Kleine Anleitung für Konzertbesucher

Liebe Konzertbesucher und solche, die es werden wollen!

Auf Konzerte gehen ist eigentlich ganz einfach. Meistens muss man sich nur eine Karte besorgen (das geht mittlerweile beispielsweise im Internet, man muss dann fast gar nichts mehr tun), und zur richtigen Zeit am richtigen Ort auftauchen. Das andere machen alles andere Leute für einen. Es gibt Leute, die einen reinlassen, Leute, die einem den Mantel aufhängen, Leute, die die Instrumente aufgebaut und verkabelt haben, Leute, die das Lichtgedöns machen, Leute, die das Tongedöns machen. Es gibt Leute, die vorher ein bisschen Musik machen (in Fachkreisen nennt man das „Vorgruppe“ oder „Support“) und dann die Leute, wegen denen man gekommen ist. Meistens haben sie noch andere Leute mitgebracht, die die Instrumente spielen, die da noch so auf der Bühne rumstehen.

Es ist also wirklich ganz einfach. Man muss quasi nichts können für so einen Konzertbesuch, man muss nur hingehen, rumstehen oder rumsitzen und atmen. Wenn man will, kann man auch klatschen, jubeln und mitsingen, es ist davon auszugehen, dass das im Zweifelsfall aber auch die anderen Konzertbesucher in ausreichendem Maße für einen übernehmen. Optional kann man Bier trinken und Laugenbrezeln essen, muss man aber nicht. Insgesamt sind das alles Fähigkeiten, die man als normal intelligenter Mensch durchaus im Repertoire haben sollte.

Was auch noch hilft: Generell nett zu den anderen Menschen um einen herum sein, und die normalen Regeln der Rücksichtnahme befolgen. Dann ist eigentlich alles super.

Aber.

Wenn das alles so einfach wäre, dann müsste ich diesen Artikel nicht schreiben. Ich war aber gestern Abend auf einem Konzert. Da werde ich später noch drüber berichten, ich habe Nick Cave in der Philips Halle (die jetzt den völlig bescheuerten Namen Mitsubishi Electric HALLE trägt) in Düsseldorf gesehen, es war sehr schön, wobei schön bei Nick Cave nicht ganz das passende Wort ist. Aber lassen wir es dabei, es war sehr schön, und Details folgen ja sowieso später, das hab ich ja schon gesagt.

Jedenfalls war ich da auf diesem Konzert, und musste feststellen, dass die einfachen Regeln für Konzertbesuche offensichtlich doch nicht allen Anwesenden bekannt waren. Das ist schade, aber man kann ja Abhilfe schaffen. Es folgen also ein paar einfache und verständliche Hinweise, wie man sich auf einem Konzert verhalten sollte und vor allem: Wie besser nicht.

 

1. Ein Konzert ist kein Kaffeekränzchen

Für manche Menschen stellt sich auf so einem Konzert vollkommen überraschend heraus, dass man sich auf Konzerten gar nicht ungestört unterhalten kann, weil oben auf der Bühne diese Leute stehen, die Musik machen. Weil diese Menschen über eine ungeheure Flexibilität verfügen, unterhalten sie sich dann trotzdem.

Hier nun ein hilfreicher Hinweis: Wenn Sie sich mit alten Freunden zum Quatschen treffen wollen, ist ein Konzert möglicherweise nicht der beste Ort, um dies zu tun. Auch nicht, wenn Sie den musizierenden Künstler beide total geil finden. Das hat zwei Gründe: Erstens stört die Musik Sie bei der Aufarbeitung der Erlebnisse der letzten paar Monate, die Sie sich nicht gesehen haben. Zweitens stören Sie ungefähr alle Menschen, die um Sie herumstehen und eigentlich gekommen sind, um dem Künstler zuzuhören. Ich weiß: Abgefahren! Die anderen Menschen sind gar nicht zum Quatschen da! Wer hätte das gedacht?

Sollten Sie einmal angesprochen und gebeten werden, die Quatscherei einzustellen, so empfiehlt es sich, diesem Ratschlag Folge zu leisten. Vielleicht war Ihnen ja wirklich nicht bewusst, dass Sie so laut geredet haben. Wie man nicht reagieren sollte: Beleidigt sein. Behaupten, dass das ja wohl nicht so schlimm wäre. Dem Intervenierenden unterstellen, er wäre ein humorloser Spießer.

Sollten Sie zum zweiten Mal angesprochen und gebeten werden, die Quatscherei doch jetzt wirklich mal einzustellen, und zwar von einer völlig anderen Person aus einer völlig anderen Richtung, so ist es wirklich dringend erforderlich, kurz in sich zu gehen und sowohl die eigene Wirkung auf seine Mitmenschen als auch die Motivationsgründe für diesen Konzertbesuch zu hinterfragen. Es ist nun also an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen und Entscheidungen zu treffen.

Entscheiden Sie sich für das Konzert, so bleiben Sie einfach, wo Sie sind, beschränken die Quatscherei aber sowohl, was Lautstärke als auch Häufigkeit angeht auf ein für Ihre Umwelt erträgliches Maß. Das bedeutet, möglichst wenig möglichst leise zu sagen. Am besten in den Momenten, wenn gerade alle applaudieren.

Entscheiden Sie sich für den Informationsaustausch, so entfernen Sie sich rasch aus der Menge, ziehen sich an den Rand des Konzertsaales zurück und halten sich von Ihren Mitmenschen fern. Alternativ verlassen Sie den Konzertsaal, gehen nach Hause, öffnen eine Flasche Wein oder alternativ zwei Bier und legen einfach eine Platte des Künstlers auf, der gerade noch auf der Bühne stand. Vorteile für Sie: Sie haben die Musik, können sich aber ungestört unterhalten. Außerdem ist das Bier günstiger. Vorteile für alle anderen: Sie können der Musik jetzt ungestört zuhören und müssen sich nicht über die quatschenden Volltrottel ärgern.

Noch ein kleiner Hinweis aus aktuellem Anlass: Es ist sehr, sehr peinlich, wenn man sich als vermeintlicher Nick-Cave-Kenner aufspielt und dann nach „Stagger Lee“ einen anderen Konzertbesucher fragt, ob das jetzt von der neuen Platte wäre.

 

2a. Dein Handyphoto wird nicht besser, wenn du es zehn Mal machst.

Ich habe kein Problem damit, wenn Leute auf Konzerten fotografieren oder filmen. Ich mache das selber. Schon allein, weil ich normalerweise über das Konzert schreibe und da gerne Bilder habe, um den langen Artikel optisch etwas aufzulockern.

Aber.

Handykameras sind für Konzertfotografie eher so mittel geeignet. Man kann das machen, ich mache das auch, aber man braucht jetzt nicht zu hoffen, dass da nachher superscharfe tolle Bilder bei rauskommen. Werden sie nicht. Auch nicht, wenn man es zehn Mal versucht. Auch nicht, wenn man minutenlang die Kamera hochhält und verzweifelt rein- und rauszoomt, den Fokus verschiebt und mit jeder denkbaren Einstellung versucht, mehr aus der Kamera rauszubekommen als je drin sein könnte. Finden Sie sich damit ab. Wenn Sie nicht bereit sind, sich damit abzufinden, kaufen Sie sich halt eine teure DSLR mit nem geilen Objektiv, kommen drei Stunden früher und sehen zu, dass Sie ganz, ganz vorne einen Platz bekommen. Dann wird das vielleicht auch was mit dem Bild.

Solange Sie keine teure DSLR mit nem geilen Objektiv haben und direkt vorne stehen, holen Sie halt Ihr Smartphone raus, halten Sie es kurz hoch, machen das Bild und rechnen damit, dass es vielleicht unscharf ist. Die Kamera, die Sie sonst nämlich minutenlang in die Höhe strecken, ist genau im Blickfeld Ihres Hintermannes oder Ihrer Hinterfrau. Die können dann genau das, was Sie gerade so toll finden, dass Sie es unbedingt für die Nachwelt festhalten wollen, nicht sehen. Gar nicht. Und wenn Sie zehn Mal hintereinander versuchen, ein geiles Bild zu machen, dann können die hinter Ihnen zehn Mal so lange nichts sehen.

 

2b. Blitz ist Mist!

Fotografieren mit Blitz ist Mist. Generell. Fast immer. Bei Handykameras sowieso. Nicht mit Blitz fotografieren. Erstens werden die Fotos noch schlechter, als sie es ohne Blitz ohnehin schon wären und zweitens nervt es alle um einen rum.

Noch dümmer ist übrigens, es fünf Mal hintereinander nicht zu schaffen, ein bekifftes Konzert-Selfie zu machen. Mit Blitz. Das hat so viele Ebenen der Dummheit, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, aber ich versuch’s mal:

1. Ein Selfie? Auf einem Konzert? Ich meine: ECHT JETZT? Meint ihr das ernst?

2. Ein Selfie mit Blitz? Wisst ihr eigentlich, wie bescheuert das aussieht? Die Ausleuchtung ist beschissen und im Zweifelsfall seht ihr dann auch den ganzen Siff, der sich mittlerweile auf dem Boden gesammelt hat.

3. EIN SELFIE MIT BLITZ? FÜNF MAL HINTEREINANDER? WÄHREND AUF DER BÜHNE MUSIK GESPIELT WIRD?

3b. Wie verpeilt muss man eigentlich sein, es nicht hinzukriegen, ein vernünftiges Bild von sich zu machen?

4. Beim nächsten Mal mach ich euch Hasenohren. Jedes Mal. Bis einer weint.

 

3. Diese weichen warmen Dinger um einen rum, das sind andere Menschen.

Das um einen herum auf so einem Konzert, das sind keine weichen warmen Blobs zum Anlehnen und Sachen abstellen, das sind andere Leute. Die haben Geld dafür bezahlt, um das da oben auf der Bühne sehen und hören zu können. Anrempeln ist uncool. Mehrfaches Anrempeln ist uncooler. Sich vordrängeln und genau vor einen Menschen zu stellen, der nachweislich und offensichtlich kleiner ist als man selbst, ist auch uncool.

Meine Toleranzgrenze ist da erstaunlich hoch. Ich bin so mehr oder weniger normal groß, es ist also nicht unwahrscheinlich, dass jemand größer ist als ich und ich glaube auch, dass es im Gedränge durchaus passieren kann, dass man nicht mitbekommt, dass man gerade jemandem im Weg steht, der bis eben noch gut auf die Bühne sehen konnte. Man kann sich aber bemühen. Ich bin sicher, dass das geht. Auch auf Konzerten.

 

4. Ein Extrahinweis für nervöse Raucher.

Es gibt mittlerweile in Deutschland sowas wie Gesetze zum Nichtraucherschutz. Die gelten zum Beispiel auch in der Mitsubishi Electric HALLE, das kann man sogar hier nachlesen. Ich bin mir immer nicht so sicher, ob ihr, als nervöse Raucher, zu dumm oder zu rücksichtslos seid, sich an diese Regeln zu halten, eins von beiden muss es ja sein. Sensible Nichtrauchernasen wie meine riechen übrigens auf mehrere Meter Entfernung, dass da ein nervöser Raucher offensichtlich mental nicht in der Lage ist, zwei Stunden auf seine Zigarette zu verzichten. Ich muss das gar nicht sehen, ich rieche das. Und zwar auch, wenn ihr nicht direkt neben mir steht. Letzte Woche schrieb ich noch begeistert auf, wie schön das ist, dass man mittlerweile nach Konzertbesuchen nicht mehr sämtliche Klamotten in die Wäsche schmeißen muss.

Es ist mir übrigens vollkommen wumpe, ob euer nostalgiegeprägtes Alt-68er-Rockkonzertfeeling durch das intolerante Rauchverbot beeinträchtigt wird. Dann geht halt auf Open-Air-Konzerte und Festivals, wenn ihr auf eure Zigarette nicht verzichten könnt. Oder haltet halt mal zweieinhalb Stündchen ohne Zigarette aus. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ihr das könnt. Ich glaube an euch. Und an das Gute im Menschen und sowas halt.

 

Unter Beachtung dieser simplen Regeln ist es quasi lächerlich einfach, ein Konzertbesucher zu werden, der seinen Mitkonzertbesuchern weder durch offensichtliche Dummheit noch durch vermeidbare Rücksichtslosigkeit negativ auffällt.

Schönere Konzertbesuche für alle! Gemeinsam schaffen wir das!

37 Antworten auf „Kleine Anleitung für Konzertbesucher“

  1. Herzlichen Dank. Wenn man Deine Anleitung liest, ist das mit dem Konzertbesuchen eigentlich gar nicht so schwer. Seltsam, dass Leute das trotzdem nicht hinbekommen.

    (Ähnlich peinlich wie die „Stagger Lee“-Frage ist es, den Großteil eines Konzerts zu verquatschen und sich dann während der Zugabe lauthals rufend ein Lied zu wünschen, das schon längst gespielt worden ist. Ich habe Menschen Fackeln und Heugabeln suchen sehen, um einen Lynchmob zu bilden.)

      1. Hallo Anne, darf ich Deinen Text über „kleine Anleitung für Konzertbesucher“ für meine Pressearbeit im Chor verwenden? Ich würde den Text gerne für die Bewerbung unseres Konzertes verwenden. Selbstverständlich nenne ich Deinen Namen, als Urheber des Textes. Liebe Grüsse und vielen Dank für Deine Rückmeldung. Yvonne

  2. Ich dachte erst, dieser Text würde mich nerven, weil überall alle Leute über Konzertbesucher meckern (insbesondere über dieses Fotoding). Aber du hast schon Recht, mit dem, was du schreibst. War bei The National (in ebenfalls der schrecklich heißenden Halle) nicht viel anders. Gerade das mit dem Rauchen kotzt mich an. Und Leute, die zu dumm sind, im Stehen ihre Getränke festzuhalten, sie fallen lassen und alle Umgebenen anspritzen.

    1. Ines, wer mich kennt, weiß, dass meine Toleranzgrenze anderen Menschen gegenüber manchmal fast unangebracht hoch ist. Auf Konzerten wird gedrängelt, da sind viele Leute, die nicht alle gut riechen und was weiß ich nicht noch. Das muss ich auch nicht alles super finden, ist aber so, und dann ist es auch okay.

      Um so mehr erstaunt es mich dann, dass es immer noch Leute schaffen, die Basisregeln eines vernünftigen Umgangs bei solchen Ereignissen, erstaunlich konsequent nicht zu beherrschen.

  3. Ich war gestern auch da und ganz generell kann ich nur beipflichten. Tatsächlich fand ich es gestern bei dem Konzert allerdings sehr angenehm, dass es – gerade bei den ruhigen Songs – sehr still war, kaum Handys hochgehalten wurde und nicht geraucht wurde. Rumgerempelt wurde dagegen ganz schön ordentlich.
    Dahingehen war’s am Abend vorher an gleicher Stelle bei den Arctic Monkey wie hier beschrieben …

    1. Das Quatschpärchen vor mir unterhielt sich leider auch hemmungslos bei den leisen Stücken. Insgesamt war es sonst okay, aber im Vergleich zu den letzten beiden Konzerten von Amanda Palmer und Emiliana Torrini war es doch vom Publikum her deutlich anstrengender.

  4. Und jetzt stell dir mal vor, du bist nicht normal groß, sondern keine 1,60 m. Wie oft ich bisher auf einem Konzert war? Ein mal, als mir normal und überdurchschnittlich große Menschen versucht haben diese Erfahrung näher zu bringen. Zu sagen, ich wurde schwer enttäuscht ist noch untertrieben. Als Leichtgewicht wurde ich von der Menschenmasse herumgeschubst, gegen Brustkörbe und Achseln gepresst und habe teilweise nicht mal gewusst, wo diese ominöse Bühne sein soll, geschweige denn mitbekommen was darauf passiert.
    Musik hören? Kann ich auch zu Hause. Ohne Raucher, Selfie-Wunder, Kaffeetanten oder warme weiche Blobs.

    1. Ich behaupte mal, dass du da auch Pech gehabt hast. Es kommt sehr darauf an, wo es ist, wer spielt und wie die Stimmung im Publikum ist. Rumgeschubst wurde da gestern eigentlich wenig, es gab halt immer mal Menschen, die vorbei (bzw. nach vorne) wollten und unangenehm gedrängelt haben. In der Mitsubishi Electric HALLE kann man sich zum Beispiel auch hinsetzen, wenn man da ein bisschen früher kommt, kann man durchaus auch vernünftige Plätze bekommen.

      1. …und das ist die einzig mögliche Lösung.
        In meinem nächsten Leben werde ich groß und unglaublich schwer. Der Fels in der Brandung quasi. :)

  5. Wenn auf einem Konzert weder gedrängelt, geschubst, geraucht oder mit Bier gespritzt wird, ist es wahrscheinlich nicht meine Musik und ich habe mich verlaufen. ;)

  6. Passt schon. Besser: In die vorderen Reihen drängeln (ja, drängeln. Körperkontakt, Schweiß, Hitze. Ja, auch bei Nick Cave.) Vorteil: Niemand quatscht, weil man sich gar nicht verstehen würde. Optimalerweise traut sich auch niemand, zu fotografieren, weil das dem Handy nicht guttäte. Nachteil: Man muss seinen Platz halt behaupten.
    Durchsetzen, behaupten – bißchen aggressiv? Klar. Aber wer Puschel will, sollte vllt nicht auf Rockkonzerte gehen. Irgendwo im Hinterhallenraum ists klar, dass da Freaks lauern.

  7. Also das einzige, dem ich zustimmen kann ist die Geschichte mit den Rauchern. Alles andere hab ich noch nie erlebt bzw. als störend empfunden und ich war schon auf so einigen Konzerten. Dass sich da Leute unterhalten haben mag durchaus sein, da die komischen Leute vorne auf dem erhöhten Plateau aber halt Musik machen, hört man das eh nicht. Zumindest bei der Musik, die ich auf Konzerten so höre.

    1. Ich geh im Gegenzug vielleicht nicht so oft auf Konzerte, dafür hatte ich jetzt schon drei Mal Leute hinter oder vor mir, die sich lieber unterhalten wollten. Man würde vermuten, dass das zumindest bei einem Nick-Cave-Konzert nicht funktioniert, bzw. man als Umstehender nichts davon mitbekommt, aber die passen ja ihre Lautstärke an, sonst würde ihr Gesprächspartner sie ja auch nicht verstehen. (Alternativ reden sie halt immer in die kurzen Pausen während „Into My Arms“, das geht dann auch gut.)

      Bei Leonard Cohen wurden wir belächelt und uns mehr oder weniger gesagt, dass wir uns nicht so anstellen sollten, das wäre hier ein Konzert und man müsste doch mal aufm Teppich bleiben. Bei Paul Simon sind die beiden Herren wenigstens nach dem Song aufgestanden und gegangen. Und bei Nick Cave waren sie halt so renitent, dass sie einfach weitergemacht haben. Da haben sich zwei Leute beschwert, und ich war noch nicht mal eine von denen. Die zweite, die was gesagt hat, stand deutlich weiter weg als ich, das fand ich schon erstaunlich.

      Das mit den Handyfotografen hatte ich jetzt sowohl bei Amanda Palmer als auch bei Nick Cave, das war vielleicht auch mein Pech, dass die immer direkt in meiner Blickflucht standen. Da werden dann halt schnell aus normal großen Menschen Zwei-Meter-Menschen. (Und ja, ich bin schlau genug, unterscheiden zu können, ob da jemand gerade den ganzen Song filmt oder es einfach nur nicht schafft, ein ordentliches Foto zu machen. Ich seh ja, was auf dem Bildschirm passiert.)

  8. Haha, ich war auch da und wollte erst schon fragen, ob Du etwa auch bei dem brüllenden (auch „Stagger Lee“ und auch noch NACH dem Lied) Holländer gestanden hast … Und geraucht wurde in meiner Ecke auch nicht zu knapp. Generell finde ich übrigens, die Bühne in der Mitsubishi-Dingens könnte ein bisschen höher sein, ich hab schon nichts mehr gesehen, als sich eine gleichgroße Frau mit Locken vor mich gestellt hat. Ich gehe oft auf Konzerte und hab eher den Eindruck, die Leute, die da rumnerven, machen so was selten und kennen sich mit der Etikette nicht so aus (Ja, auch bei Rockkonzerten. Finde nicht, dass ich meine Musikvorlieben gleich mit Zahnverlust bezahlen muss – von wegen aggressiv und so. Manchmal will man einfach nur in Ruhe da stehen und sich das Ganze anhören, muss auch drin sein.).

    1. Vielleicht bin ich ja tatsächlich zu spießig, aber ich finde halt, dass Rauchen, Trinken und Drängeln nicht zwingend zu einem Konzert gehören müssten. Eigentlich gehe ich dahin, weil ich einen Künstler bzw. eine Band mal live erleben will. Die Atmosphäre gehört natürlich auch dazu, aber bei Amanda Palmer hat das ja auch geklappt, und das war auch irgendwie Punkrock und laut und voll.

      „Damit muss man rechnen, wenn man zu einem Konzert geht“ klingt mir immer ein bisschen danach, dass man einfach keinen Bock hat, sich mal ein bisschen rücksichtsvoller zu verhalten.

  9. Wenn ich noch einen kleinen Tipp für Konzertbesucher ergänzen darf, der ebenfalls dem ein oder anderen im Düsseldorfer Nick-Cave-Publikum vielleicht zumindest beim nächsten Konzert helfen kann:
    5. Der Künstler auf der Bühne ist keine Jukebox. Es ist verständlich, dass man sein Lieblingslied gerne auch einmal live hören möchte, und dass das Hineinrufen von Songtiteln ein einfacher Weg ist, Fachkenntnis darzustellen, ist eh klar. Wenn man aber nur einen Hauch von Respekt für den Künstler dort oben empfindet, sollte man ihn vielleicht einfach mal das Programm bestimmen lassen, ohne sich einzumischen. Er kann das. Nick Cave eh.

    1. Lustigerweise finde ich das nicht so schlimm, solange es halt nicht jemand übertreibt. Letztlich stimmt das schon, die Setlist steht eh, es sei denn, der Künstler entscheidet sich dafür, Requests anzunehmen, dann wird er oder sie das aber auch so machen.

      Warum es mich nicht so nervt ist, weil ich da teilweise die Reaktion des Künstlers ganz nett finde und ich mag es, wenn eine Interaktion zwischen Künstler und Publikum stattfindet. Wenn dann so ein Nick Cave auf einen Zuruf „Yeah, that’s a good one, but we won’t be playing that tonight“ sagt, dann finde ich das eher sympathisch, genau so, wie wenn er zum Beispiel irritiert guckt, weil irgendwer sich etwas wünscht, was sich sonst niemand wünscht. Solche Sachen halt. Ich stand aber auch noch nie neben jemandem, der mir mit massiven Zwischenrufen auf den Keks gegangen wäre, vielleicht kommt das noch.

      1. Schlimm ist es in der Tat nicht, das stimmt. Ich fand die Menge an Liederwünschen nur extrem, deshalb ist es mir in der Summe negativ aufgefallen. Ich habe bei so etwas immer die Ankdote von Pete Townshend im Hinterkopf, der gemerkt hat, dass er irgendetwas ändern muss, als irgendwann die Zuschauer nur noch vor ihm standen und riefen: „Spring, Pete, spring!“, weil sie seinen berühmten Schlussakkordsprung sehen wollten.

        Das Liederwünschen kann ein sympathsicher Austausch sein, an dem beide Seiten ihren Spaß haben. Ich persönlich lasse mich immer gerne vom Künstler mitnehmen auf seinem musikalischen Trip, deshalb bin ich mehr erstaunt als wirklich verärgert, wenn Konzertbesucher eine eigene Agenda mitbringen.

  10. So true! Ich habe laut gelacht beim lesen. Spätestens beim nächsten Konzert werde ich mich aber wieder sehr aufregen.
    Auch das andere Extrem ist übrigens furchtbar. Bei Fleetwood Mac durfte man nicht aufstehen, singen oder tanzen. Ich wurde umgehend aufgefordert mich wieder zu setzen und ruhig zu verhalten.

    1. Hihi, da war ich auch!!! Aber bei dem Altersdurchschnitt des Publikums ist auch klar, dass man nicht stehen und tanzen „durfte“… Da hätte meine Oma mitkommen können! Was der Musikqualität keinen Abbruch getan hat, aber leider der Stimmung
      …und das ist leider wohl auch ein wenig das Problem an Annes Tipps: Um die Musik zu genießen und die Künstler zu erleben, war das Konzert super: Vollbestuhlung bis in die erste Reihe. Aber Spaßfaktor = Null!
      Wir älter-Mittdreiziger sind nicht mehr wirklich Rock n‘ Roll tauglich und mögen es nicht, wenn unser Recht auf Rauchfreiheit und Bewegungsfreiheit von Fremden eingeschränkt wird. Mich kotzt es an, wenn ich eingequalmt werde. Gleichzeitig möchte ich aber auf „meine“ Musik abtanzen können (mit zunehmendem Alter überstehe ich Konzerte nur sitzend oder tanzend… Stehen geht auf den Rücken!) den Künstler sehen (dank meiner Größe fast nie ein Problem) und Atmosphäre. Als Teenager/Mittzwanziger hatte ich da deutlich weniger Ansprüche. Quasi nur: Ab in die erste Reihe…or die trying!
      Mein Fazit ist: Jede Hinweis oben stimmt irgendwie – aber Anne ( ich auch ) wird alt und damit spießig! ;-)

  11. LIebe Anne Schüßler, vielen Dank noch mal für die persönliche „Konzertbesucher für Anfänger“-Führung anlässlich des Aimee Mann Konzerts gestern. Toll auch, dass Du direkt einen Platz mit Aussicht auf zwei weitere spannende Konzertakteur-Spezies besorgt hattest. Ich freue mich auf den Beitrag über den „Hysterische Bootleg-Rentner“ und den „Nervösen Plektrum-Zerbrösler“ – ich habe noch viel zu lernen…

  12. Ich kann Dir in fast allen Punkten zustimmen. Am allermeisten nerven aber wirklich die Quatscher. Da erzählt doch so ne Tussi beim Depeche-Konzert tatsächlich ihrem auch nicht besonders daran interessierten Nebenmann ihre halbe Lebensgeschichte inkl. dass sie jetzt ja von HartzIV lebe, etc.! Ich hab dann irgendwann beim eher leisen gesungenen „Home“ von Martin angemerkt, dass die Karte doch teuer war und sie sich doch wenigstens mal zur Bühne umdrehen könne…

    Irgendwie schräg ist aber, wenn sich bei Konzerten der Vordermann beschwert, man soll nicht so laut jubeln oder mitsingen, er wolle das doch alles mitfilmen…

  13. Mir ist noch was eingefallen, das sehr wichtig ist (vielleicht steht es schon in den Kommentaren, die ich hab jetzt nicht gelesen…):
    Mittags vorm Konzert keine Hülsenfrüchte oder Zwiebeln essen. Die Luft ist meist so schon schlecht genug. Und in fremdem Pups stehen ruiniert meist dann doch das Konzerterlebnis.

    1. Da ich mich bei klassischen Konzerten ja immer noch selber ein wenig als Fremdkörper fühle, wird das etwas schwieriger, da brauch ich noch ein wenig Erfahrung.

  14. Krass! Anleitung: für wen? Damit es dir besser geht! Lies mal ein bisschen über die 68er und erziehung und Liberalität. Generation Egoist – aber wie kann man so einen Müll auch noch veröffentlichen?

  15. Hi @all, was haltet ihr hiervon? Wuerde mich über zahlreiche Kommentare sehr freuen: der Partner einer Freundin, die Chormitglied ist und das Jahreskonzert dieses Chores besucht … sich jedoch die gesamte Zeit offensiv damit beschäftigt während des Konzertes you-tube Videos von seinen Hobby (Garten- Eisenbahnen) anzuschauen und dabei während des gesamten Abends ein bitter-ernstes Gesicht macht . Das ganze in einem „Konzertsaal “ eher familiärer Natur ..ca. 160 Sitzplätze. ……Bin gespannt . Von der Buehne aus sah man dies auch extrem gut …der Einzige , der dem Konzert null gefolgt ist …. Er ging seiner Freundin zuliebe dort hin … sagte er … …Wie mag sich diese gefühlt haben ? Hoffe auf viele Beiträge….danke.

  16. Hallo Anne,

    auf Deinen pointierten Blog-Beitrag bin ich im Anschluss an ein Midnight Oil-Konzert gestossen. Rings um mich herum waren dutzende Besucher, die nichts anderes zu tun hatten, als das ganze Konzert über zu quatschen. Ich wollte einfach mal wissen, ob ich mit meinem Ärger und meiner diesbezüglichen Dünnhäutigkeit alleine bin. Offenbar nicht:-)

    Ich habe einen Satz Deines Beitrages auf meinem Philosophie-Blog zitiert. Da ich mich nicht mit fremden Federn schmücken möchte, habe ich selbstverständlich unter den Literarturhinweisen den Link zu Deinem Beitrag angegeben (https://www.si-tacuissem.de/post/konzerte-zuhören-als-nebensache).

    Herzliche Grüße
    Peter

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