Es gibt ja so Bücher, da sagt man gerne „Das ist doch unverfilmbar“. Meistens stimmt das nicht. Verfilmen kann man vieles, man muss halt damit leben, dass der Film nicht genau wie das Buch ist. Oder noch anders: Man muss damit leben, dass der Film nicht so ist, wie man sich das beim Lesen des Buches vorgestellt habe.
Dann gibt es „Cloud Atlas“. Ein Buch, bei dem einem auch schön der Satz „Das ist doch unverfilmbar“ rausrutschen könnte. Möglicherweise stimmt das auch hier nicht. Was aber stimmt: So, wie es Tom Tykwer, Lana Wachowski und Andy Wachowski gemacht haben, so funktioniert es schon mal nicht.
Genauso wenig, wie es möglich ist, das Buch auf eine verständliche Art zusammenzufassen, so wenig kann man den Film in wenigen Sätzen nach erzählen. Sechs Storylines, jede für sich eigentlich eher so normal spannend, von einer Schiffsüberfahrt im Jahr 1849, über die Geschichte eines jungen Komponisten 1936, eine Detektivgeschichte im San Francisco der 1970er, der Geschichte des Verlegers Timothy Cavendish im jetzt, über die Geschichte des Klons Sonmi-451 im Korea des Jahres 2144 bis zum Jahr 106 nach der Apokalypse, in dem der Talbewohner Zachry um sein Überleben im Kampf gegen die Kannibalen kämpft.
So weit, so verwirrend. Und so bleibt es leider auch. Während die Geschichten im Buch matrjoschkagleich von außen nach innen aufgebaut und wieder geschlossen werden*, springt der Film wild in der Zeit herum, manchmal in einer irren Geschwindigkeit. Atemlos wird man da als Zuschauer von einer Geschichte in die nächste geprügelt, ohne dass der Zusammenhang klar würde. Auch von den unterschiedlichen Stilen, die im Buch bemüht werden, wenn zum Beispiel die Geschichte von Luisa Rey als Groschenroman erzählt wird, merkt man im Film nichts. Die Zusammenhänge, die im Buch zwar subtil, aber doch ausreichend deutlich, klar gemacht werden, fehlen zwar im Film nicht, sie bleiben aber oft nur angedeutet oder werden gleich mit dem Holzhammer vermittelt. (Letztlich fällt mir hier die Beurteilung schwer, weil ich das Buch kannte und wusste, worauf ich achten musste. Wie es jemandem geht, der das Buch nicht kennt, kann ich in der letzten Instanz nicht sagen.)
Kurz und gut: Der Mann hat die 170 Minuten nicht durchgehalten. Ich war tapfer, schon allein, weil ich wissen wollte, was noch passiert, und weil ich tatsächlich so eine Art theoretisches Interesse an dem Film hatte, allerdings waren auch die letzten dreißig Minuten nicht übermäßig erleuchtend.
Der Film ist nicht schlecht, keineswegs. Aber er ist eben auch nicht besonders gut. Vor allem ist er nicht so gut, wie er selber zu glauben scheint. Überzeugend sind die Schauspieler, die fast alle in mehreren Rollen auftauchen, die Maske ist exzellent, und ich weiß jetzt, dass ich Hugh Grant in fast jeder Rolle mit fast jeder Maske erkenne, Hugo Weaving hingegen nicht. Viel zu gucken gibt es auch, wobei gerade bei der Geschichte von Sonmi-451 ein bisschen weniger Pathos-Action durchaus vorteilhaft gewesen wäre.
Vor allem aber hat der Film ein Problem: Er hat das wahrscheinlich absurdeste Budget-Zielgruppen-Verhältnis überhaupt. Und das hätte man ahnen können. Für die Zielgruppe „Leute, die das Buch gelesen haben, und den Film sehen wollen UND ein paar cineastisch-interessierte Intellektuelle“ sollte man keine 100–Millionen-Dollar-Filme drehen. Also, man kann natürlich, aber dann muss man sich nicht wundern, wenn keiner den Film sehen will.
Ich empfehle an dieser Stelle, zunächst das wunderbare Buch von David Mitchell zu lesen und dann selbst zu entscheiden, ob man das auf die maximal verwirrendste Weise verfilmt sehen möchte. Oder ob man einfach Tom Hanks und Hugo Weaving so toll findet, dass man sie in einem Film in möglichst vielen Rollen sehen möchte. Das wäre auch noch ein Grund.
Zum Weiterlesen gibt es hier einen schönen Artikel auf Wortvogel, der sich auf dieses Dossier in der Zeit bezieht, indem der Produzent des Filmen erstmal die bösen Piraten beschuldigt, Schuld am miesen Abschneiden des Films zu sein und nicht mal überlegt, ob der Film vielleicht einfach nicht so funktioniert hat, wie man sich das vorgestellt hat.
*Als die erste Geschichte nach der Hälfte mitten im Satz abbricht, dachte ich erst, das Buch wäre kaputt, las aber erst mal weiter, um dann festzustellen, dass das wohl so soll.
Ich habe den Film auch gesehen (und das Buch nicht gelesen….). Und fand ihn tatsächlich gut. Was aber auch daran liegen kann, dass ich wirklich unvoreingenommen war.
Ich glaube, man kann sich sehr wohl auf diesen Film einlassen und ich mochte auch einiges an dem Film, vor allem die Schauspieler, die ich durch die Reihe weg toll fand und die Idee mit der Mehrfachbesetzung, die sehr gut funktioniert hat. Aber es bleibt meiner Ansicht nach ein sehr eigenwilliger Nischenfilm, und dessen sollte man sich bewusst sein.
Ich habe das Buch gelesen (und sehr gemocht), und zu meinem Liebsten, als der den Trailer gesehen hatte und in den Film wollte gesagt: „Du Schatz, ich weiss nicht, ob das was für dich ist…“ Wir sind trotzdem ins Kinp gegangen (ich meine Warnung „Du, das ist aber sehr speziell“ wie ein Mantra wiederholend), und siehe da, der Liebste hat es begeistert genossen. Und aus dem Film ziemlich den gleichen Eindruck mitgenommen wie ich aus dem Buch. Cinophile Freunde von uns (aber nicht auf der absolut intelektuellen Schiene) waren gemeinsam mit ihren beiden Teenagern im Kino und auch hier war die ganze Familie begeistert, mit dem Kommentar „so ausgiebig und angeregt haben wir schon lange niccht mehr über einen Film diskutiert“. Ausser mir kannte keiner das Buch. Ich konnte mich sehr gut an die Struktur, absolut überhaupt nicht an den Inhalt erinnern. Ich musste mich mit der neuen Struktur im Film anfreunden, glaube aber im Nachhinein auch, dass die Buchstruktur für einen Film nicht funktioniert hätte.
Ich bin zufrieden aus dem Kino nach Hause gegangen.
Diese Franzosen, unter denen ich lebe, und die Ihre Hundeeinsatztruppen bei der Polizei doch tatsächlich „brigade cinophile“ nennen, machen mich noch fertig. Da oben hätte das natürlich „cinephil“ heissen sollen… Sorry…