Amanda Palmer im Gloria in Köln

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Wie ich dazu kam, Konzertkarten für Amanda Palmer zu kaufen, das kann man in aller Ausführlichkeit hier nachlesen. Nach dem 15-Minuten-Konzert vor einem Jahr in Köln wusste ich, dass ich das mal in länger sehen wollen würde und letzten Freitag war es soweit. Amanda Palmer im Gloria in Köln. Der Gatte vergnügt sich allerdings derzeit in Rio de Janeiro, deswegen konnte ich das zweite Ticket abgeben, was sich relativ einfach gestaltete, schon allein, weil das Konzert ausverkauft war und ich auch drei Tickets locker losgeworden wäre.

(Für alle, die das nächste Mal keine Karten bekommen: Wenn ihr in der Nähe wohnt, im Zweifelsfall mal vorm Konzert vorbeischauen, eventuell hat man Glück und jemand versucht noch kurz vorher, Karten loszuwerden. Wie die preislich gehandelt werden, kann ich aber nicht sagen.)

So oder so ist die Schlange lang, als ich mit Sandra und Alexandra deutlich vor Konzertbeginn am Gloria auftauchen. Wir stellen uns in den Regen und warten, bis wir reingelassen werden und dann geht es immerhin recht fix.

Als wir in den Konzertsaal kommen, spielen dort Perhaps Contraption, eine Punkmarschband aus Großbritannien mit lauter Blasbläsern, ein paar Holzbläsern, Xylophon, Trommeln und Gesang aus dem Megaphon, alle gekleidet in purpur und gelb, alles ganz großartig und vor allem gar nicht auf der Bühne, sondern mitten im Zuschauerraum. Ich bin quasi jetzt schon begeistert.

Band

Nachdem Perhaps Contraction fertig sind, kommt die eigentliche Vorgruppe. Oder die zweite Vorgruppe. Jedenfalls noch eine Vorgruppe. Es sind Die Roten Punkte, ein australisches Duo à la White Stripes, Astrid Rot am Schlagzeug und Otto Rot an der Gitarre, nur halt mit Comedy dazwischen. Klingt seltsam, funktioniert aber erstaunlicherweise. Eigentlich heißen sie natürlich anders, aber das ist ja irrelevant. Das Publikum, inlusive mir, findet’s super. Generell und dann erst recht, als für „Ich bin nicht ein Roboter. I am a Lion!“ Amanda Palmer mit auf die Bühne kommt, um die Zweier-Kuhglocke zu spielen.

Die Roten Punkte

Jetzt geht es aber immer noch nicht los, jetzt kommt erst mal Jherek Bischoff, der in Amandas Band Bassist ist. Hier spielt er aber erst Gitarre und dann Ukulele und das teilweise so abgefahren, dass ich mit offenem Mund dastehe und auf die Bühne starre. Dann holt er Perhaps Contraption wieder auf die Bühne und spielt mit ihnen ein ganz entzückendes Lied namens „Eyes“ und macht, dass ich jetzt schon total glücklich und zufrieden bin, obwohl das Konzert noch überhaupt gar nicht angefangen hat. Das ist alles so schön und wundervoll, es ist ein einziger großer Hach-Moment mit Ausrufezeichen.

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Jetzt aber. Ein kurzes Intermezzo von Perhaps Contraption im Zuschauerraum und dann kommt Amanda Palmer und ihr Grand Theft Orchestra und es kann endlich richtig losgehen. Und losgehen tut’s, direkt mit „Do It With a Rock Star“. Das kenne ich sogar, obwohl ich im Amanda-Palmer-Gesamtwerk gar nicht so firm bin. Schon beim nächsten Lied passiert das, womit bei einem Konzert von Amanda Palmer immer rechnen muss. Sie springt ins Publikum und macht einfach weiter, die Leute machen ein bisschen Platz, und auf einmal wirbelt Amanda Palmer an einem vorbei.

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Das macht sie beim Cover von „Smells Like Teen Spirit“ einfach gleich noch mal, bei „Missed Me“, einem Song aus Dresden-Dolls-Zeiten geht das aber nicht, da muss sie Klavier spielen, und passend zum Weill/Brecht-Stil steht da auch nicht KURZWEIL auf dem Stage Piano, sondern KURTWEILL. Ein Konzert von Amanda Palmer ist wild und laut, es ist intim und sehr körperlich, und das sind genau die Dinge, vor denen ich ein bisschen Angst hatte, weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehen würde, wenn ich wirklich mittendrin bin. Es ist aber alles ganz toll und mitreißend und überhaupt nicht beängstigend. Erwähnte ich, dass es toll ist?

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Nach einem lauten Einstieg wird es aber jetzt ruhig. Amanda spielt Lou Reeds „Walk on the Wild Side“ und es ist sehr herzergreifend, vor allem, wenn man weiß, dass sie Lou Reed kannte. Das Publikum darf beim Refrain mitsingen und der Song endet auf einem mehrstimmigen A-Cappella-Gesang. Keine Ahnung, wie wir das hinbekommen haben, keine Ahnung, ob das tatsächlich irgendwie harmonisch ist, für mich klingt es so, das ist wunderbar, sowas möchte ich jetzt den ganzen Abend haben, bitte. (Es gibt hier ein YouTube-Video, da ist aber leider die Soundqualität nicht besonders gut.)

Erstmal geht es wieder laut weiter, und weil Amanda einige Zeit in Deutschland verbracht hat und ziemlich gut Deutsch spricht, ist es üblich, dass sie auf deutschen Konzerten irgendwas auf deutsch covert. Man kann sich das prima auf YouTube angucken, „Seeräuber Jenny“ hat sie schon gespielt und „Eisbär“ von Grauzone. Wir kriegen passend zur Bühnendekoration „99 Luftballons“ und dürfen aus voller Inbrunst mitsingen.

Bei „Bottomfeeder“ schmeißt sich Amanda dann von der Bühne ins Publikum und lässt sich von uns singend durch den Raum tragen, etwas, das ich auch noch nie gemacht habe, weil ich sonst ja eher zu Konzerten gehe, wo die Künstler brav auf ihrer Bühne bleiben. Manchmal gibt es sogar Sitzplätze fürs Publikum. Aber das hier ist ja was anderes, hier muss ich auf einmal die Hände hoch nehmen und Amanda Palmer weiter durchgeben und hinter ihr spannt sich ein riesiges Tülllaken über das Publikum, während an der Decke Lichter funkeln, wie großartig ist das denn bitte? Mal abgesehen davon, dass „Bottomfeeder“ ein ganz toller Song ist.

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Für ihren Solopart nimmt Amanda Palmer Requests entgegen und spielt erst „Runs in the Family“, weil das gewünscht wurde und dann „The Bed Song“, obwohl das nicht gewünscht wurde, because fuck you. Und nachdem sie den Song mit Tränen in den Augen beendet hatte, dürfen wir wählen, ob wir jetzt wieder glücklicher sein wollen oder ob sie uns „deeper into depression“ führen soll, und da warnt sie uns schon mal: „I’m gonna fuck you up.“ Das Publikum wählt mehrheitlich die Depression und Amanda spielt nur mit ihrer Ukulele einen Song, den sie geschrieben hat, um sich irgendwie aus ihrer eigenen Depression rauszuwühlen, um uns direkt nach mit „Map of Tasmania“ doch noch schnell wieder zurückzuholen, damit wir nicht alle weinend nach Hause müssen.

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Dann kommt die Band wieder, es geht wieder etwas lauter weiter und zum Schluss sind wieder alle auf der Bühne, Amanda und ihre Band, Perhaps Contraption und Die Roten Punkte und spielen, singen und tanzen zu „Leeds United“. Möglicherweise wiederhole ich mich, aber es ist wirklich alles ganz wunderbar.

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Zwei Zugaben gibt es, und ganz zuletzt spielt Amanda ihre Ukulele Anthem und dann dauert es gefühlt zwei Stunden, bis ich endlich meinen Mantel abholen kann und durch den Regen durch Köln zur U-Bahn trotten kann, noch ganz high und hyperaktiv von den letzten drei Stunden. Ich kann das wirklich nur jedem empfehlen und das meine ich ernst. Die Tickets fürs nächste Konzert sind quasi schon gekauft, zumindest in Gedanken. Amanda Fucking Palmer, wie sie sich selber nennt, ist eben eine fucking force of nature. Aber eine sehr sympathische und mitreißende, die man sich unbedingt mal live angucken sollte, und die nach dem Konzert noch sehr lange im Cafébereich des Gloria sitzt und Autogramme gibt.

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(Übrigens habe ich wieder feststellen dürfen, dass es diese Menschen aus dem Internet wirklich gibt. Als ich mich einmal umgucke, steht da Jens Scholz direkt hinter mir, irgendwann fragt mich jemand neben mir, ob ich nicht Anne Schüßler sei, und das ist Marcel alias Marzelpan. Er erzählt mir kurz vor dem Konzert, dass er Amanda Palmer eigentlich nur von ihrem TED-Talk kennt und sich das jetzt auch mal angucken wollte.)

9 Antworten auf „Amanda Palmer im Gloria in Köln“

  1. Wie lustig! Seit einiger Zeit schaue ich immer mal wieder hier vorbei (weiß gar nicht mehr, wie ich hergerutscht bin..) und jetzt schreibst Du über das tolle Konzert, für das ich am Freitag extra von Stuttgart nach Köln gefahren bin. Solche Zufälle entzücken mich wirklich immer- und das Konzert war, wie Du ja auch schreibst, unfassbar großartig.

  2. Hallo Anne,
    ich kenne Dich sonst nur von Deinem Holsterhausen-Blog. Dein Konzertbericht von Amanda Palmer ist klasse. Wir waren zu viert (alle aus Holsterhausen!) bei Amanda und waren auch alle begeistert!

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