15.1.2024 – Vorstellbare Zeitreisen

Worüber ich letztens nachgedacht habe:

Wenn ich überlege, was das früheste Zeitalter ist, in dem ich mir vorstellen könnte, zu leben und zwar unabhängig davon, ob jetzt gerade irgendeine Krise oder ein Weltkrieg war, sondern nur auf Basis dessen, was so technologisch und gesellschaftlich üblich und möglich war, dann lande ich grob in den 1920er Jahren.

Damit sage ich nicht, dass ich da gerne gelebt hätte, aber dass es damals so die Mindestanforderungen dessen gab, was ich ungern vermissen würde. Also zumindest fände ich Blinddarm-OP unter Narkose gut, aber auch fließend Wasser in Gebäuden (Spülklo wär gut) und Fortbewegung per Zug oder Straßenbahn. Musikabspielgeräte und Kino wär auch schön, wobei letzteres dann halt nur als Stummfilm ging, aber immerhin. Gesellschaftlich wäre ich da als Frau sicherlich deutlich im Hintertreffen, aber da darf man ja eh gar nicht weit in die Vergangenheit gehen, damit es schlechter wird.

Jetzt meine Frage: Ist das etwas, was Menschen, die so grob meiner Generation (also auf der Grenze zwischen Gen X und Millenial) angehören, denken oder würden das auch Menschen, die 30 Jahre älter oder jünger als ich sind, sagen? Ist für jemanden, der 2010 geboren wurde, Basisanforderung, dass es mindestens schon Fernsehen gab und jemand, der 1950 geboren wurde, könnte sich auch mit Plumpsklo auf dem Hof arrangieren? Pendelt sich die Maximalvorstellung des Zurückreisens in der Zeit mit halbwegs akzeptablen Einbußen immer bei 50 bis 70 Jahren vor der eigenen Geburt ein oder gibt es eine Dekade, in der wir grob das erreicht haben, was für uns heute als Zivilisations- und Technologiegrundvoraussetzung wahrgenommen wird? Oder ist das einfach sowieso furchtbar individuell und bei jedem anders?

Das würde mich brennend interessieren, vielen Dank für weitere Erkenntnisse.


Ansonsten liegt hier sehr viel Schnee. Ich wollte eigentlich Mittwochabend zu meiner Cousine zum Spieleabend, aber da aktuell unklar ist, ob ich a) hier mit dem Auto überhaupt wegkomme und b) am späteren Abend wieder den Berg hochkomme, weiß ich noch nicht, ob das wirklich stattfinden kann. Dann muss ich doch mit dem Hund auf dem Sofa liegen und Fertigramen essen.

5 Antworten auf „15.1.2024 – Vorstellbare Zeitreisen“

  1. Es kommt auch noch auf die gesellschaftliche Schicht an, in der man lebt. Kindheit in den 50er Jahren auf einem katholischen Bauernhof als Mädchen müsste ich nicht unbedingt haben. Für meinen Vater war das bestimmt leichter, aber er musste als Jugendlicher trotzdem morgens die Kühe melken und einen Pisspott unterm Bett gab’s auch noch. In einer wohlhabenden Familie in der Stadt sah das Leben bestimmt anders aus.
    Aber es könnte sein, dass es für meine Kinder noch viel unvorstellbarer wäre, so zu leben.
    Danke für den interessanten Denkanstoß am Abend!
    Liebe Grüße Kathrin

  2. Bin aus den 1970-er Jahren und würde auch in den 1920-ern landen, allerdings hauptsächlich der Mode wegen! (Ein Hoch auf den Hut, nebenbei.)
    Zumindest für meine Stadt würden mich aber die hygienischen Bedingungen und der mangelnde Wohnraum doch wieder abschrecken, aber vielleicht wäre das auf dem Land ja anders.

  3. Ich habe mal in meinen Klassen gefragt, die sind Jahrgang 2010 und etwas jünger. Ich bin zuerst Erfindungen/Entwicklungen der verschiedenen Jahrzehnte der letzten hundertvierzig Jahre durchgegangen, zur Einordnung, also: Smartphone, Internet, Computer, Fernsehen.
    Die Frage mit der sozialen Schicht kam auch, habe ich mit „so mittel“ abgetan. Schwieriger, weil in Deutschland, die Zeit des Nationalsozialismus: da will niemand hin.
    Bleibt so der Kerngedanke, dass mit den Erfindungen und Umständen und Lebensstandards. Und da war einmal 1950er Jahre, einmal 1970er Jahre, die meisten ab 1990 etwa. Allerdings glaube ich nicht, dass meine Schüler und Schülerinnen das wirklich richtig einschätzen können, weil die noch wenig Gefühl für Zeit und Vergangenheit haben. Der Unterschied zwischen 1920er und 1950er und 1890er Jahr ist da noch verschwommen. Vielleicht spricht die Aussprache für 1990 eher dafür, dass sie mit dieser Zeit noch mehr anfangen können, weil noch nicht gar so weit her.

  4. Das ist für mich ein bisschen wie die Frage „Was würdest Du auf eine einsame Insel mitnehmen?“. Da kommt oft aller möglicher romantischer Tand. Vermutlich bin ich einfach zu pragmatisch, vielleicht auch zu sicherheitsbedürftig. Nie höre ich jedenfalls »Klopapier«, »Medikamente«, »Haarbürste« oder »Nagelschere«.

    Ich bin ca. 80 geboren. Und sehr viel eher will ich nicht, eigentlich nichtmal 10 Jahre früher: Was da alles noch nicht ging! Eher könnte ich mir vorstellen ein Jahrzehnt später geboren zu sein. Ob ich dann aber tun würde, was ich heute zum Broterwerb tue? Naja. Am Ende wär’s eventuell auch nicht zu meinem Schaden.

  5. Hmm, ich bin Jahrgang 58, jetzt also 65 Jahre alt. Zum einem wären die 20er auch mein Referenzpunkt, weil ich mit die Gesellschaft jedenfalls als vielfältig vorstelle mit einer gewissen Neugier und kulturellen Vielfalt. Und ich erinnere mich gut an die Ödniss meiner Jugend, die ich echt nicht nochmal erleben möchte.
    Auf der anderen Seite kann ich mir kaum ein Leben vorstellen, welches mehr als zehn, zwanzig Jahre zurückreicht. Wenn ich bedenke, wie meiner Oma noch schmerzlindernde Medikamente vorenthalten wurden, aus Sorge, dass diese neunzigjährige morphinabhängig werden könne, wird mir ganz anders. Als mein Vater vor 13 Jahren starb war das alles verhältnissmäßig friedlich und selbstverständlich bekam er alle Schmerzmittel, die er benötigte. Also medizinisch lieber im Jetzt und hier, ansonsten vermutlich auch. Ich habe aber etwas Bammel vor der Zukunft, bezüglich Klima, Rechtsradikalismus und Demokratieversagen. Und ganz persönlich Angst vor Altersarmut aber das ist ein anderes Thema.

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