Gelesen im April 2017

Es ist wieder sehr viel geworden, deswegen zunächst mal nur die erste Hälfte und teilweise im Schnelldurchlauf.

Die Modernisierung meiner Mutter von Bov Bjerg

Als Hörbuch bei Spotify gehört. Ein Erzählungsband mit alten (und neuen?) Geschichten von Bov Bjerg, der mich ja mit Auerhaus sehr glücklich gemacht, gelesen vom Autor selbst. Das passt sehr gut, Bov Bjerg liest schön lakonisch, gelegentlich sogar scheinbar desinteressiert an den eigenen Geschichten. Diese wiederum sind schön alltäglich-skurril, es geht um schreckliche Schinkennudeln, die Mutter, die ihren Führerschein, den Onkel, der sich einen Posten bei der Bank erschleicht, um am Ende in die USA zu verschwinden, um eine ungewollte Münzsammlung und einem astronomisch uninteressierten Horoskopschreiber. Die Zeit bezeichnet das alles hier als „Regio-Porn“, und da hat sie vermutlich ein bisschen recht, genau das macht es aber auch so sympathisch.

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Fleisch ist mein Gemüse von Heinz Strunk

Endlich auch mal gelesen, oder vielmehr auch gehört, weil auch bei Spotify. Außerdem schwärmt Angela davon, ich dachte, dann probiere ich das mal. Auch hier liest der Autor, das klingt immer ein bisschen, als ob er es eilig hätte und jetzt mal schnell fertig machen würde, aber ich glaube, so liest Heinz Strunk einfach.

Wahrscheinlich kennt schon jeder das Buch, es ist ja auch nicht gerade vor kurzem erst erschienen. Heinz Strunk berichtet von seiner Zeit als Musiker in einer Unterhaltungsband, in der er eher zufällig landet, aus der er aber auch so schnell nicht wieder rauskommt. Während er mit Tiffanys („Es heißt Tiffanys, nicht die Tiffanys!“) von einem Schützenfest zum anderen tourt, muss er sich außerdem noch um seine kranke Mutter kümmern, vielleicht auch mal eine Freundin finden und am besten vielleicht doch noch rausfinden, ob es ein Leben jenseits von Tiffanys gibt.

Jedenfalls ist das Buch nicht zu Unrecht überall gelobt worden, das ist alles schlimm-schrecklich-schön und bietet einen Blick in eine Welt, von der man nicht weiß, ob man es überhaupt alles so genau wissen will.

(Außerdem habe ich während der Lektüre die Wörter „Volker hört die Signale“ gegoogelt, und nu ja, jetzt habe ich nicht nur einen weiteren Witz aus den Känguru-Chroniken endlich kapiert, sondern auch festgestellt, dass er da gar nicht zum ersten Mal gemacht wurde.)

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Utopia von Thomas Morus

Was für die Bildungsquote gemacht und den Klassiker gelesen. Wenn man sich mal durch die Einleitung gearbeitet hat, liest es sich auch erstaunlich flüssig, da darf man sich nicht abschrecken lassen.

In Utopia entwirft Thomas Morus in Form eines Reiseberichtes eine ideale Gesellschaft auf der Insel „Utopia“. Hier sind alle Menschen gleich, arbeiten gemeinsam und füreinander, leiden keinen Hunger und müssen nicht übermäßig schuften, Bildung und Kunst werden als hohes Gut gesehen und stehen allen Interessierten offen.

Tatsächlich ist die von Morus entworfene ideale Gesellschaft immer noch hierarchisch und patriarchisch organisiert, vieles davon wirkt heute, auch im Hinblick auf gegenwärtige Dystopieliteratur, eher wie etwas, dass man ganz sicher nicht haben will. Todesstrafe ist zwar in Utopia eher das letzte aller Mittel, aber nicht verboten, niedere Arbeiten werden von Sklaven verrichtet (die sich immerhin die Freiheit verdienen können), die Utopianer erobern auch schon mal fremdes Land, wenn sie der Meinung sind, das wäre für die Leute besser oder halt neues Land brauchen und die Frauen haben gefälligst den Männern Bericht über ihre Verfehlungen zu erstatten. Mir fehlt leider zu viel Wissen, um die Ideen Morus‘ sinnvoll in ihren geschichtlichen Kontext einzuordnen und den Grad der Progressivität einschätzen zu können. Unklar ist außerdem, wie satirisch Utopia tatsächlich gemeint war, es bleiben also einige Fragen offen, die mich aber nur neugieriger gemacht haben auf andere Klassiker der Utopieliteratur. (Frau Diener, hören Sie das?) So oder so hat sich die Lektüre also gelohnt.

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Panikherz von Benjamin von Stuckrad-Barre

Hauptsächlich gelesen, weil bei einer Hörbuchdiskussion im Techniktagebuchchat unter anderen der Name Benjamin von Stuckrad-Barre fiel, als es um gute vorlesende Autoren ging. Ich hielt von Stuckrad-Barre immer für überschätzt, ich kannte nur einige Kurzgeschichten und fand die bis auf eine eher so mittel.

Panikherz ist aber super, ich habe das Hörbuch in wenigen Tagen durchgehört, das ist vor allem beachtlich, weil mich die Person Benjamin von Stuckrad-Barre überhaupt nicht interessiert hat. Er schreibt von seiner Kindheit als jüngster Pfarrerssohn erst in einem Kaff, dann später in der Großstadt Göttingen, von seiner Liebe zu Udo Lindenberg und dann natürlich von der ganzen Medienwelt, in die er so reingerutscht ist, vom Erfolg, den Drogen, dem Alkohol, der Magersucht, den Klinikaufenthalten, den ganzen anderen Prominenten, mit denen er so zu tun hatte und überhaupt seinem Leben eben.

Dabei fällt vor allem auf, dass von Stuckrad-Barre sehr geerdet und wenig eitel schreibt, auch die vielen Promiszenen sind mir nicht negativ aufgefallen, im Gegenteil, von Stuckrad-Barre bleibt dabei ein Fanboy, das macht es glaubwürdig. Und selbst dann, wenn er zynisch rumätzt, auf andere Leute, die irgendwo Erfolg haben, bleibt am Ende die Erkenntnis stehen: „Schade, dass ich das nicht bin.“ So viel Selbstreflektion macht sympathisch, am Ende erzählt da nicht jemand, der sich selber so geil findet, weil er mit diesen ganzen berühmten Leuten abhängt, sondern, der es immer noch nicht so ganz selber fassen kann, dass er da ist, wo er ist.

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Junge rettet Freund aus Teich von Heinz Strunk

Wo ich schon mal dran war, gleich das nächste Buch von Heinz Strunk gehört. In Junge rettet Freund aus Teich erzählt Heinz Strunk von seiner Kindheit und Jugend. Aufgewachsen bei seinen Großeltern und seiner Mutter wächst Mathias sehr behütet auf, eine Kindheit zwischen Geborgenheit und Abenteuern, erst recht, als Mathias in den Ferien zur Großtante geschickt wird, wo er erst von einem Bauern übers Feld gejagt und dann mit den Bauernsöhnen am Baggersee die erste Zigarette raucht.

Als bekennender Nostalgiejunkie trifft dieses Buch mein Herz genau an der richtigen Stelle und wärmt es ganz ausgezeichnet. Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer Fleisch ist mein Gemüse mag, wird wohl auch Junge rettet Freund aus Teich mögen.

Mein Lieblingssatz aus einer Rezension bei Goodreads ist übrigens: „Zum Ende wurde mir allerdings zuviel gewichst.“ Das stimmt aber nicht, es wird gar nicht so viel gewichst.

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The Handmaid’s Tale von Margaret Atwood

Endlich, endlich gelesen, aus diversen Gründen, die Thematik ist ja aktueller denn je und außerdem wurde das Buch gerade neu verfilmt, es wurde also langsam Zeit.

Das für mich Überraschendste an dem Buch war, dass eigentlich die ganze Zeit nichts passiert. Ich wartete die ganze Zeit auf eine Eskalation, die nicht kam. The Handmaid’s Tale ist Geschichte von Offred, die als Magd in einem totalitären Amerika namens Gilead lebt, in dem Frauen keine Rechte mehr haben, noch nicht mal mehr lesen dürfen und aufgrund ihrer erhofften Fruchtbarkeit einem hochrangigen Ehepaar zugeteilt wird, um ihnen Kinder zu gebären.

Während auf der einen Seite die ganze Zeit nichts passiert, passiert natürlich doch sehr viel. In Rückblenden erfährt man von Offreds Leben vor Gilead, ihrem Mann und ihrem Kind, ihrem Fluchtversuch, ihrer feministischen Mutter und unorthodoxen Freundin Moira, der Zeit im Umerziehungscenter. Auch die neue Weltordnung mit ihren öffentlichen Hinrichtungen und Massengebeten, dem abendlichen Bibelstündchen, allen Regeln und Gesetzen, wird auseinandergelegt, in jedem erschreckenden, gleichzeitig unvorstellbaren und gleichzeitig doch so gut vorstellbaren Detail.

Das ist alles hochspannend, in hohem Maße und im besten Sinne feministisch und eben leider auch immer noch oder schon wieder aktuell. Und das, obwohl die ganze Zeit nichts passiert.

(Ich verlinke hier auf das amerikanische Original, weil das Buch gerade bei Vintage Classics in einer Reihe von Science-Fiction-Klassikern mit tollen quasi interaktiven Covern erschienen ist und ich jetzt sowieso alles aus dieser Reihe haben – und natürlich auch lesen – möchte.)

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Der gelbe Vogel von Myron Levoy

Als Kind oder Jugendliche gelesen, das weiß ich noch, und damals sehr beeindruckt. Am Ende habe ich geweint, das weiß ich auch noch, die Geschichte um das jüdische Mädchen Naomi, die verstört in einem New Yorker Hausflur sitzt und Papier zerreißt und den Jungen Alan, der von seinen Eltern dazu genötigt wird, sich um Naomi zu kümmern und das aus mehreren Gründen doof findet, hat mich damals sehr erschüttert.

Naomi musste in Frankreich mit ansehen, wie ihr Vater von Nazis erschlagen wurde, so viel kann man glaube ich erzählen, ohne zu viel zu verraten. Zuerst erscheint sie Alan wie ein hoffnungsloser Fall, das verrückte Mädchen, was soll er überhaupt mit ihr und warum ausgerechnet er? Dann schafft er es aber, Naomi ein erstes Lächeln zu entlocken und so entsteht ganz langsam eine Freundschaft zwischen den beiden Kindern.

Beim nochmaligen Lesen doch etwas über die arg altmodische Erzählweise gestolpert, die Figuren alle eher angedacht als ausgefüllt und die Dialoge etwas gestelzt. Weinen musste ich jetzt auch nicht mehr. Aber es ist eben auch ein Kinderbuch und im Zielgruppenalter hat es bei mir wunderbar funktioniert, insofern ist die Kritik vielleicht auch nicht ganz gerechtfertigt.

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3 Antworten auf „Gelesen im April 2017“

  1. Wenn Sie die Bücher von Heinz Strunk mögen, gefällt Ihnen vielleicht auch „Dorfpunks“ von Rocko Schamoni, wenn Sie es noch nicht kennen.
    Viele Grüße :)

  2. Liebe Anne,
    vielen Dank für deine Liste – ich finde erstaunlich, was du so alles wegliest ;) Ich komme ja zu nix, immer diese Ausrede. Naja, auf meiner Liste stand Utopia schon ewig drauf und jetzt habe ich das mal bestellt und habe mir vorgenommen, das Buch jetzt endlich zu lesen.
    LG, Jana

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