vielleicht ist es Hühnerfutter, es ist auch egal, die Hauptsache ist, dass man reinspringen kann.

Wir singen „My Bonnie Is Over the Ocean“, aber ich bin erst fünf und verstehe kein Englisch, vielleicht denke ich, es geht um ein Pony, aber „bring back“ verstehe ich, das heißt zurückbringen.

Wir schwimmen in Seen, aber die ganze Natur in den Seen ist mir ein bisschen suspekt. Einmal kommt Lisa völlig aufgelöst aus dem Wasser und sagt, sie hätte eine Wasserschlange gesehen. Das war bestimmt nur eine Pflanze, sagt M. ABER DIE HAT MICH ANGEGUCKT, sagt Lisa.

Lisa und ich schlafen in einem Zimmer und wir streiten uns, weil Lisa will, dass die Tür einen Spalt offen bleibt und das Licht im Flur an ist, aber das Licht dann genau mir ins Gesicht scheint. Wir weinen und zetern. Ich weiß nicht mehr, wie das Problem gelöst wird.

Lannilis, 1985

Wir fahren zum ersten Mal in Urlaub nach Frankreich. Mama und Papa haben zusammen mit M. und G. ein Haus in der Bretagne gemietet. M. und G. haben eine Tochter, Lisa, die so alt ist wie ich und sind schon da. Mama, Papa und ich fahren mit dem Nachtzug nach Frankreich, weil Papa noch arbeiten musste. Der Plan ist, dass wir alle schlafen, aber ich bin vier, alles ist aufregend und an Schlaf ist nicht zu denken.

„Papa, schläfst du schon?“ frage ich, immer und immer wieder, also kann auch sonst keiner schlafen.

Am Bahnhof holt uns M. mit seiner schwarz-weinroten Ente ab. Im Auto schlafe ich sofort ein.

Von dem ganzen Urlaub erinnere ich mich nur an die schwarz-weinrote Ente und eventuell an das Haus, aber das vielleicht auch nur, weil es Bilder davon gibt, vom Haus, nicht von der Ente, an die erinnere ich mich wirklich. Aber das war 1985 und da war ich erst vier.

Kleinkram

Letztens im Taxi, der Taxifahrer war schon ein bisschen genervt, weil er die „Mein Ziel ist nur zwei Kilometer entfernt, aber ich bin zu faul zum Laufen“-Kundin bekam, aber da kann man nichts machen, er nicht und ich auch nicht. Bei der Strecke vom Bahnhof nach zu Hause kommt es immer auf irgendwas zwischen 7 und 8 Euro raus. Ich zahle üblicherweise einen selbst gewählten Pauschalpreis von 10 Euro, damit es sich für die armen Taxifahrer wenigstens irgendwie lohnt.

Ich gebe also wie gewohnt einen Zehn-Euro-Schein nach vorne, sage „Stimmt so“, da protestiert der Taxifahrer, das wäre zu viel, das ginge so nicht und gibt mir einen Euro zurück. Na gut.


Man fühlt sich nirgendwo so als deutscher Tourist wie in Holland oder im Elsass. In Straßburg wollen alle immer auf Deutsch mit uns reden, schlimm.


Auf dem Weg zum Restaurant in Koenigshoffen verlaufen wir uns kurz, dafür sehen wir einen Biber und einen Storch. Verlaufen ist super.


Am letzten Tag im Restaurant drei Pärchen mit identisch aussehenden Frauen. Braune schulterlange Haare, Seitenscheitel, roter Lippenstift. Wenn ich die Brille abnähme und Lippenstift auftragen würde, ich könnte mich problemlos einreihen.


Auf der Rückfahrt liest mein Mann sein Buch zu Ende, einen Thriller über das Darknet. Ein anderer Reisender interessiert sich für das Buch, ob er da mal den Klappentext lesen darf. „Sie können es sogar behalten“, sagt mein Mann. „Dann machen wir es so“, sagt der Reisende, „Sie bekommen eine Tafel Schokolade von mir, die habe ich zufällig dabei.“ Da haben wir also im Zug Buch gegen Schokolade getauscht, das ist mir auch zum ersten Mal passiert.

Bordeaux-Vorfreude

Bordeaux (5.9.2015)

In anderthalb Wochen brechen wir wieder gen Süden auf, um schon wieder in Biscarrosse-Plage Urlaub zu machen. Eigentlich widerstrebt es mir, jedes Jahr an den gleichen Ort zu fahren, es gibt aber auch sehr gute Argumente dafür oder zumindest für Biscarrosse: Erstens wollen wir ja surfen und ja, das geht auch woanders, aber in Biscarrosse geht es erwiesenermaßen sehr gut, man kommt mit dem Auto hin und wir fahren einfach sehr gerne nach Frankreich. Zweitens haben wir festgestellt, dass wir so locker jeden Tag zwei zusätzliche Erholungstage raushauen, weil die ganze Einlebephase wegfällt. Ungefähr in der Minute, in der wir das Ortsschild passieren, bin ich entspannt, es gibt keine Übergangsphase mehr, wir sind da, das Meer ist da, die Surfschule ist da, der Supermarkt ist da, der Bäcker ist da, alles da, kann losgehen. Drittens kennen wir da mittlerweile Leute und es ist tatsächlich ganz nett, auch im Urlaub nicht ganz fremd zu sein.

Bordeaux 8.9.2015

Viertens machen wir ja doch jedes Jahr etwas neues. Im dritten Jahr machen wir einen Zwischenstopp auf der Hinreise, 2014 waren wir in Montbéliard und in Clermont-Ferrand, letztes Jahr in Barbizon und dieses Jahr werden wir in einem Dorf in der Nähe von Blois übernachten. Außerdem werden wir wohl wieder die Gegend erkunden. Arcachon kennen wir jetzt so langsam, wir waren in Mont-de-Marsan, Biarritz und Bayonne, aber wir waren noch nicht in Biarritz im Aquarium. Und vor allem haben wir noch längst nicht genug von Bordeaux gesehen, da haben wir uns nämlich erst letztes Jahr zum ersten Mal hingetraut, weil wir die Größe der Stadt etwas überschätzt hatten und schlimmes Verkehrschaos befürchteten.

In Wirklichkeit sieht ein Bordeauxausflug so aus. Man fährt eine Stunde mit dem Auto, fährt dann die Autobahnausfahrt Bordeaux-Centre raus, fährt ungefähr fünf Minuten geradeaus und dann am Place de la Bourse in ein Parkhaus. Fertig. Das hat uns überzeugt.

Bordeaux (5.9.2015)

Für dieses Mal habe ich mindestens drei Bordeaux-Ausflüge geplant, denn sobald man begriffen hat, dass es kein Verkehrschaos zu befürchten gibt, ist man nicht nur dem Charme der Stadt erlegen, sondern verbringt zu viel Zeit auf TripAdvisor und hat in Nullkommanix eine Liste mit Restaurants, in die man unbedingt mal gehen muss. Das funktioniert zwar auch mit anderen Städten, in Bordeaux kommt es mir aber besonders schlimm vor.

Für das Garopapilles habe ich schon vor Wochen eine Reservierung gemacht, das Restaurant hat nämlich nur an zwei Abenden in der Woche geöffnet, da war mir das Risiko zu groß, abzuwarten.

Außerdem möchten wir wieder ins Dan, wo wir letztes Jahr eines der leckersten Menüs unseres Lebens essen konnten. Darüber hab ich hier bereits geschrieben.

Bordeaux 8.9.2015

Als wir da beim ersten Versuch sehr freundlich abgewiesen wurden (keine Reservierung), wurde uns das Le Chien de Pavlov empfohlen, wo wir auch sehr lecker aßen und vor allem alten Rum probierten. Die Information, dass man dort auch Kochkurse buchen kann, erwies sich leider als veraltet. Man könne noch Cocktailkurse oder ein Weinseminar machen, aber hier kommt uns ein bisschen die lange Rückfahrt mit dem Auto in die Quere.

Bordeaux (5.9.2015)

Dann steht noch das Miles auf der Liste und damit müssten wir dann schon drei Mal nach Bordeaux, was zwar machbar ist, aber eben auch schon ein ganz gutes Programm, immerhin muss man halt von unserem kleinen Küstendorf erstmal hinkommen. Man könnte auch noch einen Besuch im neuen Weinmuseum einplanen oder den Le Creuset-Shop leerkaufen oder ach ach, ich seh schon… wir fahren zwar bald erst hin, sollten aber jetzt schon planen noch mal wiederzukommen.

Bordeaux (5.9.2015)

Essen wie Anne in Frankreich: À table in Bayonne

Bayonne 02/09/2015

Als wir im letzten Jahr ankündigten, wir würden nach Bayonne oder Biarritz fahren wollen, schrieb uns Antoine den Namen eines Restaurants auf, in das wir unbedingt gehen sollten. „À table“ hieß es, in Bayonne sei es, direkt am Fluß und sehr empfehlenswert, aber auch sehr klein, wir sollten reservieren, er könne das aber auch gerne für uns machen. Wir hatten aber noch keine konkreten Pläne, wir hatten ja noch keine Vorstellung, was man in Bayonne und Biarritz so machen könnte und wollten uns nicht direkt einen fixen Termin in den Tag legen.

Mittags kamen wir also in Bayonne an, hatten Hunger und fanden recht schnell zu À table. Sehr hübsch sah das aus. „Ich möchte da essen!“ sagte ich nach kurzem Studieren der Tageskarte. Daraus wurde aber nichts. Ob wir reserviert hätten, fragte uns eine kleine, resolute Frau und wir mussten verneinen. Dann wäre leider nichts möglich, erfuhren wir und wurden weiter geschickt. Dieses Jahr waren wir schlauer und am Abend vorher reservierte ich Online einen Tisch um 12 Uhr im Restaurant von Claire und Wilfried. Die Bestätigung blieb zwar aus, aber wir waren mutig und machten uns trotzdem auf den Weg. Es ist ja nicht so, als ob es in französischen Städten üblicherweise einen Mangel an Restaurants gäbe.

Bayonne 02/09/2015

Um zehn vor zwölf standen wir vor dem kleinen Restaurant und fragten vorsichtig an, ob denn die Reservierung erfolgreich gewesen wäre. War sie, aber da es noch zehn Minuten vor der offiziellen Öffnungszeit war, wurden wir noch eine Runde spazieren geschickt. Auch so eine französische Eigenheit, an die man sich gewöhnen muss. Wenn um 12 Uhr oder um 19 Uhr aufgemacht wird, wird auch erst um 12 Uhr oder um 19 Uhr aufgemacht. Da kann schon alles bereit stehen, los geht es dann, wenn es ganz hochoffziell losgeht. Das mag erstmal unhöflich erscheinen, ist aber einfach so. Manchmal darf man auch schon sitzen, in diesem Fall liefen wir noch eine Runde durch die kleinen Sträßchen von Bayonne.

Dann aber war 12 Uhr und wir durften sitzen und bestellen. Claire entschuldigte sich für das Fehlen einer englischen Karte. Alle paar Monaten wird die Karte von À table saisonbedingt runderneuert und der Wechsel wäre gerade erst gewesen, sie hätten noch keine Zeit für eine englische Karte gehabt. Egal, geht auch mit einer französischen. Auf der einzigen Terrasse (eigentlich der Bürgersteig) stehen kleine Tische, von denen man einen wunderbaren Ausblick auf den Kanal hat. Drinnen ist noch mal Platz für eng aneinander sitzende zehn bis zwölf Personen.

Bayonne 02/09/2015

Im Laufe des Bestellvorgangs steht uns Claire immer beiseite. Zwei Ratschläge hat sie: Nie das gleiche bestellen wie die anderen am Tisch. Und: Immer etwas nehmen, was man so noch nicht gegessen hat. Wir entscheiden uns also für die Vorspeisenvariation für zwei, der Mann nimmt Steak tatare (was Regel 2 widerspricht, aber gut) und ich nehme den Spieß mit Jakobsmuscheln und eingelegter Zitrone. Das Gemüse des Tages ist Ratatouille sowie ein Kartoffelstampf mit Kürbis.

Bayonne 02/09/2015

Die Vorspeisenplatte ist üppig, es gibt Burrata, Römerherzsalat, etwas Sojasprossen, spanischen Schinken, Kapern, Wraps mit Ziegenkäsecreme und Foie Gras in Sangria mariniert. Dazu gibt es einen Brotkorb, zur Foie Gras empfiehlt Claire das Schwarzbrot – unüblich eigentlich, sonst gibt es meistens Brioche, aber es passt auch gut. Das ganze ist recht bodenständig, aber mit guten Zutaten. Wir schaffen natürlich nicht alles, etwas Schinken und Salat und einige Kapern bleiben zurück. Dazu einen schönen Weißwein und für die Foie Gras noch mal extra einen etwas süßeren. Das passt alles ganz hervorragend.

Bayonne 02/09/2015

Das Steak tartare wird schon fertig angemacht serviert, das sonst übliche Soßentablett mit Worcestershiresauce und Tabasco entfällt also. Als Beilage gibt es das Ratatouille und ein sehr leckeres Kartoffelplätzchen, um das ich meinen Mann ein bisschen beneide.

Bayonne 02/09/2015

Allerdings gibt es gar keinen Grund, neidisch zu sein, mein Spieß mit Jakobsmuscheln ist auch toll, statt Kartoffelplätzchen bekomme ich das Püree aus Kartoffeln und Kürbis. Alles schmeckt gut und frisch. Die Portionen sind aber doch etwas zu groß, so dass vom Püree etwas übrig bleibt, was Claire mit strengem Blick zur Kenntnis nimmt und uns dazu rät, dann lieber vielleicht bei einem Nachtisch zu bleiben. Wenn es nicht reichen würde, könnten wir ja immer noch einen zweiten nehmen.

Schon am Anfang haben wir das Pain Perdu (die französische Version des Armen Ritter) mit Mirabellen  bestellt. Zwei der Nachtische haben eine Vorbereitungszeit, so dass man sich direkt für sie entscheiden muss. Darauf hat uns Claire glücklicherweise auch direkt hingewiesen und da eine unsere gastronomischen Missionen heißt, sämtliche Varianten von Pain Perdu, Armer Ritter oder French Toast zu probieren. Das Pain Perdu kommt zwar nicht an die Armen Ritter von Schmitzlers Restaurant ran, ist aber wirklich richtig lecker und kommt nicht nur mit Mirabellenkompott, sondern auch mit Mirabellensorbet, Sahne und ganzen Mirabellen. Und mir wird wieder klar, wie gut Mirabellen schmecken. Einen zweiten Nachtisch brauchen wir aber tatsächlich nicht, obwohl es sehr verlockend wäre.

Bayonne 02/09/2015

Zum Abschluss einen Kaffee. Wir waren die ersten Gäste und sind die letzten, die an diesem Tag gehen. Bei À table werden die Tische nicht gewechselt, jeder Tisch wird jeweils mittags und abends exakt einmal besetzt. Auch wir erleben, wie sich am Nebentisch ein Paar niederlässt und kurz darauf wieder gehen muss, weil hier eben ohne Reservierung fast nichts läuft. Die Plätze sind begrenzt und das Essen eben so gut, dass es genug reservierende Gäste gibt. Wir bekommen noch einen Petit Café. Seit wir uns damit abgefunden haben, dass das Konzept Espresso in Frankreich weitgehend unbekannt ist und man halt einfach statt dessen einen kleinen Kaffee bekommt, wundern wir uns auch nicht mehr dauernd.

Beim Bezahlen plauschen wir noch mit Claire, die sehr eloquent auf Englisch erzählt. Nach uns kann der Laden wieder bis zum Abend zugemacht werden. Und wir melden uns quasi jetzt schon fürs nächste Jahre an: „A la prochaine année.“ Doch, die Empfehlung war gut.

Bayonne 02/09/2015

Die Bestätigung der Reservierung finde ich am Abend in meinem Posteingang. Hat ja aber alles geklappt.

À table
27 Quai Amiral Dubourdieu
64100 Bayonne
Frankreich

+33 5 59 56 79 22
info@restaurant-a-table-bayonne.fr
Webseite

(Dieser Artikel erschien zunächst auf meinem Blog “Annes kulinarische Abenteuer”, schien mir aber auch für dieses Blog passend. Leser beider Blogs bitte ich, die Redundanz zu entschuldigen.)