Über Arschlöcher und solche, die es mal gewesen sein wollen

Weiteres Update (10.06.2013): Nach einigen Stunden intensiven Ein- und Ausatmens und der ein und anderen Diskussion weiß ich jetzt, dass ich mich in den letzten Tagen passenderweise auch wie ein Arschloch verhalten habe. Also sei noch mal klargestellt: Weder Felix Schwenzel noch Robert Basic sind schlechte Menschen, sie sind vielmehr Arschlöcher wie du und ich. Vor allem wie ich. Ich bitte dies bei der Lektüre des Textes zu berücksichtigen und das Folgende vielmehr als eine nicht ganz unaufgeregte Textkritik auf ungerechtfertigter Eskalationsstufe zu lesen. An dieser Stelle häuften sich Missverständnisse und persönliche Empfindlichkeiten zu einem etwas zähen Brei, aus dem wir uns jetzt hoffentlich alle langsam befreit haben. Dass es soweit kommen musste, tut mir leid. Den Text lasse ich so stehen, quasi als historisches Dokument einer etwas unnötigen und nicht immer fairen Diskussion und bitte auch darum, es als eben solches zu lesen.

Kiki schrieb heute einen sehr berührenden Text darüber, wie es ist, jahrelang unter Arschlöchern gelitten zu haben. Arschlöcher wie Robert Basic zum Beispiel, der in einem vermutlich provokativ gemeinten Beitrag dazu aufruft, man solle doch bitte mal zugeben, dass man auch fiese Seiten hätte und nicht immer scheinheilig so tun, als wäre man ausschließlich perfekt und toll. Felix Schwenzel kam dieser Aufforderung auf gewohnt ironisch-provokative Art und Weise nach, sein Text liest sich dankbarerweise weniger schlimm, man weiß aber trotzdem nicht so richtig, was der Sinn des Ganzen sein soll.

Update: Nach neuesten Entwicklungen (s. Kommentare) glaube ich, die Ironie im Text von Felix Schwenzel deutlich besser erkennen zu können. Es ist aber wie so oft, Ironie im Internet ist so eine Sache, die manchmal nach hinten losgeht, vor allem, wenn es um Themen geht, bei denen vielen Menschen, also zum Beispiel auch ich, aus guten Gründen deutlich emotional reagieren.

Jetzt ich. Nein, ich bin kein Engel. Ich bin nicht perfekt und ich habe in meinem Leben durchaus auch schon mal Arschlochverhalten an den Tag gelegt. Wie vermutlich wirklich fast jeder. Aber im Gegensatz zu den Herren Basic und Schwenzel glaube ich nicht, dass eine Aufzählung meiner Arschlochtaten irgendeinen Nutzen haben könnte. Oder, um es anders zu sagen: Es bringt nichts, zu wissen, dass ich in dieser oder jener Situation ein Arschloch war, solange ich nicht kapiert habe, dass es falsch war, ein Arschloch zu sein.

Es gibt keine Entschuldigung für Arschlochverhalten, es sei denn, man spricht sie selber aus. Wenn ich zehn Mal ein Arschloch war, und andere Leute aber hundert Mal, dann macht mich das zwar global betrachtet zu einem kleineren Arschloch, was aber nichts daran ändert, dass die zehn Mal, wo ich mich nicht im Griff hatte, zehn Mal zu viel waren und ich im Zweifelsfall in jedem einzelnen Fall einen Menschen verletzt habe.

Eine Selbstverständlichkeit sind nicht die zehn Mal, wo ich ein Arschloch war, sondern die neunzig Mal, wo ich es nicht war.

Ich habe viele Jahre unter so Arschlöchern wie Herrn Basic und Herrn Schwenzel es angeben gewesen zu sein gelitten, Kindern und Jugendlichen, die sich zielstrebig ihr Opfer ausgesucht haben, vorzugsweise jemanden, der irgendwie anders war, sich nicht gut wehren konnte und auch ansonsten im Sozialgefüge einer Schulklasse eher hinten anstand. Anders als Kiki würde ich durchaus sagen „Es lag an mir“, denn es lag selbstverständlich an mir oder an dem, was die anderen in mir zu sehen glaubten. Der Satz muss anders lauten: „Es war nicht meine Schuld.“

Ich war so, wie ich war und das wurde in dem Moment zum Problem, in dem andere meinten, man hätte nicht so zu sein und wenn man schon darauf bestand, sich nicht anpassen zu wollen, dann gehöre das zumindest bestraft. Aus so einer Opferrolle kommt man übrigens nicht so einfach wieder raus. Sie wird einem aufgedrückt und sie bleibt da. Richtig schlimm war es nur phasenweise, die meiste Zeit waren es eher kleine Sachen, Bemerkungen am Rande. Im Sport immer als letzte gewählt werden. Klingt harmlos, ist aber auf Dauer und mit der Verlässlichkeit und Gnadenlosigkeit, mit der es passierte, auch Gift fürs kindliche Ego.

Interessanterweise weiß ich, dass es mindestens zwei meiner Mitschülerinnen genau so ging, dass auch da gezweifelt und verzweifelt wurde, dass Wut da war, die sich zu Hause entlud, wenn es niemand mitbekam. Solidarität ergab sich daraus nicht, denn man wusste wohl um so besser, was für ein Glück es war, wenn man selber nicht in der Schusslinie stand.

Ich würde zwar zurückblickend nicht sagen, dass ich gemobbt wurde, aber – und das ist das eigentlich Schreckliche – es hat ausgereicht, um mir bis heute nachzuhängen. Auch ich weiß noch genau, wer damals am schlimmsten war, ich kenne die Namen und ich denke regelmäßig daran.

Letztlich habe ich damals halb bewusst und halb instinktiv das einzig Richtige gemacht. Ich habe mich nicht angepasst. Augen und Ohren zu und durch. Und weil ich selbstbewusst genug war und Eltern hatte, die mir immer den Rücken gestärkt haben, habe ich keine Schaden genommen, im Gegenteil. Ich weiß, wo meine Stärken sind, ich weiß, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann und dass das Wichtigste ist, das zu tun, was ich für richtig halt und nicht das, was andere mir vorschreiben wollen. Aber ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man zu keiner Gruppe in der Klasse dazugehört, und die anderen es einen merken lassen.

Herr Basic schreibt nun: „Klar habe ich Scheidungskinder in der Grundschule in die Mitte unseren “netten” Gruppe gestellt, gehänselt, bis das Gegenüber geflennt hat. Klar habe ich es sogar mal geschafft, dass eine Schülerin nie wieder in unser ach so tolles humanistisches Gymnasium zurückkehrte, weil ich ein Mobbingspacko war.“

Und das ist genau der Punkt, an dem mir die Hutschnur platzt, denn: Das ist überhaupt nicht „klar“. Ich weiß auch nicht, wie man auf die Idee kommen könnte, dass das „klar“ wäre, es ist das Gegenteil von „klar“. Es ist asozial und erschreckend und Arschlochverhalten vom Feinsten. Und es hat vor allem nichts mit „authentisch“ zu tun, sondern ist reine Koketterie.

Schlimmer aber noch ist, dass man an keiner Stelle eine Entschuldigung liest. Es bleibt einfach im Raum stehen, als Selbstverständlichkeit mit einem impliziten „Sowas haben wir doch alle schon mal gemacht gebt’s doch zu“. (Was beide Herren an dieser Stelle auch vergessen ist: Für jedes Arschlochtäterkind gibt es mindestens ein Opferkind. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Und meistens gibt es leider mehr Arschlochtäterkinder als Opferkinder, denn alleine zu mobben traut sich ja keiner.)

Die Antwort ist glücklicherweise: Nein. Ich habe sowas nicht gemacht. Was nicht heißen soll, dass ich nicht auch schon mal ein Arschloch war, aber ich war nie daran beteiligt, andere von der Schule zu mobben und tatsächlich waren auch die schlimmsten Leute in meiner Schule nicht so schlimm drauf, als dass ich glaube, dass diese Gefahr bei anderen bestanden hätte. Und die Momente, in denen ich Arschloch war, die tun mir furchtbar leid. Ich schäme mich dafür, ich wünschte, ich könnte sie rückgängig machen, ich stelle mir vor, wie ich mich dafür entschuldige und weiß, dass ich es nicht mehr könnte und schäme mich dann noch mal. Kein einziger dieser Arschlochmomente war übrigens klar oder selbstverständlich. Bei jedem einzelnen hätte ich mich anders entscheiden können. Bei jedem einzelnen habe ich jemanden schlecht behandelt.

Vor einigen Wochen erhielt ich eine Mail von jemandem, der sich bei mir entschuldigte für eine Sache, die knapp neun Monate vorher passiert war. Das kam für mich aus heiterem Himmel, ich hatte soweit wie möglich mit der Sache abgeschlossen, wir hatten keinen Kontakt mehr. Es gab für mich keinen nachvollziehbaren Anlass für diese Mail, ich hatte nicht damit gerechnet. Und gerade deshalb fand ich das so bemerkenswert. Denn es ist einfach, sich zu Hause still im Kopf einzugestehen, dass man vielleicht einen Fehler gemacht hat. Sich dagegen aufzuraffen und sich konkret bei jemandem zu entschuldigen, ist etwas ganz anderes.

Richtiger Mut ist nämlich nicht, Arschlochverhalten aufzuzählen, sondern die Konsequenzen aus der Erkenntnis zu ziehen anstatt um eine Absolution durch Solidarität zu betteln.

Denn ja, wir sind alle mal Arschlöcher. Arschlochsein ist menschlich. Aber das macht die einzelne Arschlochtat nicht besser, nicht selbstverständlich, nicht „klar“. Und wer das nicht verstanden hat, und wie Robert Basic mit seinem Arschlochverhalten hausieren geht, weil er glaubt, dass es ihn authentischer (implizit: besser) macht, der hat ungefähr nichts dazugelernt und steckt noch immer ganz fest in den Schuhen eines Schulhofmobbingspackos.*

*Dass Herr Basic auf die Kritik an seinem Artikel mit beleidigtem Märtyrertum reagiert, stützt diese Vermutung.

East Side Gallery

Eigentlich wollte ich heute Abend noch einen höchst lehrreichen Beitrag zum Thema „Code Literacy“ und der Notwendigkeit eines vernünftigen und sinnvollen Informatikunterrichts schreiben, aber irgendwie kam mir dann eine Flasche Rotwein (mit einem Flamingo drauf!) und Tine Wittler in die Quere und dann war es auf einmal halb elf, das Haus war fertig gebaut und ich betrunken. Statt dessen habe ich ein paar hübsche Bilder von der East Side Gallery.

Ich habe übrigens geschätzt vier Stunden, bevor ich zum ersten Mal an der East Side Gallery stand, verstanden, was die East Side Gallery überhaupt ist. Ein gutes Beispiel dafür, dass allein das Lesen der Überschriften von Zeitungsartikeln nur bedingt für eine ausreichende Allgemeinbildung taugt.

Die East Side Gallery ist jedenfalls sehr interessant und bunt. Man munkelt sogar, es wäre Kunst. Weg sollte sie jedenfalls auf keinen Fall.

East Side Gallery

Himmel

Einz

Bunt

Mehr bunt

Dagobert

Köpfe

Götterdämmerung

Skizze

Tor

Mauer

Spacemagik

Das CULTurMAG und ich, mit eindeutig wenig Kryptik

Erinnert sich hier noch irgendwer, wie ich vor ein paar Monaten sagte, jahaha, das CULTurMAG und ich, wir hätten da 1A-Pläne, auf die ich mich schon total freuen würde, ich aber erst zu gegebener Zeit verraten würde, um was es geht?

Da es jetzt mittlerweile seit fast einer Woche ganz öffentlich im Internet zu bewundern ist, braucht es keine Kryptik und Geheimhaltung mehr: Ich werde in Zukunft regelmäßig im CULTurMAG über Science-Fiction- und Fantasy-Bücher schreiben. Meine kleine feine Kolumne haben wir spontan „Annes Andere Welten“ getauft und wenn alles so klappt wie geplant, werde ich monatlich über die Bücher schreiben, die mir in den letzten Wochen so über den Weg liefen und aufs Sofa folgten.

Den Anfang machten in diesem Monat Peter Hellers „Das Ende der Sterne, wie Big Hig sie kannte“, Paolo Bacigalupis „Schiffsdiebe“ und Hugh Howeys „Silo“. Dass bei allen Büchern zumindest ein bisschen Weltuntergang eine Rolle spielte, hat es mir sogar direkt ermöglicht, ein Buffy-Zitat mit einzubauen. So schön.

Was ich auch noch besonders geschickt eingefädelt habe: Erst mal die verhältnismäßig kurzen Science-Fiction-Bücher lesen, damit für den zweiten Monat drei 600 bis 800 Seiten starke Fantasyschmöker übrig bleiben. Total klug von mir.

Lieblingstweets im Mai woanders

Meine Lieblingstweets gibt es hier und hier, für den Rest folgen Sie bitte den folgenden Links:

1ppm

André Herrmann

Ellebil

Ennomane

Kiki – Teil 1 und Teil 2

Herzdamengeschichten

Journelle

Jörn Schaar

Ragnar Heil

Vorspeisenplatte – Teil 1 und Teil 2

wirres.net

Lady Himmelblau

Anke Gröner

alternative diary/Lila

Crocodylus

Die liebe Nessy

Matthias Mader

Namjirah

I live by the fjord /eeek

Jan Eidens

Christoph Koch

Too much information

Donnerhallen

Lieblingstweets im Mai (Teil 2)

Ab geht’s.

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Mehr Lieblingstweets gibt es hier.

Intellektuellenfernsehen

Ich hab die Staffel nicht geguckt, aber aus Gründen, die hier keiner erklären kann, läuft das Finale von Germany’s Next Top Model gerade auch in unserem Fernseher. Ansonsten wäre mir aber auch folgender Dialog entgangen, was kaum zu ertragen gewesen wäre.

Heidi: Und wie war’s?

Mädchen: Hat Spaß gemacht.

Heidi: Ja, war gut?

Mädchen: Hat Spaß gemacht.

Heidi: Woran hast du so gedacht?

Mädchen: Ans Spaß haben.

Heidi: Und, hat’s Spaß gemacht?

Mädchen: Ja.

ICH DENK MIR DAS NICHT AUS!

Gelesen: Da gewöhnze dich dran von Vanessa Giese

Cover

Ich verfolge ja die Geschichten von Frau Nessy schon länger mit allergrößter Begeisterung auf ihrem Blog. (An dieser Stelle sollte auch gleich mal gesagt werden: Wer den Blog von Frau Nessy noch nicht liest, der sollte exakt JETZT damit anfangen. Also noch nicht sofort jetzt vielleicht. Gleich. Nach diesem Artikel. Aber dann sofort.)

Umso überraschter war ich, als ich auf einmal erfuhr, dass sie ganz heimlich nebenbei und ohne ein Sterbenswörtchen zu verraten, ein Buch geschrieben hatte. Das kann sie nämlich auch besonders gut: Einem mit ihren Geschichten das Gefühl geben, man wäre mittendrin in ihrem Leben, und dann merkt man auf einmal, dass das nur ein winziger Bruchteil aus dem großen Nessy-Abenteuerleben zwischen Handball, Ghettonetto, Wombatsuppe und Bahnlauschangriffen ist, den man da mitkriegt. Dann ist man kurz beleidigt, aber dann geht’s auch schon wieder. Die Hauptsache ist ja, dass sie einen überhaupt teilhaben lässt und das eben mit einem wunderbaren Sinn fürs Detail, mit liebevollem Blick auf die Alltäglichkeiten und die Skurrilitäten und dass man nur froh sein darf und kein bisschen beleidigt.

Jetzt hat sie auf jeden Fall ein Buch geschrieben und das hatte ich letzte Woche im Briefkasten liegen und habe es in einem Atemzug inhaliert. Das ist natürlich gelogen, in Wahrheit hat es ein halbes Wochenende gedauert, aber es hat sich angefühlt wie ein Atemzug.

„Da gewöhnze dich dran“, sagt der Vermieter zu Nessy, als er ihr die Dachwohnung in Dortmund-Hörde zeigt. An die Wohnung mit Ausblick auf Dächer und das Loch, das mittlerweile ein See ist, an die Nachbarn mit dem kläffenden Hund und an Schmidtchen im Erdgeschoss, der Nessy nur „Etteken“ nennt und ein bisschen mit aufpasst, dass ihr nichts passiert, frisch eingetroffen aus dem Sauerland, neu im Ruhrgebiet, weg vom Land, rein in die Stadt.

Alles ist neu für Nessy, frisch getrennt von ihrem Freund mit Schützenkönigpotential (irgendwann zumindest), neue Wohnung, neue Stadt, neuer Job. Und nun? Das ist der Moment, wo die Liebe anfängt. Die Liebe zum Ruhrgebiet und vor allem zu den Leuten. Den Nachbarn, die Erbsensuppe vorbeibringen, den Arbeitskollegen, die sie zum Radeln auf der A40 und ins BVB-Stadion mitschleifen, den Handballhühnern, die Nessy vor der Vertragsunterzeichnung noch schnell warnen: „Wir sind ein bisschen asi.“

Überhaupt gilt immer wieder: „Da gewöhnze dich dran.“

Und Vanessa schreibt darüber so wundervoll, offen und ehrlich, herzerwärmend und liebevoll, witzig und detailverliebt*, dass man mit dem Lesen gar nicht aufhören möchte. Bis auf einmal das Buch zu Ende ist und man etwas verdattert aufguckt und „Und nun?“ fragt. Nun, das ist die Antwort, freut man sich auf die nächsten Blogeinträge auf ihrem Blog und schreibt eine Rezension, die andere Leute hoffentlich dazu animiert, zum Buchhändler des Vertrauens zu laufen und laut nach diesem Buch zu verlangen.

Auf der Webseite zum Buch findet man auch ein erfundenes Interview mit Nachbar Schmidtchen, das man unbedingt lesen sollte. Wer sich wie ich während der Lektüre doch das ein oder andere Mal fragt, ob dieses oder jenes wirklich so passiert ist und ob diese oder jene Person im wahren Leben wirklich existiert, der bekommt hier Antworten. So oder so ist aber auch egal, ob das jetzt genauso passiert ist oder nur genauso hätte passieren können, denn als Zugezogene kann ich nur bestätigen: So is dat hier.

Abba allet kein Ding, weil: Da gewöhnze dich dran.**

 

Zu kaufen hier bei Amazon oder zum Beispiel bei der Buchhandlung Schmitz in Essen-Werden

Webseite zum Buch (übrigens realisiert von Christian Fischer vom jawl)

*An dieser Stelle gingen mir ein bisschen die Adjektive aus.

**Im Gegensatz zu Frau Nessy bin ich etwas behindert, was die korrekte Wiedergabe von Ruhrgebiets- und anderen Dialekten angeht. Man möge mir dieses Defizit nachsehen. Ich habe mich bemüht.

Mehrere sehr gute Tipps, wie man sich als Social-Media-Kasper nicht komplett blamiert.

Das ist nicht der erste Beitrag, der zu diesem Schmuckstück deutscher Beraterschreibkunst geschrieben wurde, aber ich konnte die Finger leider doch nicht davon lassen.

Was bisher geschah: Wilko Steinhagen brachte mich via Twitter auf diesen Artikel, ich sprach eine dringende Leseempfehlung auf Facebook aus, der einige Leute folgten. Dann schrieb erst Ninia etwas darüber und dann Kiki. (Jetzt können Sie hier weiter lesen.)

„Tipps, wie sich Frauen in sozialen Netzwerken noch besser präsentieren“ bekommt man heute auf deutsche startups zu lesen, präsentiert von Peer Bieber, seines Zeichens Gründer von TalentFrogs.de, außerdem Berater, Social-Media-Experte und weiß-der-Teufel-was-noch. Wichtige Hinweise also, extra für uns Frauen, die wir ja schon einiges nicht ganz verkehrt machen, aber eben auch noch nicht alles ganz richtig. Aber dafür haben wir ja den Erklärpeer, der uns allen nur helfen will. Also uns Frauen. Männer brauchen das nicht. Oder jedenfalls nicht so doll.

Ich weiß gar nicht, wo man anfangen soll, den Artikel auseinanderzunehmen, denn er bietet so viele Ansätze, dass man sich gar nicht für den schönsten entscheiden kann.

Fangen wir mal bei den fünf Unterschieden an. Frauen laden weniger oft ein Profilbild hoch, sie tendieren eher dazu, ihre Softskills als die „harten Fakten“ zu benennen, sie interessieren sich in ihrer Freizeit für „klischeehaft weibliche“ Dinge, haben nicht so viele Kontakte und haben angeblich öfter (als Männer?) Lücken im Lebenslauf.

Nun gut, den ersten und letzten Punkt kann ich so aus meiner Erfahrung nicht bestätigen, allerdings bin ich auch kein Personaler und sichte nicht täglich hunderte von Lebensläufen und Bewerbungsschreiben. Mein Lebenslauf ist lückenlos, ich bin außerdem der letzte Mensch, der sich scheut, Bilder von mir hochzuladen, aber ich kann auch nur von mir selbst sprechen.

Dass ich nicht so viele Kontakte habe, wenn es denn so ist, liegt tatsächlich daran, dass mir nichts daran liegt, einen Kontaktberg von Leuten, die ich sowieso nicht kenne, anzuhäufen. Die Kontakte, die ich habe, und dazu zähle ich auch den ein oder anderen Recruiter, habe ich sorgsam ausgesucht. Ich gucke mir die Leute und ihre Profile eben an, wäge ab, ob mir der Kontakt zu dieser Person sinnvoll erscheint und drücke dann entweder auf „Bestätigen“ oder „Ignorieren“. Selbst wenn Peer Bieber mir weismachen will, dass sich potentiell JEDER Kontakt VIELLEICHT IRGENDWANN MAL als SUPERNÜTZLICH erweist, sorry, das mag in der Theorie total gut klingen. In der Praxis umgebe ich mich selbst auf eher professionellen Social-Network-Plattformen wie Xing oder LinkedIn bevorzugt mit Leuten, die ich auch irgendwie zuordnen kann, denn nur dann weiß ich auch, wann und warum es sich lohnen könnte, sie anzusprechen.

Dass mir das zum Nachteil gereichen könnte, zweifle ich an. Und die Recruiteranfragen der letzten Monate sprechen auch dagegen.

Da ich über keine nennenswerten sozialen Kompetenzen verfüge, erledigt sich der zweite Punkt für mich sowieso. Meine Liste ist voll mit Hard Skills. Aber man muss dann auch mal hinterfragen, mit was für einem Selbstverständnis Personaler und Recruiter ihre Arbeit machen, wenn sie über einfachste Filterkompetenzen nicht hinauskommen. Für meinen Beruf sind tatsächlich zunächst die harten Fakten sehr entscheidend, das fängt schon bei der Frage der Programmiersprache an. Bei vielen anderen Berufen sieht es aber anders aus. Auf was wird da bitte gefiltert? Word? Excel? Zehnfingerschreiben? Alles Dinge, die man heutzutage voraussetzen sollte und vermutlich sogar voraussetzen kann.

Mag sein, dass der Zustand, den Peer Bieber beschreibt, tatsächlich der Realität entspricht und es ratsam ist, sich schnell ein paar Hard Skills aus den Fingern zu saugen, um die filternden Personaler glücklich zu machen. Ich möchte dem Tipp, sein Profil in dieser Hinsicht zu überprüfen, noch nicht mal widersprechen, aber was für armselige Verhältnisse sind das denn bitte?

Anekdote am Rande: Ich sprach bei der letzten Jobsuche geschlagene anderthalb Stunden mit der Angestellten einer ziemlich großen Jobvermittlungsagentur. Wir gingen alle meine Skills durch, meine Vorstellungen von Aufgaben (Softwareentwicklung, am liebsten mit .NET bzw. C#) und Vertrag (festangestellt, Vollzeit), meine aktuelle Situation (festangestellt, zwei Monate Kündigungsfrist), alles im Detail, fast neunzig Minuten lang. Eines der ersten „Jobangebote“, die ich dann von dieser Agentur bekam, war für eine dreimonatige Projektarbeit mit JavaScript, Beginn in zwei Wochen. Nichts, aber auch GAR NICHTS von dem, was ich der Mitarbeiterin am Telefon erzählt hatte, kam bei diesem Angebot auch nur annähernd zum Tragen.

Was uns anekdotisch und exkursmäßig auch zu einer der Eingangsschockersätze bringt: Frauen können zwar super netzwerken (Lüge: Ich kann überhaupt nicht gut netzwerken!), aber wir kriegen drei Mal weniger Jobangebote. (Oder „Jobofferten“, wie Peer Bieber es auf beraterdeutsch ausdrückt.) Dazu muss aber vielleicht auch mal gesagt werden, dass nach meiner ganz persönlichen groben Schätzung auch zwei Drittel aller Jobangebote, die ich so bekomme, sehr zielsicher an meinem Profil vorbeigehen. Die Insistenz, mit der sich Recruiter an einzelnen Buzzwords festklammern, ohne sich das Gesamtprofil auch nur drei Sekunden lang anzugucken, ist schon beeindruckend und sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Aber weiter. Ich tanze nicht, und Yoga mache ich auch nicht. Würde ich meine Kerninteressen aufschreiben, so würde da „Lesen, Musik, Internet“ stehen. Wenig aussagekräftig, aber vermutlich zumindest nicht klischeehaft weiblich. Puh. Selbst „Kochen“ ist vermutlich ungefährlicher als „Reiten“, auch wenn „Kochen“ wahrscheinlich jeder von sich behaupten kann, während „Reiten“ tatsächlich sowas wie Disziplin und Ausdauer erfordert. Ganz schlimme Dinge also, im Berufsleben völlig fehl am Platz. Auch das, was ich vom Yoga so höre, scheint mir alles andere als harmlos zu sein und ich habe größten Respekt vor Leuten, die sich nach der Arbeit noch eine Stunde die Muskeln verdehnen, während ich nur auf dem Sofa rumliege und mich für „Politik und Wirtschaft“ interessiere, mich also auf Twitter über „Hart aber fair“ lustig mache.

Auch hier will Peer Bieber vielleicht gar nichts Böses. Er will wirklich nur helfen. Es bleibt sogar zu befürchten, dass er recht hat. Aber auch darauf gibt es nur eine vernünftige Reaktion: WIE BESCHEUERT IST DAS DENN BITTE? Wie billig denken denn Berater, Personaler, Recruiter und wie sie sich noch so nennen, wenn ihnen bei Tanzen, Yoga und Reiten nichts besseres einfällt als die ältesten Klischees der Welt auszupacken? An welcher Stelle gibt es irgendein stichhaltiges Argument dafür, dass „Tanzen“ schlechter ist als „Fitness“, „Reiten“ schlechter als „Schwimmen“ und „Yoga“ blöder als „Golf“? Wer hat das entschieden und vor allem WARUM ZUR HÖLLE HAT DEN NIEMAND SOFORT MINUTENLANG AUSGELACHT?

Noch wichtiger: Wird mir hier wirklich erzählt, dass sich das System eben nicht an mich anpasst und ich mich dementsprechend bitteschön ans System anzupassen habe? Als guter Tipp? Tanzen und Yoga als die ultimative Erklärung dafür, warum Frauen halt keine Karriere machen können? Weil wir die fucking falschen Hobbys haben?

Wäre ich Berater, ich hätte an dieser Stelle zumindest zugegeben, dass das alles bevormundender Patriarchen-Bullshit ist, aber man sich eben selber überlegen muss, ob man das Spielchen mitmacht oder nicht. Soviel Ehrlichkeit sollte machbar sein.

Apropos Ehrlichkeit. Nachdem Peer Bieber uns also gesagt hat, dass wir ein ordentliches und professionelles Bild von uns hochladen, bitte schön keine Lücken im Lebenslauf haben sollten, uns ein paar Hard Skills aus den Fingern saugen und unsere Interessen noch mal gründlichst auf ihre Karrieretauglichkeit überprüfen sollten, kommt er mit dem ultimativen Social-Network-Tipp: Ehrlich bleiben. Denn es fällt selbstverständlich sofort auf, wenn man etwas erfindet, übertreibt oder anderweitig nicht so ganz die Wahrheit gesagt hat.

An welcher Stelle das ein besonderer Tipp für Frauen sein soll, die ja, wie Peer Bieber selber feststellt, eher zu Untertreibungen neigen und ihr Licht gerne mal unter den Scheffel stellen, bleibt unklar. Und auch dieser Tipp ist ja nicht prinzipiell verkehrt, er hat nur nichts und wieder nichts mit den Problemen von Frauen auf Social-Network-Plattformen zu tun. Es ist ein Hinweis, den jeder beherzigen sollte. Nicht nur bei der Jobsuche, sondern eigentlich so generell im Leben. Es ist außerdem ein Hinweis, der quasi im direkten Widerspruch zu den Ratschlägen steht, sich doch bitte einen lückenlosen Lebenslauf zurecht zu basteln, bei der Angabe der Interessen im Zweifelsfall nicht so ganz die Wahrheit zu sagen und doch bitte auch jeden Hansel als Kontakt zu bestätigen, damit es aussieht, als wäre man mit der ganzen Welt vernetzwerkt und ultrawichtig.

Was Peer Bieber in diesem hilfreichen Artikel präsentiert ist ein Sammelsurium von Selbstverständlichkeiten, die für Männer und Frauen gleichermaßen gelten und Unverschämtheiten, die zwar vielleicht in der Realität wirklich so stimmen, aber trotzdem genau das bleiben: Unverschämtheiten.

Was noch zu sagen bleibt, sind zwei Sachen: In einer Welt, in der Personaler tatsächlich so agieren, wie es Peer Bieber hier beschreibt, bleibt zu hoffen, dass ein ehrliches Profil, das meine Person zeigt und kein auf einen gestrigen Karrierepfad getrimmten Kunstmenschen, eben genau die Personaler und Recruiter geschickt aussiebt, die sowieso kein passendes Jobangebot für mich gehabt hätten. Auch bei der Jobsuche gibt es zwei Seiten, und es ist nicht nur der Arbeitgeber, der entscheidet, ob ich zu ihm passe, sondern auch ich, die entscheidet, ob der Arbeitgeber zu mir passt.

Und zweitens habe ich noch einen verdammt guten Tipp für Peer Bieber: Zeichensetzung ist dein Freund. Immer. Vor allem aber, wenn ich mich als Firmengründer und Experte auf einer professionellen Seite mit einem fachlichen Artikel präsentiere. Ich sag ja nur.

Spontanlyrik

Gedanken einer Eule, zum Lerchendasein verdammt, an einem besonders schlimmen Tag

In meinem Körper haust ein Wach,
doch schläft er meist den ganzen Tach.
Nur abends, wenn ich schlafen will,
ist er nicht still.

 

(Lyrik aus, Applaus, Applaus, und dann nach Haus.)

Kreuzberg, Street Art und ähnlicher Unfug

Ich kannte Berlin ja immer nur im Winter. Anders gesagt: Ich kannte Berlin bis vor ein paar Wochen nur in dunkel, kalt und verregnet. Umso mehr hab ich mich gefreut, dass die güldene „Wenn ich Urlaub habe, ist schönes Wetter“-Regel auch dieses Mal funktioniert hat und für die Tage der re:publica geradezu unverschämt sommerliche Temperaturen vorhergesagt wurden.

So liefen wir dann schon am Sonntagnachmittag ohne Mäntel oder ähnliches hinderliches Gedöns an der East Side Gallery entlang und dann auf zumindest für Berlinnichtkenner wie mich eher verschlungenen Pfaden über die Oberbaumbrücke (laut Privat-Berlinstadtführerin Sandra „die schönste Brücke Berlins, wennich vonne Welt“) und dann quer durch Kreuzberg, vorbei am Kottbusser Tor, das ich mir immer ganz anders vorgestellt habe, also vor allem irgendwie schöner, ich meine, Kottbusser Tor, das klingt doch schon so.

—-

Gesprächsauszug.

Ich: Also, das Kottbusser Tor hab ich mir immer ganz anders vorgestellt.

Sandra: Ja, aber wie denn?

Ich: Schöner?

Sandra: Hörst du mir eigentlich nie zu, wenn ich irgendwas erzähle?

Ich: Nicht immer, manchmal seh ich auch nur so aus. Ich verrat euch jetzt ein Geheimnis: Wenn ich nur nicke und so „Hm“ und „Aha“ sage, dann liegen die Chancen, dass ich gerade an was ganz anderes denke, ziemlich gut.

Auch an dieser Stelle danke ich Sandra und Doreen noch mal dafür, dass sie selbst ob dieser Geständnisse anscheinend immer noch mit mir befreundet sein wollen. Oder zumindest sehr glaubhaft so tun, als ob.

—-

Jedenfalls vorbei am Kottbusser Tor, Nüsschen kaufen beim Nüsschen-Türken und dann zurück ins Hotel und Nüsschen auf der Terrasse essen. Was man auf dem Weg prima tun kann. Street Art fotografieren. Die ist da nämlich überall. Außerdem: Bahnen gucken. Aber das hatten wir schon.

East Side Hotel

Spree

FISCHIES!

Bunt

Street Art oder so

Wetter

Auch Street Art

 Haus

Irgendwo am Kotti

Kotti

Noch'n Haus

Mehr Wetter

Hasen-Street-Art