Es gibt da so diffuse Gefühle, die man mit sich rumträgt, bei denen sich immer mehr das Bedürfnis einstellt, darüber zu schreiben, aber weil die Gefühle so diffus sind, muss man erstmal rausfinden, was das eigentlich ist, worüber man da schreiben will. Außerdem ahnt man, dass der Text, der daraus entstehen würde, ausreichend lang und verschwurbelt werden und eventuell auch die ein oder andere hochgradig subjektive Wahrnehmung und diskutierfähige Meinung enthalten könnte, dementsprechend also eher von der eher schwierigen Sorte wäre.
Dass ich jetzt doch – oder vielmehr jetzt schon – schreibe, ist vor allem Christian vom jawl und Patschbella zu verdanken, die sich in den letzten Tagen auch über dieses und jenes Gedanken machten, was in beiden Fällen in eine ähnliche Richtung ging, aber eben nicht ganz. Sowohl bei Christian als auch bei Patschbella geht es um das kollektive Wahrnehmen von Web- und anderweitigen Phänomenen bzw. die Auflösung einer solcher kollektiven Wahrnehmung.
Gerade das, was Christian schrieb, piekste verdächtig genau mein diffuses Gefühl an, dass da irgendwas ist, was früher anders war. Korrektur: Irgendwas, was ich früher anders wahrgenommen habe.
Um es mal ganz einfach auszudrücken: Das Internet, so wie ich es kennengelernt habe, gibt es nicht mehr. Vielleicht gab es dieses Internet auch nie (diese Vermutung halte ich im Übrigen für sehr wahrscheinlich). Aber es gab mal eine Zeit, wo man sich ausreichend überzeugend einreden konnte, dass das Internet, das ich kenne, mit dem Internet, das andere Blogger kennen, in einigen nicht unwesentlichen Punkten übereinstimmte.
Es gab einen gefühlten gemeinsamen Nenner, der sich in bestimmten Fähigkeiten, Interessen, der Vertrautheit mit bestimmten Phänomenen, und einem auf irgendeine Weise halbwegs abgestimmten Jargon widerspiegelte.
Mittlerweile vermute ich ja, dass das auch vor zwei, fünf und zehn Jahren schon nicht der Fall war, aber man konnte zumindest noch ein bisschen so tun, als ob.
So ein gefühlter gemeinsamer Nenner ist eine feine Sache. Man bildete sich ein, dass der andere Blogger da sicherlich auch diesen oder jenen Artikel von diesem oder jenen dritten Blogger gelesen haben müsste, da dieser oder jener dritter Blogger immerhin zu der Sorte Blogger gehörte, die “man” in seinem auf jeden Fall in irgendeiner Form vorhandenen Feedreader haben sollte.
Außerdem ging man davon aus, dass der andere Blogger diesen oder jenen Insiderwitz auf jeden Fall verstehen würde, da man ja zwischen Zeitpunkt X und Zeitpunkt Y um Mem A, B und C gar nicht herumkam. Nicht zuletzt unterstellte man jedem Blogger auch ein irgendwie geartetes Grundwissen von HTML und anderem Gedöns, da man ohne ja gar nicht alles machen konnte, was man so wollte.
Kurz gesagt, es gab so ein wuscheliges Gemeinschaftsdings, bei dem man unhinterfragt davon ausging, dass man in Grundzügen von denselben Dingen sprach und einen ähnlichen Erfahrungsschatz vorweisen konnte, wenn man erzählte, dass man bloggte.
Nach längerem Nachdenken glaube ich allerdings, dass diese Zeiten, sollte es sie je gegeben haben, schon sehr lange vorbei sind.
Das ist objektiv sehr schön, denn dass das so ist, liegt nicht zuletzt daran, dass Bloggen mittlerweile so einfach ist, dass einerseits kaum noch Einstiegshürden bestehen und andererseits Bloggen kein Nischending mehr ist. Man muss sich auch kaum weitere Kenntnisse aneignen, wenn man das nicht will, weil die Blogplattformen einem den ganzen Technik- und Layoutkram, an dem man sich damals(TM) noch die Zähne ausbiss, abnehmen. Man kann sich wunderbar einzig und allein auf das Liefern von Inhalt konzentrieren.
Das ist, um das mal gleich klar zu sagen, eine wunderbare Entwicklung, über die wir uns alle freuen sollten.
Aber es bedeutet, dass dieses wuschelige Gemeinschaftsdings zerbröckelt und sich mehr und mehr als die hübsche Lüge zeigt, die es eben ist. Es bedeutet auch, dass eifrig und mühsam erworbenen Spezialkenntnisse immer wertloser werden. Natürlich kratzt das am eigenen Ego, wenn der eingebildete Elitenstatus, auf dem man sich mental gerne ausruhte, auf einmal wegfällt.
Es ist schwierig, in solchen Momenten nicht in eine “Früher-war-alles-besser”-Mimimi-Haltung zu verfallen. Heute sehe ich Blogs, die hochprofessionell aussehen, aber gerade mal ein oder zwei Jahre existieren, und man ist versucht, sich beleidigt in eine Ecke zu hocken und einen Flunsch zu ziehen. “Wir hatten damals ja nüscht”, könnte man dann sagen, aber erstens ist das vollkommen egal und zweitens stimmt es auch überhaupt nicht. Als ich mit dem Bloggen anfing, gab es ja auch schon WordPress, Blogger und Konsorten, einzig die Templates waren nicht so schön und das Layout nicht so einfach nach eigenen Wünschen anzupassen. Aber es ist ja eben nicht so, als hätten wir uns damals unsere Blogplattformen alle selbstgeklöppelt.
Ich finde es nach wie vor nicht immer einfach, nicht mehr davon auszugehen, dass das, was ich mache und kenne, gar nicht dem entspricht, was andere Blogger machen und kennen. Auch das ist etwas, was ein bisschen schmerzt, dieser Wegfall der angenommenen Gemeinsamkeiten, denn er erzeugt Unsicherheit in der Kommunikation. Darf man davon ausgehen, dass man heute noch irgendwas oder irgendwen kennen sollte? Was passiert, wenn solche vermeintlichen Selbstverständlichkeiten wegfallen?
Was passiert ist, dass es eventuell ein bisschen weh tut, man sich unter Umständen ein bisschen mit diesem neuen Gefühl arrangieren muss und dann so weitermacht wie vorher.
Was mir klar geworden ist, ist, dass Bloggen eben nicht mehr gleich Bloggen ist. Jemand, der – wie ich – bloggt, hat möglicherweise ganz andere Vorstellungen von dem, was man wissen und können muss, benutzt andere Tools, hat mit Technik nichts am Hut (oder eben doch, auch egal), liest vollkommen andere Blogs (vielleicht mit, vielleicht aber auch ohne Feedreader), schreibt über ganz andere Dinge mit ganz anderer Frequenz für ein ganz anderes Publikum.
Ich verabschiede mich offiziell von der Idee, das jemand, der bloggt, alleine ob dieser Tatsache etwas mit mir gemeinsam hat. Wenn früher Klassenkameraden ins Freundebuch schrieben, ihre Hobbys wären “Lesen, Musik und Sport”, dann war der Informationsgehalt nur bedingt hoch. Denn Lesen ist nicht gleich Lesen und Musik ist nicht gleich Musik und Sport ist nicht gleich Sport. Außerdem: Bloggen ist nicht gleich Bloggen und mit der Zeit wird auch hier der Informationsgehalt der Aussage, man würde bloggen, immer geringer werden. Eigentlich heißt es schon jetzt lediglich, dass derjenige gelegentlich Zugang zu einem mit dem Internet verbundenen Endgerät hat und ein irgendwie geartetes Interesse hat, sich einer nicht näher definierten Gruppe Menschen mitzuteilen. Kaum mehr und kaum weniger.
Nur, weil es sich mal anders angefühlt hat, ist das aber gar nicht schlechter oder besser. Früher war es ja auch nicht besser. Nur anders. Und in ein paar Jahren wird es wieder anders sein. Wie schön.