Ein @Adele-Konzert und nur vier Mal geweint. Läuft.
— Quarkkrokettchen (@anneschuessler) May 15, 2016
Wir sind da. 15.5.2016 in der Lanxess-Arena in Köln. Ich beglückwünsche mich zweifach. Erstens dazu, dass ich überhaupt Karten bekommen habe, zweitens, dass ich aus reinem Zufall welche am 15.5. und nicht einen Tag vorher gekauft habe, weil ich natürlich am Verkaufstermin nicht auf dem Schirm hatte, dass da irgendwann ESC ist. Aber das ist ja jetzt kein Problem, ESC war ja gestern, heute ist Adele. Ein dritter Glückwunsch dann zu den zwar teuren, aber sehr guten Karten. Beim Konzert von Paul Simon & Sting war ich geiziger und es reichte nur für Karten auf den oberen Rängen an der Seite. Leider ist die Akustik in der Lanxess-Arena sehr, sehr mies und wenn man ganz oben sitzt, bekommt man Echos ab, die das ganze Konzert über irritieren. Jetzt sitzen wir direkt mittig und sehr viel weiter unten, was sich später als gute Entscheidung herausstellt. Keine irritierenden Echos dieses Mal.
Wir haben einen Fertigcocktail (immerhin für akzeptable 6,50 Euro) und ein großes Bier gekauft, mein Mann holt noch eine Riesenschüssel Popcorn, dann warten wir ab, bis das Konzert losgeht, kein Support vorneweg, das ist gut. Wobei ich generell eine zwiegespaltene Meinung zu Support Acts habe. Einerseits möchte ich, wenn ich auf ein Konzert gehe, den Künstler sehen, für den ich die Karten gekauft habe und zwar möglichst schnell und möglichst lange. Auf der anderen Seite kann man so auch gute neue Künstler kennenlernen. Wallis Bird trat als Support für Emiliana Torrini auf, das war sehr schön, genau so wie Amanda Palmer einfach drei Bands als Support auftreten lies, allesamt auf unterschiedliche Arten spannend. Trotzdem: Ich möchte jetzt Adele sehen und nix anderes. Und Adele sehen wir dann auch.
Nachdem wir minutenlang auf ihre geschlossenen Augen starren konnten, wird es aufgeregter im Publikum. Irgendwas passiert, ich weiß aber nicht was und kann auch nichts erkennen. Im Nachhinein wird klar: Adele wird in einer geschlossenen Kiste in den Saal und zu der mittleren Bühnen gefahren. Das Licht geht aus, die Augen auf der Leinwand gehen auf, es erklingt ein „Hello“, dann noch eins, dann noch eins und dann fährt Adele auf der kleinen Bühne in der Mitte nach oben und es geht los.
Natürlich geht es mit Hello los, Adele allein auf der Bühne, von einer Liveband noch nichts zu sehen. Irgendwann macht sie sich, umringt von Security auf den Weg zur großen Bühne, man sieht die Menschen unten im Saal aufstehen, um einen Blick zu erhaschen. Immer noch ohne sichtbare Band wird direkt das zweite Lied angestimmt, Hometown Glory. Im Hintergrund Bilder von London, Adeles Heimatstadt. Im zweiten Refrain singt sie dann nicht mehr über my hometown, sondern über your hometown und zack! Bilder vom Kölner Dom werden gezeigt und das reicht mir eigentlich schon, um gefühlsmäßig am Ende zu sein. Dann heule ich eben jetzt auf einem Konzert hemmungslos rum. Smart move, Adele, smart move. Das Publikum ist außer sich.
Die Frage bleibt aber. Wo bleibt die Band? Oder bleibt das so? Ich bin mit gemischten Erwartungen hergekommen. Einerseits hatte ich immer das Konzert in der Royal Albert Hall im Hinterkopf, das wir mal im Fernsehen sahen und das der Auslöser dafür war, dass ich unbedingt, unbedingt, unbedingt Adele live sehen wollte. Allerdings eben auch, weil Adele so charmant parlierte, weil das Publikum mitsang und weil alles so wundervoll war. Ich war also voll mit Erwartungen und habe genau so damit gerechnet, dass es vielleicht gar nicht so toll wird, wie ich es mir vorstelle. Wundervoll ist es ja insgesamt schon, aber viel parliert hat Adele noch nicht und wo ist die Band?
Die Frage wird beim nächsten Song beantwortet. Tatsächlich habe ich geahnt, was passieren wird, aber die Kamera nicht rechtzeitig in Position bringen können. Denn beim ersten Refrain von One and Only geht auf den Punkt genau das Licht an, die Band ist zu sehen, Adele wird groß auf der Leinwand gezeigt und das Publikum flippt schon wieder aus und ich, na ja, ich weine halt schon wieder vor Freude.
Und dann wird der ganze Abend von vorne bis hinten wundervoll. Bei diesem Konzert wird die Balance zwischen Perfektion und Authentizität so grandios gehalten wie ich es noch nie erlebt habe. Natürlich wissen die Leute genau, was sie machen müssen, um mich (und vermutlich auch alle anderen) emotional zu kriegen, aber das ist ja nicht verkehrt. Trotzdem ist es keine durchinszenierte Show, denn Adele ist Adele, erzählt zwischen den Songs Geschichten, holt Leute auf die Bühne, macht beim Singen Grimassen, die weder albern noch aufgesetzt wirken und ist auf der ganze Linie charmant, witzig, authentisch.
Zwei Mädchen aus den vorderen Reihen werden auf die Bühne geholt, weil sie Adele aufgefallen sind. Die beiden sind fassungslos, man hat ein bisschen Angst, dass sie gleich hyperventilieren und umkippen, aber ich würde vielleicht auch hyperventilieren und umkippen, wenn Adele mich umarmen würde. „We saved three years for the tickets“, stammelt eine der beiden und man hat das Gefühl, das sich Adele keine besseren Fans hätte aussuchen können, um sie vor mehreren tausend Menschen zu umarmen.
Zu Make You Feel My Love lässt uns Adele unsere Handytaschenlampen einschalten. „I promise you, it looks incredible“ sagt sie und es sieht wirklich ziemlich incredible aus. Immer wieder fragt sie, wo wir herkommen „Someone from… France? From South Africa? From Canada?“ Selbst aus Island ist jemand da, die ganze Welt ist anscheinend nach Köln gekommen, um Adele zu sehen. Auf der kleinen Bühne wandert sie einmal die komplett alle Seiten ab, damit die Menschen sie fotografieren können. Adele ist Diva, aber dann auch wieder nicht. „This was the worst burp“, entschuldigt sie sich und erklärt später: „I could drink anyone of you under the table.“
Auf der großen Leinwand wird neben ein paar Filmen sonst immer nur Adele eingeblendet, niemals die Band. Auch wenn ich es sonst sehr schätze, wenn ich auch das Geschehen auf der Bühne sehen kann, gefällt mir diese Entscheidung. Es bleibt so ein Abend mit Adele, man wird von nichts abgelenkt und jeder im Saal kann ihr beim Singen und erzählen zusehen. Das passt hier ganz wunderbar.
Zu Someone Like You darf das Publikum wieder mitsingen. Weil ich klug bin und das geahnt habe (oder eventuell, weil Adele es angekündigt hat), schmeiße ich die Kamera an. Es ist schon sehr ergreifend, wenn eine ausverkaufte Lanxess-Arena gemeinsam singt. Genau wegen dieser Momente wollte ich unbedingt auf dieses Konzert und ich wurde sehr viel mehr als nicht enttäuscht.
Danach gibt es noch richtigen Regen von oben zu Set Fire to the Rain und dann verschwindet Adele wieder nach unten und wird in ihrer Kiste rausgefahren. Das Publikum klatscht und klatscht und klatscht und jubelt, aber vermutlich dauert es etwas länger, wenn man sich erst aus einer Kiste befreien und dann noch irgendwie durch Arena-Geheimgänge wieder auf die große Bühne begeben muss. Denn natürlich kommt Adele noch mal.
Drei Lieder gibt es noch als Zugabe, All I Ask, When We Were Young, und Rolling in the Deep. Zu When We Were Young werden Kinder- und Jugendbilder von Adele eingeblendet, Familienalbumbilder, mehr oder weniger vorteilhaft und gerade deswegen wieder so authentisch. Genau diese Bilder gibt es von allen von uns. Natürlich fange ich wieder an zu weinen, weil es so schön ist und so gut passt und dann wird wieder wild auf meiner Emotionsklaviatur gespielt: Das letzte Bild ist ein Bild von der schwangeren Adele. Das ist gemein. Gemein, gemein, gemein, aber eben auch so unglaublich schön.
Zum Schluss werden kleine Papierschnipselchen auf das Publikum geblasen. Adele verschwindet hinter einer Wolke aus weißen Schnipseln und man weiß jetzt nicht, worauf man sich konzentrieren soll und versucht, Schnipsel zu fangen. (Ungeduldige Interessierte spulen in diesem Video weiter zu Minute 3:50.) Das war’s. Vorbei. Und so schön.
Als wir auf den Platz vor der Arena treten, sagt mein Mann „Das beste Konzert, auf dem wir je waren!“ und ich kann nur zustimmen. Jederzeit wieder, am liebsten sofort und wenn es geht, noch weiter vorne, aber egal, Hauptsache wieder. Völlig euphorisiert laufen wir Richtung Parkplatz, essen noch eine Kleinigkeit beim Mexikaner und fahren dann voll mit Gefühlen nach Hause.
I have all the feelings now. All of them. @Adele pic.twitter.com/N6ftQb7dEy
— Quarkkrokettchen (@anneschuessler) May 15, 2016
Die geretteten Papierschnipsel liegen auf dem Nachtisch. Adele sagt „Hello“ und „We could have had at it all“, aber nach diesem Konzert kann man eigentlich nur glücklich feststellen, dass man nicht nur alles hätte haben können, sondern eigentlich auch alles gehabt hat.
Vielen, vielen Dank für diesen unter die Haut gehenden Konzertbericht und vor allem das Video- Gänsehaut pur.
Danke!
Vielen Dank für diesen wunderschönen Bericht, der mich sehr berührt hat. Nicht, weil ich Adele mag – ich kenne nur diese zwei, drei Hits von ihr und die sind nicht so mein Fall – aber weil Deine Begeisterung überschwappt und ich mich sehr für Dich freue, dass dieses erwartete Event tatsächlich hielt, was Du Dir davon versprochen hattest und es zu einer Sternstunde wurde. Das ist selten und so schön! Und da Du es mit uns teilst, haben wir auch alle etwas davon. o/ Danke!
Danke für den Bericht! Ich war einen Tag vorher und kann jedes Wort unterschrieben.
Ich hab mich gefreut wie eine Wahnsinnige und bin Tage vorher eigentlich nur noch nervös im Kreis gelaufen, weil ich Adele seit Chasing Pavements toll finde und sie seit 2011 unbedingt mal live sehen wollte, was damals terminlich einfach nicht geklappt hat. Ich konnte es schon nicht fassen, dass ich eine Karte bekommen habe (und was die dann gekostet hat, denn großartig überlegen konnte ich ja nicht, ich hatte die Karte um 10.01 Uhr und um 10.03 Uhr sagte mir der Verkäufer im Ticketshop „Joa, Glück gehabt, is jetzt ausverkauft!“) und hatte Angst, dass ich mit zu hohen Erwartungen hingehe, oder die Akustik scheiße ist, oder mein Platz, oder ich hinterher das Gefühl hätte, ich hätte das Geld für etwas anderes ausgeben sollen (ich habe in Köln übernachtet, weil ich etwas weiter weg wohne).
Zum Glück wurden sämtliche Erwartungen völlig übertroffen, ich hatte (natürlich ;-) ) den allerbesten Platz, und die Akustik war ok, und Adeles Stimme war unfassbar, und Adele war großartig, und und und. Ich schwebe immer noch auf meiner Wolke, und die Menschen die nicht dabei waren hören sich das freundlich lächelnd an und gehen dann langsam und vorsichtig rückwärts ;-). Aber für mich war es eines meiner 3 schönsten und – aus verschiedeen Gründen- emotionalsten Konzerte, (die anderen beiden waren eines vor gut 8 Jahren in Frankreich, auf das ich 4 Jahre sehnsüchtigst gewartet hatte und wo es ähnlich schwierig war an Karten heranzukommen wie bei Adele und eines 2011 von meiner ersten Musikliebe) und ich denke ganz ehrlich gesagt an diese Top 3 wird jetzt lange lange Zeit nichts mehr ran kommen können.
Naja, lange Rede kurzer Sinn, schön zu lesen, dass es euch genauso viel Freude bereitet hat wie mir. Ich würde auch sofort wieder gehen, wenn ich die Chance bekäme.
Liebe Grüße