Gelesen: Boarderlines von Andreas Brendt

Andreas Brendt: BoarderlinesIch verbinde Buchrezensionen ja gerne mit persönlichen Geschichten, und das ist bei Boarderlines tatsächlich eher ein Kinderspiel, wie man vielleicht auch schon an dem begleitenden Coverbild erkennen kann, das ich zur Abwechslung mal nicht von der Verlagsseite runtergeladen, sondern selbst gemacht habe. Mit passendem Hintergrund. Wir befinden uns nämlich mal wieder in Südfrankreich und stehen – mal wieder – anderthalb Stunden täglich auf einem Brett, das uns gefälligst übers Wasser zu tragen hat. Eigentlich ist es natürlich eher so, dass wir anderthalb Stunden geduldig ins Wasser waten, dann geduldig im Wasser rumstehen und auf eine geeignete Welle warten und dann versuchen, auf einem Brett zu stehen, das uns ein paar Meter nach vorne trägt, worauf wir wieder ins Wasser waten und so weiter und so fort.

Und genau das macht Andreas Brendt auch, und zwar nicht nur besonders gerne, sondern auch wesentlich länger und besser und öfter als wir. Brendt wurde schon Mitte der Neunziger Jahre mit dem Surfvirus angesteckt, auf einer Reise in den Semesterferien nach Bali. Davor war er braver Student der VWL in Köln mit wenig Surfambitionen, das war alles Zufall, aber wie das so oft ist, bestimmt der Zufall manchmal das Leben und so wurde das Surfen zur Passion, zum Lebensziel und -zweck.

Zwischen den Semestern an der Uni ging es in alle Ecken und Enden der Welt, nach Südafrika, nach Indonesien, nach Australien und Peru, nach Sri Lanka und immer wieder nach Frankreich, nur etwas weiter südlich von wo wir gerade sind und wo das Foto oben entstand, nach Moliets-et-Maâ, gerade gestern kamen wir an der Autobahnausfahrt vorbei, als wir einen Tagesausflug nach Bayonne machten. In Moliets-et-Maâ ist Andreas Brendt erst Pratikant und nachher Surfcampleiter, so finanziert er sich die Trips rund um die Welt, von Surfspot zu Surfspot, Welle zu Welle. Jeder Cent wird beiseite gelegt, um nachher monatelang in kleinen Hütten und billigsten Hotelzimmern zu leben, sich mit Händen und Füßen und gelegentlich auch auf Englisch und Spanisch mit den Einheimischen zu verständigen und immer wieder raus aufs Meer zu paddeln.

Andreas Brendt stürzt sich von einem Abenteuer ins nächste, klettert durch Höhlen eine Steilküste in Indonesien herunter, begegnet Haien und südafrikanischen Drogendealern, verhandelt mit indonesischen Polizisten die Geldstrafe fürs Rollerfahren-ohne-Führerschein, um sich dann doch noch schnell und unkompliziert einen (indonesischen) Führerschein anfertigen zu lassen. Er trifft auf andere leidenschaftliche Surfer, surft, siegt und scheitert und landet zwischenzeitlich sogar mal im Regenwald von Ecuador.

Fast zehn Jahre seines Surferlebens hat Andreas Brendt aufgeschrieben, immer sehr nah dran und packend, wobei sich gelegentlich die Frage stellt, ob sich das Buch für Leute, die wenig mit Surfen zu tun haben, ebenso packend liest wie für Leute wie mich, die zwar nur zwei Wochen im Jahr leidlich gut auf dem Brett stehen, das aber immerhin regelmäßig und mit viel Spaß. Doch neben dem Surfen geht es eben auch um die Menschen, denen Andreas Brendt auf seinen Reisen begegnet und letztlich auch um die Fragen, die man sich stellen muss, wenn man immer wieder zwischen Vernunft (richtiger Job, eigene Wohnung, fester Wohnsitz) und Leidenschaft (Surfen, fremde Länder und Abenteuer) entscheiden muss.

Ein kleiner Wermutstropfen: Frauen kommen als Surferinnen quasi nicht vor. Das mag der harschen Realität geschuldet sein, da kann Andreas Brendt vermutlich gar nichts für, aber auf Dauer ist es ein bisschen schade, wenn sich immer nur die Männer auf den Boards zusammenrotten, während die Mädels an Land bleiben und gelegentlich mal geknutscht werden.

Das Buch endet 2005 an einer Stelle, an der Brendt sich vermeintlich für einen Weg entschieden hat. Allerdings lässt die Autorenbiografie vermuten, dass es danach doch noch ganz anders weiterging. Boarderlines ist ein schönes Buch mit viel Abenteuer und Fernweh, dass sich sicher nicht ausschließlich aber vielleicht doch am allerschönsten am Strand von Biscarrosse liest, wenn man wenige Stunden später selbst wieder von der nächsten Welle an Land getragen wird. Oder eben hinfällt. Und wieder aufsteht. Und zurück ins Wasser watet. Und es noch mal versucht. So ist das beim Surfen.

Boarderlines von Andreas Brendt, erschienen 2015 im CONBOOK Verlag, 416 Seiten, 9,95 Euro. Erhältlich bei Amazon [Werbelink], bei Bücher-Lack in Fellbach und in jedem anderen Buchhandel.

Autorenporträt auf der Verlagsseite

Das Buch auf der Verlagsseite

Wer das Komplettfernwehpaket braucht, der bekommt auf der Webseite des CONBOOK-Verlags auch ein Boarderlines-Paket, komplett mit Buch, Notizblock, Zimtbonbons, Erdnussriegeln und australischem Ginger Beer und einer Reiseroute zum Selbersticken.

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