Das einzig wahre Übel: Laienbahnfahrer

Ich fahre ja sehr viel Bahn. Zwar meistens die gleiche Strecke, aber die sehr oft und gelegentlich auch mal woanders hin. Eigentlich fahr ich schon immer viel Bahn, Autos sind mir etwas suspekt, wir besitzen zwar eins, aber mit dem fahren wir gar nicht so oft, und wenn, dann fährt meistens der Mann.

Bahnfahren ist schön. Man kommt relativ schnell von A nach B, kann dabei im besten Fall sitzen und etwas tun, was man sowieso gerne tut. Lesen zum Beispiel, oder Musik hören. Mittlerweile gibt es auf einigen Strecken sogar Internet und wenn man einen passenden Telefonvertrag hat, im richtigen Zug sitzt und dann noch ein bisschen Glück hat, dann funktioniert der sogar. Auch mitten im Westerwald! Echt jetzt!

Manchmal haben Züge auch Verspätung. Na gut, Züge haben öfters mal Verspätung, aber dazu wollte ich sowieso noch mal was schreiben, ich hab das nämlich durchschaut und kann das ganze Leid mit den Zugverspätungen anhand von bekannten und bewährten Werkzeugen aus dem Projektmanagement erklären. Das ist aber ein anderer Blogartikel, der erst noch geschrieben werden muss.

Manchmal, wenn so Züge Verspätung haben, dann verpasst man auch seinen Anschluss. Oder muss mit einem Zug fahren, für den man jetzt nicht reserviert hat. Oder lange warten. Letzteres ist vor allem doof, wenn es sehr kalt ist. Oder sehr heißt. Oder man sehr viel Gepäck dabei hat.

Nach über zehn Jahren Rumpendeln durch NRW und zwei Jahren Rumpendeln durch Deutschland würde ich aber sagen, dass diese Verspätungsgeschichte auch immer ein bisschen übertrieben wird. Auch das Bahnpersonal ist im Wesentlichen immer freundlich und hilfsbereit, und wenn es Ausnahmen gibt, dann liegt das übrigens nicht an der Bahn, sondern an der Tatsache, dass Menschen gelegentlich komisch sind. Auch woanders.

Das war jetzt eine recht lange Einleitung, um zum eigentlichen Übel beim Bahnfahren zu kommen. Es sind, o Wunder, die Laienbahnfahrer. Laienbahnfahrer, wie ich sie liebevoll nenne, sind die Bahnfahrer, die ungefähr einmal im Jahr (wenn überhaupt) mit der Bahn fahren, dann aber gerne länger und vor allem mit besonderen Ansprüchen und sehr genauen Vorstellungen, die leider in den seltensten Fällen mit der Realität in Einklang gebracht werden können. Das liegt weniger an der bösen Realität als an den Laienbahnfahrern.

Laienbahnfahrer erkennt man recht schnell, denn sie reden viel und auch so ausreichend laut, dass man es mitbekommt. Meistens haben sie Koffer dabei, gerne mehrere, denn sie fahren jetzt IRGENDWOHIN! UND ZWAR FÜR LÄNGER!

Laienbahnfahrer haben im besten Fall eine Reservierung. Wenn sie keine Reservierung haben, dann wundern sie sich, warum der Zug so voll ist. Wer hätte gedacht, dass Züge so voll sind? Blöd ist das, da will man mit der ganzen Familie in den Urlaub, mit dem halben Hausstand im Gepäck und dann ist da einfach der Zug voll. Was auch deswegen noch blöder ist, weil Laienbahnfahrer grundsätzlich Goldbarren im Koffer haben. Oder Platin! ODER DIAMANTEN! Denn die Koffer sind erstens so schwer, dass man sie unmöglich auf die Ablage hieven könnte, im Wagenvorraum abzustellen ist aber auf gar keinen Fall eine Alternative, denn man muss den Koffer schon die ganze Zeit im Blickfeld haben.

Eigentlich möchte der Laienbahnfahrer seinen Koffer aber direkt neben sich stehen haben und mit einer Hand festhalten. Damit auch nichts wegkommt. Da sind ja immerhin Goldbarren drin. Mindestens. Da die Koffer aber ob ihrer Größe nicht in den Fußbereich passen und auch eigentlich nicht unter den Tisch, wird er einfach in den Gang gestellt. Und festgehalten. Eisern festgehalten. Damit auch nichts wegkommt! Bei erhöhtem Laienbahnfahreraufkommen ist so ein Gang dann eben gerne mal mit einigen Hindernissen verstellt. Da muss man durch. Der Laienbahnfahrer ist sich da nur geringfügig einer Mitschuld bewusst und beschwert sich lieber über das mangelnde Gepäckunterstellangebot oder wahlweise über die Schwere des ja vermutlich selbst gepackten Koffers, während sich arme Ein- und Aussteigende mit ihren kleinen Rollköfferchen irgendwie an den Laienbahnfahrerkoffern vorbeischlängeln.

Kommen wir zurück zur Reservierung. Manche Laienbahnfahrer sind nämlich immerhin so klug und denken sich, Möööönsch, wenn ich jetzt das erste Mal seit ewig mit der Bahn fahre und dann gleich fünf Stunden, da reservier ich mal besser. Find ich persönlich eine gute Idee. Leider hat niemand den Laienbahnfahrern etwas von der Existenz der Wagenstandsanzeige erzählt. Sie steigen also entweder einfach irgendwo ein oder sprinten den halben Bahnsteig rauf oder runter, weil der reservierte Platz eben überraschenderweise gar nicht da ist, wo man seit zehn Minuten auf den Zug wartet.

Geht die Tür auf, so wundert man sich erstmal, dass da Leute aussteigen. Wer hätte das gedacht! Ein Zug, aus dem Leute erst mal rauswollen! Tatsächlich gibt es Züge, aus denen an bestimmten Haltestellen sehr, sehr viele Menschen aussteigen. Ich erwähne an dieser Stelle mal beispielshalber den einen Zug, der morgens von Frankfurt nach Berlin fährt. Aus dem steigen in Frankfurt unheimlich viele Menschen aus. Und zwar mit einer beeindruckenden Verlässlichkeit. An dieser Stelle muss auch ich zugeben, dass ich auch nach mehrfacher Beobachtung dieses Phänomens immer noch nicht so wirklich glaube, dass so viele Leute überhaupt in den Wagen reingepasst haben. Erst recht, wenn man dann einsteigt und feststellt: Hier sitzen ja noch ganz viele Leute drin. So ganz bin ich auch nicht dahintergestiegen, wie das sein kann, aber es ist Quell der Irritation der Laienbahnfahrer und wenn man es einmal weiß, dann kann man das sehr schön beobachten, wie immer wieder nach dem Koffer gegriffen wird und… nee… jetzt doch nicht, da kommt ja noch wer, aber jetzt, jetzt muss doch, jetzt isses doch… verdammt! Da kommen ja noch welche!

Sind sie aber erst mal im Zug, die Laienbahnfahrer, dann gehen sie ganz, gaaaaaanz langsam den Gang entlang. Zu zweit oder dritt. Mit ihren Koffern und einer groben Ahnung der Platznummer. Im besten Fall sind sie sogar im richtigen Wagen. Aus Erfahrung würde ich sagen, dass etwa die Hälfte aller Laienbahnfahrer mit Reservierung auch im richtigen Wagen sind. Von der anderen Hälfte weiß dann zumindest noch mal die Hälfte, dass sie möglicherweise nicht im richtigen Wagen sind. Die andere Hälfte, also ein Viertel der Laienbahnfahrer mit Reservierung, ist jedoch FEST davon überzeugt, im richtigen Wagen zu sein und weicht selbst auf Nachfragen des auf dem vermeintlich reservierten Platz sitzenden Menschen nicht von der Überzeugung ab, dass dies hier ihr Platz sei. Ganz sicher ist er das, steht doch hier, Platz 46. Nachdem der (es folgt eine Anekdote aus dem wirklich wahren Leben) arme Mensch bereits nach kurzer Diskussion über die Unwahrscheinlichkeit, dass ein reservierter Platz bei funktionierender Reservierungsanzeige nicht als ein solcher gekennzeichnet wäre, seinen Sitzplatz geräumt hat und die auf ihr Sitzplatzrecht pochende Dame sich dem Objekt ihrer Begierde schon nähert, fällt ihr dann aber doch noch was ein. “Das ist doch hier Wagen 21, oder?” fragt sie in den Zug. “Nein”, rufen mehrere Mitfahrer einstimmig. “Das ist Wagen 27!” Die Dame packt ihre Sachen zusammen und macht sich auf, sechs Wagen weiter. Wo ihr reservierter Platz wirklich ist.

Ich könnte noch weiter erzählen. Über die Reisegruppen, gerne aus München kommend, gerne Bier trinkend. Über das wirklich schwere Leid, das man mit den bahn.comfort-Plätzen erdulden muss. Über die ältere Frau mit dem zu großen Koffer, die mich ganz nett fragte, ob es mir etwas ausmache, wenn sie den Koffer unter den Tisch stellte. Nein, sagte ich, sie könne gerne den Koffer unter den Tisch stellen. So schob sie den Koffer unter den Tisch, wobei sich herausstellte, dass der Koffer wohl doch etwas höher war als der Tisch und dieser (also der Tisch, nicht der Koffer) ganz drollig immer weiter nach oben klappte. Das würde mich jetzt aber doch stören, sagte ich, als mein Laptop im 45°-Winkel vor mir stand und erntete einen verdutzten Blick ob meines mangelnden Kooperationswillens bei der Kofferunterbringung.

Ich finde es schön, wenn Leute zum ersten Mal seit ewig mit der Bahn fahren. Ich finde, Leute sollten viel öfter mit der Bahn fahren und möchte niemanden davon abhalten. Aber manche Dinge möchte ich lieber nicht. Koffer kann man in den Wagenzwischenraum stellen. Oder man fragt jemanden, der einem hilft, den Koffer auf die Ablage zu stellen. Man könnte auch zwei kleine Koffer mitnehmen, die man dann alleine hochhieven kann oder doch noch irgendwie in den Fußraum klemmt. Reservierungen empfehlen sich fast immer, vor allem, wenn man nicht alleine verreist. Und so eine Wagenstandsanzeige ist erstaunlicherweise auch keine Raketenwissenschaft.

Am allerallerschlimmsten sind aber die Meckerer unter den Laienbahnfahrern. Die, die bei der kleinsten Verspätung anfangen auf die Bahn zu schimpfen, und sich dabei immer so ein bisschen umgucken, als ob sie darauf warten, dass jede Minute alle Mitfahrer bestätigend in ihr Schimpfmantra miteinstimmen, da hätte man ja gleich mit dem Auto fahren können, überhaupt typisch, aber das wüsste man ja, das wüsste man ja, dass die Bahn aber auch wirklich niemals, also echt nie jetzt, irgendwie mal pünktlich wäre. Das wäre ja bekannt, und man hätte sich das gleich denken können. Zehn Minuten jetzt schon! ZEHN MINUTEN, DAS MUSS MAN SICH MAL VORSTELLEN! Was da an Lebenszeit draufgeht! Neeneenee, beim nächsten Mal, also ganz sicher, da nimmt man das Flugzeug. Oder fährt einfach selber. Aber nie mehr mit der deutschen Bahn. NIE MEHR! UNVERSCHÄMTHEIT! ZEHN MINUTEN!

Aber vielleicht bin ich da auch einfach anders. Ich hab ja auch schon mehr als einmal gedacht: “Och schade, jetzt sitz ich hier gerade so schön und lese und jetzt muss ich schon aussteigen. Können wir nicht noch ein halbes Stündchen einfach so rumfahren?”

Im Übrigens hat der Arschhaarzopf hier eine schöne Anleitung zum Bahnfahren geschrieben und wer mehr über die aufregenden Erlebnisse im Nahverkehr wissen möchte, der sollte mal bei Frau Nessy stöbern gehen.

Gefangen im Rufnummernportierungslimbo

Eventuell hat man es ja mitgekriegt, aber ich besitze seit kurzem ein iPhone. Das iPhone löste das zweieinhalb Jahre alte Motorola Milestone ab, das auch dringend ablösebedürftig war, nur noch mit regelmäßigen Abstürzen oder eingefrorenen Bildschirmen überzeugen konnte und auf dem noch nicht mal “Plague, Inc.” lief, was mich in der Bürokommunikation deutlich zurückwarf.

Also musste was Neues her, verbunden mit einem Wechsel des Anbieters aus unterschiedlichen Gründen, die hier auch nicht zur Diskussion stehen. Weg von BASE, zurück zur Telekom.

Das war der Plan, mit dem ich schon im Sommer bei einem Telefonhändler aufschlug, ihm von meinem Plan erzählte und den BASE-Vertrag kündigte. Das klappte alles prima, allerdings lief der Vertrag noch bis Ende Januar 2013, ich konnte mich also schon auf ein paar Monate doppelte Grundgebühr freuen.

Vor allem: Ich wollte meine Rufnummer behalten. Und da ungefähr fing das Unglück an.

Das Hin und Her im Sommer und Frühherbst mit Anrufen von BASE und Faxen, die irgendwohin geschickt wurden und von denen ich nie mehr hörte, alles geschenkt. So richtig eilig hatte ich das ja gar nicht und je länger ich mit einem neuen Vertrag wartete, desto weniger müsste ich doppelt zahlen. Ein gutes Beispiel dafür, wann Prokrastination wirklich Geld spart. Aber ich schweife ab.

Irgendwann ist es dann aber soweit. Mit Kündigungsschreiben von BASE betrete ich einen Telekom-Shop in der Essener Innenstadt. Ich würde gerne einen neuen Vertrag abschließen, und ein iPhone haben. Und übrigens auch meine Rufnummer mitnehmen.

Das klappt alles zunächst total prima. Weil das gewünschte Telefon nicht vorrätig ist, wird es mir zugeschickt, aber immerhin habe ich schon mal eine SIM und alles sieht total super aus. Das war im Oktober.

Nach anderthalb Wochen, in denen weder ein iPhone noch sonst irgendwas kommt, denke ich, ich könnte ja vielleicht mal nachfragen. “Ach, das ist noch in Bearbeitung”, sagt die Frau bei der Hotline. “BASE sagt, die Vertragsdaten wären falsch, da müssen sie da mal nachfragen.”

Bei BASE sagen sie mir, die Vertragsdaten wären falsch. Das wüsste ich schon, sage ich, ich wüsste aber gerne, welche Vertragsdaten da falsch seien, und was man da jetzt tun könnte. Das könnte man mir auch nicht sagen, einfach mal alles vergleichen. Wir vergleichen alles. Alles richtig. Toll. Und jetzt? Man weiß es auch nicht.

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Auf meinen verzweifelten Tweet melden sich sowohl BASE als auch die Telekom via Twitter, bitten um DM mit Rufnummer, damit sie sich das mal angucken können. Ein Mitarbeiter von BASE ruft an und erklärt mir, dass die Telekom nur eine einfache Rufnummernportierung beantragt hat, die müssten aber eine vorzeitige Rufnummernportierung beantragen, damit die Anfrage durchgeht.

Na gut. Mit diesen neuen Informationen begebe ich mich in eine andere Telekom-Filiale in der irrigen Hoffnung, man könnte mir dort helfen können. Haha! Hahaha! Erstens erfahre ich, soll man gar nicht die Kundennummer, sondern die Rechnungsnummer angeben. Das finde ich seltsam, schließlich ändert sich die Rechnungsnummer doch immer, aber man besteht darauf, es wäre ganz sicher die Rechnungsnummer, das wäre ein ganz klassischer Fehler. Und zweitens kann man von der Filiale aus GAR NICHTS machen. Ich muss schon in die Filiale gehen, wo der Vertrag abgeschlossen wurde. Ich Dummerle! So naiv.

Zwischendurch ruft irgendwann noch mal die Filiale in Essen an, und erzählt mir alles das, was ich schon weiß, nämlich, dass die Anträge immer abgelehnt werden. Ich teile mein wertvolles Wissen. Sie müssten eine vorzeitige Portierung beantragen, sage ich, und außerdem gar nicht die Kundennummer angeben, sondern die Rechnungsnummer, die hätte ich aber nicht hier. Man könne hier nichts auswählen, sagt die Telekom-Mitarbeiterin, aber sie würde den Antrag jetzt noch mal einfach ohne Kundennummer abschicken, das wäre eh kein Pflichtfeld, vielleicht würde das ja helfen.

Hilft natürlich nix. Also rufe ich noch mal bei der BASE an und schildere das Problem. Die nette Frau am Telefon sagt, sie würde da mal nachfragen, ich hänge ein paar Minuten in der Warteschleife, dann ist die nette Frau wieder dran und erklärt mir, wie das alles eigentlich geht.

Das geht nämlich so: Die von der Telekom müssen per Mail(!) eine Anfrage für eine vorzeitige Portierung an BASE schicken. Dann wird die Rufnummer für einen Monat zur Portierung freigegeben und DANN kann die Telekom die ganze Anfrage an BASE schicken und dann wird alles gut. Zudem stellt sich raus, das mit der Rechnungsnummer ist natürlich Unfug (hab ich doch gesagt!), das gilt nur für Geschäftskunden, die haben da nämlich noch eine Extra-Rechnungsnummer.

Ich bin euphorisch. Endlich weiß ich, wie man Rufnummern portiert. Mit diesem neu erworbenem Wissen marschiere ich zur Telekom-Filiale in Essen. “Wo müssen wir die E-Mail denn dann hinschicken?” fragt mich die Mitarbeiterin. Gute Frage. Muss ich wohl noch mal bei BASE anrufen. Der Mitarbeiter bei BASE will von einer Mail irgendwie nichts mehr wissen, sagt mir aber, wenn ich unbedingt was schicken wollen würde, dann doch einfach an den Kundenservice. Aber eigentlich müssten die doch bei der Telekom nur anhaken, dass das eine vorzeitige Portierung wäre. Da ist kein Haken, sage ich, die können da nichts anhaken. Ich glaube, er glaubt mir nicht.

In der gleichen Zeit, telefoniert die Telekom-Mitarbeiterin noch mal rum und überrascht mit neuen Informationen. Die Mail müsste gar nicht an BASE gehen, sondern intern an eine bestimmte Abteilung der Telekom. Und die leiten das dann irgendwie weiter.

Also, noch mal zum Mitschreiben: Für eine vorzeitige Rufnummernportierung muss man erst mal seinen Vertrag kündigen, dann muss die Telekom intern eine Mail an eine spezielle Abteilung schicken, die fragen dann noch mal bei BASE nach. BASE ruft dann noch mal bei mir an, fragt, ob ich das wirklich will und dass das 25 Euro kostet (Egal! Macht einfach!), ich sage ja, ich möchte das bitte gerne, dann sagt BASE der Telekom Bescheid, dass sie jetzt noch mal den Antrag zur Rufnummernportierung schicken können, das macht die Telekom dann, dann kriegt man irgendwann eine SMS, an welchem Tag die Rufnummernportierung statt findet und dass man zu diesem Termin bis zu 24 Stunden nicht erreichbar ist.

Am 3. Dezember wird meine Rufnummer portiert, ein paar Tage vorher ist auch das iPhone angekommen, die SIM-Karte habe ich ja schon seit Wochen. Am 2. Dezember bin ich anscheinend schon abends nicht mehr zu erreichen. Werte das als gutes Zeichen.

Und tatsächlich, jetzt klappt alles: Am 3. Dezember schalte ich morgens das Handy ein und… EIN WUNDER! Ich habe Netz, ich habe Internet, ich kann telefonieren. Mit meiner alten Telefonnummer! Und es hat nur ein paar Wochen, diverse Tweets, E-Mails und Telefonate gebraucht. Aber immerhin.

Wer also jemals vorhat, eine vorzeitige Rufnummernportierung von BASE zur Telekom zu beantragen und es da irgendwie nicht so läuft wie vorgesehen, ICH WEISS, WIE DAS GEHT! Ich teile dieses Top-Secret-Insider-Wissen auch gerne. Nur was für wertvolles Wissen von diesen mühsam geernteten Informationen auf immer verdrängt wurde, das will ich lieber nicht wissen.

Konferenztwittern (oder: Was zur Hölle soll der Quatsch?)

Wer mir auf Twitter folgt, der hat es vielleicht mitbekommen: Ich war letzte Woche auf einer Konferenz. Nicht nur, dass ich es mehrfach angekündigt habe, ich habe drei von den vier Tagen eine ganz gute Twitterfrequenz hingelegt. Vorsichtig formuliert.

Jetzt ist die Gefahr bei diesem Konferenztwittern ja immer, dass Menschen, die nicht so viel damit anfangen können, verschreckt reagieren. Was zur Hölle soll das? Warum kommt da soviel? Und wovon redet die? Und warum das ganze auf Englisch?

Auf all diese Fragen gibt es Antworten. Aber von vorne…

Letztes Jahr um etwa die gleiche Zeit war ich auf der Lean/Kanban-Konferenz in München. Zwei Tage lang ging der Spaß, es war meine erste richtige Konferenz, es ging um Lean und Kanban, um Agile und Prozesse. Es gab Pecha Kuchas, Vorträge und tolle Keynotes.

Mehr oder weniger ohne groß darüber nachzudenken packte ich meinen Laptop aus und fing an, das Geschehen auf der Bühne in die Welt hinauszutwittern. Schneller als ich erwartet hatte kamen Rückmeldungen. Leute antworteten mir, retweeteten, was ich schrieb, gaben Sternchen, relativ schnell einigte man sich von Organisationsseite auf einen offiziellen Hashtag, auf den man in seinem Twitterclient filtern konnte. Damit war es noch einfacher, während und zwischen der Vorträge ins Gespräch zu kommen.

Ah, you are Anne. I think I retweeted you.”, so wurde ich begrüßt, als ich mich in einem Vortrag hinsetzte. Für mich als recht kleines Licht in der Agile-Szene war es gefühlt tausendmal einfacher mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, denn man hatte sich ja auf Twitter schon mal vorsichtig aneinander rangetastet.

Bei dieser Konferenz lernte ich letztendlich auch, was Twitter für mich so wertvoll macht, nämlich die Interaktion. Vor dieser Konferenz hatte ich immer Angst, Leuten, die mir nicht folgten zu antworten. Ich dachte, das würde irgendwie komisch, ja, fast aufdringlich wirken, schließlich kannten diese Leute mich ja gar nicht, die würden sich sicherlich fragen, was ich von ihnen wollte. Auf der Lean/Kanban-Konferenz lernte ich, dass das Bullshit ist, dass Twitter eben doch ein Kommunikationsmedium ist und ein ziemlich tolles noch dazu.

Einigen, die ich in München kennenlernte, folge ich immer noch, und einige folgen mir noch. Viele mussten danach wahrscheinlich enttäuscht feststellen, dass ich außerhalb von Konferenzen erstens gar nicht auf Englisch und zweitens eher selten über Softwarethemen twittere. Die habe ich verloren, was ich ihnen gar nicht verübeln kann. Umso mehr freue ich mich über die, die geblieben sind.

Auch dieses Jahr war ich wieder auf einer Konferenz, diesmal bei den Agile Testing Days in Potsdam. Weil ich ahnte, was kommen würde, habe ich schon mal vorgewarnt, inklusive Hashtagnennung. Und tatsächlich kam es so. Ich saß wieder in den Vorträgen, holte meinen Laptop raus und begann selber zu twittern und das Gezwitschere meiner Konferenzmitmenschen zu verfolgen. Relativ schnell kristallisieren sich da die Vielschreiber raus, zu denen nicht allzu selten gerade die Speaker der Konferenz gehören. Lisa Crispin war sehr aktiv, genauso wie Mike Scott und Matt Heusser (deren Vorträge ich leider aus unterschiedlichen Gründen verpasst habe), Sigurdur Birgisson und Huib Schoots, der in einer Pause auf mich zukam mit den Worten “I have to meet you, I’ve been retweeting you all day”.

Die Erfahrung, die ich machte, war mehr oder weniger die gleiche wie schon letztes Jahr in München. In der Timeline ging es hin und her, es wurde geantwortet, diskutiert, retweetet und Sternchen verteilt. Anscheinend bin ich recht gut im Konferenztwittern, das entnehme ich mal so der guten Retweetquote meiner Kurzzusammenfassungen. Konferenztwittern ist nämlich nicht einfach und hat gewisse Nachteile. Erstens ist es schon mal grundsätzlich gar nicht so einfach, 45 bis 60 Minuten Vortrag in ein paar 140–Zeichen-Tweets einigermaßen brauchbar wiederzugeben und zweitens ist man immer wieder abgelenkt, weil man gerade noch die letzten drei Sätze für eine möglichst wortgetreue Wiedergabe im Kurzzeitgedächtnis wiederholt, während es auf der Bühne einfach weitergeht.

Es ist wahr, wer twittert, kann nicht hundertprozentig hochkonzentriert aufpassen. Es ist ein Tauschhandel, den man eingeht. Biete ansprechende Kommunikation und Interaktion gegen einen gewissen Prozentsatz deiner Aufmerksamkeit. Da ich die Kommunikation und Interaktion auf so einer Konferenz sehr schätze, gehe ich diesen Tauschhandel ein, ich kann aber gut verstehen, wenn andere das nicht tun.

Ich werde es weiterhin tun. Und bevor jetzt alle meine “normalen” Follower einen Schreck kriegen, so sei doch gesagt: Ich bin nicht so oft auf Konferenzen und dabei wird es vermutlich auch erstmal bleiben. Aber vielleicht ist jetzt ein bisschen verständlicher, was der ganze Unfug soll und warum ich das tu. Und wen es dann immer noch nicht interessiert, dafür gibt’s ja in den meisten Twitterclients praktische Filteroptionen, die man sicher sowieso immer mal testen wollte. Besonders gefreut habe ich mich übrigens, dass nach (und teilweise sogar während) der Konferenz auch positive Rückmeldungen von Leuten kamen, die gar nicht auf der Konferenz waren, das, was ich in den drei Tagen schrieb, aber auch interessant fanden. Ich würde tatsächlich auch gerne einen Blogartikel zu dem Thema “Agile” schreiben, muss aber erstmal gründlich überlegen, wie ich das am besten angehe. Großes Fass, viele Ansichten und so, ihr wisst schon.

Nicht zuletzt ist es eben auch lustig da bei diesem Twitter. Als Scott W. Ambler bei der ersten Keynote ein paar Mal zu oft “in the real world” sagte, konnte Gojko Adzic irgendwann nicht mehr anders und schrieb:

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Und so kam es, dass in schätzungsweise 75 Prozent der Präsentationen irgendwo Einhörner auftauchten, was bei den Mitwissern große Begeisterung und bei den Unwissenden eine gewisse Irritation auslöste. Erst am zweiten Tag wurde mir klar, dass die ganze Einhorngeschichte tatsächlich rein auf Twitter stattfand. Da überhörte ich morgens ein Gespräch von drei Teilnehmern, die versuchten, sich irgendwie die seltsam hohe Einhorndichte zu erklären. Wer sich also auch schon fragte, was der Einhornquatsch sollte, das war auch so’n Twitterding. (Und ich hab’s noch nicht mal verbrochen!)

Konferenztwittern ist toll. Man ist ruckzuck drin in der Konferenz, lernt tolle Leute kennen und kann nebenbei noch eine Menge Spaß haben. Außerdem freuen sich die Leute, die gerne auf der Konferenz wären, dies aber nicht einrichten konnten, und so zumindest ein bisschen teilnehmen können. Sollten also für irgendwelche Software- oder Internetkonferenzen noch professionelle Konferenztwitterer gesucht werden, ich mach das! Allerdings befürchte ich, dass das gar nicht nötig sein wird, weil genug andere Leute, die sowieso da sind, das genauso gerne machen. Schade.

Der Rest der Welt: Die Bruder-Klaus-Siedlung in Köln

UPDATE: Da der Artikel über die Bruder-Klaus-Siedlung zu den meistkommentierten meines Blogs gehört und sich hier anscheinend zahlreiche ehemalige und Noch-Bewohner der Siedlung wiedertreffen, habe ich nicht mal wieder recherchiert:

Am 29.9.2019 findet laut meinen Recherchen das diesjährige Pfarrfest der Pfarrgemeinde St. Bruder Klaus statt. Wenn alles klappt, werden ich und einige Verwandte aus dem Kohnen-Clan auch kommen und regen an, dass auch der ein oder andere, der sich hier im Blog über den Artikel und die Erinnerungen gefreut hat, vielleicht zu einem inoffiziellen Ehemaligentreffen einfindet.

Genaueres kann man dem Pfarrkalender entnehmen. Die Messe mit anschließender Prozession findet um 10 Uhr statt.

 

Während Hamburg über Hamburg schreibt und das Ruhrgebiet übers Ruhrgebiet, sammelt Isa alles über den Rest der Welt. Und weil ich immerhin auch mal in Köln gelebt habe, schreibe ich jetzt mal darüber, wie das da so war. Damals. Vor zwanzig Jahren.

Die ersten dreizehn Jahre meines Lebens habe ich in dem gleichen Haus gelebt, in dem meine Mutter die ersten dreiundreißig Jahre ihres Lebens gelebt hat. Die Straße, in der wir lebten, war eine T-förmige Sackgasse und das Haus, in dem wir lebten, befand sich am rechten Ende des Querbalkens dieses T’s.

Und diese Straße, in der wir lebten, die gar nicht Straße hieß, sondern Klause, die befand sich in der Bruder-Klaus-Siedlung, und diese Siedlung befand sich, eingerahmt von der A3 auf der einen und der Bahntrasse zwischen Düsseldorf und Köln auf der anderen Seite am nördlichen Zipfel von Köln, kurz vor Leverkusen. Gerüchten zufolge liegt die Bruder-Klaus-Siedlung auch sehr günstig genau in der Einflugschneise zum Kölner Flughafen, aber davon habe ich nichts bemerkt. Wenn einen nur ein schmaler Schleichweg und eine halbherzige Schallschutzmauer von der A3 trennen, dann fallen Flugzeuge rein lärmtechnisch gar nicht mehr so ins Gewicht.

Es hat ja auch Vorteile, wenn man direkt an der Autobahn wohnt. Man ist zum Beispiel unheimlich schnell auf der Autobahn. Außerdem erschließen sich neue Freizeitbeschäftigungen, denn man kann auf der kleinen Brücke über der Autobahn stehen und den Autofahrern zuwinken und dabei zählen, wie viele a) zurückwinken, b) zurückblinken oder gar c) zurückhupen. Das können andere Kinder nicht so einfach.

Damals(TM), also zwischen 1980 und 1993 konnte man in der Bruder-Klaus-Siedlung eigentlich sehr prima wohnen. Es gab einen Kindergarten und eine Grundschule und zwei Bushaltestellen, die einen nach Köln-Mülheim brachten. In der Mitte der Siedlung stand die Kirche, daneben war das Wäldchen, das seit jeher “Wella” genannt wurde, sowie das kleine Einkaufszentrum, bestehend aus Supermarkt, Metzger, Bäcker, Getränkemarkt, Zeitschriftenladen und Frisör. Sogar eine Gemeindebücherei gab es und ein Jugendheim, das seltsam nach Knete roch.

Die Bruder-Klaus-Siedlung wurde in den frühen fünfziger Jahren komplett neu erbaut, meine Großeltern gehörten zu der ersten Generation der Siedlungsbewohner, man kannte sich also. Man kannte mich dementsprechend auch, entweder, weil man mich kannte, oder weil man meine Mutter kannte oder weil man meine Großeltern kannte. In der Bruder-Klaus-Siedlung zu leben war ein bisschen wie auf dem Dorf, nur ohne Natur und Tiere, sondern halt mit Autobahn und direkt an der Grenze zwischen einer Großstadt und den letzten Ausläufern des Leverkusener Bayerwerks.

So ganz objektiv gesehen, ist die Bruder-Klaus-Siedlung ein guter Kandidat für die Feststellung: “Also, schön ist das nicht.” Nein, ist es nicht. Hier reihen sich die in den fünfziger und sechziger Jahren eiligst hochgezogenen Ein- und Mehrfamilienhäuser aneinander, gelegentlich quetscht sich ein Neu- oder Umbau aus den Achtzigern dazwischen. Nein, schön ist das nicht. Auch die Kirche ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man Architektur vielleicht eher nicht machen sollte. Trotzdem hat man das irgendwann aus irgendeinem Grund so gemacht, und es ist ja trotzdem Zuhause, man kannte es ja nie anders.

Dafür fuhren die Autos nur Schrittempo, ging ja in den kleinen Straßen nicht schneller, und wir Kinder durften eigentlich alles, auf der Straße mit Kreide malen, überall mit den Fahrrädern rumfahren, im Wella Schlitten fahren, auf der Autobahnbrücke den Autofahrern zuwinken, einkaufen gehen oder zu irgendeiner Freundin spielen gehen. Vielleicht sind wir deswegen auch ganz gut geraten, weil wir uns eben in unserer Kindheit gepflegt austoben durften.

Zuger Klause

Zuger Klause mit Blick auf die Berner Straße

Irgendwann hieß es mal, im Wella würde sich ein gefährlicher Mann rumtreiben, möglicherweise fielen auch die Wörter “pervers” oder “Exhibitionist”, aber ich war noch zu jung, um diese Wörter einordnen zu können. Das wenige, was ich davon verstand, sorgte vor allem für Irritation. Na ja schön, man hatte schon ein bisschen Angst, weil so beängstigend und sorgenvoll davon berichtet wurde, aber dann dachte ich auch wieder: Aha, da ist jemand der nackt oder ein bisschen nackt durchs Wella läuft, aber das ist doch in erster Linie mal sein Problem. Ich habe den Mann aus den Gerüchten auch nie gesehen, das Wella hat also in meiner Erinnerung seine Unschuld behalten dürfen.

Statt dessen sammelten wir im Mai im Wella Wiesenschaumkraut und boten dieses dann in eher stümperhaft zusammengedröselten Sträußchen vorm Supermarkt für 50 Pfennig feil. Mitleidige Menschen, die in uns die Enkel ihrer langjährigen Bekannten erkannten, kauften diese Sträußchen dann auch gelegentlich.

Wenn im Winter Schnee lag, konnte man im Wella Schlitten fahren und ansonsten blieb immer noch der Spielplatz, mit den Wippen und Schaukeln und dem großen M, einem Klettergerüst, das eben wie ein großes M aussah. Im Sommer war hier das Sommerfest, mit Hüpfburg und Gewinnspielen und anderen lustigen Sachen, zu Sankt Martin war hier das Martinsfeuer.

Es gibt da auch einen Friedhof, den “Neuen Mülheimer Friedhof” nämlich, und auf diesem Friedhof ist ein großes Grab, in dem schon meine Uroma, zwei meiner Onkel und meine Großeltern liegen und jetzt ist vermutlich kein Platz mehr. Ein paar Schritte weiter liegt mein anderer Opa, wir sind da eher pragmatisch. Das ist auch der Grund, warum ich immer noch gelegentlich in der Siedlung bin und dann werde ich immer sehr traurig, denn so schön, wie es damals war, so einfach und so idyllisch, so ist es leider nicht mehr.

Das liegt nicht nur daran, dass von den drei Generationen, die mich mit der Siedlung verbunden hat, nur noch die mittlere hier wohnt, also die Generation der Eltern meiner Freunde. Die Eltern der Eltern meiner Freunde sind mittlerweile fast alle schon tot und die Freunde wohnen wohl woanders, davon gehe ich jedenfalls aus.

Den Supermarkt gibt es nicht mehr, den Metzger auch nicht, der Zeitschriftenladen ist schon lange Zeit weg. Übrig geblieben sind nur der Bäcker und ein Getränkeladen, das ist aber auch nicht mehr der gleiche Getränkeladen wie damals. Schlimmer noch, die ganzen Geschäfte sind nicht nur weg, sie stehen auch einfach nur noch leer und rotten so langsam vor sich hin.

Wahrscheinlich sitzen hier auch keine Kinder mehr vor den leeren Geschäften und versuchen, Wiesenschaumkraut an den Mann zu bringen, denn das Wella ist ebenfalls größtenteils zugewuchert und die meisten Spielgeräte abmontiert.

Weil die A3 jetzt ausgebaut wurde, wurde die kleine Brücke erst abgerissen und dann eine neue gebaut, aber offensichtlich nicht breit genug, oder vielmehr, genauso breit wie vorher, aber mit breiterem Bürgersteig und jetzt ist die Straße nicht mehr breit genug für zwei Autos nebeneinander, und die Brücke aber zu lang, als dass man an einem Ende schon sehen könnte, ob am anderen Ende schon jemand kommt. Also darf man jetzt nicht mit dem Auto über die Brücke.

Die Häuser stehen noch und es wohnen Menschen darin, und sie – also die Häuser, nicht die Menschen – sehen größtenteils noch so aus, wie damals, die Einfamilienhäuser und die dreistöckigen Mehrfamilienhäuser am Luzerner Weg und am Baseler Weg. Den Kindergarten gibt es auch noch, genauso wie die Grundschule, es ist also noch nicht alles verloren.

Das Haus, in dem wir gewohnt haben, steht auch noch, mein Opa hat es damals an den Sohn eines Bekannten verkauft. Der Sohn des Bekannten hat dann alles umbauen wollen und ein bisschen damit angefangen und dann aber irgendwie die Lust verloren und als wir das letzte Mal da waren, wohnte immer noch keiner drin und drinnen war Bauruine. Der Sohn des Bekannten hat dann nämlich einfach das Haus nebenan auch noch gekauft, und da wohnt er jetzt drin, oder vielleicht auch nicht, die letzten Gerüchte diesbezüglich sind ja auch schon was länger her.

Zuger Klause

Das Haus ganz am rechten Ende des Querbalkens des T’s. Sah vor zwanzig Jahren genauso aus, nur mit anderem Auto davor.

Früher wohnten wir da zu fünft, unten meine Großeltern, oben meine Eltern und ich. Das Haus war aber nie als Zweiparteienhaus gedacht, obwohl es sogar größer war als die Standardklausenhäuser. Das ging, weil es ja ein Eckhaus war und war bitter nötig, weil meine Großeltern neun Kinder hatten. Aber die ganzen dreizehn Jahre, die wir so gewohnt haben, gab es nur eine Haustür und nur eine Klingel und wer zu uns wollte, der musste an der gleichen Haustür auf die gleiche Klingel drücken wie jemand, der zu meinen Großeltern wollte.

Aber man ist ja erfinderisch, und deswegen gab es einen erprobten und bewährten Klingelcode. Einmal klingeln für unten, zweimal klingeln für oben. Stand auch draußen dran, vor zwanzig Jahren.

Der Rest vom Ruhrgebiet: Essen-Holsterhausen

Herr Buddenbohm schreibt nicht nur über seinen Hamburger Stadtteil, sondern hat auch ganz viele andere Leute dazu gebracht, über ihren Hamburger Stadtteil zu schreiben. Ich finde, das sollte nicht auf Hamburg beschränkt sein und deswegen schreibe ich jetzt über meine Essener Stadtteil und hoffe, dass ich damit nicht allein bleibe. Wer mitmachen will, ob als Gastblogger oder auf seinem eigenen Blog, der melde sich doch bitte, dann sammel ich das hier ein bisschen zusammen. Was Hamburg kann, das kann das Ruhrgebiet mit Sicherheit auch.

Cafe

Immer wenn ich am Gemarkenplatz aussteige, und auf das Gemarhaus gucke, dann frage ich mich, was soll das überhaupt bedeuten, Gemar? Man würde eher erwarten, dass das Gemarhaus GemarKENhaus heißen würde, aber es steht eindeutig Gemarhaus dran, da ändert sich auch nichts, und jedes mal frage ich mich, was Gemar sein könnte und bis ich dann zu Hause bin, hab ich schon wieder vergessen, dass ich nachgucken wollte, was Gemar bedeuten soll.

Wir wohnen in Essen-Holsterhausen, genaugenommen wohnen wir im Gemarkenviertel, was irgendwie so ein Unterstadtteil von Holsterhausen ist, sozusagen das Zentrum von Holsterhausen, jedenfalls behaupte ich das einfach mal so. Wir sind hier eher so halb aus Zufall gelandet, wir hatten ja keine Ahnung von Essen und haben dann einfach die schönste Wohnung genommen, und die war eben in Holsterhausen und deswegen wohnen wir jetzt hier.

Wenn ich aus dem Wohnzimmerfenster nach Norden gucke, dann hab ich die Skyline von Essen voll im Blick, RWE-Turm, Evonik-Hochhäuser, ein bisschen links davon in Richtung Frohnhausen der Funkturm, das ist alles sehr schön, man weiß, es ist gar nicht so weit bis in die Essener Innenstadt, wenn man will, kann man hinlaufen, ansonsten sind es fünf Minuten bzw. drei Stationen mit der Straßenbahn bis zum Hauptbahnhof. DREI STATIONEN! KURZSTRECKE! Auch das ein weiterer Grund, warum man hier gut wohnen kann.

Ausblick

Laut Wikipedia ist Holsterhausen der viertgrößte Stadtteil, mit fast 25.000 Einwohnern, und auf der Karte so groß, dass ich vermute, dass jemand, der am oberen Zipfel wohnt, wahrscheinlich etwas ganz anderes erzählen könnte als so ein Gemarkenviertelmensch wie ich. Im Osten grenzt es an Rüttenscheid und das Südviertel, im Norden ans Westviertel, im Westen an Frohnhausen und im Süden an die Margarethenhöhe. Nach Westen hin ist es auch gar nicht so weit bis nach Mülheim an der Ruhr.

Es gibt hier keine großen oder schönen Parks, die sind alle in den Stadtteilen drumherum, es gibt hier auch keine besonders schönen Straßenzüge, dazu muss man zur Margarethenhöhe. Man wohnt hier nicht, weil irgendwas besonders für Holsterhausen spricht, sondern eher, weil nichts wirklich dagegen spricht und man im Zweifelsfall schnell woanders ist.

Holsterhausen ist angeblich auch der älteste Stadtteil von Essen, und zwar leider nicht historisch, sondern demografisch. Das merkt man vor allem, wenn man unter der Woche mal tagsüber beim EDEKA ist, ansonsten aber kaum. Oder anders gesagt: Man merkt es weniger an dem, was ist, als an dem, was nicht ist. Aufregend ist nämlich zum Beispiel anders, wer aufregend will, der muss nach Osten laufen und landet dann kurz hinterm Folkwang-Muesum in Rüttenscheid, wo der Bär steppt. Bei uns in Holsterhausen steppt im besten Fall der Waschbär.

Gemarkenstraße

Die größte Errungenschaft der letzten Jahre war die Eröffnung der kleinen zweibar, mit der die Chancen, in Holsterhausen eine Hipsterlimonade zu kriegen, ganz rapide von Null auf Hundert gestiegen sind. Na ja, eigentlich eher von Null auf Fünfundsiebzig, denn die zweibar hat Sonntag gar nicht auf und am Samstag nur bis 16 Uhr. Letztens hat auch ein neuer Bio-Bäcker aufgemacht, dafür hat der andere Bio-Bäcker direkt gegenüber dann kurze Zeit später zugemacht. Das Universum sorgt in Holsterhausen sehr offensichtlich und zeitnah für Balance.

Eigentlich bekommt man hier alles. Es gibt einen EDEKA, einen Aldi, mindestens zwei Blumenläden, eine Post, diverse Optiker und Apotheken, sogar einen Nanu-Nana, ein Miederwarengeschäft und irgendwo etwas weiter die Gemarkenstraße runter sogar einen kleinen Bücherladen. Es gibt eine Kirche und donnerstags einen Wochenmarkt.

Außerdem gibt es das beste Thairestaurant von ganz Essen direkt bei uns um die Ecke. Es ist zugegebenermaßen auch das einzige Thairestaurant in Essen, wenn man das Cha Chà am Limbecker Platz nicht zählt, und erstens ist es besser als das Cha Chà und zweitens zähle ich das Cha Chà nicht. Ansonsten ist in Holsterhausen kulinarisch noch sehr viel Luft nach oben. Italiener und gutbürgerliche Kneipen mit gepolsterten Eckbänken gibt es genug, alles andere muss man erst mühsam suchen.

Was nicht heißt, dass da nichts wäre, das Baumstriezelcafé auf der Gemarkenstraße zum Beispiel, wo es leckere rumänische Baumstriezel gibt, oder der vegetarische Imbiss auf der Holsterhauser Straße, direkt bei uns um die Ecke, wo ich noch nie war, obwohl das bestimmt total lecker da ist. Oder die d.bar in der Kahrstraße, wo’s eigentlich sehr toll, da gibt es Dienstag eine Jam Session und einmal im Monat ein Pub Quiz, aber es ist auch sehr klein und es wird geraucht und deswegen sind wir viel zu selten da, also wegen dem Rauchen, nicht wegen der Größe.

Nicht zuletzt haben wir hier eine der besten Currywurstbuden des Ruhrgebiets (mindestens), nämlich den Xaver. Das klingt zwar sehr unruhrgebietsmäßig, und im Fenster des winzigen Ladens drehen sich irritierenderweise auch noch Brathähnchen, aber man kriegt hier einwandfreie CPM (Currywurst-Pommes-Mayo für Nichtruhrgebietler). Man kann natürlich auch eines der Brathähnchen nehmen, deren betörender Duft einen regelmäßig ganz kirre macht, wenn man auf dem Weg zum Bäcker beim Xaver vorbeilaufen muss und kurzfristig Brathähnchen zum Frühstück für eine vollkommen vernünftige Idee hält.

Xaver

EIn bisschen habe ich das Gefühl, den Stadtteil, in dem ich wohne, viel zu stiefmütterlich zu behandeln. Ja, es ist hier nicht so aufregend wie in Rüttenscheid und nicht so hübsch wie auf der Margarethenhöhe, aber vielleicht fühlen wir uns gerade deshalb hier so wohl, weil es hier so normal und unaufregend ist und man trotzdem alles direkt um die Ecke hat, weil die Leute nett sind und die Straßenbahn so schön bimmelt, man das lustige Erkennungsliedchen des Schrotthändlers schon nach ein paar Wochen erkennt, sonntags die Glocken von St. Mariä Empfängnis läuten und man beim Blick aus dem Wohnzimmerfenster die Skyline von Essen sieht und weiß, wenn man wollte, dann wäre man ganz schnell woanders.

Aber eigentlich will man ja gar nicht. Und dann bestellt man beim besten Thai von ganz Essen das Abendessen zum Abholen, läuft noch schnell bei der Bank vorbei und dann zum Superbüdchen mit dem riesigen Zeitschriftenangebot, wo man, wenn man zu lange vor den Klatschzeitschriften steht von der Büdchenfrau “Damit werden sie nicht glücklich” zugerufen bekommt und nicht nur kaltes Bier, sondern auch gemischte Tüten (“Und jetzt noch vier von der 14…”) und Ruhrpottcola kaufen kann. Mit kaltem Bier und Massaman-Curry kommt man dann nach Hause, draußen leuchtet der RWE-Turm und wenn man am nächsten Morgen aufwacht, kann man die Straßenbahn bimmeln hören und freut sich, dass man hier wohnt.

So ist das nämlich. In Holsterhausen.

Mariä Empfängnis

Exotische Bräuche: Sankt Martin im Rheinland

Unfassbarerweise stellte sich neulich heraus, dass es in Deutschland Gegenden gibt, wo man zu Sankt Martin gar nicht mit seiner Laterne von Haus zu Haus zieht, Menschen mit traditionellem Liedgut entzückt und dafür dann Süßigkeiten abstaubt.

Schlimmer noch. Es wird nicht nur nicht so gemacht, sondern es ist auch völlig unbekannt, dass es woanders so gemacht wird.

Dieses Unwissen muss bekämpft werden und deswegen werde ich jetzt berichten, wie wir damals am Kölner Stadtrand Sankt Martin gefeiert haben UND WIE DAS HOFFENTLICH HEUTE AUCH NOCH GEMACHT WIRD! (’schuldigung, es ging so mit mir durch.)

Jedes Jahr fing es mit dem Laternenbasteln an. Laternen, so habe ich das zumindest verstanden, werden auch andernorts gebastelt, man läuft wohl auch damit rum, und es gibt einen Sankt Martin und ein Martinsfeuer, aber ungefähr da scheinen die Gemeinsamkeiten aufzuhören. Trotzdem muss man ja irgendwo anfangen und vielleicht hilft es dem Verständnis dieser exotischen Rheinlandsbrauchtümer, wenn ich mit etwas Bekanntem und damit Fassbaren beginne.

Laternen also. Im Kindergarten bastelt man welche, später in der Grundschule, spätestens auf dem Gymnasium ist man dann aber selber dafür verantwortlich, aber da lässt die Bereitschaft zum Laternenumzug auch schnell nach, lediglich die Aussicht auf umsonstige Süßigkeiten lassen einen vielleicht noch ein oder zwei Jahre mitmachen, danach ist man endgültig aus der Laternelaufnummer raus. Es sei denn, man ist meine Mutter, aber dazu später.

Meine erste Laterne war ein Hahn. Luftballon aufpusten, schön dick mit Leim und bunten Transparentpapierfetzen bekleben, trocknen lassen, bis es hart ist, dann Luftballon zerstecken, oben muss man eh ein Loch lassen, und dann vorne den Hahnenkopf und hinten den Schwanz aus Pappe. So ungefähr. Ich erinnere nur noch den Hahn und das Haus mit den bunten Fenstern und die Sonnenblumenlaterne.

Wenn die Laternen fertig sind und endlich Sankt Martin ist, dann gibt es den großen Laternenumzug mit Sankt Martin und Kapelle und Feuer und Weckmännern und Kladderadatsch. Kindergarten und Schule hinterm Pferd her, die Kapelle spielt das gesamte Martinsliederrepertoire (so viel isses ja nicht), und dann noch immer dieses eine Weihnachtslied, das anscheinend gar nicht wirklich eins ist, weil es ja immer schon zu Sankt Martin gespielt wird, hier… Dingens… “Lasst uns froh und munter sein”.

Man zieht also mit seiner Laterne so hinter dem Sankt Martin auf seinem Pferd und der Kapelle durch die kleine Siedlung bis zum Martinsfeuer her. Bei uns war das Martinsfeuer im “Wella”. Das Wella war das Wäldchen mitten in der Siedlung, wo auch im Sommer das große Sommerfest war und der Spielplatz und im Mai das Wiesenschaumkraut blühte und man im Winter Schlitten fahren konnte. Im Wella war auch das Martinsfeuer, da stand man dann drumrum und bekam dann irgendwann seinen Weckmann, mit den Rosinenaugen und der fiesen Pfeife, die man, obwohl sie eklig schmeckte, ja doch in den Mund steckte. Wenn man Glück hatte, war noch ein Kirschlolli am Weckmann.

Auch das scheint sich noch einigermaßen mit den Bräuchen anderer Regionen zu decken. Aber das war ja eigentlich alles nur der Pflichtteil. Das Basteln, Rumziehen, Vorm-Feuer-Rumstehen, alles ein notwendiges Übel auf dem Weg zum eigentlichen, wichtigen Teil der ganzen Veranstaltung. Die Kür, der Hauptteil, das alles kam ja jetzt erst noch.

Jetzt durfte man nämlich mit den Eltern und später auch alleine mit den Freunden losziehen und an jeder verdammten Tür klingeln, ein Liedchen vorträllern und dafür Süßigkeiten einheimsen. Gesundheitsbewusste Leute gaben auch gerne mal Mandarinen oder Äpfel, aber insgesamt setzte sich die Beute doch aus Schokoriegeln, Bonbons und ähnlichem Kram zusammen.

Man sang “Laterne, Laterne”, “Ich gehe mit meiner Laterne”, “Durch die Straßen”, “Sankt Martin” und das kölsche Martinslied von däm hellijen Zinter Mätes, meistens immer nur die erste Strophe, weil man ja weiterwollte, aber die erste Strophe von irgendwas wurde tapfer gesungen, dabei die Laterne vorsichtig geschwenkt und nachher der Beutel aufgehalten und dann ging’s zum nächsten Haus. Wir haben damals fast ausschließlich Privathäuser abgeklappert, das ging auch, weil es eben eine kleine Stadtrandsiedlung war, wo eh jeder jeden kannte und die allerhöchsten Hochhäuser drei Etagen hatten mit zwei Parteien pro Etage, also machbar.

Wir hatten übrigens Kerzen in den Laternen, immer, jedes Jahr, bis zum bitteren Ende. Diese kleinen batteriebetriebenen funzeligen Leuchten waren mir als Kind schon höchstsuspekt und das wird auch so bleiben. Nur Kerzen leuchten wirklich schön, mal abgesehen, dass man da gleich lernt, Verantwortung zu übernehmen, schließlich will man ja nicht, dass die Laterne abfackelt. Da lernt man fürs Leben, echt jetzt.

Ich bin dementsprechend auch der Meinung, man hat nur richtig gelebt, wenn einem mindestens einmal eine Laterne abgebrannt ist. Meine Laterne fing vor der Tür von Familie Spottke Feuer und fand ein trauriges Ende. Der Zufall wollte es aber, dass ich genau in diesem Jahr aus mir nicht mehr bekannten Gründen zwei Laternen hatte, die in der Schule gebastelte und die mit meiner Mutter gebastelte. Außerdem waren wir eh anscheinend fast zu Hause, denn Spottkes wohnten ja in unserer Straße. Traurig war es trotzdem und ich glaube, ich habe geweint.

Es gibt auch keine Bilder von mir und meinen Laternen. Fotos von mir in Karnevalskostümen gibt es satt, Laternen schienen irgendwie kein spannendes Fotomotiv zu sein. Dafür wurden die Laternen auf dem Speicher gehortet, denn Wegschmeißen war selbstverständlicherweise verboten, die hatte man schließlich nicht mit Herzblut gebastelt und ganz, ganz vorsichtig durch die Siedlung getragen, um sie danach einfach wegzuwerfen.

Meine Oma, bei der wir ja auch wohnten, hatte zu Sankt Martin immer selbstgebackene Lebkuchen. Dafür war sie bekannt. Bei uns gab es weder Bonbons noch Schokolade noch suspektes Obst. ES GAB LEBKUCHEN! Jedes Jahr gab es Lebkuchen, ganz verlässlich, und angeblich kamen zu uns auch noch die Leute, die schon längst erwachsen waren, aber sich zu Sankt Martin zumindest einen von Omas Lebkuchen ersingen wollten. Am Ende des Abends konnte man im Flur auf der Treppe sitzen und noch ein bisschen mit dabei sein, wenn jemand an der eigenen Tür klingelte, die erste Strophe von irgendwas sang und dafür Lebkuchen bekam. Das scheint mir immer noch ein sehr guter Abschluss für den Sankt-Martins-Zug zu sein. Heute würde ich sagen: Alles richtig gemacht.

Immer wieder mache ich zu Sankt Martin zwei Bleche Lebkuchen in der vollkommen verzweifelten Hoffnung, dass sich mal ein Kind im Großstadtdschungel zu uns verirren könnte. Im Ruhrgebiet. In den vierten Stock. In Düsseldorf stand ich da mit meinen Lebkuchen und musste feststellen, dass die Kinder nur an den Geschäften und Restaurants halt machten. Zu uns wollte keiner, dabei musste man dazu sogar nur in den ersten Stock. Ich war einmal kurz davor, mich mit einem Eimer Lebkuchen vors Haus zu stellen, verwarf die Idee dann aber doch als etwas zu eigentümlich.

Ich weiß nicht, woran es liegt, ob daran, dass wir jetzt eben doch mitten in der Stadt wohnen, wo die höchsten Häuser gerne mehr als drei Etagen haben und ich gerade mal unsere Nachbarn kenne (immerhin). Vielleicht liegt es auch an der Region, vielleicht sind die Zeiten auch vorbei, und man macht das heute nicht mehr so. Halloween lehne ich ab, für ein Kind mit Laterne würde ich sicher etwas für den Süßigkeitenbeutel finden. Aber es kommt ja keins.

Und mit meiner Mutter, das war so: Die zog nämlich, da war sie schon längst auf dem Gymnasium, mit ein paar Freundinnen los, mit einer Gitarre und einem traurigen selbstgeschriebenen Sankt-Martins-Lied und dann kamen sie aber nur bis zum Siedlungsbäcker Zapp und wurden da zur Belohnung für das schöne Lied von den Bäckereifachverkäuferinnen mit Kurzen abgefüllt. Aber die Geschichte erzählt sie natürlich selbst viel besser, sie war schließlich dabei. Ich weiß noch nicht mal mehr genau, wie’s ausging, aber ich glaube die Geschichte endet üblicherweise mit dem Satz “Der Sylvia geht’s nicht so gut”.

So ist das mit den exotischen Bräuchen im Rheinland. Und im Februar erzähl ich dann, wie das mit Karneval funktioniert.

Ich will doch nur lesen!

Wie ja bereits bekannt sein dürfte, habe ich (fast) immer schon viel gelesen. Bücher eben. Das ging eine Weile auch ganz gut in der Bücherei, als ich mit dem Studium anfing hatte ich dann aber tatsächlich keinen Büchereiausweis mehr. Nicht mehr für Bonn und lange Zeit auch nicht für Leverkusen, bis der Mann sich dann doch mal wieder anmeldete, aber auch da wurde die Ausleihoption eher halbherzig und selten genutzt.

Also blieb es beim Bücherkauf. Und damit kamen immer mehr Bücher ins Haus, mehr als das Bücherregal im Wohnzimmer hergab, so dass die Bücher da irgendwann in zwei Reihen standen (allerdings mussten sie sich ihr Zuhause auch mit DVDs und Brettspielen teilen). Was dann bleibt ist, regelmäßig Bücher auszusortieren, mit auf die Arbeit zu nehmen („Hier, nehmt euch, was euch interessiert, ist mir auch egal, was ihr damit macht, aber ich brauche Platz im Regal!“), oder zum Oxfam-Shop zu bringen.

Nach zwei Umzügen mit vielen Bücherkartons, von denen die meisten jetzt aus Platzgründen in einem Lager verweilen, war mir klar: Ich brauche so einen e-Reader. Ich musste den Mann auch gar nicht davon überzeugen, denn wir hatten ja gerade letztens erst vierzig Kisten Bücher in einen Lagerraum geschleppt (und ein bisschen schleppen lassen).

Die Vorteile von digitalen Büchern lagen auf der Hand: Sie wiegen nichts, sie stehen danach nicht im Regal rum, man muss sie beim nächsten Umzug nicht in Kisten packen und rumschleppen und man hat sie trotzdem jederzeit dabei. Toll.

Selbstverständlich gibt es auch Nachteile. Meine physische Bibliothek im Bücherregal steht jetzt nicht mehr zwingend für das, was ich so alles gelesen habe. Ich kann Bücher nicht mehr einfach so verleihen oder auch nur zeigen. Und ich habe mich von der Technik ein bisschen mehr abhängig gemacht.

Was mich aber immer wieder aufregt, sind die scheinheiligen und uninformierten Argumente der Leute, die sich im Leben nicht vorstellen können, einen e-Reader zu besitzen oder – schlimmer noch – zu benutzen.

Es fängt meistens mit dem Bildschirmargument an. „Am Bildschirm kann ich nicht so gut lesen, davon kriegt man Kopfschmerzen.“ „Ich sitze schon den ganzen Tag bei der Arbeit vorm Bildschirm, da muss ich das nicht noch beim Lesen haben.“

Bei solchen Sätzen wird sehr schnell offenbar, wer sich noch nicht mal die Mühe gemacht hat, im Buchladen überhaupt mal einen e-Reader anzugucken. Hier noch mal zur allgemeinen Aufklärung: Die allerallermeisten e-Reader haben ein sogenanntes e-Ink-Display, also quasi elektronische Tinte. Die Technik dahinter ist eine ganz andere und hat irgendwas mit magnetischem Zeug zu tun, was dabei rauskommt ist aber eine Oberfläche, die nicht leuchtet, sondern auf der man wunderbar kopfschmerzfrei lesen kann und die eigentlich fast aussieht wie die Seite eines Buches. (Gefühlt kann ich auf einem e-Reader schneller und länger lesen als in einem Buch. Beweisen kann ich das nicht.)

Dann kommen meine anderen Lieblingsargumente, die in etwas so gehen, dass zu der Leseerfahrung doch das ganze Drumherum auch mit dazugehört. Der Einband, die Seiten, das Wandern des Gewichts von rechts nach links, die Haptik, der Geruch,…

Zugegeben: Ich dachte das auch. Ich hatte Bedenken, dass mir etwas fehlen würde bei so einem e-Book, eben genau diese Dinge und noch mehr. Der Bücherstapel auf dem Nachttisch. Die Freude, wenn ein neues Paket mit Büchern eintrifft.

Tatsächlich ist nichts davon eingetroffen und obwohl ich der Bücherliebhaberei durchaus noch etwas abgewinnen kann, möchte ich anmerken: Bei einem Buch geht es mir eben nicht um den Einband, die Haptik, das Gewicht oder den Geruch. Es geht mir um die Geschichte, die darin erzählt wird. Und an der Geschichte ändert sich nichts, ob ich jetzt auf physischen Seiten oder auf einem e-Reader lese, sie bleibt die gleiche.

Ich entlarve mich hiermit dann am besten auch gleich als ein Mensch, den der Geruch von Büchern immer eher kalt gelassen hat. Für mich riechen neue Bücher üblicherweise nach fabrikneu, alte Bücher riechen nach Moderkeller und alles dazwischen riecht irgendwie undefiniert.

Vielleicht bin ich olfaktorisch behindert, aber viel wichtiger ist noch: Ich möchte auch gar nicht an Büchern riechen. Warum sollte ich das wollen? Ich möchte die Geschichte lesen, die darin steht und ich möchte das gerne auf die für mich komfortabelste und einfachste Art und Weise tun, die es gibt.

Ich vermute hinter den Argumenten, dass es ohne Haptik und Geruch nicht ginge, ein bisschen Gewohnheit und ein bisschen der Glaube daran, sich damit als romantischer Buchliebhaber von den technologisch-sterilen e-Book-Lesern abgrenzen zu können. Für mich war der Wechsel zum e-Book der beste Weg, um die Geschichtenliebhaberei noch in den Griff zu kriegen. Mal abgesehen davon, dass so ein e-Reader ungleich leichter ist als irgendein Hardcoverschmöker, bei dem mir nach einer halben Stunde die Arme wehtun.

Eventuell enttarnt sich so mancher Freund des physischen Buches auch implizit als Wenigleser (dann brauch man nicht so viel Platz), Mainstreamleser (dann klappt’s auch mit der Bücherei) oder einfach als jemand mit irre viel Wohnraum. Wer aber das „wirklich wahre“ Lesen auf die physischen Gegebenheiten des Buches reduziert, der vergisst, dass es darum eben gar nicht geht, sondern dass das Buch, so wie wir es kennen, ja auch nur die mit der zur Verfügung stehenden Technik beste Art und Weise war, Geschichten in eine transportierbare Form zu pressen.

Letztlich ist alles ein Frage der persönlichen Umstände und Vorlieben. Was mich nervt ist lediglich die Vorstellung, alleine mit einem physischen Buch könnte sich das vollkommene Leseerlebnis überhaupt einstellen. Für mich tut es das nicht, fast im Gegenteil. Ich kann mich besser in der Geschichte verlieren, wenn mir nicht die Arme vom Halten lahm werden und ich beim unvorsichtigen Hinlegen des Buches wieder mal die Seiten verschlage.

Was bleibt ist die Freude an schönen Büchern und hier sehe ich im Übrigen eine prima Martknische für clevere Buchgeschäftsleute. Mein Aufruf lautet: Macht schöne Bücher! Solche mit schönen Einbänden, mit hübschen Zeichnungen, mit bunten Bildern, mit raffinierten Besonderheiten, mit Lesebändchen und was euch noch so einfällt! Macht limitierte Sonderauflagen!

Bücher wie „House of Leaves“ von Mark Z. Danielewski oder „Tree of Codes“ von Jonathan Safran Foer, die funktionieren nämlich als e-Book nicht. Bücher wie die von Max Goldt von der Druckerey, limitiert und nummeriert, der Bleisatz wird nachher wieder eingeschmolzen, wie großartig klingt das denn? Bücher wie die Sonderausgabe von Neil Gaiman’s „Stardust“, mit wunderhübschem Einband und tollen Illustrationen.

Macht solche Bücher! Die kauf ich auch, e-Reader hin oder her. Und vielleicht, ganz vielleicht, ist das auch ein schöner Weg, der Regalbibliothek eine neue Bedeutung zu geben. Dann stehen da nämlich nicht mehr all die Bücher drin, die ich irgendwann mal einmal gelesen habe und so einigermaßen gut fand. Es stehen dann die Bücher drin, die mir am Herzen liegen, besonders schöne Bücher, Bücher mit Widmung oder Sonderausgaben, die ich unbedingt haben musste, obwohl ich das Buch doch längst als e-Book gelesen habe. Bücher, die man wirklich gerne öfter rausholt, anfasst und anguckt, weil sie nämlich so schön sind, und nicht weil man denkt, als Bücherfreund müsste man gerne Bücher anfassen.

Und das ist doch eigentlich ein ganze schöner Gedanke.

Bei den Links zu Amazon handelt es sich um Affiliate-Links, das heißt, wenn ihr über den Link etwas bei Amazon kauft, kriege ich ein bisschen was ab und bin dann in geschätzt 500 Jahren steinreich und muss nicht mehr arbeiten.

Wie wir es mal mit einem richtig doofen Makler zu tun hatten

Heute geistert ja so die ein oder andere Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Maklertums durchs Internet. Ich habe dann auch gleich den großen Fehler gemacht, die Kommentare zu diesem Artikel im SpOn-Forum zu lesen. Sollte man nicht machen, ich weiß, denn dann hatte ich schlechte Laune, die sich fast in einem Rant entladen hätten und das wäre bestimmt nicht gut ausgegangen. Ich hab dann nur kurz auf Facebook rumgepöbelt (dafür bitte ich noch mal um Entschuldigung) und die Tippfingerchen ansonsten halbwegs gut im Zaum gehalten.

In meinem Leben habe ich noch nicht oft, aber immerhin schon ein bisschen mit Maklern zu tun gehabt. Die meisten davon haben uns Wohnungen gezeigt, aber ich hatte auch schon mal drei bei uns zu Hause, von denen dann eine unsere Wohnung makeln durfte.

Ich habe nichts gegen Makler, die meisten, die ich kennengelernt habe, fand ich ausreichend nett und hilfreich, einige davon würde ich auch weiterempfehlen, sollte jemand eine Wohnung in Essen oder Düsseldorf und Umgebung suchen und auch nichts gegen Makler haben.

Einmal aber, da hatten wir einen richtig doofen Makler. Und davon erzähle ich jetzt.

Die Wohnung, die wir besichtigten, war in Mülheim an der Ruhr, in einem wunderbaren Jugendstilviertel. Das war zu einer Zeit, wo wir nur mal so informationshalber gucken wollten, was denn so geht, vielleicht in Mülheim, vielleicht aber auch nicht, gucken kostet ja nix.

Also guckten wir die Wohnung an, mit dem doofen Makler, einem von der Schnöselsorte, der eigentlich eher so in Düsseldorf rummakelte, und auch so aussah, aber eben auch hier im Ruhrgebiet ein bisschen was im Angebot hatte.

Die Wohnung war schön, Altbau eben, gute Lage, groß, Parkett, kleine Loggia, alles schön. Vorher war dort ein Büro gewesen, deswegen gab es überall Netzwerkanschlüsse. Ein bisschen doof, aber auch irgendwie ein bisschen toll.

Bei einer Wohnungsbesichtigung läuft man ja so durch eine Wohnung und wenn man ich ist, murmelt man dabei alles mögliche vor sich hin und äußert das dann gelegentlich auch in lauter und verständlicher.

Dafür, dass die Wohnung so toll war, war die Küche ziemlich üsselig. Immerhin war eine drin, nur schön war halt anders. Aber gut. Ich stand also mit dem Makler in der Küche und murmelte vor mich hin.

“Na ja, schön isse ja nicht”, so oder so ähnlich murmelte ich. “Aber fürs erste reicht’s ja.”

Dem doofen Makler gefiel das gar nicht. Aber genauso wäre sie ja im Internet drin gewesen, das würde er jetzt aber gar nicht verstehen. So als ob ich ihm gerade Vortäuschung falscher Küchentatsachen vorgeworfen hätte. Kaum ein paar Minuten in der Wohnung und schon ist der Makler eingeschnappt.

Das ging dann so weiter. Sobald man etwas zu kritisieren hatte, schmollte der Makler oder wies energisch daraufhin, dass er das sowieso anders viel besser finden würde oder dass das überhaupt auch im Internet genau so gestanden hätte.

Dann wollte der Mann noch die Substanz der Wohnung testen, schon allein wegen Lärm und so und kam auf die abstruse Idee, die Tür zwischen Wohn- und Schlafzimmer schließen zu wollen. Dabei fiel dummerweise irgendein Defekt an der Tür auf, nichts Schlimmes, nur ein bisschen kaputt, sicherlich nichts, das eine Kaufentscheidung im großen Maße beeinflussen wollten.

“Och, die Tür ist aber ein bisschen kaputt”, murmelte der Mann feststellend vor sich hin.

“Also ICH finde das sowieso alles viel schöner, wenn die Türen auf sind”, tönte der Makler von der Empore und fuchtelte aufgeregt mit den Händen. “Da haben Sie hier so viel Raum, das dürfen Sie doch nicht kaputt machen. Da müssen Sie die Türen doch auflassen!”

Dass wir gelegentlich gerne mal Türen zumachen, versuchten wir gar nicht erst zu diskutieren. Es ging ja auch so weiter, sobald etwas auch nur in annähernd zweifelndem Ton geäußert wurde, wurde gefuchtelt und getönt und festgestellt, dass der doofe Makler das sowieso ganz anders machen würde und dass das schon alles sehr prima wäre, wie’s gerade sei.

Er hätte da noch so ein Paket mit allen Unterlagen, sagte er zum Schluss, aber wir müssten versprechen, es zurück zu schicken, sollten wir uns gegen die Wohnung entscheiden, schließlich seien es ganz schön viele Unterlagen.

Gerne hätte er die Unterlagen, sagte der Mann. Vermutlich klappte bei mir in diesem Moment die Kinnlade auffällig nach unten.

“Wieso hast du dir das denn mitgeben lassen?” fragte ich im Auto.

“Na, damit ich ihm das nicht zurückschicken kann”, sagte der Mann.

Und das war die Geschichte, wie wir es mal mit einem richtig doofen Makler zu tun hatten und ihm die Wohnungsunterlagen nicht zurückschickten.

Ich lese

Disclaimer: Bei Patschbella lesen, wie es begann, dann bei Journelle, excellensa und Isa weiterlesen oder einfach erst hier lesen und dann bei den anderen Damen gucken.

Ich hab schon immer gern und viel gelesen. Ich hab sogar so gern gelesen, dass mir die Zeit bis zur Grundschule entschieden zu lang war und ich mir den ganzen Krempel dann eben selber beigebracht habe. Angeblich war das erste Buch was ich gelesen habe/auswendig kannte “Die Kinder von Bullerbü”, aber ich muss mich da auf die Aussagen meiner Eltern verlassen, denn selber erinnere ich das nicht.

Mit Oma ging es einmal die Woche in die Bücherei in Köln-Mülheim, die ich mit den Jahren durch konsequentes Überschreiten der Ausleihdauer, auch finanziell unterstützte. Jede Woche gingen da mehrere Bücher mit, gerne auch dieselben, ich weiß nicht, wie oft ich Dagmar Chidolues “Mein Paulek” gelesen habe, außer sehr oft. Den Ständer mit den Schneiderbüchern hab ich durchgearbeitet, die ganzen Bücher von Christine Nöstlinger, die ganzen Anastasia-Bücher von Lois Lowry, Edith Nesbit, Paul Maar und was man sonst noch so auftreiben konnte.

Als wir von Köln nach Opladen zogen, ließen die Büchereibesuche in Mülheim so langsam nach, wurden jedoch lediglich in die Stadtbücherei von Opladen verlagert. Da ließ man mich dann irgendwann die Bücher einräumen, Neuerscheinungen als erste lesen und in der Kinder- und Jugendbuchabteilung Leute beraten. Erlaubt war das vermutlich nicht alles, aber anscheinend war es allen egal.

Irgendwann so zwischen 15 und 18 verlagerte sich das Interesse hin zu den Erwachsenenbüchern, ich las John Irving, J.D. Salinger, Jane Austen, Matt Ruff, Anne Tyler und Douglas Adams und vermutlich noch einiges mehr. Auch die Frequenz ließ etwas nach, aber gelesen habe ich immer noch.

Am wenigsten las ich interessanterweise während des Studiums und während der Ausbildung. Warum, weiß ich gar nicht, wahrscheinlich hatte ich zu viel anderes zu tun, nicht zuletzt wurde ich dann auch vom besten Freund mit der Seriensucht angesteckt. Ich kann mich eigentlich nur an ein einziges Buch erinnern, dass ich in dieser Zeit las, und es war noch nicht mal besonders gut.

Ich glaube, das erste Buch, das ich 2003 nach dieser Phase des Ab-und-zu-Lesens in die Hand nahm, war “The Lovely Bones” von Alice Sebold, gekauft bei einem Buchhändler in Opladen, den es auch schon länger nicht mehr gibt. Ich gewöhnte mich wieder ans Lesen, mittlerweile konnte man bei Amazon unkompliziert Bücher auf Englisch bestellen, es wurde alles einfacher. Englische Bücher las ich jetzt fast ausschließlich im Original, im Januar 2005 fragte ich zum ersten Mal auf meinem Blog nach Buchvorschlägen und bekam eine ganze Reihe. Ich las “The Eyre Affair” von Jasper Fforde, ein Buch, das ich vermutlich nie gefunden hätte, wenn Caitlin es nicht vorgeschlagen hätte, und war begeistert.

Vielleicht war dies tatsächlich ein bisschen der Beginn der neuen Lesephase. Ich begann, die gelesenen Bücher aufzuschreiben und zu zählen, nahm mir jedes Jahr vor, mindestens 52 Bücher zu lesen, was mir in manchen Jahren (2006, 2009, 2011 und vermulich auch 2012) gelang, in anderen nicht ganz.

Ich entdeckte Tools wie librarything und Goodreads, veröffentlichte jedes Jahr eine Liste der besten Bücher, wartete mit Spannung auf die Gewinner des Puddly Awards der amerikanischen Buchhandlung Powell’s, und bastelte mir daraus Listen mit Büchern, die ich noch lesen müsste. Natürlich ist die Liste der Bücher, die ich noch lesen müsste, viel länger als irgendetwas, was man als normaler Mensch noch bewältigen könnte, vor allem, weil ständig etwas hinzukommt.

Ich lese schnell. Ich bin kein guter, aufmerksamer Leser, dafür bin ich viel zu ungeduldig, und ich kann nicht gut mit Adjektiven und langen Beschreibung (es sei denn, Walter Moers schreibt sie). Ich vergesse die meisten Bücher schnell wieder, das finde ich aber gar nicht so schlimm, denn ich kann so durchaus Bücher zwei Mal lesen. Mein Hauptproblem bei jedem Buch, das ich gerade lese, ist, dass ich mich schon so auf das nächste Buch freue. Da kann das Buch gar nichts für und es ist ja auch bei fast jedem Buch so.

Als wir uns beim letzten Umzug von 140 qm auf 70 qm verkleinerten, mussten die meisten Bücher weg, denn sie passten einfach nicht in die Wohnung. Meine Lieblingsautoren durften mit: Neil Gaiman, Douglas Adams, Dave Eggers, Walter Moers und Murakami stehen weiterhin im Wohnzimmer im Regal. Dafür haben wir kistenweise Bücher eingelagert und müssen uns vermutlich irgendwann damit beschäftigen, was wir damit machen wollen.

Es ist ja auch tatsächlich leider so, dass man die meisten Bücher nur einmal liest, man weiß nur vorher nicht unbedingt, welches die wenigen Bücher sind, die einem ans Herz wachsen und welches die anderen. Das weiß man erst, wenn man sie gelesen hat.

Wenigstens nutzte ich den Moment des Bücherkistenschleppens geschickt und meldete einen aktuen Kindlewunsch beim Mann an. Die Vorteile lagen auf der Hand und ich habe die Entscheidung nie bereut. Seit fast zwei Jahren lese ich fast ausschließlich auf dem Kindle, im letzten Jahr kam ich auf 73 Bücher, weil ich jetzt wirklich immer und überall ein Buch dabei habe und gefühlt auf dem Bildschirm noch schneller lese als auf einer Papierseite. (Ob das wirklich so ist, weiß ich nicht, das müsste mal jemand erforschen.)

Auf dem Kindle sind mittlerweile 155 Leseproben. Bei meinem durchschnittlichen Lesetempo muss ich  mich also die nächsten drei Jahre nicht um neue Inspirationen kümmern, aber es wird ja doch passieren, denn für jede Leseprobe, die ich lösche, kommen zwei hinzu. Es ist furchtbar.

Ich lese. Viel und häufig und zu schnell. Detailfragen zu den “Song of Ice and Fire”-Büchern von George R.R. Martin kann ich nicht beantworten, weil ich sowieso nicht mehr weiß, was passiert ist (irgendwas mit Drachen und Intrigen). In gewisser Weise bin ich vielleicht lesesüchtig, aber vermutlich nicht mehr oder weniger, als ich seriensüchtig bin. Einzig die vorhandene Zeit ist ein Problem, denn es ist nie genug davon da.

Ich bin kein Buchnostalgiker, kein Haptiker, kein Mensch, der vom Geruch von Büchern schwärmt. Bücher erzählen Geschichten, für mich ist es vollkommen irrelevant, ob die auf Papier gedruckt sind oder auf meinem Kindle erscheinen. Wenn die Geschichte gut ist, ist das Medium zweitrangig. Ich habe im Urlaub fast den gesamten “Oliver Twist” auf dem iPod gelesen, weil der Mann das Kindle hatte und ich das dicke Stephen-King-Buch nach drei Tagen (und Nächten) durch hatte. (Auf dem iPod lesen ist aber nicht zwingend etwas, was ich öfter als absolut nötig wiederholen möchte.)

Eigentlich lese ich alles, aber es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, ich hätte keine Lieblingsgenres. Science Fiction und Fantasy haben es mir besonders angetan, Steampunk sowieso und am allerliebsten habe ich Bücher, die sich keinem Genre zuordnen lassen, die von Jasper Fforde eben, die hauptsächlich vollkommen durchgeknallt sind, oder das wunderbare “The Raw Shark Texts” von Steven Hall oder “The Gone-Away World” von Nick Harkaway (Explodierende Schafe! Ninjas! Pantomimen!). Walter Moers natürlich. China Miéville. Bücher, die vor Fantasie und Verrücktheiten übersprudeln.

So wie “Die unendliche Geschichte” von Michael Ende. Und hier schließt sich der Kreis ein bisschen, denn “Die unendliche Geschichte” liebe ich, seit ich sie vermutlich noch in der Grundschule zum ersten Mal gelesen habe. Und ich liebe dieses Buch, diese Geschichte immer noch. Deswegen steht dieses Buch, als Hardcover, mit Illustrationen und überhaupt, auch im Wohnzimmer im Regal und liegt nicht in einer Kiste im Lager.

Ich habe immer viel gelesen und aktuell sieht es nicht so aus, als würde sich daran viel ändern.

 

Bei den Links zu Amazon handelt es sich um Affiliate-Links, das heißt, wenn ihr über den Link etwas bei Amazon kauft, kriege ich ein bisschen was ab und bin dann in geschätzt 500 Jahren steinreich und muss nicht mehr arbeiten.

Wachstumsschmerzen: Warum Bloggen nicht (mehr) gleich Bloggen ist

Es gibt da so diffuse Gefühle, die man mit sich rumträgt, bei denen sich immer mehr das Bedürfnis einstellt, darüber zu schreiben, aber weil die Gefühle so diffus sind, muss man erstmal rausfinden, was das eigentlich ist, worüber man da schreiben will. Außerdem ahnt man, dass der Text, der daraus entstehen würde, ausreichend lang und verschwurbelt werden und eventuell auch die ein oder andere hochgradig subjektive Wahrnehmung und diskutierfähige Meinung enthalten könnte, dementsprechend also eher von der eher schwierigen Sorte wäre.

Dass ich jetzt doch – oder vielmehr jetzt schon –  schreibe, ist vor allem Christian vom jawl und Patschbella zu verdanken, die sich in den letzten Tagen auch über dieses und jenes Gedanken machten, was in beiden Fällen in eine ähnliche Richtung ging, aber eben nicht ganz. Sowohl bei Christian als auch bei Patschbella geht es um das kollektive Wahrnehmen von Web- und anderweitigen Phänomenen bzw. die Auflösung einer solcher kollektiven Wahrnehmung.

Gerade das, was Christian schrieb, piekste verdächtig genau mein diffuses Gefühl an, dass da irgendwas ist, was früher anders war. Korrektur: Irgendwas, was ich früher anders wahrgenommen habe.

Um es mal ganz einfach auszudrücken: Das Internet, so wie ich es kennengelernt habe, gibt es nicht mehr. Vielleicht gab es dieses Internet auch nie (diese Vermutung halte ich im Übrigen für sehr wahrscheinlich). Aber es gab mal eine Zeit, wo man sich ausreichend überzeugend einreden konnte, dass das Internet, das ich kenne, mit dem Internet, das andere Blogger kennen, in einigen nicht unwesentlichen Punkten übereinstimmte.

Es gab einen gefühlten gemeinsamen Nenner, der sich in bestimmten Fähigkeiten, Interessen, der Vertrautheit mit bestimmten Phänomenen, und einem auf irgendeine Weise halbwegs abgestimmten Jargon widerspiegelte.

Mittlerweile vermute ich ja, dass das auch vor zwei, fünf und zehn Jahren schon nicht der Fall war, aber man konnte zumindest noch ein bisschen so tun, als ob.

So ein gefühlter gemeinsamer Nenner ist eine feine Sache. Man bildete sich ein, dass der andere Blogger da sicherlich auch diesen oder jenen Artikel von diesem oder jenen dritten Blogger gelesen haben müsste, da dieser oder jener dritter Blogger immerhin zu der Sorte Blogger gehörte, die “man” in seinem auf jeden Fall in irgendeiner Form vorhandenen Feedreader haben sollte.

Außerdem ging man davon aus, dass der andere Blogger diesen oder jenen Insiderwitz auf jeden Fall verstehen würde, da man ja zwischen Zeitpunkt X und Zeitpunkt Y um Mem A, B und C gar nicht herumkam. Nicht zuletzt unterstellte man jedem Blogger auch ein irgendwie geartetes Grundwissen von HTML und anderem Gedöns, da man ohne ja gar nicht alles machen konnte, was man so wollte.

Kurz gesagt, es gab so ein wuscheliges Gemeinschaftsdings, bei dem man unhinterfragt davon ausging, dass man in Grundzügen von denselben Dingen sprach und einen ähnlichen Erfahrungsschatz vorweisen konnte, wenn man erzählte, dass man bloggte.

Nach längerem Nachdenken glaube ich allerdings, dass diese Zeiten, sollte es sie je gegeben haben, schon sehr lange vorbei sind.

Das ist objektiv sehr schön, denn dass das so ist, liegt nicht zuletzt daran, dass Bloggen mittlerweile so einfach ist, dass einerseits kaum noch Einstiegshürden bestehen und andererseits Bloggen kein Nischending mehr ist. Man muss sich auch kaum weitere Kenntnisse aneignen, wenn man das nicht will, weil die Blogplattformen einem den ganzen Technik- und Layoutkram, an dem man sich damals(TM) noch die Zähne ausbiss, abnehmen. Man kann sich wunderbar einzig und allein auf das Liefern von Inhalt konzentrieren.

Das ist, um das mal gleich klar zu sagen, eine wunderbare Entwicklung, über die wir uns alle freuen sollten.

Aber es bedeutet, dass dieses wuschelige Gemeinschaftsdings zerbröckelt und sich mehr und mehr als die hübsche Lüge zeigt, die es eben ist. Es bedeutet auch, dass eifrig und mühsam erworbenen Spezialkenntnisse immer wertloser werden. Natürlich kratzt das am eigenen Ego, wenn der eingebildete Elitenstatus, auf dem man sich mental gerne ausruhte, auf einmal wegfällt.

Es ist schwierig, in solchen Momenten nicht in eine “Früher-war-alles-besser”-Mimimi-Haltung zu verfallen. Heute sehe ich Blogs, die hochprofessionell aussehen, aber gerade mal ein oder zwei Jahre existieren, und man ist versucht, sich beleidigt in eine Ecke zu hocken und einen Flunsch zu ziehen. “Wir hatten damals ja nüscht”, könnte man dann sagen, aber erstens ist das vollkommen egal und zweitens stimmt es auch überhaupt nicht. Als ich mit dem Bloggen anfing, gab es ja auch schon WordPress, Blogger und Konsorten, einzig die Templates waren nicht so schön und das Layout nicht so einfach nach eigenen Wünschen anzupassen. Aber es ist ja eben nicht so, als hätten wir uns damals unsere Blogplattformen alle selbstgeklöppelt.

Ich finde es nach wie vor nicht immer einfach, nicht mehr davon auszugehen, dass das, was ich mache und kenne, gar nicht dem entspricht, was andere Blogger machen und kennen. Auch das ist etwas, was ein bisschen schmerzt, dieser Wegfall der angenommenen Gemeinsamkeiten, denn er erzeugt Unsicherheit in der Kommunikation. Darf man davon ausgehen, dass man heute noch irgendwas oder irgendwen kennen sollte? Was passiert, wenn solche vermeintlichen Selbstverständlichkeiten wegfallen?

Was passiert ist, dass es eventuell ein bisschen weh tut, man sich unter Umständen ein bisschen mit diesem neuen Gefühl arrangieren muss und dann so weitermacht wie vorher.

Was mir klar geworden ist, ist, dass Bloggen eben nicht mehr gleich Bloggen ist. Jemand, der – wie ich – bloggt, hat möglicherweise ganz andere Vorstellungen von dem, was man wissen und können muss, benutzt andere Tools, hat mit Technik nichts am Hut (oder eben doch, auch egal), liest vollkommen andere Blogs (vielleicht mit, vielleicht aber auch ohne Feedreader), schreibt über ganz andere Dinge mit ganz anderer Frequenz für ein ganz anderes Publikum.

Ich verabschiede mich offiziell von der Idee, das jemand, der bloggt, alleine ob dieser Tatsache etwas mit mir gemeinsam hat. Wenn früher Klassenkameraden ins Freundebuch schrieben, ihre Hobbys wären “Lesen, Musik und Sport”, dann war der Informationsgehalt nur bedingt hoch. Denn Lesen ist nicht gleich Lesen und Musik ist nicht gleich Musik und Sport ist nicht gleich Sport. Außerdem: Bloggen ist nicht gleich Bloggen und mit der Zeit wird auch hier der Informationsgehalt der Aussage, man würde bloggen, immer geringer werden. Eigentlich heißt es schon jetzt lediglich, dass derjenige gelegentlich Zugang zu einem mit dem Internet verbundenen Endgerät hat und ein irgendwie geartetes Interesse hat, sich einer nicht näher definierten Gruppe Menschen mitzuteilen. Kaum mehr und kaum weniger.

Nur, weil es sich mal anders angefühlt hat, ist das aber gar nicht schlechter oder besser. Früher war es ja auch nicht besser. Nur anders. Und in ein paar Jahren wird es wieder anders sein. Wie schön.