Edinburgh – Tag 3 (Alles zu)

Edinburgh

Am ersten Weihnachtstag hat alles zu. Also alles. Mit alles meine ich alles. Am Abend vorher haben wir –  klug wie wir nun mal sind – an der Rezeption nachgefragt, wie’s denn wohl so mit Essen morgen aussieht. Ach, meint er, abends könnte es schwierig werden, aber so bis 15 Uhr habe sicher das meiste auf.

Pustekuchen. Morgens hat erst mal nichts auf. Überhaupt nichts. Nada. Nothing. Rien. Das ist ein bisschen gelogen, zwei kleine Imbissrestaurants haben auf, aber uns wird erst nachträglich klar, dass das vermutlich wirklich die einzigen gastronomischen Betriebe sind, die am Weihnachtsmorgen aufhaben.

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Bis zu dieser Erkenntnis laufen wir aber schön den Berg zur Royal Mile hoch und dann tapfer bis zum Schloss.

Das Schloss hat im Übrigen auch zu. Aber man eine schöne Aussicht vom Platz davor, hauptsächlich nach Süden, wo man auf die schottischen Hügel guckt und nach Norden, wo unser Hotel ist und dahinter blaues Wasser und dahinter weitere schottische Hügel. Und im Osten, da ist die Royal Mile, da kommen wir gerade her und im Westen ist das Schloss.

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Ich kann auch gleich vorwegnehmen, dass wir mehr vom Schloss in diesen Tagen nicht sehen werden, auch wenn ich mehrfach anmerke, zumindest irgendwie rein sollte man doch mal gehen. Aber es ergibt sich irgendwie nicht und es ist auch nicht so schlimm. Von außen sieht man es ja sowieso dauernd.

Zurück im Hotel erfahren wir, dass es in der Bar zwar prinzipiell schon was zu essen gäbe, allerdings heute leider nicht. Frühstück haben wir mittlerweile abgeschrieben, dafür ist es auch schon zu spät, es geht jetzt vielmehr darum, ob wir heute überhaupt noch was zu essen kriegen, also mehr oder weniger ums nackte Überleben.

(Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass sowohl der McDonalds um die Ecke als auch der Bahnhof ebenfalls geschlossen haben, allein um die Dramatik der Situation noch ein bisschen klarer zu machen.)

Verzweifelt suche ich auf dem iPod irgendeine Lokalität, die sich unserer erbarmt und werde tatsächlich fündig. Das Chez Jules auf der Hanover Street hat auf und weil das nicht weit ist und die Verzweiflung ausreichend groß, marschieren wir da einfach tapfer hin, kriegen ein winziges Tischchen direkt an der Tür zur Strafe dafür, dass wir nicht reserviert haben, aber immerhin was zu essen.

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Das Weihnachtsessen im Chez Jules ist gut durchorganisiert, es gibt nur ein Menü und die Gänge werden flottig serviert. Der Service ist trotzdem charmant, nett und äußerst hübsch und das Essen ebenfalls sehr gut. Zum Abschluss gibt es für mich eine Mousse au Chocolat, die der Mann direkt mal als beste Mousse au Chocolat ever bezeichnet. Also doch gewonnen.

Danach laufen wir noch ein bisschen rum und arbeiten abschließend im Hotel noch das Erholungspflichtprogramm (rumliegen, lesen, nichts tun) ab. Fertig. Zweidrittel Weihnachten abgehakt.

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Edinburgh – Tag 2 (Erstmal Tee trinken)

Edinburgh 24th December

Was macht man am ersten Tag in Edinburgh? Einer Stadt, die wir nicht kennen, in der wir noch nicht waren, wo wir noch gar nicht wissen, wie das hier funktioniert, wo man hin soll, und wo nicht und wo man hier wohl leckeres Frühstück kriegt.

Nach einiger Recherche wollen wir’s mal mit dem Centrote in der George Street. Da klingt das Frühstücksangebot ganz gut und außerdem ist es nicht weit weg, das trauen wir uns zu. Zum Frühstück traue ich mich todesmutig an Porridge, für den Mann gibt’s Waffeln mit Ahornsirup und Speck. Außerdem bestelle ich ein Kännchen Breakfast Tea. Wir sind jetzt schließlich bei den Briten. Porridge ist gar nicht so schlimm, wie alle immer sagen. Eigentlich wie Milchreis, nur morgens und eben nicht mit Reis, sondern mit woraus auch immer Porridge gemacht wird.

Edinburgh 24th December

 

Danach laufen wir noch ein bisschen rum und gucken uns die George Street an und die Rose Street und die Princes Street. Im Reiseführer steht, dass hier die Shoppingmeile von Edinburgh ist und der Reiseführer lügt nicht. Von dieser Seite guckt man außerdem dauernd zum Castle hoch, das da so hoch oben auf dem Vulkanfelsen vor sich hin thront und hauptberuflich imposant und toll aussieht und ich immer nur denke, morgen, da gucken wir uns das mal genauer an.

Ich frage mich ja schon, ob das so eine gute Idee ist, ein Schloss so zu bauen. Positiv ist, dass man eigentlich nur von einer Seite angegriffen werden kann. So Felsen raufklettern will ja keiner. Man spart sich so einen aufwändigen Burggraben. Negativ ist jedoch, dass man auch nur zu einer Seite abhauen kann. So Felsen runterrutschen will ja auch keiner. Allerdings sind die Zeiten der Schlossbelagerungen vorbei und die Frage ist insofern eher theoretisch zu betrachten. Oder historisch. Theoretisch-historisch.

Edinburgh 24th December

Edinburgh 24th December

Nach einem kleinen Ausflug zum Bahnhof, um Zeitschriften und noch einen englischen Edinburgh-Reiseführer zu kaufen geht’s dann erstmal wieder zurück ins Hotel. Neben ausgiebigem Stadt-Begucken ist für diesen Urlaub nämlich erholen, lesen und nichts tun geplant und dem frönen wir jetzt durch intensives Rumliegen. Mal abgesehen davon, dass ich Restaurants fürs Abendessen recherchieren muss. Heute ist ja Heiligabend, aber das ist hier ja eher so halb interessant. Geschenke gibt’s ja auch erst morgen. Also bei uns ja sowieso nicht, aber vielleicht bei den anderen Leuten hier.

Wir haben natürlich nichts reserviert oder vorher geguckt und es bleibt lange Zeit fraglich, wo und ob wir überhaupt ein ordentliches Abendessen kriegen –  an Weihnachten und Neujahr will ich noch gar nicht denken. Ein Anruf im Smokestack Steakhouse bringt die Erlösung. Ja, es ist noch was frei, wir machen aber um acht Uhr zu. Kein Problem, sage ich, wir kommen dann so gegen sechs.

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Kurz vor sechs stehen wir in der Broughton Street im Smokestack Steakhouse, neben uns sitzen Familien und überhaupt ist es laut und unkompliziert und wunderbar. Wir bestellen Steak und nachher das Dessert, das sich bei ein zuckriger Karamellfaden durch diesen Urlaub ziehen wird: Sticky Toffee Pudding, eine Offenbarung an Süße und Klebrigkeit, die wir weglöffeln wie nix. Und zwischendurch lassen wir uns Christmas Cracker erklären, die liegen nämlich netterweise da rum, einer pro Gast und in meinem ist ein lustiges pinkes Lineal und in dem vom Mann eine Art Plastik-Tangram. Außerdem: KRÖNCHEN!

Da sitzen wir also mit einem gelben und einem roten Krönchen auf dem Kopf, den Bauch mit Sticky Toffee Pudding gefüllt und es ist gut, dass wir heute hier sind. Ohne Geschenke, ohne irgendwas, nur mit Krönchen und Plastiklineal und alles ist gut und morgen ist Weihnachten.

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Beim Schotten anrufen („There’s a lady inquiring about Burns‘ Night“)

Es gibt ein schottisches Restaurant. In Mülheim an der Ruhr. Könnt ihr glauben oder nicht, ist aber so. Und weil es so schön war in Edinburgh und weil Isa so schön vom Burns‘ Supper erzählt hat, hab ich gleich mal nachgeguckt, ob bei Bannisters auch dieser schottischen Feierlichkeit gefrönt wird. Tatsächlich, ja, es wird. Die Beschreibung ist ausreichend schwammig, es wird Musik geben und Essen, und man weiß immerhin schon, wer die Musik macht, allerdings noch nicht so wirklich, was es zu Essen gibt.

Um ehrlich zu sein, ist es mir ja auch völlig wumpe, was genau es zu Essen gibt, solange es etwas zu Essen gibt und am besten noch etwas Schottisches. Und das, davon geh ich jetzt mal optimistisch aus, wird schon so sein.

Also anrufen.

Zunächst geht der Herr des Hauses an der Apparat. Als ich erzähle, warum ich so anrufe, muss er erstmal die eigentliche Verantwortliche ans Telefon holen.

“Einen Moment”, sagt er. Und dann gibt es ein bisschen Stille und ein bisschen Gemurmel.

“There’s a lady inquiring about Burns‘ Night”, höre ich dann und innerlich gluckse ich ein bisschen vor Freude. A lady, hihi, der meint mich und inquiern tu ich. Hihi.

Nach ein bisschen mehr Stille und einem zweiten “Einen Moment, bitte” kommt die Dame des Hauses ans Telefon.

Die Dame des Hauses kommt aus dem Ruhrgebiet und ist dementsprechend redefreudig. Man stelle sich die folgende Konversation dann auch mit dem dazugehörigen Ruhrpott-Akzent vor, bitte. So war das nämlich.

“Ich würde gerne für die Burns‘ Night reservieren”, sage ich.

“Ah ja”, sagt sie. “Eigentlich wollten wir das ja dieses Jahr gar nicht machen, weil wir in der Woche noch andere Sachen haben, aber so viele Leute haben danach gefragt…”

“Das ist ja super”, sage ich.

“Ja, wir sind fast ein bisschen überrannt worden”, erzählt sie weiter.

“Das ist ja jetzt vielleicht für uns nicht so super”, sage ich und mache mich aufs Schlimmste gefasst.

“Ach nein, das kriegen wir noch unter, dann stellen wir vielleicht auch lange Tische auf und setzen die Leute zusammen. Und wir haben ja auch einen neuen Musiker, mit dem haben wir noch nie was gemacht, das ist ja auch immer spannend, wenn man sowas zum ersten Mal macht. Aber wir haben uns das schon mal angehört und das hat uns gut gefallen und der wird das schon machen. Zu Essen gibt es dann Vorspeisen und dann kann man zwischen Fisch und Fleisch und vegetarisch wählen und dann gibt es das Dessertbuffet…”

“Wie immer”, sage ich, weil ich als geborener Kölner und zugezogener Ruhrgebietler ja auch ganz gerne gelegentlich mal was sage.

“Genau. Wäre auch schön, wenn Sie ein bisschen verteilt über den Abend kämen, nicht, dass dann alle um sieben kommen, dann wird das schwierig in der Küche und so, also, wenn alle gleichzeitig…”

“Ja ja”, sage ich. “Vielleicht können wir auch schon was früher kommen, und dann länger bleiben. Ist denn sonst was geplant an Vorträgen oder so?”

“Na ja, das ist bei uns ein bisschen schwierig bei uns”, sagt sie. “Also früher im Soundso-Haus, da hatten wir dann auch ne Bühne mit Mikrofon und da hat der Dingens dann auch was vorgetragen, aber in den neuen Räumlichkeiten ist das ja ein bisschen schwieriger.”

Sie sagt natürlich nicht Soundso-Haus und auch nicht Dingens, aber ich habe die Namen weder richtig verstanden, noch könnte ich mich jetzt dran erinnern.

“Stimmt, ist ein bisschen verwinkelt”, werfe ich ein.

“Eben, da muss man gucken, was man macht, aber das sehen wir ja dann. Aber es wird schon nett werden, und der Peter macht dann auch Haggis, aber mal gucken, wie wir das dann organisieren, so insgesamt. Ob wir dann noch was machen oder nicht, das kann man ja auch spontan noch sehen.”

Der Peter ist der Herr des Hauses, kommt aus Glasgow, ist für die Küche zuständig und sagt gelegentlich so lustige Sachen wie “There’s a lady inquiring about Burns‘ Night”.

“Für wie viele Leute soll ich denn reservieren?”

“Zwei”, sage ich.

“Ach, das ist ja gar kein Problem, vielleicht stellen wir ja auch einfach die langen Tische auf, das passt schon alles”, sagt sie. “Haben Sie auch eine Telefonnummer, unter der ich Sie erreichen kann.”

“Ja”, sage ich. “Null-Eins-Sechs-Drei… aber die steht vielleicht auch in Ihrem Display.”

“Ach, wissen Sie, da muss ich jetzt erst meine Brille suchen und überhaupt, ne?”

“Ja”, sage ich und dann den Rest der Telefonnummer.

“Schön, dann freu ich mich, dann sehen wir uns spätestens am 25.”, sagt sie.

“Ich freu mich auch”, sage ich und das tu ich auch.

In Wirklichkeit war das Telefonat natürlich viel länger und detailreicher und reizender, wie das halt so ist, wenn man in Mülheim an der Ruhr beim Schotten anruft.

Und wer auch noch kommen will, kann bei Bannisters anrufen. Vielleicht ist ja noch was frei.

Edinburgh – Tag (bzw. Abend) 1

Am 23. Dezember geht’s los, die Koffer sind vollgepackt und wir warten auf den Flughafenabholdienst, der sich verspätet, was mich natürlich augenblicklichst in einen Zustand äußerster Nervosität versetzt. Ich steh also in der Küche und nage nervös an Vanillekipferln und als das nicht hilft verlange ich noch nervöser nach einem kleinen Löffel und dem Becher Nusspli.

Es geht dann aber doch alles gut und in Düsseldorf am Flughafen ist auch nichts los. Ich habe keine Ahnung, wann so andere Menschen bevorzugt in den Weihnachtsurlaub fliegen und ob sie’s überhaupt tun, aber wohl nicht am 23. Dezember nachmittags. Und weil auch sonst alles gut geht, bis auf, dass es wieder ewig dauert, bis das Gate des Anschlussfluges nach Edinburgh in Heathrow angezeigt wird, landen wir nach vier Stunden oder so in Edinburgh. Die deutsche Stewardess von BA ist sehr nett, weiß aber auch nicht, wie man am besten vom Flughafen in die Stadt kommt. „Wir werden immer abgeholt“, sagt sie und ich traue mich nicht, zu fragen, ob man da vielleicht, eventuell, aber nur wenn’s keine Umstände macht, nicht einfach mitfahren kann.

Es ist aber tatsächlich ganz einfach. Man steigt draußen vorm Flughafen in den Bus, der einen für läppische 3,50 Pfund pro Nase ins Stadtzentrum fährt und ich behaupte, schneller würde das ein Taxi auch nicht schaffen. Außerdem ist unser Hotel direkt am Bahnhof, und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch.

Was wir auch eher theoretisch wussten, uns aber die praktische Bedeutung erst bewusst wird, als wir in dem kleinen Hotelzimmer stehen, ist, dass wir wirklich, wirklich im Zentrum sind. Und dass bald Hogmanay, das schottische Neujahrsfest, ist. Und dass Hogmanay hier nicht ganz unwichtig ist. Und dass man das hier unter anderem mit einer Kirmes feiert. Auf der laut Musik gespielt wird. Und zwar direkt vorm Hotel. Und dass die Fenster im Old Waverley jetzt nicht dem neuesten Stand der Schallisolierung entsprechen.

Kurz gesagt: Es gibt Wumpa-Wumpa-Musik und der einzige Weg, sie nicht zu hören ist, sich ein Kissen über die Ohren zu halten oder sich hauptsächlich im Badezimmer aufzuhalten. Was jetzt beides keine Top-Lösungen für das Problem sind.

Trotzdem packen wir erstmal aus und dann fragen wir an der Rezeption, wo’s noch was zu Essen gibt. In der Rose Street, sagt sie, da ist bestimmt noch was. Und als wir schon auf dem Treppenabsatz stehen ruft sie noch etwas verlegen hinterher, na ja, es gäbe da noch einen McDonalds, wenn wir sowas auch mögen.

Was wir tatsächlich finden, ist ein Steak- und Burgerstand auf der schon ziemlich leeren Kirmes, wo’s zwar kein Steak, aber immerhin noch exakt zwei Burger gibt, und zwar wie der Mann feststellt „den schlechtesten Burger, den ich je gegessen habe“. Fängt ja gut an. Aber immerhin: „Die Soße ist gut.“ Und wir werden ganz höflich zum Verlassen des Kirmesgeländes aufgefordert. Die macht nämlich um zehn Uhr zu. Und die Wumpa-Wumpa-Musik ist auch aus.

Dann laufen wir noch einmal um den Block und landen anschließend noch kurz in der Hotelbar zum ersten Whisky, der angenehm weich schmeckt. Aber ich kenn mich ja mit Whisky nicht aus. Und dann geht’s ins Bett. Tag 1 vorbei. Immerhin. Einmal mit dem Bus quer durch Edinburgh gedüst, den schlechtesten Burger aller Zeiten gegessen und direkt auch schon den ersten Whisky.

Wir sind jetzt schließlich in Schottland. Cheers.

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