Ich bin ja bekanntlich kein sportiver Mensch. Sport ist mir suspekt. Sport ist schon als Wort komisch und als Aktivität erst recht.
Vermutlich liegt es tatsächlich irgendwie in den Genen. Schon im Kindergarten kam mir diese kleine Sporthalle und die darin stattfindende Sportstunde eher eigentümlich und nicht wirklich erstrebenswert vor und daran hat sich auch nie wirklich etwas geändert. Dabei bin ich gar kein kompletter Bewegungslegastheniker. Ich habe meines Wissens in einem vollkommen angemessenen Alter gelernt, Fahrrad zu fahren. Ich habe mir auch ganz strebsam und in einem ebenso adäquaten Alter das Seepferdchen-Abzeichen erkämpft. Da gab es allerdings auch eine entsprechende Motivation, schließlich durfte man im Bayerbad nur als Seepferdchen-Abzeichen-Träger in das deutlich coolere tiefe Becken.
Ich kann also Fahrradfahren und Schwimmen, habe mir Rollschuhe und später Inline-Skater gewünscht (und bekommen und benutzt), war mehrfach in meinem Leben auf eigenes Drängen Schlittschuhlaufen und hatte etwas wider Erwarten in der siebten Klasse im Ruderlager am Baldeneysee erstaunlich viel Spaß. Trotzdem ist die Chance darauf, dass meine Mutter davon erzählt, wie ich als Kleinkind vorsichtig Seite und Seite des Quelle-Katalogs umblätterte, größer als die von meinen ersten Laufversuchen zu hören.
Zumindest scheine ich also so eine Art Grundkörperkoordination zu haben. Die hört aber auch recht flockig wieder auf, wenn’s an die Feinheiten geht. Das ist ein bisschen so wie jemand, der noch prima Marschrhythmus mitklatschen kann, bei der Ansage “und jetzt nur auf die 2 und die 4” aber sofort zu straucheln beginnt. Auch die Kommunikation mit meinem Körper scheint mir gestört, wenn nicht geradezu nicht vorhanden. Garantiert redet mein Körper mit mir und versucht mir zu erklären, ob diese Bewegung jetzt gut für ihn ist oder nicht, aber ich versteh ihn nicht und weiß dann nicht, ob das gutes oder schlechtes Wehtun ist und dann hör ich lieber auf, nachher ist es schlechtes Wehtun.
Der Hauptgrund aber, warum ich nach wie vor sehr allergisch reagiere, wenn mir jemand mit Sport kommt, ist, dass mir der Spaß an der ganzen Geschichte recht beeindruckend konsequent und zielstrebig in elfeinhalb Jahren Sportunterricht ausgetrieben wurde.
In der Grundschule ging das ja noch. Ehrlich gesagt, hab ich kaum Erinnerungen an dern Sportunterricht in der Grundschule, außer, dass die Sportlehrerin Frau Eschbach hieß und den Mattenwagen. MATTENWAGEN! MATTENWAGEN FAHREN! Einer der wenigen Pluspunkte des Schulsports, mal abgesehen vom TRAMPOLIN! Da hat es sich aber eigentlich schon erschöpft.
Der Höhepunkt meiner schulsportlichen Karriere war übrigens auch in der dritten Klasse, wo ich zum ersten und auch einzigen Mal bei den Bundesjugendspielen eine Siegerurkunde bekommen habe. Ein einzigartiges Ereignis, dass sich auch nicht wiederholen sollte. Überhaupt: Bundesjugendspiele. Was für eine Scheißidee. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals sowas wie Musik- oder Fremdsprachenwettbewerbe gegeben hätte, jedenfalls keine, die für alle verpflichtend gewesen wären. Wenn man sich schon öffentlich und dann auch noch ganz offiziell blamieren muss, dann doch bitte gerechterweise auch in verschiedenen Disziplinen.
Nein, es gibt nur Bundesjugendspiele, Springen, Laufen, Werfen und das alles möglichst gut. Also nichts für Leute wie mich, die mangels ausreichender Körperkoordination beinahe garantiert übertreten und wenn sie dann zur Abwechslung mal nicht übertreten mit Sicherheit erstens nicht besonders weit springen und dann mit noch größerer Sicherheit dabei zurückkippen und das ohnehin schon miese Ergebnis dann noch mal so richtig ruinieren. Meine Erinnerungen von den Bundesjugendspielen beziehen sich vor allem auf das Suchen der eigenen Punktzahl in der Ergebnistabelle, nur um festzustellen, dass die Punktzahl so schlecht ist, dass sie schon gar nicht mehr auf der Liste steht.
Und dann kriegt man eine “Teilnehmerurkunde”, die pädagogisch wertvolle Bestätigung des eigenen Versagens. Als ob Kinder so dumm wären.
Kein einziger Lehrer hat es je geschafft, mir Freude am Sport zu vermitteln. Dabei lag es noch nicht mal an einer generellen Abneigung. Die meisten Sportlehrer mochten mich sogar. Und ich mochte die meisten. Man muss da mal drüber nachdenken: Mit ein bisschen Geschick konnte man es ja schaffen, so eine Doppelstunde Sport zu einem nicht zu verachtenden Teil zuschauend auf der Bank zu verbringen, am besten noch mit der besten Freundin. Und trotzdem hab ich’s gehasst. So eine Abneigung, die muss erstmal erzeugt werden. DAS MUSS MAN ERSTMAL SCHAFFEN!
Zunächst mal ist es eben frustrierend, wenn man das, was einem jemand sagt, was man machen soll, einfach nicht hinkriegt. Ich finde es sehr nett und lobenswert, wenn mir Leute erklären, wie ich meine Körperteile anzuordnen habe, aber es hapert einfach an der Umsetzung. Liegestützen hab ich bis heute nicht kapiert, beim Kraulen sehe ich garantiert sehr unbeholfen aus und von Volleyball wollen wir erst gar nicht anfangen.
Überhaupt: Bälle. Alles mit Bällen ist falsch. Badminton krieg ich gerade noch so hin, da sind die Bälle ja auch eher klein und haben so niedliche Trichter. Es ist aber bei mir auch eher so ein Federball mit besserem Schläger, wobei ich immerhin noch gelegentlich einen Ball treffe. Basketball geht auch noch, wobei ich keine Aussage über meine Korbwurfqualitäten machen möchte. Aber einen Ball zu dribbeln, das hab ich auch immer noch so halbwegs geschafft. Handball halte ich nach wie vor für einen gnadenlos sinnfreien Sport (wobei ich irgendwann festgestellt habe, das Profi-Handball sehr anders ist als Schul-Handball), und Volleyball für einen sagenhaft schlechten Scherz.
Wenn mir so ein Ball entgegen kommt, dann stehen bei mir grundsätzlich zwei Handlungsoptionen zur Verfügung: Weglaufen oder Körper schützen. Die Optionen “Ball fangen”, “Ball kontrolliert abwehren und wieder ins gegnerische Feld befördern” oder “Ball stoppen” gehören leider nicht dazu. Als Entschuldigung könnte ich noch angeben, dass mit der steigenden Kurzsichtigkeit meines linken Auges auch ein sicherlich nicht zu verachtender Verlust der dreidimensionalen Sehfähigkeit einherging, aber ich glaube, ich bin vor allem schlecht mit Bällen.
Ich weiß auch gar nicht so genau, was der Höhepunkt meiner Unsportlichkeitskarriere war. Ein guter Kandidat wäre sicherlich der blaue Brief in Sport, den noch nicht Mal meine Eltern ernst nehmen konnten. Es gäbe da aber auch noch die Geschichte, wie ich in der Oberstufe aus dem Sportkurs flog, nachdem irgendwer festgestellt hatte, dass der Kurs eigentlich zu groß sei und dementsprechend entschieden wurde, dass die Leute mit der schlechtesten Note sich einen neuen Kurs suchen sollten, vermutlich in der vollkommen nachvollziehbaren Annahme, dass die Chance, dass ich, wenn ich schon in einem Kurs, den ich mir selbst ausgesucht habe, scheiße bin, dann in einem anderen Kurs sicher deutlich bessere Noten erzielen könnte.
Und bevor das hier noch komplett im Selbstmitleid endet, hören wir besser auf. Mir würden noch viele andere Geschichten einfallen, die Quintessenz bleibt dieselbe. Es hat in meinem Leben noch niemand geschafft, mich nachhaltig für Sport zu begeistern. Jeder Versuch endete verlässlich damit, dass ich nachher noch weniger Verständnis für das ganze Theater hatte als vorher.
Dabei bin ich gar nicht bewegungsfaul. Ich gehe sehr viel und auch recht lange spazieren, ich laufe lieber fünf Etagen die Treppe rauf als auf den Aufzug zu warten, ich fahre gelegentlich Fahrrad und wenn man mir ausreichend Alkohol gibt, tanze ich eventuell sogar. Nur Sport ist nichts für mich.
Vielleicht ist mein Adrenalin falsch gepolt. Beim ersten und voraussichtlich einzigen 10–km-Lauf, an dem ich je teilgenommen habe, dachte ich bei Kilometer 9 1/2 jedenfalls nicht “Geil, gleich geschafft”, sondern “Wofür mach ich diesen Scheiß eigentlich?”. In diesem Sinne: No sports. Bitte. Danke.






































