Tagebuchbloggen, 11.04.2021

Es war 16. Hochzeitstag. Vor einem Jahr hätten wir in einem Restaurant in Amsterdam feiern sollen, dazu kam es nicht, der Termin wurde drei Mal verschoben, zuletzt auf den 18.04., vor ein paar Tagen kam dann die Mail, dass die Reservierung noch mal verschoben wurde, nämlich irgendwann in den Oktober. Ich hätte die Reservierung mittlerweile trotz Anzahlung auch einfach verfallen lassen, die Gastronomie hat ja schon genug Pech, ich habe auch schon in irgendwelche Spendentöpfe der hiesigen Gastronomie eingezahlt, ich kann mir einen schlechteren Einsatz meines Geldes vorstellen als es zur Erhaltung der Essenkultur auch ohne direkte Gegenleistung zu verwenden.

Aber das war ja letztes Jahr, dieses Jahr hatten wir in weiser Voraussicht gar nichts geplant, für ein größeres Take-Out von einem guten Restaurant ist uns zu spät eingefallen, dass man das machen könnte oder die Restaurants hatten einfach Sonntag zu. Statt dessen guckten wir True Crime-Dokus auf Netflix, aßen Eis von Ben & Jerry’s und abends gab es Schweinebraten mit Kartoffelpüree und Speckböhnchen.

Vor 16 Jahren also gab es eine sehr einfache Zeremonie beim Standesamt, keine Ringe, keine personalisierte Rede, der Standesbeamte spulte das Standardprogramm ab, irgendwas mit einer Schiffsanalogie glaube ich, es war ja auch ein bisschen egal.

Ich gucke gerade die erste Staffel „Marriage or Mortgage“ auf Netflix, das ist eine Serie, in der sich ein Paar entscheidet, ob es das angesparte Geld für eine große Hochzeitsfeier oder für die Anzahlung eines Hauses ausgeben möchte. Dafür kommt einer Maklerin, die drei Häuser zeigt und eine Hochzeitsplanerin, die irgendwelche tollen Sachen für die Hochzeit vorstellt. Mein Hauptproblem mit der Serie ist, dass ich sie weniger hassen kann als ich möchte. Zwar bricht immer, wenn sich ein Paar für die Hochzeit entscheidet, ein kleiner Teil meines Herzens, weil ich es für irre halte, 25.000 Dollar für eine Feier auszugeben, aber dann sehen die Feiern wirklich immer ganz toll aus und die Leute sind irre glücklich und was geht es mich an, für was die ihr Geld ausgeben, vor allem, wenn eine Donut-Wand eine Rolle spielt, WER HÄTTE NICHT GERNE EINE DONUT-WAND? (Falls man sich darunter nichts vorstellen kann, es ist eine Wand mit so Holzdübeln, an denen Donuts hängen. Ich bin ja schon verheiratet und wenn ich es nicht wäre, würde ich bei der Hochzeitsplanung sicherlich durchdrehen, aber eine Donut-Wand scheint mir eine vernünftige Investition für eine Feier zu sein.)

Faszinierend ist auch, dass ich nie vorhersagen kann, wofür sich die Paare entscheiden, immer, wenn ich komplett überzeugt bin, dass sie sich für die Hochzeit entscheiden, nehmen sie das Haus und wenn ich denke, dass sie sicherlich vernünftig das Geld in ein Haus stecken, nehmen sie die Hochzeit. Auch das versöhnt mich auf eigentümliche Weise mit dem Format, weil es  zeigt, dass einen Menschen immer wieder überraschen können.

Unsere Hochzeit hat übrigens etwa 70 Euro gekostet, das waren die Gebühren fürs Standesamt. Für den Rest war ich nicht verantwortlich, ich kaufte eine Bluse und einen Rock, den ich auch noch später anziehen könnte, das zählt eigentlich schon gar nicht, das war ja ein ganz regulärer Kleidungseinkauf. Die Feier fand bei meinen Eltern zu Hause statt, die kümmerten sich auch irgendwie um Essen und Trinken, ich habe kaum Erinnerung daran, aber es war ein schöner Tag.

Hochzeitsdecke

Tagebuchbloggen, 4.8.2020

Noch drei Tage bis Hundi. Ich verstehe langsam einen Zusammenhang zwischen Minimalismus und Tierhaltung, wir sind seit einigen Tagen damit beschäftigt, untere Regalfächer leerzuräumen und halten Ausschau nach allem, was für einen 55-Zentimeter-Schulterhöhe-Hund wie interessantes Kauspielzeug aussehen könnte.

Sagen wir, es ist grundsätzlich seit Corona schon super ordentlich in der Wohnung und jetzt wird es noch ein bisschen ordentlicher, wobei natürlich unklar ist, wie viel Unordnung Hundi dann mit ins Haus bringt, also ist es eventuell auch nur ein sehr temporärer Zustand.

Gestern waren wir deswegen auf Anraten der Vorkontrolle-Frau bei einem ominösen Laden namens Action, weil es dort Welpenmatten zum Vorzugspreis geben sollte. Welpenmatten sind so saugfähige Unterlegmatten, die wir gleichermaßen großzügig wie strategisch in der ganzen Wohnung verteilen sollten, weil die Stubenreinheit von Hundi noch nicht bekannt ist. Außerdem konnte man bei Action so einen Bürstenhandschuh, Anti-Floh-Tropfen und Kotbeutel kaufen, es war also insgesamt erfolgreich, auch wenn wir das Konzept des Geschäftes nicht verstanden haben.

Danach waren wir bei einem uns bisher noch unbekannten Edeka, der sehr groß und schön war, was dazu führte, dass wir sehr viel Unsinn kauften, unter anderem sehr teuren löslichen Kaffee, von dem ich noch nicht genau weiß, was ich damit machen soll, aber es stand „Walnut Maple“ drauf und ich werde immer sehr unzurechnungsfähig, wenn irgendwo Maple draufsteht.

Was sonst noch geschah:

  1. Ich habe eine Tomate umgetopft, also vielmehr „die“ Tomate, denn es gibt hier nur eine, jedenfalls als Pflanze. Die Tomate kommt aus Essen-Haarzopf und überlebte nur haarscharf, sieht jetzt aber insgesamt recht stabil aus, deswegen durfte sie auch in einen größeren Topf.
  2. Wir haben noch mal angefangen, Stromberg von ganz vorne zu gucken und es ist bemerkenswert gut gealtert, aber halt immer noch genauso fremdschämschlimm wie früher.
  3. Eine weitere Großcousine wurde geboren. Mehr Infos habe ich noch nicht, aber das wird sich hoffentlich bald ändern.

Tagebuchbloggen, 29.9.2019

Ausschlafen war nicht wegen Pfarrfest in der Heimatsiedlung in Köln. Ich würde sagen, ich gehe da traditionell auch in den Gottesdienst, aber tatsächlich war ich ja erst zwei Mal da, ab nächstem Jahr kann ich dann vielleicht von Tradition sprechen.

Beim Gottesdienst war viel Weihrauch, was ich ja tatsächlich ganz gerne mag. Gesungen wurde aus einem neuen Liederbuch, das ich noch nicht kannte. Hauptsächlich etwas neueres Zeug, zwei Mal auf Englisch und natürlich mit Chor. Ein Lied fand ich besonders interessant, es heißt „Wäre Gesanges voll unser Mund“, es war mir vollkommen unbekannt, hat aber eine Stelle, wo von G-Dur kurz nach F-Dur und wieder zurück moduliert wird, das ist für ein Kirchenlied schon verhältnismäßig abgefahrene Harmonik.

Die Predigt war auch unerwartet kritisch, es ging um Veränderungen in der Kirche und darum, dass die Kirche und der Gottesdienst zwar schön und wichtig, aber die Arbeit der Gemeinde selber vielleicht noch etwas wichtiger wäre. Im Nachhinein erfuhr ich, dass es konkrete Anlässe für diese Predigt gab, es steht nämlich im Raum, dass das Pfarrheim geschlossen werden soll und das will natürlich keiner in der Gemeinde. Später wurde auch das Nichtstattfinden der traditionellen Prozession heiß diskutiert, also richtig offiziell auf der Bühne mit Pro und Kontra. Ich hatte angenommen, dass die Prozession wegen Wetter nicht stattgefunden hatte, das war aber mitnichten der Fall, es war tatsächlich eine Organisationsfrage und sollte als Anlass zur Debatte dienen, was man tun muss, damit die Prozession eventuell anders organisiert stattfinden kann oder ob sie überhaupt nötig ist oder ob man vielleicht zu einem anderen Anlass eine Prozession machen könnte. Ich bin ja nur zu Besuch da und in Essen auch in keiner Gemeinde aktiv, so ein Einblick, bei dem man sich auch keine abschließende Meinung bilden muss, ist auch ganz spannend.

Pfarrfest

Ansonsten gab es Essen vom Männerkochclub und Kuchen von der Kuchentheke und Gemüseverlosung und einen Crêpestand von den Messdiener. Es gab eine Hüpfburg und eine Slackline und eine Tischtennisplatte, die alle (in diesem Fall tatsächlich wegen Wetter) in der Kirche aufgebaut waren. Und natürlich Familie und Leute, die sich freuten, dass sie einen mal wiedersahen.

Männerkochclub

Hüpfburg

Danach ging es noch mit der Familie zu meinen Eltern und am frühen Abend brachte mich meine Tante zum Bahnhof, so dass ich immerhin um kurz nach 19 Uhr zu Hause war, Essen vom Thai abholen konnte und dann gab es noch Tatort und dann Bett.

Tagebuchbloggen, 27.9.2019

Morgens fuhr keine Bahn, da lohnte es sich erstmals, dass der Zug im Moment ungünstig fährt, denn so konnte ich locker zu Fuß zum Bahnhof gehen. Auf dem Weg überlegte ich mehrfach, doch einen E-Roller zu nehmen, da ich aber keinen Zeitdruck hatte und die Strecke außerdem an einer unangenehm großen Straße entlanggeht, ließ ich es bleiben.

Als ich in Köln ausstieg, traf ich just meinen jüngsten Cousin an, der am Bahnhof auf einen Bus wartete. Jüngster Cousin täuscht eventuell, die Familie meiner Mutter hat die ganze Kinderkriegerei ja einfach konsequent in den Achtzigern abgewickelt. Ich und meine ältere Cousine sind 1980 geboren und dann folgten einfach jedes Jahr ein oder zwei Geburten bis 1989 und dann war Schluss. In anderen Worten: Der jüngste Cousin ist jetzt Lehrer. Also so richtig fertiger Lehrer. Das war jedenfalls schön, wir hatten uns schon sehr lange nicht gesehen, eigentlich ein sehr dummer Zustand.

Auf der Arbeit das eine größere Problem so gelöst, dass die Anwender jetzt glücklich sind, wir aber noch nicht. Da muss also noch was passieren. Ansonsten läuft es insgesamt wie erwartet etwas ruckelig, aber Gott sei Dank ohne größere Probleme.

Seit gestern bin ich auch technisch ganz ausgestattet. Ich habe jetzt kein Telefon mehr, sondern ein Headset, dass sich mit Skype synchronisiert, die Anrufe gehen also auf dem Rechner ein. Ich war anfangs skeptisch und habe mich ja auch fünf Jahre lang gegen ein Headset gewehrt, weil ich es irgendwie albern fand. Nach zwei Tagen muss ich sagen: Wie dumm ich war! Das Headset ist aus mehreren Gründen total, aber vor allem habe ich zwei Hände frei und mir war einfach nicht klar, was für eine unfassbare Erleichterung das ist. Das ist also alles sehr zufriedenstellend insgesamt. Das Headset kann auch noch andere tolle Sachen, dazu aber vermutlich demnächst mehr im Techniktagebuch.

Obwohl ich eigentlich früher gehen wollte, ergab sich das nicht. Es wäre auch sehr ärgerlich gewesen, denn die frühere Bahn kam so viel zu spät, dass sie gerade einfuhr, als ich am Bahnhof eintraf. Auf dem Rückweg lief meine Cousine an und wollte mir mehrere Dinge mitteilen und schon mal demnächst benötigte Hilfe anmelden. Wir sprachen ungefähr bis ich zu Hause und ihr Telefonakku fast leer war. Dann musste ich noch zur Packstation und telefonierte kurz mit meiner Mutter, es war ja anscheinend Familienkontakttag, da bot es sich an.

Mein Mann ist jetzt noch irgendwo mit Kollegen unterwegs, Klavier gespielt, Buffy geguckt, neue Songidee gehabt und jetzt gibt es entweder Buch oder die neue Folge von den drei Fragezeichen oder beides, aber hintereinander und nicht gleichzeitig.

Tagebuchbloggen, 20.10.2018

Auf einem kleinen Familientreffen erfahre ich, dass mein Opa und sein Bruder sich heftigst stritten, als bekannt wurde, dass meine Mutter mit 18 schwanger war.

„Dass du sowas zulässt unter deinem eigenen Dach!“ war der Vorwurf meines Großonkels.

„War doch gar nicht klar, ob das unter seinem Dach war“, sagt meine Tante zweiten Grades dazu gestern im Garten.

Mein Vater steht in der Tür, als die Geschichte erzählt wird.

„Ich weiß gar nicht, wo das war“, sagt er nüchtern.

„Aber ich!“ sagt meine Tante.

Ja, okay, na dann. So genau wollte ich die Geschichte um den Beginn meiner Existenz ja vielleicht auch gar nicht wissen.

(Augustastraße in Köln, Silvester 79/80, nur der Vollständigkeit halber. Hätten wir das auch geklärt.)

Tagebuchbloggen 14. bis 19.8.

Freitagabend bei einem neuen Vietnamesen auf der Rüttenscheider Straße gegessen, sehr angenehm, wir konnten draußen sitzen, das Essen war wirklich gut und es gab cà phê sữa đá, den vietnamesischen Eiskaffee mit gesüßter Kondensmilch, den ich damals in Ho-Chi-Minh-Stadt so liebte.

Unangenehm immer wieder, sobald man man im Restaurant draußen sitzt, steigt die Chance, dass sich jemand in der Umgebung eine Zigarette ansteckt. Wir haben uns dann einen Tisch weiter gesetzt, da ging es dann. Dazu muss man wissen, dass ich Zigarettenrauch auf Entfernungen wahrnehme, die eventuell schon nicht mehr ganz normal sind.

Das war aber nur ein kleiner Wermutstropfen, ansonsten ein sehr schöner Abend, guter Moscow Mule auch, das My Dad Made in Essen-Rüttenscheid kann ich also auch empfehlen.

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Samstag war Familientag. Also zunächst nach Opladen zu Oma, bei der das Gespräch eher zufällig auf ihre Ostpreußenerinnerungen kam, sie lebte damals mit ihrer Mutter in Memel. Nachdem der alte Diercke-Atlas keine ordentliche Karte des Baltikums aufweisen konnte, musste das Smartphone her und wie das so ist, erzählte sie, ich suchte auf dem Smartphone, fand Bilder oder guckte auf Google Maps, darüber stolperten wir über das GenWiki, auf dem man sogar die Einwohner einzelner Häuser einsehen konnte.

„Der Schulz war der Nachbar, mit dem sich meine Oma die Zeitung teilte. Da musste ich immer hin und nach der Zeitung fragen und abends musste ich dann die Zeitung zurückbringen. Und in der Villa Lieselotte in Schwarzort habe ich mein Pflichtjahr gemacht. Ja, genau, das war das Haus, da unten haben wir gearbeitet, wieso hast du denn jetzt ein Bild davon?“

„Aus dem Internet, Oma, das ist alles im Internet.“

Als meine Eltern dann dazukamen, strahlte Oma: „Das war das schönste Gespräch meines Lebens!“

Es ist also ganz einfach, ich kann dieses Internet nur empfehlen, auch für Anverwandte, die vielleicht sonst nicht so viel damit anfangen können, mit denen man aber beim betreuten Internetstöbern der ein oder anderen Erinnerung nachstöbern kann.

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Weiter ging es ins Bergische Land, wo der dritte Geburtstag des Großcousinenkindes anstand. Das Großcousinenkind wohnt eigentlich bei Stuttgart, war aber mit Familie auf Großelternbesuch.

Es gab Kuchen und Schnittchen, Pflaumen frisch vom Baum und selbstgemachten Feigenwein und es war ungefähr genauso idyllisch, wie es sich anhört. Insgesamt sehr glückliche Kinder, es wurde nur einmal geweint, während die dreijährige Großcousine einem schon seit knapp einem Jahr sehr souverän eine Frikadelle an die Backe plappert, hat der zweijährige Großcousin noch eine eigene Sprache, sagt sehr souverän „Ja“ und „Nein“, kann aber mit beeindruckender Genauigkeit mit der Wasserpistole zielen. Beide sind leider außerdem verboten niedlich. Da Bilder aus offensichtlichen Gründen nicht möglich sind, hier als Ersatz meine bescheidenen Kneterfolge, im Hintergrund ein Hase.

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Sonntag dann eine Mischung aus Arbeiten und Schlafen. Da der Familientag aus mehreren Stationen bestand, und sowohl An- als auch Abfahrt mindestens anderthalb Stunden in Anspruch nehmen, musste halt alles andere irgendwie in den Sonntag rein, inklusive Erholung. Diese Wochenenden sind eben grundsätzlich zu kurz, all das nachzuholen, zu dem ich unter der Woche nicht komme.

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Außerdem war Sonntag großer Skandinavien-Doku-Tag auf 3Sat. Ich habe nur zwei verfolgt, einmal ging es um Island, da musste ich natürlich an Frau Drehumdiebolzen denken, die erst gerade mit Mann und zwei Kindern einmal komplett mit einem Geländewagenoldtimer rund um die Insel gefahren ist. Ja, das ist schon richtig, das Auto hat auch einen Twitteraccount.

Darauf folgte eine Doku über Tiere in Dänemark und ich war besonders verzückt von dem Eulenpapa, der seinen Jungeulen Futter brachte und sehr genervt in die Kamera guckte, als die Jungeule das Stück Fleisch fallenließ und ohne Pause einfach weiter krakelte. Natürlich guckte die Eule vermutlich gar nicht gernervt, sondern eben so, wie Eulen gucken, aber schauen Sie selbst.


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Familie: The Next Generation

Ich bin bekanntlich Einzelkind und nach langjährigen Beobachtungen sowohl meine charakterliche Disposition betreffend als auch der komplizierten Familienverhältnisse von Nicht-Einzelkindern finde ich das auch ganz okay so. Auf der anderen Seite gibt es eine weiter gefasste Familie, die sämtliche Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen umfasst und mir nicht sehr fremd ist. Zum einen haben sich die Geschwister meiner Mutter sehr viel Mühe gegeben und alle elf Cousins und Cousinen in einer Zeitspanne von 1980 bis 1989 geboren, so dass es nie zu absurden Altersabständen kam. Außerdem lässt sich eine gewisse Heimatliebe feststellen, so dass ich jetzt mit knapp 70 km Entfernung am zweitweitesten von allen vom Mutterschiff weg wohne. Auch, wenn es andere Cousins und Cousinen mal weiter weg verschlagen hat, kommen sie jetzt alle zurück wie die Lachse zum Laichort. Als letztes muss man vielleicht wissen, dass wir die ersten dreizehn Jahre meines Lebens im Haus meiner Großeltern wohnten, und somit eben am Zentralumschlagplatz für Familienbesuche. Mit nuklearer Familie haben wir also nicht so viel am Hut, es gehören sehr viel mehr Personen dazu.

Nun fangen die Cousinen und Cousins an, selber Kinder zu bekommen. Mittlerweile gibt es vier davon, das fünfte ist unterwegs, alle innerhalb von zwei Jahren, auch hier also kann man einen gewissen Hang zur zeitlichen Nähe feststellen, allerdings weiß natürlich noch keiner, wie das in der Zukunft weitergeht.

Ich bekomme jetzt also eine komplett neue Art von Verwandten, die es vorher nicht gab, und die so furchbar niedlich ist, dass man auch davon erzählen möchte und dafür braucht man Wörter.

Weil ich nun auch gerne richtig rede und korrekte Begriffe verwenden möchte, begann ich mich damit zu beschäftigen, wie das denn mit diesen Verwandtschaftsverhältnissen so aussieht. Ich empfehle dazu den Artikel in der Wikipedia zu „Verwandtschaftsbeziehung“, denn da gibt es neben viel hilfreichem Text auch eine hübsche Grafik, durch die man sich durchhangeln kann.

Ich fand heraus: Die Kinder meiner Cousinen und Cousins sind meine „Nichten und Neffen zweiten Grades“. Das ist jetzt zwar offenbar richtig, aber ein sehr sperriger Begriff, der sich für den täglichen Gebrauch und ob seiner Verbosität auch gerade für Twitter nicht wirklich eignet. Ich war also auf der Suche nach einem besseren und trotzdem zumindest nicht falschem Wort.

Instinktiv hatte ich immer von Großcousinen und Großcousins gesprochen, war dann aber unsicher geworden. Ich fragte auf Twitter nach, und einige Leute mit den gleichen Verwandtschaftserfahrungen wiesen ebenfalls auf die Option Großcousine und Großcousin hin. Ich guckte also noch mal genau hin und wurde fündig (Hervorhebung von mir):

Großcousin und Großcousine sind keine offiziellen Verwandtschaftsbezeichnungen, sie werden nicht einheitlich benutzt; vom normalen Muster abweichend, werden damit umgangssprachlich ganz allgemein Verwandte aus der nächst älteren Generation, aus derselben, oder aus der nächst jüngeren Generation bezeichnet: […]

  • Cousin, Cousine 2. Grades
  • Cousin, Cousine eines Elternteils = Onkel, Tante 2. Grades
  • Sohn, Tochter einer Cousine oder eines Cousins 1. Grades = Neffe, Nichte 2. Grades
  • allgemein: Cousins und deren Kinder, wenn ihr Grad nicht bekannt ist

Anders formuliert ist Großcousin und Großcousine im großen Verwandtschaftsbingo einfach kein geschützter Begriff. Es ist zwar jetzt nicht die hyperkorrekte Bezeichnung für die Kinder meiner Cousinen und Cousins, aber es kommt einem fluffiger über die Lippen, verbraucht nicht so viele Zeichen und ist vor allem nicht falsch.

Wer also in nächster Zeit neue Verwandtschaft in Form von Cousin(en)kindern bekommt, der muss nicht länger suchen und zweifeln: Wir dürfen Großcousine und Großcousin sagen! Hurra!

Dialog am Abend

„Passt du auf mich auf?“

„Ja“

„Soll ich auch auf dich aufpassen?“

„Ja.“

„Also passen wir aufeinander auf?“

„Ja.“

„Gut.“

Über mäßig ungewöhnliche Leseorte und falsche Geschlechterklischees

Vorsicht: Dieser Artikel fällt für ganz empfindliche Leute möglicherweise in die Kategorie TMI (too much information). Es passiert aber de facto nichts Schlimmes und auch nichts Ekliges.

Gestern Abend hörte ich mal wieder mit großer Freude den Lila Podcast von Katrin Rönicke und Susanne Klingner und wurde bei einer Äußerung in großes Erstaunen versetzt.

Katrin berichtete von einer Diskussionsrunde auf dem taz.lab, bei der die sagenhafte These in den Raum gestellt wurde, dass es bei Frauen und Männern ja nun schon prinzipiell Unterschiede gebe, weil zum Beispiel nun Männer sich etwas zu Lesen mit aufs Klo nähmen und Frauen nicht. (Hier zu finden ab Minute 7 ungefähr.)

Vor Schreck über so diese Behauptung fiel ich fast aus dem Bett.

Ich lese auf dem Klo, seit ich noch gar nicht lesen konnte. Auf unserer Toilette lag stets griffbereit eine Auswahl sinnvoller Lektüre, die regelmäßig ausgetauscht wurde, damit es auch nicht langweilig wurde. Vermutlich habe ich so jedes Asterixheft mindestens einmal komplett auf dem Klo gelesen. Später kamen Lustige Taschenbücher dazu und auch sonst alles, was man halt lesen konnte. Die Calvin-und-Hobbes-Hefte, die ich im Teenageralter zur allgemeinen Freude aller im Haushalt lebenden Personen, anschaffte, haben es entsprechend nie aus der Wohnung meiner Eltern geschafft. Wobei, ein Heft hat es tatsächlich aus der Wohnung meiner Eltern geschafft und liegt jetzt griffbereit im Flurschränkchen ihrer Zweitwohnung in Berlin, direkt neben der Badezimmertür.

Es ist mir unverständlich, wie man auf Toilette gehen kann, ohne sich vorher um Lesestoff bemüht zu haben. Was macht man dann da, auf die Kacheln starren? Ein Liedchen summen? Oder lesen die Menschen, die behaupten, sie würden auf Toilette nicht lesen eben doch, nur eben dann die Rückseiten von Tamponpackungen oder Shampoos? Ich hingegen renne regelmäßig panisch durch die Wohnung, weil ich zwar dringend mal muss, aber erstmal etwas zu lesen suchen muss. Etwas grotesk erscheint mir immer die Situation, wenn ich auf der Toilette sitzend Kochzeitschriften lese, aber dann denke ich über die Schönheit des ewigen Verdauungskreislaufes nach und finde es dann fast wieder passend.

Als ich heute auf Twitter kurz von dieser Behauptung schrieb, gab es natürlich auch direkt Nachfragen, die ich auch gerne noch aufgreife. Ja, Handy und Tablets zählen auch als Lesestoff. Erweitert man das ganze, akzeptiere ich selbstverständlich auch jegliche Art tragbarer Spielekonsolen, Hauptsache, man hat etwas, mit dem man sich beschäftigt und das einen vom Kachelzählen abhält. Auch das Hören von Podcasts, Hörbüchern und Hörspielen ist eine schöne Beschäftigung, während man erledigt, was halt gerade erledigt werden muss. Ich bin da nicht kleinlich, mir wird nur sehr schnell langweilig und weil ich erkannt habe, dass meine Zeit begrenzt und die Auswahl an interessanten Sachen unendlich ist, sehe ich gar keine andere Möglichkeit, auch die Zeit auf Toilette irgendwie sinnvoll zu nutzen.

Tatsächlich habe ich keine Zahlen über das Auf-Klo-Leseverhalten von Männlein und Weiblein. Bei uns zu Hause lag die Quote der lesenden Personen bei hundert Prozent, zwei von drei Leuten,  die ich in dieser Langzeitstudie (1980 bis 2000) beobachtet habe, waren weiblich. In einer weiteren Langzeitstudie (2002 bis 2015 und andauernd) habe ich das Klolektüreverhalten dieses Haushalts beobachtet und konnte feststellen, dass auch hier hundert Prozent der hier lebenden Personen auf Toilette lesen. Es sind allerdings nur zwei, eine davon weiblich (ich) und eine männlich.

In meinem Leben gab es bislang noch keine brauchbare Alternative zur Klolektüre. Lesen auf Toilette scheint mir der einzig gangbare Weg. Allerdings weiß ich tatsächlich nichts über das Verhalten anderer Menschen, also solcher, mit denen ich weder verwandt noch verheiratet bin. Das kann man aber natürlich ändern. Ich rufe also dazu auf, sich als Kloleser zu outen oder natürlich nicht, je nachdem, was man halt da so macht. Und alle Nicht-auf-dem-Klo-Leser dürfen auch gleich die Frage beantworten, was man denn ansonsten bitte schön da tut. Das würde mich nämlich auch sehr interessieren. Bitte sehr, die Kommentare sind eröffnet, nur zu!