Prima Vista Lesung im Gloria-Theater in Köln

Gloria

Von der Tirili-Lesung in Hamburg ging es mit nur einer winzigen Unterbrechung zur nächsten Lesung im etwas näher gelegenen Köln. Da ich bisher immer mit einer beeindruckenden Verlässlichkeit daran gescheitert bin, rechtzeitig Karten für die berühmt-berüchtigten Record Release Partys der Drei ???-Hörspiele zu bekommen, habe ich einfach das nächstbeste gemacht und Karten für die fast genauso berühmt-berüchtigte Prima Vista Lesung gekauft.

Currywurst

Also gab es am Samstag einen schönen Köln-Ausflug, der nach ein bisschen Rumlaufen und einer schnellen Currywurst auf der Ehrenstraße im ausverkauften Gloria-Theater (auch berühmt-berüchtigt) endet. Wir schaffen es, noch zwei Plätze relativ weit vorne zu ergattern und haben so netterweise einen ganz guten Blick auf die Bühne. Ein Tisch mit lustigen Glitzerpapphütchen, Weinflaschen, Wasser und anderem Kram. Davor auf dem Boden sammen sich so langsam Bücher und ausgedruckte Zettel, immer mehr Zuschauer kommen nach vorne und legen irgendwas hin oder gucken, was andere so hingelegt hat.

Texte

Währenddessen läuft ein Theaterköbes mit einem Kölschkranz herum, dem ich in einem glücklichen Moment die letzten beiden Kölsch abnehmen kann, denn mit Kölsch wartet es sich bekanntlich besser.

Kurz nach 19 Uhr geht es dann aber auch los. David Nathan (die deutsche Stimme von Johnny Depp und Christian Bale) und Simon Jäger (die deutsche Stimme von Matt Damon und Heath Ledger) betreten unter Applaus die Bühne, beide stecken in schwarzen Adidasanzügen und tragen schwarze Hüte, haben sich also ebenfalls für diesen Abend schick gemacht. Beim Anblick der Textmassen auf dem Fußboden wird erstmal über die vermutliche Dauer der Lesung spekuliert: „Müsst ihr noch weg oder habt ihr Zeit? Vor sechs Uhr kommen wir hier nicht raus.“ Das Publikum ist entzückt.

Und so machen es sich David und Simon erst mal auf dem Boden bequem, holen sich Weingläser und Wein dazu, greifen zum ersten Buch und fangen an zu lesen. Drei irrwitzig anarchische und grandios komische Stunden stehen uns bevor und wie könnte man besser starten als mit Monty Python. Schnell wird klar, was für ein eingespieltes Team da auf der Bühne sitzt. Die machen das nicht zum ersten Mal, also sowohl Vorlesen als auch Vorlesen unter diesen speziellen Bedingungen.

Boden

Es folgen Texte von Loriot, irgendwas Ausgedrucktes aus dem Internet (zum Beispiel „Radkäppchen und der böse Golf“, dessen Wortspiele zumindest David Nathan immer wieder physische Schmerzen zuzufügen scheinen), Wolf Haas, Daniel Kehlmann, Jürgen Sprenzinger (dem „Sehr geehrter Herr Maggi“-Mann) und Warren Ellis. Von letzterem liegt „Gott schütze Amerika“ auf der Bühne. „So muss ein Buch anfangen“, lobt David Nathan und liest vor: „Ich schlug die Augen auf und sah, wie die Ratte in meinen Kaffeebecher pisste.“ Der Bücherspender bekommt einen Schnaps und nach ein paar Seiten geht es zum nächsten Buch, dass wir, so Nathan „im Gegensatz zu dem letzten Buch alle nicht kaufen.“ Es ist „Der Kuss des Wikingers“ von Sandra Hill und bei allem Spaß, den die beiden Sprecher auf der Bühne mit der Live-Spontan-Vertonung dieses Wunderwerkes haben, nein, ich glaube, das möchte ich wirklich nicht kaufen.

Horst Evers und Walter Moers werden nach wenigen Absätzen weggelegt. Der Evers, weil David Nathan keine Bücher möchte, in denen das Wort „heile“ vorkommt und Moers einfach so, weil er gerade keine Lust drauf hat. Dafür nehmen sich beide der Herausforderung an, einen Comic von Neil Gaiman (der, das muss an dieser Stelle mal gesagt werden, fälschlicherweise als Manga bezeichnet wird) szenisch darzustellen, was genauso daneben geht, wie es daneben gehen muss, aber gerade deswegen zu den Highlights des Abends gehört, auch wenn sich kein Zuschauer findet, der die Rolle des umhertollenden Kindes übernehmen will, so dass sich dann doch Simon Jäger aufopfern muss.

Lesend

Bei einer Känguru-Geschichte von Marc-Uwe Kling kommt Berlin-Lokalpatriotismus ins Spiel. „Ich mach Westberlin und du machst Ostberlin.“ Als ob in Köln da jemand den Unterschied hören könnte. (Aber wer weiß, vielleicht sind ja auch Berliner im Publikum, möglich ist alles.)

Ein weiteres Highlight des Abends kommt mit dem Buch „Regelschmerz Ade: Die freie Menstruation“, das dann nicht nur zu Entspannungsmusik, sondern auch noch parallel mit Freud gelesen wird, und irgendwann lache ich nur noch Tränen und möchte eigentlich, dass das so schnell nicht aufhört. Zum Schluss gibt es noch mal die zwei Herren im Bad von Loriot und dann ist nach knapp drei Stunden Schluss.

Bühne

Es war irgendwie alles toll an diesem Abend. Die Sprecher, der Musikmensch, die Texte und Bücher, das begeisterte Publikum, das Theater, das Kölsch und überhaupt alles. Es fällt mir nicht schwer, zu glauben, dass diese Lesungen regelmäßig ausverkauft sind, man möchte eigentlich sofort die Karten für die nächste Lesung kaufen und Freunde mitnehmen. Auch der Mann, der etwas irritiert war, als ich ihm mitteilte, wir würden zu einer Lesung gehen, wo zwei Sprecher mitgebrachte Texte vorlesen würden, war begeistert. Besser geht es eigentlich nicht.

Ich kann die Prima Vista Lesungen wirklich uneingeschränkt und allerwärmstens empfehlen. Selten gingen drei Stunden so schnell rum und erschien mir eine Pause so endlos lang. Neben David Nathan und Simon Jäger ist mit Oliver Rohrbeck und Detlef Bierstedt noch ein zweites Team im Rahmen dieses Lesungskonzepts unterwegs. Termine kann man in der Lauscherlounge erfahren.

Webseite der Prima Vista Lesungen

Webseite der Lauscherlounge

Eine Antwort auf „Prima Vista Lesung im Gloria-Theater in Köln“

  1. „Gott schütze Amerika“ ist ein großartiges Buch – leider eines, bei dem die Übersetzung enttäuscht. Im Original aber super. Vielleicht sollte ich das deutsche Exemplar auch heute verlosen. Gunmachine ist auch großartig.

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