Wir sind jetzt solche Leute

Seit drei Jahren leben wir jetzt in einem Haus auf dem Land und was einem wirklich überhaupt nicht klar ist, ist, dass ein Haus offenbar wirklich bedeutet, dass man dauernd irgendein „Projekt“ hat.

Mir ist vollkommen unklar, warum das so ist, wir wohnen ja seit 2007 nicht mehr zu Miete, sondern immer in eigenem Eigentum, allerdings bis 2022 eben immer in Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Auf der anderen Seite hält einen ja nichts und niemand davon ab, in seiner eigenen Wohnung „Projekte“ zu haben. Es hält einen genau genommen noch nicht mal in einer Mietswohnung etwas davon ab und trotzdem sind wir jetzt auf einmal Leute mit „Projekten“ und zwar wirklich Mehrzahl.

Teile der Projekte betreffen den Außenbereich, okay, da gab es so vorher mangels Garten nicht so viel zu tun, das aufreibendste Außenbereichprojekt in Essen war, als wir mal auf einem Balkon Kunstrasen verlegt haben und dabei war das nervigste, die alten IKEA-Holzpanele auf eBay-Kleinanzeigen loszuwerden.

Die Gartenprojekte für dieses Jahr wurden und werden hauptsächlich von Dienstleistern ausgeführt, die entweder Dinge tun, die wir gar nicht können oder die Dinge, die wir theoretisch könnten in einem Viertel der Zeit in deutlich besserer Qualität ausführen. Man muss auch wissen, wo die eigenen Stärken sind und Vorgarten umgraben, planieren und neuen Rasen aussäen gehört nicht dazu, aber wir haben zum Beispiel auch keinen Bagger. Jetzt ist die eine Hausseite frei von Kirschlorbeer und Berberitzensträuchern, der Vorgarten ist wieder schön oder er wird wieder schön sein, wenn der Rasen gekommen ist und jetzt muss noch ein Zaun vorne ums Haus, nicht weil wir so scharf auf einen Zaun sind, sondern, weil da ja noch der Hund ist, der insgesamt gut hört, aber nicht so gut, dass er ohne Leine auf der Vorgartenterrasse sitzen könnte.

Nebenbei baut mein Mann sein Studio um, ich hielt mich bei der Planung bewusst raus, weil mich das nur nervös gemacht hätte, überraschend stellte sich dann raus, dass das alles deutlich aufwändiger werden würde als gedacht. Also, überraschend für mich, ich hatte mir ja gar nichts gedacht. Jetzt liegt ein neuer Boden halb, es sind drei Akustikpanele von soundsovielen an der Wand und es gibt ein neues Ständerwerk, in dem ordentlich Dämmung untergebracht ist. Ich halte mich einfach weiter raus, das scheint die beste Lösung für alle Beteiligten zu sein. Nur, als mein Mann kurz davon redete, dass es ja am einfachsten wäre, man würde den alten Flügel verkaufen und dann den Boden zu Ende legen und dann könnte DER NEUE Flügel rein, habe ich kurz interveniert und eines meiner seltenen Vetos eingelegt. Wir führen hier seit 25 Jahren eine „Du kannst dir kaufen, was du willst, wenn du das Geld dafür hast“-Beziehung, was wir beide sehr goutieren. Ich ziehe die Vetokarte nur sehr selten, bin aber der Meinung, dass es der Flügel, den wir vor drei Jahren gekauft haben, noch tut. Mein Mann ist der Meinung, ein Bösendorfer täte es besser als ein Blüthner und er mag auf allen Ebenen damit Recht haben, aber ich halte aktuell an dem Veto fest.

Nach dem Studio kommt eventuell der Hauswirtschaftsraum, da stehen im Moment vor allem Kallaxregale, eigentlich soll da aber eine Miniküchenzeile mit Spülmaschine und ordentlich Stauraum und sehr viel Arbeitsplatte hin. Letzteres wird immer dringlicher, weil ich meinem Mann zu Weihnachten aus einer unbedarften Mischung aus Dumm- und Klugheit ein Brotbackbuch geschenkt habe und getreu dem Motto „Gib einem Mann ein Brot und er isst für einen Tag usw.“ besitzen wir jetzt mehrere Gärkörbe, Bäckerleinen, mehrere Kilo unterschiedliche Mehle, so eine Art Gärbrutkasten, Teigkarten, einen Brottopf, irgendwelche Lavasteine und demnächst eine norwegische Knetmaschine, bei der ich nicht die Vetokarte gezogen haben. Aber die norwegische Knetmaschine muss dann auch irgendwo hin und der Platz in der Küche schwindet.

Nach dem Hauswirtschaftsraum steht vielleicht noch eine Terrasse im Garten hinterm Haus an, größer als die, die wir jetzt haben und vielleicht mit Überdachung, mein Mann wünscht sich nämlich eine Friteuse, seit er regelmäßig Pommes Frites aus der Friteuse bei den Nachbarn bekommt, und meine Bedingung für eine Friteuse war, dass die draußen steht, dafür bräuchte man aber etwas, wo sie draußen stehen könnte.

Irgendwann wird es dann auch eine neue Küche geben, in dem Zug müssten dann aber auch neue Fliesen rein und eventuell könnte man auch noch den einen Kellerraum ausbauen, dann hätte ich auch ein Puzzlezimmer mit einem Tisch, der groß genug ist für 3000 oder sogar 5000 Teile. Jedenfalls sind wir jetzt solche Leute. Leute mit „Projekten“. Dabei wollte ich eigentlich nur in Ruhe hier sitzen.

 

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