Die vorsichtige Wiederbelebung des Aprilscherzes

Die Tradition des Aprilscherzes ist ja an sich keine schlechte, in meiner Welt aber in den letzten zwanzig Jahren eigentümlich irrelevant geworden. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich mich ungern verunsichern lasse, weil ich ja sowieso schon immer alles doppelt und dreifach hinterfrage. Die Sicherheit, mit der ich oft Dinge behaupte, stiftet deswegen auch oft Verwirrung, das hat keineswegs etwas damit zu tun, dass ich glaube, immer recht zu habe, sondern damit, dass ich üblicherweise nur dann Dinge behaupte, wenn ich sie gerade noch mal sicherheitshalber gegoogelt habe, irgendwann mal eine mehrwöchtige Hyperfokusphase hatte oder persönlich dabei war oder irgendetwas in der Art. Aber ich schweife ab.

Jedenfalls schätze ich die Tradition des Aprilscherzes auf eine eher theoretische, beobachtende Weise. Ich mag das Konzept, möchte aber im besten Fall nicht davon betroffen sein. Das führt dann dazu, dass ich alles, was am ersten April proklamiert wird, grundsätzlich als Limbonachricht betrachte, die eventuell stimmt, eventuell aber auch nicht, wer weiß das schon, ich nicht, lass morgen noch mal gucken.

Das ist ein bisschen schade, weil mir dadurch bestimmt viele gute Aprilscherze entgehen. Vielleicht kann hier jemand mal einen Service anbieten und im Nachhinein alles sammeln und dann auf der Plattform ihrer oder seiner Wahl veröffentlichen, das wäre ein guter Service, den ich gerne in Anspruch nehmen würde. Ich schweife aber schon wieder ab.

Ende des letzten Jahres bestellte ich den „Uninspirational 2025 Day-to-Day Calendar“, der war damals etwas schwer aufzutreiben, jetzt bekommt man ihn problemlos bei Thalia, allerdings ist jetzt auch schon April, ein bisschen spät vielleicht für einen Kalender. (Es gab noch weitere Komplikationen, ich bestellte nämlich zwei, bekam nur einen und das ist auch ein Grund, warum der Versand sich etwas nach hinten verzögert hat, Sandra.)

Dieser Kalender versorgt mich täglich mit uninspierenden Nachrichten.

„It sure looks like success when you lower your expectations!“ rief er mir am 29. Januar zu. „Winners never quit, but quitters save a lot of energy and never look stressed out.“ teilte er am 27. März mit. Jeden Morgen werde ich daran erinnert, dass sich Stress gar nicht lohnt, im Grunde genommen also eine sehr schöne Art, direkt wieder runterzukommen, nachdem man aus Versehen ins Mail-Postfach gesehen hat.

„You are a unique spirit and play an important role in the lives of those around you.“ las ich am Dienstag und war hoch verwirrt. Wo war der Sarkasmus, wo der unbedingt Wille, nicht zu hoch hinaus zu wollen, wo die Erinnerung daran, dass man in der Gesamtbetrachtung der Welt völlig unwichtig ist.

Dann fiel mir ein, dass der 1. April war und endlich hatte ich wieder einen Aprilscherz, der so überraschend und irritierend war und gleichzeitig so eine geringe Fallhöhe hatte, dass ich mich sofort wieder sehr über diese Tradition freuen konnte.

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