Hanauer Taxifahrer I

Ich komme etwas später nach Hause, und wenn ich etwas später nach Hause komme, hat der Mann gesagt, dann soll ich auf jeden Fall ein Taxi nehmen. Er weiß, dass ich auch durchaus dazu neige, mitten in der Nacht alleine nach Hause zu laufen, deswegen muss er mir das extra immer sagen, damit ich auch dran denke.

Der letzte Taxifahrer war etwas… sagen wir… enttäuscht, als ich ihm sagte, wo’s hingeht. Er stand wohl schon etwas länger in der Bahnhofstaxischlange und hätte lieber eine etwas rentablere Fahrt gehabt, durfte mich aber nur nach Hause bringen, was eben nicht besonders weit ist, es ist nur dunkel und ich darf nicht alleine laufen.

Er erzählte mir, beim nächsten Mal sollte ich doch bitte das letzte Taxi nehmen. Weil ich mich aber wirklich null in Taxietikette auskenne, nehm ich einfach immer weiter das erste, denn nachher werden die beim nächsten Mal böse auf mich, weil ich einfach das letzte Taxi nehme. Die wissen ja nicht, was mir der eine Taxifahrer erzählt hat.

„Nehmen Sie mich mit? Ist aber nicht weit“, sage ich also schon entschuldigend beim Einsteigen.

Der Taxifahrer ist hocherfreut, mich als seinen Fahrgast begrüßen zu dürfen, er sagt mir, dass sie sowieso jeden mitnehmen müssen, egal wie weit (oder in meinem Fall: nah).

Dann erzählt er mir die ganzen anderthalb Kilometer etwas vom Supertalent und wie bekloppt die Leute sind, die da mitmachen, nur weil sie ins Fernsehen wollen und überhaupt, das weiß doch jeder, dass man sich da nur lächerlich macht. Und als er meinen Koffer aus dem Kofferraum hievt, erzählt mir noch etwas leicht Konfuses von seiner Frau, die zu Hause wohl die Hosen anhat, aber so ganz verstehe ich ihn nicht, was vielleicht auch daran liegt, dass ich sehr müde bin.

Mal abgesehen davon hat er vor lauter Aufregung, mich nach Hause fahren zu dürfen, vergessen, das Taxameter einzustellen.

„Na ja, geben Sie mir fünf Euro“, sagt er.

„Nee nee nee“, sage ich. „Sechs Euro. Ich bezahl hier immer sechs Euro.“

Das tu ich wirklich. Bei jeder Taxifahrt, die ich hier gemacht habe, sagte der Taxifahrer hinterher eine Summe von fünf Euro und nochwas. Also sechs Euro.

Der Taxifahrer freut sich, weil ich mich auf alberne fünf Euro gar nicht einlassen will. Ich freu mich, weil sich der Taxifahrer freut und weil er so nett ist. Ich komme gerade aus München, völlig verspätet, weil sämtliche Züge wieder Verspätung haben und ich in Aschaffenburg nur hoffen konnte, dass der Zug nach Hanau wirklich auch kommt. Und ich bin kaputt und müde und krank (was ich zu diesem Zeitpunkt nur ahne, aber am nächsten Tag sicher weiß) und der netteste Fahrer von Hanau hat mich nach Hause gefahren und mir den Koffer aus dem Kofferraum gehievt.

Alles gut.

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