Rolltreppenproblematiken

Ich bin ja der festen Überzeugung, dass eine Menschheit, die mit der sach- und fachgerechten Benutzung von Rolltreppen überfordert ist, nicht mit komplexeren Problemen wie „Weltfrieden“ konfrontiert werden sollte. Wie soll das gehen?

Aber ich möchte das erklären. Ich bin großer Anhänger des Prinzips „rechts stehen, links gehen“. Dieses Prinzip ist leider nirgendwo im Grundgesetz verankert, es ist eher eine lose Vereinbarung, die sich leider noch nicht komplett rumgesprochen hat und gelegentlich absichtlich ignoriert wird. Das Prinzip erschloss sich mir sofort, weshalb es mir umso schwerer fällt, zu verstehen, warum nicht längst flächendeckend so verfahren wird.

Meinetwegen darf es ja in Kaufhäusern, Kinos und anderen eher dem Freizeitvergnügen zugeordneten Orten ein bisschen lockerer zugehen. In Bahnhöfen jedoch, an Flughäfen oder U-Bahnhaltestellen ist häufig zu beobachten, dass Menschen es eilig haben, weil sie zum Beispiel fremd- oder selbstverschuldet ein bisschen spät dran sind und noch irgendeine Bahn oder ein Flugzeug erwischen wollen. In diesen Fällen hilft es ungemein, wenn die Rolltreppe nicht über die gesamte Breite blockiert ist.

Nun gibt es natürlich immer wieder Schlaumeier, die einem „Wennse’s eilig haben, nehmense halt die Treppe!“ zublöken, wenn man sich einen Weg an ihnen vorbei bahnt. Das ist natürlich Unfug, denn wenn ich es eilig habe, nehme ich den schnellsten Weg. Aus meiner persönlichen Erfahrung behaupte ich: Mit dem Aufzug (sofern vorhanden) dauert es am längsten, dann stehend auf der Rolltreppe, dann laufend auf der normalen Treppe. Am allerallerschnellsten geht es aber natürlich laufend auf der Rolltreppe, weil ich zwei Geschwindigkeiten, nämlich das Rollen der Treppe und mein eigenes Laufen, zusammenaddieren kann und dann noch schneller bin. Wenn halt nicht dauernd Leute im Weg stünden. Es ist also meiner Ansicht nach total nachvollziehbar, dass man als Mensch in Eile am liebsten die Rolltreppe nimmt, dann aber eben laufend.

(Notiz am Rande: Ich verhalte mich sogar wie im Straßenverkehr und laufe links an Menschen vorbei, ordne mich dann aber bei freier rechter Seite wieder ein, falls doch noch jemand schneller ist als ich und mich links überholen möchte.)

So weit, so gut. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, dass es Menschen gibt, die mit dieser Regel nicht vertraut sind, oder sie absichtlich ignorieren, weil sie böse und rücksichtslos sind. Na gut, ich habe mich eigentlich nicht damit abgefunden, ich ärgere und wundere mich quasi täglich, sonst würde ich ja auch nicht drüber schreiben.

Es gibt allerdings einen bestimmten Typ Mensch, den ich am allerwenigsten verstehe und über den ich mich am allermeisten wundere. Ich wundere mich sogar so sehr, dass ich vergesse mich zu ärgern, so sehr erstaunt mich das folgende Phänomen wieder und wieder. Ich begreife es schlicht nicht.

Stellen Sie sich also eine Rolltreppe vor, zum Beispiel am Essener Hauptbahnhof, denn da muss ich täglich aus der U-Bahn an die Oberfläche. Stellen Sie sich nun vor, Sie haben es überraschend mit einer Gruppe verständiger informierter Rolltreppenfahrer zu tun, die alle, und zwar wirklich alle rechts stehen. Niemand steht links. Die Rolltreppe ist quasi zur Hälfte frei, von unten bis oben. Nun kommt ein neuer Mensch und stellt sich als einziger links hin.

Und steht.

Links.

Jetzt zu meiner Frage: Wundern sich diese Leute nicht, warum vor ihnen niemand steht während die gesamte rechte Seite voll mit Menschen ist? Sehen die das nicht? Denken sie nicht kurz darüber nach, ob dieses Verhalten einen Grund haben könnte und versuchen, ihr Verhalten ob dieser neuen Beobachtung in einen Zusammenhang zu ordnen?

Denn, dass es sich Menschen auf einer ohnehin schon beidseitig vollen Rolltreppe auch mal links hinstellen, das verstehe ich. Es würde das Problem zwar viel schneller lösen, täten sie es nicht, meine Verwunderung hält sich aber in Grenzen. Die komplett allein auf der linken Seite stehenden Leute jedoch haben jedes Mal wieder meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Ich werde es vermutlich nie begreifen, aber vielleicht braucht man im Leben ja auch solche Mysteriösitäten, die nie zu klären sind.

25 Antworten auf „Rolltreppenproblematiken“

  1. Ich zitiere mal:

    „Nein, sagt die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Die Links-Gehen-Regel gebe es schon länger nicht mehr. ,,Denn durch das Gehen steigt die Unfallgefahr auf der Treppe, und sie wird auch noch einseitig belastet“, sagt Christian Miehling, Sprecher der MVG.

    Außerdem können die Treppen mehr Menschen befördern, wenn auf beiden Seiten gestanden wird. ,,Dann entstehen keine Schlangen vor der rechten Standspur.“

    Quelle: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/psychologie-der-rolltreppe-links-gehen-ist-ueberholt-1.929716-2

    1. An der Stelle muss man natürlich auch die spezifische Rolltreppe angucken. In dem Fall im Guardian handelt es sich um eine sehr lange Rolltreppe in einem sehr belebten Londoner U-Bahnhof. Die Rolltreppen im Essener Hauptbahnhof sind üblicherweise nicht so lang und es ist zwar belebt, aber nicht so, dass ernsthaft Schlangen entstehen (das erlebe ich in Köln gelegentlich, wenn alle aus einer S-Bahn rausfallen). Insofern sind zwei der Argumente für diesen Fall eher nicht oder nur begrenzt anwendbar.

      1. Das stimmt natürlich, diese Betrachtungen sind nur für volle Rolltreppen sinnvoll. Bei eher geringer ausgelasteten Rolltreppen bin ich da voll bei dir, rechts stehen und links gehen sollte da die Regel sein. In Köln sind die Rolltreppen aber auch gerne mal so schmal, dass sowieso nur eine Person drauf passt.

  2. Man könnte jetzt aber auch fragen, ob nicht mehr Menschen befördert werden können, weil die Durchlaufquote (haha!) auf der linken Seite ja deutlich größer ist. DAS MUSS MIR ERST MAL JEMAND AUSRECHNEN!

    (Außerdem geht es natürlich letztlich nur darum, dass ICH schneller vorwärts komme und ich stolpere ja auf Rolltreppen nicht.)

  3. Da ich in einer Mittelstadt lebe, in der es kaum Rolltreppen gibt, kann ich das Phänomen nur bei gelegentlichen Besuchen in größeren Städten beobachten. Ich wundere mich dann auch (genauso wie über Menschen, die bei sich öffnender Zugtür bereits einsteigen, bevor die Gelegenheit zum Aussteigen besteht). Fatal ist es natürlich an Stellen, wo es gar keine Treppe gibt, die man ersatzweise benutzen könnte – der S-Bahn-Tiefbahnhof in Frankfurt Hbf. ist so ein Fall.
    Aber mal einen Gedanken weiter: Mir fallen immer wieder Menschen auf, die auf dem Förderband an der Kasse ihre Flaschen sorgfältig auf das Band legen, statt sie hinzustellen – löblich – sie aber quer statt längs auf das Band legen. Und dann bei jeder Bewegung des Bands die Flaschen nach vorne schubsen – und in seltenen Fällen dann völlig entnervt einen dieser Abtrenner zu verwenden. Das wundert mich dann genauso.

  4. Seit ich einige Jahre wegen Kinderwagen in der Regel sowohl rechts als auch links gestanden habe (und mir den ganzen Hass der Eiligen angehört habe) sehe ich das sehr gelassen.

    1. Wenn es offensichtlich ist, dass es nicht anders geht, ist es auch okay. Ein Kinderwagen ist halt zu breit. Aber das ist dann wahrscheinlich wieder die andere Seite des Mitdenkens, die oft fehlt.

  5. Ich hab auch lange so gedacht, allerdings klappt das „schneller sein wegen laufen auf der Rolltreppe“ nur, wenn es nicht allzu voll ist. Denn wenn sehr viele Menschen von der U-Bahn auf die Rolltreppe wollen, führt das rechts-links-Sortieren zu deutlich mehr Wartezeit und Gedrängel. Ich bezweifle ernsthaft, dass die Zeitersparnis dann noch sehr groß wenn man nicht grade als erste aus der U-Bahn zur Rolltreppe geflitzt ist (was durch Querläufer idR auch sehr erschwert wird, zumindest hier bei mir in Nürnberg). Die gefühlte Zeitersparnis mag höher sein. Vielleicht sollte man öfter mal mit Stoppuhr Rolltreppe fahren ;)

    1. Das ist sicher auch ein psychologisches Problem. Wenn man sehr knapp vor Abfahrt ankommt, nimmt man ja alles, was einem auch nur ein paar Sekunden Zeit spart. Und da ich ja auf die vielleicht unzuverlässigste Straßenbahn in Essen angewiesen bin, um zum Bahnhof zu kommen, weiß ich zumindest, wie sich das anfühlt.

      1. Ich kenne das Gefühl auch. Ich bin auch sehr viel mit ÖPNV unterwegs und auf ziemlich vielen verschiedenen Strecken. Allerdings bin ich dazu übergegangen die Rolltreppenzeit einfach mit einzuplanen. Das klappt dann in 95% der Fälle auch mit kleinen Verspätungen die Anschlüsse zu erwischen.

        Wenn ich allerdings eine Treppe runterwärts nehmen muss, laufe ich normalerweise die Stufen, denn da bin ich nicht wesentlch langsamer als auf der Rolltreppe.

        1. hm, gerade runter kann ich auf der Rolltreppe sogar leichter mit den im vergleich zur festen Treppe größeren Stufen, während die rauf hinderlich sind. Also runter gehe ich fast immer, rauf nur, wenns wirklich eilig ist (und ja, dabei hats mich auch schon mal hingesemmelt, was auf einer normalen Treppe rauf kaum passiert)

  6. Deduktion ist nicht jedem gegeben :)
    Zudem ist es vielleicht überraschend, aber anscheinend so, daß man sich im öffentlichen Raum völlig autonom bewegen kann, ohne eine einzige Hirnzelle zu bemühen :)
    Oder die Lösung der Frage liegt im Heißgetränk: vielleicht hatten diese Leute einfach noch nicht genug Koffein durch Kaffee- oder Teezufuhr :)

  7. Zumindest in Stuttgart steht in der Bahnhofsordnung, dass man auf den Fahrtreppen rechts stehen soll. Da kann man dann irgendwelchen Klugscheißern („Wir sind hier doch nicht in London!“) im Vorbeigehen zurufen: „Lesen Sie die Bahnhofsordnung!“

    1. Es gibt eine Bahnhofsordnung?!? (OK, ja, sicher, die meisten öffentlichen Gebäude haben so etwas wohl :)
      Aber es gibt anscheinend auch Menschen, die die lesen … das beeindruckt mich jetzt schon ein bisschen :))

  8. Hm, ok, Outing. Ich musste das auch erst lernen, ähm, heißt, mich anmeckern lassen. Als Selten-Rolltreppenfahrerin mag ich es nicht, ohne Aussicht hinter der Menschenschlange zu stehen. Links kann ich vorbei gucken. Auf Lücke also. Find ich viel angenehmer.

  9. Was ich, als ein paar Kilometer weiter westlich lebender Leidensgenosse, auf jeden Fall nachvollziehen kann, ist die Verwunderung über die Menschen, die sich ganz alleine auf weiter Flur nach links stellen und eine ansonsten freie Rolltreppe zu einem Slalomparcours machen.

    Ob es nun effektiv ist, die Rolltreppe hochzuhetzen – das zu klären überlasse ich den Statistikern (und in München halt den Statikern).

  10. Interessant, dass die MVG die Links-Gehen-Regel für nichtig erklärt hat, denn eins muss man den Münchnern lassen, die nicht-existierende Regel wird hier in den meisten Fällen korrekt angewendet, vor allem im Hochbetrieb. Dafür hapert es dann beim korrekt in die Ubahn einsteigen – man scheint nicht in der Lage den kompletten Bahnsteig zum Einstieg zu nutzen und beim Betreten der Bahn bleibt man mit Vorliebe gleich mitten in der Tür stehen, egal wie voll der Waggon ist. Und das trotz regelmäßiger, nicht sehr freundlicher (dafür aber sehr bayrischer) Standpauken von Seiten der Ubahn-Fahrer.

  11. Bin auch ein Verfechter der Links-gehen-rechts-stehen-Methode, ungleiche Belastung der Rolltreppe hin oder her. Viel wichtiger ist doch die Frage, warum es ein so unglaublich widerliches Gefühl ist, die ersten Stufen einer defekten/stehenden Rolltreppe zu betreten – das macht mich immer ganz wuschig!

  12. Mir geht es genauso – wobei ich ohnehin schnell von trödelnden oder sogar im Weg rumstehenden Menschen genervt bin (in der Fußgängerzone, im Supermarkt)…
    Mir ist es quasi unverständlich, dass es überhaupt Menschen gibt, die auf einer Rolltreppe stehen bleiben – die Geduld hätte ich gar nicht! ;)

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