Gelesen im Juni 2017

Du bellst vorm falschen Baum von Judith Holofernes

Etwas durchwachsen, einige Gedichte sind toll, andere etwas zu gewollt. Judith Holofernes Stärke sind kreative Wortspiele, damit übertreibt sie es aber manchmal, so dass es unnötig anstrengend wird und man „Ja ja ja, ich hab das Konzept jetzt verstanden!“ rufen möchte. Tatsächlich funktionieren ihre Texte eventuell mit Musik besser, aber hier jammern wir jetzt schon auf sehr hohem Niveau.

Ohne Abstriche toll sind die Bilder von Vanessa Karré, allein dafür lohnt sich das Buch eigentlich schon.

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The Next Together von Lauren James

Eine sehr nette YA-Zeitreisenromanze mit Science-Fiction-Anteilen. Die Geschichte von Katherine und Matthew wird auf insgesamt vier Zeiteebenen erzählt.

1745 wird Carlisle von schottischen Rebellen belagert. Katherine kommt aus gutem Hause und lebt nach dem Tod von Eltern und Großeltern bei ihrer Tante. Dort verliebt sie sich in Matthew, einem Bediensteten und überzeugt ihn, als Mann verkleidet bei der Verteidigung der Stadt helfen zu dürfen. 1854 ist Katy, Waisenkind und wieder als Junge verkleidet, mit dem Kriegsjournalisten Matthew auf dem Weg zum Krimkrieg, von dem aus Matthew über die Zustände der britischen Soldaten berichten will. 2019 werden die Wissenschaftler Katherine und Matthew als vermeintliche Terroristen erschossen, weil sie eine gefährliche Biowaffe in Umlauf bringen wollten. Und 2039 treffen die Studenten Kate und Matt sich im Labor und kommen ihrer gemeinsamen Vergangenheit auf die Spur.

Das ist alles ganz nett und insgesamt ohne größere Logikbrüche erzählt, man erfährt das ein oder andere über die britische und europäische Geschichte, die Charaktere sind gut ausgearbeitet und die Story kommt gut voran. Die Autorin erlaubt sich einige Freiheiten bei dem zu Grunde liegenden Überbau, der die Reinkarnation von Kate und Matt erst ermöglicht. Wer, wie und warum die armen Protagonisten immer wieder auferstehen und die Welt retten müssen wird hier nur angerissen, das ist auf der einen Seite nicht schlimm, lässt auf der anderen Seite aber auch mutmaßen, dass es hier das größte Konsistenzproblem gibt.

Aufgehübscht mit Chatprotokollen, Landkarten und Notizzettel-Konversationen am Kühlschrank ist das eine – im besten Sinne des Wortes – nette Zwischendurchlektüre, die man ohne Probleme all denen empfehlen kann, die weder auf besondere literarische Kniffe noch auf eine epische Geschichte aus sind.

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Gray von Leonie Swann

Nach zwei Schafskrimis und einem Flohfantasyroman wendet sich Leonie Swann unseren gefiederten Freunden zu. Gray ist zwar das namensgebende Tier des Buches, aber zur Abwechslung wird diese eher klassische Detektivgeschichte nicht aus der Sicht des Graupapageis erzählt. Ein Student des spleenigen Dozenten Augustus Huff stürzt in den Tod. Ein vermeintlicher Unfall, doch bald vermutet Huff etwas anderes. Der Student hinterlässt den plappernden Papageien Gray, der es sich auf Huffs Schulter gemütlich macht und mit dessen Hilfe dieser sich aufmacht, das Rätsel zu lösen.

Ich habe Gray als Hörbuch gehört und musste mehrfach ansetzen, was aber nur bedingt am Buch lag. Tatsächlich ist Gray insofern kein Buch zum Nebenbeihören, weil es doch einer gewissen Konzentration bedarf, den Faden nicht zu verlieren. Der Papageiroman bleibt ein bisschen hinter Glennkill und dem fantasiereichen Dunkelsprung zurück, das ist trübt das Lesevergnügen aber nicht. Wer noch auf der Suche nach einem sympathischen Whodunnit mit tendenziell sonderbarem Personal für den Sommer ist, der sollte sich Gray schleunigst in die Reisetasche packen.

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Saturday Night Biber von Anja Rützel

Alles an diesem Buch ist schön.

Anja Rützel, eigentlich Expertin auf dem Gebiet des Trash-TV, offenbart in Saturday Night Biber ihr anderes kurioses Hobby: Absurde und weniger absurde Tierarten und die absurden Hobbys und Veranstaltungen, die es rund um diese Tiere gibt.

Anja Rützel steigt im Winter auf einen Berg, um zwischen Hirschen zu sitzen, kuschelt mit einer Kuh (50 Euro für eine halbe Stunde), hält sich Schaben als Haustiere, geht zum Kaninhop-Turnier, lernt, wie man Tiere ausstopft und verliebt sich in den Ameisenbären Ernst-Einar und reist ihm bis auf die Isle auf Wight hinterher. Sie lässt sich zum Biberberater ausbilden und lernt, wie man ein Alpaka fängt.

Über das alles schreibt sie mit dem Blick eines Menschen, der zwar Menschen okay, Tiere aber grundsätzlich und in wirklich fast allen Farben, Formen und Eigenheiten um Längen besser findet. Diese Liebe fürs Tier spricht aus jedem Satz und aus jeder detailgefütterten Fußnote, die einem alle wichtigen Fun und Not-so-fun Facts über Biber, Tapire, Ameisenbären, Kühe oder Kaninchen verrät. Man lernt also auch dauernd etwas, es ist kaum auszuhalten. Außerdem ist es witzig und originell geschrieben, es gibt also keinen, wirklich keinen einzigen Grund, dieses Buch nicht zu lesen.

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Die Intelligenz der Bienen von Randolf Menzel und Matthias Eckoldt

Der Neurobiologe Randolf Menzel und der Journalist und Schriftsteller Matthias Eckoldt erklären, wie Bienen so ticken, im höchst wissenschaftlichen Sinne. Das ist interessant, aber auch nicht so ganz einfach. Ich habe hier ausführlich rezensiert.

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Was man von hier aus sehen kann von Mariana Leky

Dass ich diesen Satz jetzt direkt wieder schreiben kann, erfreut mich: Alles an diesem Buch ist schön.

Fangen wir aber mit dem Problem, das ich mit Mariana Lekys Büchern habe, direkt an, dann haben wir’s hinter uns. Das Problem ist, dass ich bei ihren Büchern irgendwann immer sehr viel und rotzig weinen muss. Das sieht dann sicher nicht schön aus, aber wenn man währenddessen alleine auf der Couch liegt, sieht es ja niemand.

Ansonsten ist wirklich alles an diesem Buch schön. Die Geschichte, die Figuren, die Sprache, die Ideen, alles ist schön. Mariana Leky schafft schon wieder den kaum möglichen Spagat zwischen alten traditionellen Geschichten und moderner Sprache, nichts davon wirkt gekünstelt oder aufgesetzt, alles ist gleichzeitig skurril, magisch und ganz bodenständig.

In einem Dorf mitten im Westerwald lebt Selma, die aussieht wie Rudi Carrell. Immer, wenn Selma von einem Okapi träumt, stirbt jemand im Dorf und diese Nacht hat Selma von einem Okapi geträumt. So fängt alles an, und Selmas Enkelin Luise erzählt, wie es dann weitergeht. Mit dem Optiker, der in Selma verliebt ist und ihr jahrelang Briefanfänge schreibt. Mit Elsbeth, die für alles ein Wundermittel hat. Mit der traurigen Marlies, die ganz allein in dem Haus wohnt, in dem sich ihre Tante erhängt hat. Mit Luises Vater, der einen Hund anschafft, um seinen Schmerz zu externalisieren. Mit Luises Mutter, die nicht weiß, ob sie ihren Mann verlassen soll. Mit Martin, Luises bestem Freund und seinem Vater, der Jäger und Alkoholiker ist und vor dem Selma die Rehe schützen muss.

Das ist alles mit viel Humor und Liebe erzählt und es muss schon ein sehr, sehr gutes Buch kommen, um „Was man von hier aus sehen kann“ als meine Lieblingsbuch des Jahres 2017 vom Treppchen zu schubsen.

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