Ich habe heute morgen einen unfreiwilligen Neujahrsspaziergang gemacht. Und das kam so:
Aus Gründen, die niemand versteht, am allerwenigsten wir, waren wir heute um Viertel nach neun wach. Das ist aus zwei Gründen beachtlich: Erstens, weil wir auch an normalen Ausschlafmorgenden durchaus mal bis nach zehn schlafen und zweitens, weil das kein normaler Ausschlafmorgen war. Statt dessen plumpsten wir in der Neujahrsnacht gegen vier Uhr morgens ins Bett und das auch noch nicht mal, weil wir so irre abgefeiert haben und sturzbetrunken waren, sondern, weil wir gut acht Stunden bei einer Silvesterparty ausgeholfen hatten und nicht mehr konnten.
Trotzdem also um Viertel nach neun wach und wenn man schon mal wach ist und Neujahr ist und außerdem die Sonne scheint, dann kann man auch schon mal auf die Idee kommen, man könnte ja Brötchen fürs Frühstück holen. Also angezogen und raus.
Selbstverständlich hatte keiner der drei Bäcker in unmittelbarer Nähe geöffnet. So etwas hatte ich mir zwar fast schon gedacht, aber man ist ja optimistisch und denkt sich, dass vielleicht doch irgendwo ein Bäcker, aber nein, keiner. Ganz Holsterhausen nicht nur ausgestorben und unter Silvesterknallermüll begraben, sondern auch komplett brötchenfreie Zone.
Dann passierte etwas, was man vielleicht den Forrest-Gump-Effekt nennen könnte, ich dachte nämlich: „Na ja, wenn ich jetzt schon hier bin, guck ich noch mal bei dem anderen Bäcker auf der Soundsostraße, ob der vielleicht auf hat.“ Der Bäcker auf der Soundsostraße hatte selbstverständlich auch nicht geöffnet, aber weil der Bäcker auf der Soundsostraße auf halbem Weg nach Rüttenscheid liegt und ja die Sonne schien und ich ausnahmsweise mal halbwegs früh auf den Beinen und dementsprechend sehr stolz auf mich war (und wir außerdem auch kein wirkliche Brötchenalternative im Haus hatten), dachte ich dann: „Na ja, wenn ich schon mal hier bin, dann kann ich auch noch nach Rüttenscheid laufen, und gucken, ob da ein Bäcker auf hat.“
Man kann jetzt schon ahnen, wie die Geschichte weitergeht: In Rüttenscheid hatte selbstverständlich auch kein Bäcker auf, jedenfalls keiner bis zum Rüttenscheider Stern und weiter wollte ich nicht laufen. Statt dessen dachte ich: „Na ja, wenn ich jetzt schon mal hier am Stern bin, kann ich ja auch mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof fahren und da gucken, ob ein Bäcker auf hat.“
Gott sei Dank endet die Geschichte dann auch bald, denn am Hauptbahnhof gab es Bäcker. Also, es gab Kamps. Das zählt zwar an normalen Tagen nicht als akzeptabler Bäcker, aber in Notsituationen schon.
Man möchte sich auch gar nicht überlegen, wie das weitergegangen wäre, wenn am Hauptbahnhof kein Bäcker aufgehabt hätte. Ich hatte nämlich zum Zwecke des Bezahlens mein Portemonnaie dabei und da ist auch meine BahnCard 100 drin, der nächste logische Schritt wäre also gewesen, sich von nächstgrößerer Stadt zu nächstgrößerer Stadt zu hangeln, und wenn es dann in Düsseldorf keine Brötchen gegeben hätte, wäre ich nachher noch nach Köln gefahren. Da hätte man in der Zeit fast selber Brötchen backen können, Trockenhefe und Mehl hab ich jedenfalls tatsächlich im Haus.
Was mir dann noch aufgefallen ist: Selten sind Straßen so menschenleer und seltsam wie am Neujahrsmorgen. Selbst Rüttenscheid war wie ausgestorben, statt dessen überall leere Flaschen und Pappmüll, Raketenstöckchen und abgebrannte Wunderkerzen. So ein bisschen muss man sich wohl die Zombiekalypse vorstellen, nur vielleicht mit weniger Sekt- und Champagnerflaschen und statt Luftschlangen das ein oder andere verstreute Körperteil. Kommt aber auch auf die Art der Zombies an, nicht alle sind ja zwingend gewalttätig.
Aber vielleicht denke ich sowas auch nur, weil ich sehr oft über die Zombiekalypse nachdenke, aber das ist dann doch eine andere Geschichte und hat auch überhaupt rein gar nichts mit Brötchenholen zu tun.
Ich habe aus Anschauungszwecken alle Bilder (bis auf das erste ganz oben) durch einen hübschen Filter gejagt, damit das mit der Zombiekalypse wenigstens ein bisschen nachvollziehbar wird. In Wirklichkeit war der Himmel nämlich gar nicht so gelbgräulich, sondern eher knalleblau.
Immerhin wurde bei uns in der Straße mit echtem Champagner gefeiert. Sollte es zu einer wirklichen Zombiekalypse kommen, gehen wir hier wenigstens stilvoll unter.
Luftschlangen. Fast wie Gedärme. Nur bunter. Und aus Papier. Und nicht eklig. Eigentlich überhaupt nicht wie Gedärme.