Folgendes schrieb ich auf Twitter:
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Und ja, ich habe schon seit Monaten vor, darüber zu schreiben, denn es ist ein Thema, das geradezu danach schreit, für den Blog verwurstet zu werden.
Interne Projekte also. Auf einmal gibt es in der Firma so ein Projekt und es muss einen Namen bekommen. Zugegebenermaßen ist das nicht einfach, aber es geht. Bei einer Firma zum Beispiel folgten wir bei der Benennung der Softwarereleases bestimmten Oberbegriffen und dann ging es das Alphabet durch. Als ich kam, war der Oberbegriff “Langweilige US-Staaten”, da waren wir aber nach Utah schon bei Wyoming angekommen und es brauchte etwas neues.
Nachdem weder “Figuren bei den Muppets” noch “Käsesorten” aus vollkommen unverständlichen Gründen ausreichend konsensfähig waren, einigte man sich auf “Mythische Figuren”. Da gibt es nämlich Gott sei Dank auch schöne Listen bei Wikipedia. Als wir bei C ankamen, weigerten sich jedoch entscheidungsrelevante Personen, “Cthulhu” zu nehmen, “weil da nie jemand weiß, wie man das schreibt”. Pah. Statt dessen wurde es Cyclops. Nochmal pah. Als das Projekt dann zu den Briten geschoben wurde, wurde das Konzept komplett über den Haufen geworfen, da der dortige Projektleiter eine grundsätzlich andere Vorstellung davon hatte, was eine “mythische” Figur wäre und einfach auf den Cast der Kinderserie “The Magic Roundabout” zurückgriff.
Das war aber alles nix gegen die Projekte, die von oberere Ebene firmenweit angesiedelt auf einmal auf den Plan traten. Ich weiß auch mehr, worum es bei den Projekten genau ging, ich glaub, ich habe es schon damals nicht verstanden, es mittlerweile vergessen und es war zudem auch nicht übermäßig spannend. Es waren die Namen, einzig und allein die Namen, die mir im Gedächtnis geblieben sind. Denn die waren schön. Aber auch nicht ganz unproblematisch.
Project X-Ray
Eines der Projekte nannte sich “Project X-Ray”. Klingt jetzt erstmal nicht besonders spannend oder problematisch. Aber halt! Wenn man mal danach googelt, erfährt man schnell, dass es bereits ein Project X-Ray gab, dessen Ziel und Verlauf ein bisschen so klingen, als hätte sich Neal Stephenson das ausgedacht, aber nicht wie etwas, das tatsächlich in der Realität zu stattgefunden haben könnte.
Project X-Ray war ein amerikanisches Projekt während des zweiten Weltkriegs und es ging – ganz grob – um die Frage, ob es nicht eine gute Idee wäre, Bomben an Fledermäuse zu basteln und dann vom Flugzeug aus die Fledermäuse abzuwerfen. Die Annahme war, dass die Fledermäuse dann eigenständig auseinanderfliegen würden und es dementsprechend zu einer Art willkürlicher Streubombardierung kommen würde. Es ging also weniger um eine gezielte Zerstörung, sondern um die Zermürbung der Bevölkerung.
Die Fledermäuse weigerten sich jedoch hartnäckig, nach dem Abwurf noch großartig irgendwohin zu fliegen. Vielleicht waren die armen Tiere auch ausreichend traumatisiert, jedenfalls flogen sie nicht, sie fielen. Und explodierten. Man hätte also einfach so Bomben abwerfen, und sich die Fledermäuse sparen können. Das hätten die Fledermäuse vermutlich auch besser gefunden. Als Lösung wurde diskutiert, die Fledermäuse zusätzlich noch mit kleinen Fallschirmen auszustatten, aber dazu kam es wohl gar nicht erst.
Das Projekt wurde dann eingestampft, allerdings erst nachdem auf dem Testgelände ein Hangar und ein Militärwagen durch eine fehlgeleitete Bombenfledermaus in Brand gesetzt wurde.
Project Snowball
Zu Project Snowball möchte ich eigentlich nicht so viel sagen, und verweise einfach mal darauf, dass es bei Wikipedia einen schönen Artikel dazu gibt, der aber ziemlich sicher NSFW ist, also Obacht. Auch hier kann man sagen, dass Snowball natürlich wirklich ein sehr harmloser Name ist. Eigentlich.
Problematisch wird es erst, wenn die Dichte der popkulturell gebildeten Geeks zu groß ist, was in einem Softwareunternehmen eben gerne mal der Fall ist. Diese Leute haben mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit “Clerks” gesehen und das im Zweifelsfall mehr als einmal und sind dementsprechend für den Rest ihres Lebens nicht nur generell verdorben, sondern kichern auch dümmlich, wenn von “Project Snowball” die Rede ist.
Das konnten die Projektnamenzuständigen vielleicht nicht ahnen, aber ich sag’s mal so: Wir hatten bei der Projektnamenverkündung viel Spaß im Büro. Das ist ja auch was.
Projekt Magellan
Auch ein Projekt Magellan kam mir schon unter, und zu diesem (und zu generellem Bildungs-) Zwecke empfehle ich auch, sich noch mal genau anzugucken, was bei einer Magellan-Umsegelung so alles lustiges passiert. Da werden Ureinwohnen hingerichtet und Dörfer niedergebrannt, und bei der Heimkehr ist nicht nur Magellan selber, sondern auch gut 90 Prozent der Besatzung tot. (Gut ein Viertel wurde allerdings bereits auf der Reise wegen Meuterei ausgesetzt.)
Nun muss man sagen, dass die Reise von Magellan nun immerhin schon historische Bedeutung hat und so schlecht also nicht gewesen sein kann, sonst wüsste man ja auch nicht so viel drüber. Mal abgesehen davon, dass ich mir nie so schön viel darüber gemerkt hätte, wenn es nicht so hübsch absurd gewesen wäre.
Eventuell sind Projektnamen auch nur kleine Bildungsanreize. Denn hätte es Project X-Ray nicht gegeben, dann wüsste ich jetzt nichts über das andere Project X-Ray, und hätte es Projekt Magellan nicht gegeben, dann hätte ich mich nie etwas ausführlicher mit der Weltumsegelung dieses Seefahrers beschäftigt.
Dank der kreativen Projektnamensgebung in Unternehmen bin ich also nicht nur klüger als vorher, sondern kann langweilige Partys ruckzuck retten, indem ich eine schöne Geschichte über Fledermausbomben erzählen, die mir dann vermutlich doch keiner glaubt.
Wie ich grad im Internet blättere kommt mir die Idee Projektnamen aus Kinofilmen zu verwenden. Da fällt dann auch das Problem geschichtlicher correctness weitgehend weg. Ich denke da an sowas wie: „Operation Petticoat“. Hat doch was, hat es nicht?
Klasse Blogpost! Ähnlich wild kenne ich auch die Namenssuche für interne Projekte und vor allem, weil alle durcheinander quaken. Da bekanntlich und wie von Dir auch festgestellt, sämtliche US-Staaten, Tropenwinde oder Mythische Gestalten schon namentlich verbraten wurden, ist es nicht mehr ganz leicht, auf die Schnelle etwas Neues zu finden. Ich gehe daher andere Wege und jage meine Stichwörter durch die Maschinchen von Namerobot (sehr cooles Portal zum Namenfinden) oder mache einfach einen offline Ausflug in die örtliche Bibliothek, um auf neue Ideen zu kommen.