Als ich zum ersten Mal durch den Grugapark lief und auf einmal ein Hundertwasserhaus erblickte, war ich schon ausreichend erstaunt. Hundertwasser? Hier? In Essen? IM PARK? Neugierig steuerte ich darauf zu, musste dann aber feststellen, dass man leider nur von außen gucken durfte.
Das Hundertwasserhaus in Essen ist gleichzeitig ein Haus der McDonald’s Kinderhilfe. In den sogenannten Ronald McDonald Häusern, die es in ganz Deutschland gibt, werden den Familien schwerkranker Kinder Wohnungen auf Zeit in Krankenhausnähe zur Verfügung gestellt. Aber dazu später mehr.
Letztens flatterte dann eine Mail von Laura in meinen virtuellen Postkasten. Ob ich nicht Lust hätte, an einer Führung durch das Haus teilzunehmen. Ja, aber sicher hab ich das! Wenn man schon mal die Chance bekommt, sich so ein Haus von innen anzugucken, dann nimmt man die ja auch wahr.
Gestern Abend war es so weit, um kurz vor 18 Uhr standen ich und andere Führungsteilnehmer vor dem Tor des Hauses. Schon das Tor ist auf Hundertwasserart gestaltet, die offizielle Adresse lautet “Unter dem Sternenzelt”, was ich auch schon sehr schön finde.
Im Foyer werden wir begrüßt und warten noch ein Weilchen, bis auch alle eingetroffen sind und dann geht’s los. Laura wird die Führung zusammen mit ihrer Kollegin Sabine Holtkamp halten und uns sowohl zur Architektur und Geschichte des Hauses sowie zur Stiftung aufklären.
Laura erklärt.
Das Hundertwasserhaus in Essen, so erklärt Laura, ist einem Waldspaziergang nachempfunden. Große schwarze Flecken auf dem Boden symbolisieren Pfützen, bunte Bodenkacheln sind Blumen, Laubhaufen oder Pilze (der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt), die Säulen sind Bäume.
Große Pfützen im Hundertwasserhaus. Im Prinzip hat man die ganze Zeit nasse Füße.
Hundertwasser mochte keine geraden Linien, alles ist hier rund, gebogen, nichts gleicht dem anderen. Der Boden geht zur Wand hin gerne ein bisschen nach oben, was ein unglaublich interessanter Effekt ist. Einen Schrank könnte man hingegen vermutlich nicht überall hinstellen.
Laub. Vielleicht auch Blumen. Was man halt gerne hätte.
Wir kriegen beinahe das ganze Haus zu sehen. Vom Foyer aus geht es zum Spielbereich, von dort aus in die Gemeinschaftsküche, wo frische Blumen auf dem Tisch stehen und es einmal in der Woche ein Verwöhnfrühstück und ein Verwöhnabendessen gibt. Es folgt das Fernsehzimmer und die kleine Bibliothek.
Danach geht es hoch in den kleinen Wellnessbereich und von da aus weiter hoch bis in die goldene Kuppel. Dort ist die Wendeltreppe von unten mit Spiegelstückchen verziert, die Lichtreflexionen an die Wände werfen. Ganz oben dringt Licht durch die runden bunten Fenster. Dieser (winzige) Raum ist auch als Entspannungsraum gedacht, gewöhnlich stehen hier gemütliche Liegen, die sind aber aktuell im Wellnessbereich, weil dort ein von einer Ehrenamtlerin durchgeführter Massageabend geplant ist.
Treppenstufen sind auch nicht gerade, sondern wölben sich leicht an den Seiten nach oben.
Inspiration für die nächste Badezimmerrenovierung: Eine Hundertwasserbadewanne.
Überhaupt: Ehrenamt und Stiftung. Dazu gibt es auch einiges zu erklären. Dass Ehrenamt im Ronald McDonald’s Haus zum Beispiel leider nicht bedeutet, viel mit Kindern zu arbeiten. Die Häuser werden üblicherweise von den Eltern und gelegentlich den Geschwisterkindern bewohnt. Die Kinder liegen in der nahegelegenen Klinik meistens auf der Intensivstation.
Was die Ronald McDonald’s Häuser leisten, ist den Familien schwerkranker Kinder ein Zuhause auf Zeit zu bieten, und ihnen möglichst viel Alltagsstress abzunehmen, damit sie nach einem stressigen und schweren Tag im Krankenhaus nicht erst noch die Wohnung putzen müssen. Sabine Holtkamp erklärt es so: “Es sind viele kleine Puzzleteile, die hoffentlich zusammengefügt dazu führen, dass die Familien in einer schweren Zeit ein bisschen Raum zum Abschalten finden können.”
Putzen gehört dazu und das Bereitstellen von allem, was man so im Alltag so braucht. Es gibt einen Waschraum, notwendiger Alltagskram (Waschpulver, Toilettenpapier, usw.) wird vom Haus gestellt. Aber auch solche Kleinigkeiten wie frische Blumen auf den Tischen in der Küche oder die Organisation von Wellnessabenden oder Verwöhnabendessen sind weitere Puzzleteile.
Finanziert wird das alles teils von den Krankenkassen der Familie, zu einem deutlich größeren Teil aber von der McDonald’s Kinderhilfe. Zum Beispiel spendet jedes Franchise einen Teil seines Gewinnes automatisch an die Stiftung. Der Rest kommt durch Spenden zusammen. Ich habe jetzt jedenfalls mit eigenen Augen gesehen, wofür das Geld, das an jeder McDonald’s-Kasse gesammelt wird, eingesetzt wird.
Auch Sachspenden sind gerne gesehen, allerdings muss das Haus auch etwas damit anfangen können. Gebrauchte Kuscheltiere und Puppen gehen leider schon aus hygienischen Gründen nicht, auch hier sind gerade Alltagsdinge gefragt. Hingegen kann man durchaus beim nächsten IKEA-Besuch ein paar Hunderterpackungen Teelichter mitnehmen und im Ronald McDonald Haus abgeben. Wer da mehr wissen will, kann den Newsletter des Essener Hauses abonnieren, denn dort wird dann auch der aktuelle “Wunschzettel” des Hauses veröffentlicht, so dass man gezielt Benötigtes beisteuern kann.
Spendenbaum im Foyerbereich
Aber noch mal zurück zum Haus: Zurück im Wellnesszimmer laufen wir übers Dach an den Wohnungen vorbei bis runter in den Innenhof. Dabei fallen auch direkt die seltsamen Mitmieter im Hunderwasserhaus Essen auf: Die Baummieter. Aus zwei Fenster wachsen Bäume in die Höhe. Auch das gehört zum Konzept von Hundertwasser. Die Baummieter zahlen ihre Miete in Sauerstoff. Das kann ein Menschmieter leider nicht.
In den Geländern (das kann man übrigens schon außen am Tor bewundern) sind immer wieder Werkzeuge miteingearbeitet. Auch das (wie überraschend) eine Idee von Hundertwasser, der die Handwerker aufgefordert hat, sich mal was Kreatives zu überlegen. Herausgekommen sind dabei etliche Zangen, Scheren, Schraubdinger und was-weiß-ich-nicht-noch, die zwischen den Stäben der Geländer stecken.
Hundertwasser selber hat das Gebäude übrigens nie sehen können, da er einige Jahre vor Fertigstellung verstarb. Er besichtigte jedoch das Grundstück und passte seinen Entwurf sowohl der Lage des Hauses als auch dem beabsichtigten Zweck (der damals schon feststand) an. Der Innenhof ist dementsprechend nicht von außen einsehbar und stellt die Privatsphäre der Familien sicher.
Aber immerhin, wenigstens sitzt Hundertwasser im Foyer des Ronald McDonald Hauses und malt. Er ist also doch irgendwie anwesend, mal abgesehen davon, dass Hundertwasser in einem Hundertwasserhaus sowieso die ganze Zeit präsent ist.
Ich könnte noch hundert Kleinigkeiten erzählen, möchte aber nicht den gesamten Inhalt der Führung vorwegnehmen. Denn es lohnt sich. Und das schöne ist: Die Führungen sind öffentlich und finden regelmäßig statt. Es ist also gar nicht so, dass man das Hundertwasserhaus im Grugapark in Essen gar nicht von innen begucken könnte. Führungen werden gerne angeboten und ich empfehle das mal hier uneingeschränkt.
Für weitere Informationen kann man sich einfach bei den Mitarbeitern des Essener Ronald McDonald Hauses melden: http://www.mcdonalds-kinderhilfe.org/was-wir-machen/ronald-mcdonald-haeuser/essen/unser-haus/
Ich hab mich riesig gefreut, zu dieser Veranstaltung eingeladen worden zu sein, wäre ich doch selber nie auf Idee gekommen, mal nachzufragen. Denn so ein Hundertwasserhaus ist nicht nur unglaublich interessant, ich habe in einer Stunde auch unheimlich viel Neues gelernt. Über Hundertwasser, seine Architektur, die McDonald’s Kinderhilfe und noch einiges mehr.
Noch so ein Hundertwasserkonzept: Pflanzenvorhänge. Da muss man auch erstmal drauf kommen.
Eine Antwort auf „Zum ersten Mal: Eine Führung durch ein Hundertwasserhaus mitmachen“