Gelesen im Oktober 2016

Dark Made Dawn von James P. Smythe

Dritter Teil der Australia-Trilogie, lest am besten einfach, was ich zu Teil 1 und Teil 2 geschrieben habe, man kann ja kaum etwas über das Buch sagen, ohne etwas aus den anderen Teilen zu verraten. Gelungener Abschluss mit zufriedenstellendem Ende und überhaupt. Wer schnelle YA-SF-Dystopien mag, wird hier gut bedient, ich mochte das sehr.

Dark Made Dawn von James P. Smythe [Amazon-Werbelink]

 

Binti von Nnedi Okorafor

Eine SF-Novelle, über die ich schon viel gehört hatte, allerdings war mir nicht klar, dass es eine Novelle war und so war ich erstmal irritiert. Binti gehört zum Stamm der Himba und hat als mathematisches Wunderkind einen Platz an der Ooomza-Universität bekommen. Eigentlich gehört sich so etwas für die Himba nicht, und so bricht Binti mit ihrer Familie und steigt in das Raumschiff, das sie zur fernen Universität bringen soll. So ist sie allein auf einem Schiff voller Leute, die sie ob ihrer Traditionen nur langsam akzeptieren. Dann greifen die Medusen an und Binti ist auf einmal noch viel alleiner.

Vielleicht sollte der Vorsatz fürs nächste Jahr sein, mehr Novellen zu lesen, das ist eigentlich ein ganz angenehmes Format. Binti jedenfalls überzeugt mit einer sehr durchdachten Geschichte und einer komplexen Heldin. Darf gerne weitergehen.

Binti von Nnedi Okorafor [Amazon-Werbelink]

 

1Q84 (#1 – 2) von Haruki Murakami

Nope. Nope nope nope. Es fing so vielversprechend an, ich mag Murakami, die Figuren waren interessant, das Setting gut, die Story ließ sich gut an und ich war sehr bereit, das Buch zu lieben.

Dann wurde aber alles nervig und schlimm und noch nerviger und schlimmer, und irgendwann hatte ich einfach kein Interesse mehr, alle paar Seiten irgendetwas über irgendwelche Brüste zu lesen. Da konnte auch die Geschichte nicht helfen und das meiste habe ich auch mittlerweile wieder verdrängt, es geht um eine Parallelwelt, in die sich eine Auftragskillerin verirrt und ein junges Mädchen, das eine Geschichte über die „Little People“ geschrieben hat und einen Ghostwriter, der aus dieser Geschichte einen Bestseller macht und das wäre vermutlich, jetzt wo ich wieder drüber nachdenke, auch alles eigentlich ganz brauchbar gewesen, wenn nicht dauernd irgendwer über irgendjemandes Brüste reden oder nachdenken würde. Mannmannmann.

Ich habe kurz überlegt, ob ich noch den dritten Band lesen bzw. hören soll, mich dann aber dafür entschieden, lieber die Zusammenfassung in der Wikipedia zu lesen.

1Q84 (#1 – 2) von Haruki Murakami [Amazon-Werbelink]

 

Tigerman von Nick Harkaway

Endlich mal wieder ein Buch von Nick Harkaway, dessen Debüt The Gone-Away World ich so verehre. Das Schöne an Harkaway ist, dass man nie weiß, was einen als nächstes erwartet.

In Tigerman geht es auf die Insel Mancreu, eine Insel irgendwo weit ab vom Schuss, britische Kolonie, aber vor allem durch diverse Schlampereien verseucht und dem Untergang geweiht. Jeden Moment könnte der Vulkan ausbrechen und eine neue Wolke toxischer Rätsel ausspeien. Die Evakuierung ist schon geplant, nur wann, weiß niemand so genau und während die einen nach und nach die Insel für immer verlassen, bleiben die anderen hartnäckig, bis man sie aufs Schiff trägt.

Mittendrin Lester Ferris, Veteran der britischen Armee, der irgendwie auf die Insel aufpassen soll, dessen Autorität aber von den Inselbewohnern mindestens angezweifelt wird. Zwischen Drogengeschäften, dem drohenden Untergang, Bandenkriegen und dem gewaltsamen Mord eines seiner wenigen Freunde versucht Lester irgendwie Sinn in die Sache zu bringen und gleichzeitig noch eine Art Vater eines geheimnisvollen Jungen zu sein, der Comicbücher liest und plant, aus Lester einen ganz eigenen Superhelden zu machen.

Man muss ein wenig in Tigerman reinkommen, dann ist aber alles super. Harkaway eben, ich sag’s ja. Lest mehr Harkaway.

Tigerman von Nick Harkaway [Amazon-Werbelink]

 

Everything I Never Told You von Celeste Ng

Lydia wird tot im See gefunden und das Leben ihrer Familie wird durcheinandergeworfen. Da ist Marilyn Lee, die ihren Traum, Ärztin zu werden, aufgegeben hat und sich statt dessen um Mann und Kinder kümmert. James Lee ist der Sohn chinesischer Einwanderer und will eigentlich nur kein Außenseiter mehr im Amerika der 1970er sein. Der älteste Sohn sucht nach der Aufmerksamkeit, die seine Eltern ihm nie geben konnten und die jüngere Schwester läuft als Anhängsel irgendwie mit und wird oft genug vergessen.

Für Lydia jedoch hatten beide Eltern Träume, eben genau die Träume, die ihnen selber verwehrt blieben. Und Lydia will ihre Eltern glücklich machen und wird hin- und hergerissen zwischen zwei Leben, die sie beide gar nicht haben will.

Everything I Never Told You entfaltet seine Kraft sehr leise und behutsam, man merkt fast nicht, was für ein großartiges Buch man da liest. Ich habe es glaube ich, in seiner Wirkung unterschätzt, weil es so harmlos und leicht daherkommt, obwohl so viele tragische Geschichten drinstecken.

Everything I Never Told You von Celeste Ng [Amazon-Werbelink]

Lieblingstweets im Dezember (Teil 1)

FEUERSPUCKENDE WELLENSITTICHE! WEIHNACHTSBELEUCHTUNG! EIN-AUS-SCHALTER! LEBENSMITTELVERGIFTUNGEN! UND WEIHNACHTSBÄUMCHEN FÜR HAMSTER!

Weihnachten bleib ich zu Haus

Eigentlich wollte ich das ja alles ein bisschen professioneller machen, aber dazu fehlt dieses Jahr irgendwie die Zeit. Das Lied stammt noch aus dem letzten Jahr, da hätte man also quasi zwölf Monate Zeit gehabt, das mal ordentlich einzuspielen und einzusingen und ein hübsches Arrangement zu basteln mit allem Drum und Dran und jetzt sitze ich wieder nur am Klavier und singe ins iPhone. Nu ja. Aber dafür ist es da und man kann es hören und wenn man will auch sehen, letzteres ist aber gar nicht so wichtig, es passiert ja nix.

Tatsächlich finde ich ja Weihnachten sehr großartig, und wenn ich zu Hause bleibe, dann, weil es da so schön gemütlich ist und weil da der Weihnachtsbaum und das Sofa und der Kamin ist. Ihr müsst euch also keine Sorgen um meinen Gemütszustand machen, ich bin gar nicht traurig, ich schreibe nur manchmal traurige Lieder.

Weihnachten bleib ich zu Haus

Oh, wenn man es hört
Oh, wie es mich stört
Wenn man’s hört unentwegt, weil’s durch Straßen und Häuser fegt

Oh, heilige Nacht
Hat der Winter die Tür aufgemacht
Stapft über Feld, über Flur und ich frag mich, was soll das nur?

Und alles ist still
Weil der Winter es will
Eine Schneeflocke hat kein Gewicht

Ich kann’s nicht erklär’n
Will mich auch nicht beschwer’n
Singt von Engeln und Tannen, ich tu’s einfach nicht

Lass mich doch einfach in Ruh
Und mach leise die Tür hinter dir zu
Lass mich doch einfach allein
Weihnachten bleib ich daheim
Weihnachten bleib ich alleine

Oh, wenn ich es seh
Kugeln und Glitzer und Schnee
So festlich geschmückt, sag, macht dich das nicht auch verrückt?

Und alles ist friedlich
Die Kinder sind niedlich
Mit Schneemannhaarspangen im Haar

Ich will gar nicht klagen
Wollt einfach nur sagen
Wir seh’n uns dann wieder im neuen Jahr

Lass mich doch einfach in Ruh
Ich bin erwachsen und weiß, was ich tu
Lass mich doch einfach allein
Weihnachten bleib ich daheim
Weihnachten bleib ich daheim
Weihnachten bleib ich alleine

Süßer die Glocken nie klingen
Als zu der heiligen Nacht
S’ist als ob Engelein singen
Wer hat sich dieses Lied ausgedacht?

Lasst mich doch einfach allein
Man muss auch mal nur für sich sein
Und im neuen Jahr komm ich wieder raus
Doch Weihnachten bleib ich zu Haus
Weihnachten bleib ich zu Haus
Weihnachten bleib ich zu Hause

Neues vom Unterbewusstsein

Meine Träume schreibe ich nur noch sporadisch auf, was unter anderem daran liegt, dass die Traum-App seit dem letzten großen iOS-Update kaputt ist und ich aktuell morgens immer so knapp aufstehe, dass kaum Zeit fürs Aufschreiben bleibt, und wenn ich das nicht direkt nach dem Aufstehen mache, dann ist sowieso alles weg. Aber ich schreibe dann auf, wenn ich Zeit habe und mich sehr gut erinnern kann und so reicht es immer noch für ausreichend viele Tage im Monat.

Für eine der letzten Traumgeschichten braucht es etwas Vorlauf, man muss da nämlich die Hintergründe begreifen. Ich habe ja eine Amazon-Wunschliste, die hauptsächlich für mich als Merkliste gedacht ist, aber von der man mich auch gerne beschenken kann (es ist zum Beispiel bald Weihnachten, aber das hier nur als dezenter Hinweis). Die Liste ist sehr lang, weil ich einfach immer alles draufschmeiße, was ich irgendwie interessant finde und dann alle paar Wochen mal durchkärchere.

Jetzt fehlte neulich ein Artikel von der Wunschliste, das habe ich eher zufällig gemerkt, es handelt sich um dieses wunderschöne Weihnachtspuzzle [Amazon-Werbelink] (und nein, man kann nie genug Puzzles von Colin Thompson haben), ich war also hoch erfreut, dass jemand so nett war und na ja, jedenfalls kam bis heute kein Puzzle bei mir an und das ist nicht schlimm, aber etwas enttäuschend, weil ich mich schon so gefreut hatte, aber vor allem ist es kompliziert.

Es ist nämlich so: Wenn man etwas von einer Wunschliste bestellt, dann kann man es entweder direkt an denjenigen senden oder eben an eine andere Adresse. Das ist insofern richtig und gut, als dass man ja das Geschenk vielleicht persönlich verpacken und mitbringen will. Aber es kann natürlich auch so sein, dass man auf einer Wunschliste rumguckt, etwas findet, was man selber haben möchte und sich das dann über die Wunschliste bestellt, was Amazon dann so interpretiert, als dass man das für den Wünscher gekauft hätte und den Artikel von der Wunschliste schmeißt bzw. als gekauft vermerkt und rausfiltert.

Das ist dann noch mal doof, weil man ja, selbst wenn man diese Problematik durchschaut hat, immer noch nicht weiß, ob jemand etwas für sich oder für eine spätere Geschenkübergabe gekauft hat oder ob beim Versand etwas schiefgegangen ist, und man ja auch nicht nachfragen kann, weil man ja nicht weiß, wer das war und man eine entsprechend lange Karenzzeit einplanen muss, bis man den Artikel dann wieder auf die Wunschliste setzen kann.

In dieser Situation befinde ich mich also gerade. Das Puzzle wurde gekauft, aber von wem und warum und ob ich es je bekomme oder zumindest bekommen sollte, ist unbekannt.

Jetzt also zurück zum Unterbewusstsein:

In meinem Traum bekam ich ein Paket mit einem Brief. In dem Brief stand, dass man mir das Puzzle hätte schenken wollen, aber sich das sicherheitshalber erstmal nach Hause hätte schicken lassen, um zu überprüfen, dass auch keine Teile fehlten.

Tatsächlich befanden sich in dem Paket dann die Puzzleteile, fein säuberlich in unzählige bunte Briefumschläge verpackt. Ich fand die Mühe sehr reizend, aber auch etwas übertrieben.

Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass, wenn man mir Puzzles von meinem Wunschzetttel schenken möchte, ich nicht darauf bestehe, dass vorher manuell geprüft wird, ob das Puzzle auch vollständig ist. Bisher hat mich Ravensburger da noch nicht enttäuscht, es waren immer alle Teile im Karton.

Lieblingstweets im November (Teil 2)

EIERLÖCHER! MUPFELN! MARZIPAN UND GLÜHWEIN! AMATEURZEITREISENDE! KÜNSTLERISCHE PERFORMANCE! HAMSTERSCHÄDEN!

Gelesen im September 2016 (Teil 2)

Das kalte Jahr von Roman Ehrlich

Ein junger Mann läuft in einem immerwährenden Winter zu Fuß nach Hause zu seinen Eltern. Doch seine Eltern sind fort, statt dessen öffnet ihm ein Junge, der sich dort eingerichtet hat und lässt den Mann etwas widerwillig, aber doch ohne Protest in dessen Elternhaus wohnen.

Das kalte Jahr von Roman Ehrlich ist deutsche Apokalypsen-Literatur und genauso muss man sie vermutlich auch lesen. Nichts wird erklärt, statt dessen findet Alltag statt in einer Welt, die irgendwie stirbt, aber irgendwie auch nicht. Die Personen agieren bisweilen etwas lethargisch, es wird mir insgesamt zu viel hingenommen. Abgesehen davon ist es aber eine stimmungsvolle Geschichte mit sympathischem Personal und schönen Einfällen. Und wenn man wie ich von etwas plotlastigerer SciFi-Apokalypsen-Literatur kommt, dann muss man sich vermutlich auch neu auf Bücher wie Das kalte Jahr einlassen.

Das kalte Jahr von Roman Ehrlich [Amazon-Werbelink]

 

Winters Garten von Valerie Fritsch

Für Winters Garten gilt grob das Gleiche, was ich oben schon über Das kalte Jahr geschrieben habe. Deutscher Weltuntergang, wieder poetisch, wieder mit etwas sperrigem Personal und mit ohne Erklärung, warum jetzt genau die Welt untergeht und woher alle das wissen. Die gesellschaftlichen Entwicklungen sind schwammig vernebelt, im Wesentlichen gibt es viel Tod und Verzweiflung und zwischendrin Liebe und Menschlichkeit.

Was Winters Garten aber vor allem lesenswert macht, sind die poetischen Beschreibungen von Natur, Familie und Kindheit. Es ist eben auch hier Literatur-Literatur und hat mit dem Genre, in dem Weltuntergänge sonst eher beheimatet sind, nicht viel zu tun. Muss es aber auch nicht, die Apokalypse mal behutsam zwischen Bäumen und alten Küchenbänken einbetten, das hat auch was.

Winters Garten von Valerie Fritsch [Amazon-Werbelink]

 

Mädchenmeute von Kirsten Fuchs

Mädchenmeute habe ich von vorne bis hinten geliebt. Ich muss dringend mehr von Kirsten Fuchs lesen, denn ihre Bücher machen mich glücklich. In Mädchenmeute geht es um Charlotte aus Berlin, die in den Ferien in eine Art Mädchen-Survival-Lager geschickt wird. Mitten im Nichts irgendwo im Wald sollen die Mädchen Spaß haben und lernen, mit der Natur zu leben und so weiter. Aber dann geht alles schief, was schief gehen kann und auf einmal sind die Mädchen mit einem Rudel Hunden, die sie gerettet haben auf dem Weg zu einem Stollen in Thüringen, um dort mal wirklich mit der Natur zu leben.

Mädchenmeute ist ein Jugendbuch, dementsprechend sind manche der Charaktere etwas überspitzt gezeichnet und manche Handlungsstränge etwas zu offensichtlich storygetrieben. Dafür wird ein wundervolles Bild der Teenagermädchen gezeichnet und eine durch und durch stimmige Atmosphäre erzeugt. Das ist alles sehr liebevoll gemacht und hat außerdem den schönsten letzten Satz, den ich dieses Jahr gelesen habe.

Mädchenmeute von Kirsten Fuchs [Amazon-Werbelink]

 

Memoiren, gefunden in der Badewanne von Stanislaw Lem

Gnagnagna. Es gab gute Gründe, warum Memoiren, gefunden in der Badewanne mein erstes Buch von Stanislaw Lem war und wenn mir nicht versichert worden wäre, dass das wirklich nicht sein bestes Buch und auch nicht das beste Beispiel für seinen Stil ist, dann wäre es vielleicht mein letztes gewesen. Ganz grob geht es um einen kafkaesken bürokratischen Albtraum eines Mannes, der einen Auftrag hat, der so geheim ist, dass ihm niemand sagen kann, was der Auftrag ist.

Memoiren, gefunden in der Badewanne funktioniert eher als Konzept als als Buch. Mir ist – das glaube ich zumindest – recht klar, was der Autor bezwecken wollte, aber es ist äußerst mühselig, sich durch das Buch zu arbeiten und viele Dinge funktionieren auch nur so bedingt (es fängt damit an, dass die Geschichte in den USA spielt, aber wirklich alles an dem Buch so unverkennbar russisch ist, dass es von mir permanente Denkleistung erforderte, das hinzunehmen). Da kann man vielleicht lieber noch mal Brazil gucken, das kommt inhaltlich ungefähr aufs selbe raus, macht aber mehr Spaß und ist schneller vorbei.

Memoiren, gefunden in der Badewanne von Stanislaw Lem [Amazon-Werbelink]

 

The Forgetting Time von Sharon Gusky

The Forgetting Time ist ein hübsches Buch zum Weglesen und danach Weglegen, und das meine ich im besten aller Sinne. Ich habe es sehr gerne und sehr schnell gelesen, ich wollte wissen, was passiert, wie es ausgeht, ich habe mit den Charakteren gehofft und gelitten, alles prima. Und dann ist es vorbei und es ist auch gut.

Es geht um Noah und seine alleinerziehende Mutter. Etwas stimmt nicht mit Noah, er redet von Dingen, die er nicht wissen kann, hat schreckliche Angst vor Wasser und fragt regelmäßig, wann er nach Hause zu seiner anderen Mutter darf. Man kann jetzt nicht groß weitererzählen, ohne direkt zu verraten, um was es geht, ich empfehle in diesem Fall eine Leseprobe, dann merkt man schon ganz gut, ob es etwas für einen ist oder eher nicht.

Ein bisschen habe ich mich nachher gefragt, ob ich zu irgendwas bekehrt werden sollte, ob die Autorin wirklich an ihre Geschichte bzw. die Möglichkeit ihrer Geschichte glaubt und ob ich hier emotional etwas ausgetrickst wurde. Und ja, ich habe rumgegoogelt. Wer eine hübsche Familiengeschichte mit leicht esoterischem Überbau sucht, wird hier glücklich. Andere vielleicht auch, ich war ja auch zufrieden.

The Forgetting Time von Sharon Gusky [Amazon-Werbelink]

Lieblingstweets im November (Teil 1)

TASTENTÖNE AM KLAVIER! DIE DÖNERBOX-BOX! GESPEICHERTE SPIELSTÄNDE! IMPRÄGNIERTE SCHUHE! TOLLPATSCHIGE LEBENSSTILE! WASCHBÄREN! PANZERKNACKER! UND WASCHBÄREN ALS PANZERKNACKER!

Meine kleine Filterblase

Meine Kindheit verbrachte ich am Rand von Köln in der Bruder-Klaus-Siedlung, wo die Straßen nach Schweizer Städten heißen, so dass ich zumindest nie verlegen bin, wenn ich mal Städte in der Schweiz nennen soll, ich muss dafür einfach nur einmal gedanklich durch die Siedlung laufen.

In der Mitte der Bruder-Klaus-Siedlung stand die Kirche, wir lebten zwar theoretisch in einer Großstadt, aber auch hier hatte man die Kirche sprichwörtlich im Dorf gelassen. Der Kindergarten war ein katholischer Kindergarten, die Grundschule eine katholische Grundschule. Es waren die achtziger Jahre und alles war schön und ordentlich und hatte seinen Platz.

In meiner Grundschulklasse waren wir um die 20 Kinder, vielleicht 25, ich weiß das nicht mehr genau. Sechs davon waren türkische Kinder, so hieß das damals, heute würde man „mit Migrationshintergrund“ sagen. Gar nicht mal so wenige, das lag vermutlich am Einzugsgebiet der Grundschule, ich weiß aber gar nicht, wo diese Kinder wohnten, aber dazu kommen wir später noch.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es Konflikte gab zwischen den türkischen und den deutschen Kindern, wir waren alle Schüler einer Klasse, manche hatten bessere Noten, manche schlechtere, manche fanden wir netter, manche fanden wir blöder. Meistens fanden wir sogar die blöd, die wir vor zwei Wochen noch supernett gefunden hatten und weitere zwei Wochen später waren wir wieder eng befreundet.

Wenn wir Religion hatten, dann waren die türkischen Kinder nicht dabei. Die türkischen Kinder hatten ihren eigenen Unterricht mit einem türkischen Lehrer, dessen Namen ich vergessen habe, irgendwas mit D, Dogcan vielleicht, gibt es so einen Nachnamen? Ich weiß noch nicht mal, was das für ein Unterricht war, auch Religionsunterricht oder Türkisch? Wir waren nie dabei, wir kannten nur den Lehrer, einen großen freundlichen Mann, der einzige Lehrer an der kleinen Grundschule und wir wussten, dass diese sechs Kinder einmal die Woche etwas anderes machten als wir, das war okay.

Aber.

Ich war kein einziges Mal bei einem meiner türkischen Mitschüler zu Hause. Ich weiß nicht, wo sie wohnten, ich weiß nicht, wo sie nach der Schule hingingen, was sie machten, was sie spielten, was sie lasen. Ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist und ich kann mich nicht daran erinnern, mich jemals ausgiebig mit einem von ihnen unterhalten zu haben, ich habe von zweien den Vor- und von allen den Nachnamen vergessen. Das gilt natürlich auch für einige andere Mitschüler, mit denen ich außerhalb der Schule nur selten oder gar nicht zu tun hatte, aber in der Eindeutigkeit, wie genau diese sechs Kinder außerhalb der Schule keine Rolle für mich spielten, irritiert es mich im Nachhinein schon.

Meine Cousine, die ein paar Jahre in der gleichen Siedlung lebte, hatte eine Nachbarin, ein Mädchen namens Elmas. Elmas wohnte mit ihren Eltern und ihrem Bruder im Haus gegenüber im zweiten oder dritten Stock. Ein paar Mal war ich tatsächlich bei Elmas zu Hause, ihre Mutter hatte eine Strickmaschine, was mich sehr beeindruckte, dieses große Ding, das einfach so Pullover stricken konnte, mit Motiv. Elmas und meine Cousine hatten den gleichen Pullover, rot mit einer weißen Katze darauf. Ich war sehr neidisch und hätte gerne auch einen Katzenpullover gehabt. Aber viel mehr weiß ich auch nicht über Elmas und ihrer Familie. Das mag auf der einen Seite daran gelegen haben, dass wir eben Kinder waren und uns viele Fragen gar nicht gestellt haben, nicht so mit dem Andersartigen gefremdelt haben oder eben das Andersartige gar nicht gesucht haben, weil wir nicht wussten, dass es da sein sollte.

Viel wahrscheinlicher ist aber, dass ich auch damals in meiner kleinen Filterblase lebte, in der man eben aus diversen Gründen viel mehr mit den deutschen Mitschülern zu tun hatte. Ein Grund war sicherlich pragmatisch-geographischer Natur. Die deutschen Mitschüler lebten zu fast 100 Prozent in dem für uns Kinder damals allein navigierbaren Bereich der Siedlung. Die türkischen Mitschüler wohnten woanders. Man hätte gar nicht gewusst, wie man da hätte hinkommen sollen, selbst wenn man gewusst hätte, wo dieses da überhaupt war.

Dazu kam, dass die Eltern der deutschen Kinder sich oft schon kannten, weil die Siedlung ein bisschen wie das Dorf war, in dem die eigenen Eltern die der anderen Kinder schon von früher kannten. Unsere Nachbarn waren die Großeltern von Christine aus der Parallelklasse und ein Haus weiter wohnten die Großeltern von meinem Mitschüler Thomas. Im ersten Haus unserer Sackgasse wohnte mein Mitschüler Sebastian und seine zwei Brüder. Viele der deutschen Kinder kannte man schon aus dem Kindergarten und hatte da schon Freundschaft geschlossen.

Addiert man dazu noch alle anderen Gemeinsamkeiten, war es einfach naheliegender, dass ich mit Sandra und Simone befreundet war und nicht mit Serra und Serap.

Ich möchte eigentlich nur auf eines hinaus: Man hört immer so viel von der Filterblase, in der wir stecken, weil wir uns im Internet immer nur mit den Leuten umgeben, die mit uns auf einer Wellenlänge sind, die die gleiche Meinung haben und den gleichen Hintergrund, mit denen wir uns nicht streiten müssen oder zumindest nicht über Grundsätzlichkeiten, weil man ja prinzipiell auf der gleichen Seite ist.

Die Filterblase ist aber keine Erfindung des Internets. Die war schon immer da, sie hatte nur damals keinen fancy Namen. So war einfach das Leben. Das macht es nicht weniger wichtig, gelegentlich aus ihr herauszutreten*, aber wir können zumindest aufhören, so zu tun, als wäre das Internet hier das Problem** und nicht die Menschen, wie sie schon immer waren. Und da schließe ich mich ausdrücklich mit ein.

* Aus Gründen der emotionalen Stabilität halte ich es übrigens für genauso wichtig, sich gelegentlich in die Filterblase verkriechen zu können, es sollte nur kein Dauerzustand sein.

** Das Internet hat andere Probleme, die sicherlich auch wichtig zu diskutieren sind, aber das ist Stoff für andere Blogeinträge.

Webgedöns am 10.11.2016

Aus aktuellem Anlass hier eine sehr lange, aber sehr lohnende Geschichte über einen White Supremacist, der der Bewegung abgeschworen hat: The white flight of Derek Black“. Diese Geschichte nährt ein bisschen meinen Verdacht, dass es nicht viel bringt, mit Leuten, die eine – aus der eigenen Sicht problematische – Meinung vertreten, man muss sie einbinden und sie ihre Vorurteile selbst abbauen lassen. Das ist nur ein langer Prozess und funktioniert dann vermutlich auch nur, wenn man die Feindbilder auch tatsächlich irgendwie negativ bedienen kann und das macht das ganze problematisch. Es ist, wie immer, kompliziert.

Dann ein ebenso langer Bericht über den aktuellen Restaurantkritiker der New York Times: „Pete Wells Has His Knives Out“. Lohnt sich ebenso, wenn auch aus weniger aktuellem Anlass.

Haben in meiner Filterblase schon alle gelesen, aber man weiß ja nie: Frau Nessy über eine inkludierende Pizzabude in Dortmund.

Ich höre aktuell das Hamilton-Musical rauf und runter und freue mich sehr über diese Papieranziehpuppen.

Auch interessant: Eine Unterwäschemarke hat „nude“ Unterwäsche in sieben Farbtönen, weil hautfarben halt für unterschiedliche Menschen nicht das gleiche ist. (Dass das noch einen Artikel wert ist, zeigt die eigentliche Tragik.)

Und zum Abschluss noch mal etwas aus der Koch- und Backecke: Cheesecake mit Walnüssen und Ahornsirup. Ich glaube, das versteht sich auch ohne erläuternden Kommentar.