Anne erklärt das Internet: Der Streisand-Effekt

2003 klagte Barbra Streisand gegen einen Fotografen, der ein Luftbild ihres Hauses gemacht hatte, das in einer Galerie mit etwa 1.200 Bildern auf seiner Webseite zu sehen war. Tja, dumm gelaufen. Nicht nur, dass sie verlor, vor allem aber wurde erst wegen dieser Klage überhaupt bekannt, dass es sich bei diesem Haus um ihr Haus handelte. Vorher hatte sich niemand für das Bild interessiert, jetzt wusste jeder Bescheid.

Dieses Musterbeispiel dafür, wie man vielleicht eher nicht mit dem Internet umgehen sollte, heißt deswegen jetzt „Streisand-Effekt“. Den Streisand-Effekt kann man dann beobachten, wenn jemand großes Getöse macht, um etwas aus dem Internet zu entfernen, für dass sich vorher keine Sau interessierte. Oder, wie sich jetzt kürzlich zeigte, man kann sich sogar gegen Dinge wehren, die da gar nicht stehen. Sensationell, was alles geht!

Das hat nämlich jetzt die FAZ geschafft. Sie hat einen Blogger verklagt, weil er etwas geschrieben hat, das man mit viel Mühe und Fantasie ungünstig interpretieren kann, und außerdem auf einen Blog verwiesen, auf dem angeblich Vorwürfe erhoben würden, die da aber auch nicht so stehen, es sei denn, man möchte das so lesen. Konkreter steht da in einem Artikel die Formulierung „Schavan-Freundin“, bezogen auf eine Journalistin. Diese Journalistin wehrt sich nun gegen die Behauptung, sie wäre die Freundin bzw. Lebensgefährtin von Annette Schavan.

Mal abgesehen davon, dass die Reichweite beider Blogs vermutlich überschaubar ist, wie die Reichweite fast jeden Blogs im Vergleich zu beispielsweise der FAZ eher zu vernachlässigen sein dürfte und mal abgesehen davon, dass es schon einer gewissen Absicht bedarf, die Formulierung „Freundin“ in diesem Kontext auf eine sexuelle Beziehung zu beziehen, alles egal. Für den Fall, dass vielleicht doch ein bis zehn Leser auf diese Idee kommen könnten, sichert sich die FAZ doch lieber ab. Und mahnt einen Blogger ab wegen etwas, das er geschrieben hat und das man mit viel gutem Willen missverstehen kann, und etwas anderem, das er gar nicht geschrieben hat. Das ist immerhin mutig, wenn auch vielleicht ein bisschen übertrieben.

Jetzt macht die Sache natürlich ihre Runde und ja, ich helfe da gerne mit, denn ein bisschen Strafe muss doch sein. Was ich wirklich nicht verstehe ist, warum da nirgendwo ein Anwalt sitzt, der ruhig „Calme, calme“ sagt und einen Link zum Wikipedia-Artikel des Streisand-Effekts rumschickt. Ist sich da keiner darüber bewusst, dass so eine Aktion in erschreckend vielen Fällen locker nach hinten losgeht und man dann Aufmerksamkeit für genau die Sache bekommt, die man eigentlich unter den Teppich gekehrt haben wollte? Nein? Nicht? Na gut.

Ich empfehle in so einer Situation mal kurz über das Internet nachzudenken. Folgende Fragen fallen mir spontan ein: Wie viele Leute lesen diesen Artikel überhaupt? Wie viele davon interessieren sich ernsthaft dafür und haben das Gelesene nicht nach ein paar Minuten vergessen? Und wie schlimm wäre das überhaupt, wenn jemand, der diesen Artikel liest da vielleicht etwas falsch versteht? Die FAZ ist anscheinend der Meinung, dass es auf jeden Fall schlimm ist und eine Abmahnung schon angebracht wäre. Und auch, wenn die Geschichte ansonsten eher eine traurige ist, ein schönes Beispiel dafür, wie so ein Streisand-Effekt in freier Wildbahn aussieht, liefert sie allemal. 

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