Schienenersatzverkehr – Keine Liebesgeschichte

Ich könnte jetzt die komplette, etwas komplizierte Geschichte erzählen, wie es zum Schienenersatzverkehr kam, aber das verwirrt dann wieder nur alle und ist auch nicht sonderlich interessant. Jedenfalls muss ich diese Woche jeden Tag mit einem Bus von Essen nach Ratingen fahren und kann nun relativ sicher behaupten, dass man das auch nicht zwingend länger als eine Woche tun muss.

Dabei ist der Schienenersatzverkehr prinzipiell gar nicht so schlimm, wie ich befürchtete. Montagmorgen zum Beispiel fand ich es sehr gemütlich über Essen-Werden am Baldeneysee vorbei nach Kettwig zu gondeln, dann über die Brücke über den Ruhrstausee, vorbei am Schloss Hugenpoet und dann irgendwelche Serpentinen hoch durch einen Wald und an Feldern und Wiesen mit Pferden und Schafen vorbei über Hösel bis nach Ratingen. Das war erstaunlich entspannend, man sieht mal wieder, wie hübsch die Gegend ist und ist entzückt über goldgelbe Felder, wo sich die Ähren im Wind wiegen oder so ähnlich, ich kenne mich da in der Landschaftsbeschreibungsterminologie nur so mittel aus, ich bin auch bei „Herr der Ringe“ immer ausgestiegen, wenn Tolkien anfing, einen Berg zu beschreiben und hab da weitergelesen, wo die Adjektivhäufung aufhörte.

Das Problem ist aber folgendes. Erstens kann ich im Bus nicht lesen oder nur in Momenten, in denen die Konstellation meiner körperlichen Verfassung und der Fahrstil des Busfahrers besonders günstig steht. Diese Momente sind leider sehr selten. Ansonsten wird mir vom Lesen im Bus schlecht. Man kann das eine Woche ganz gut überbrücken, in dem man Podcasts hört, aber das ist auf Dauer ja auch keine Lösung. Im Zug dagegen kann ich alles machen, manches sogar gleichzeitig.

Also höre ich Podcasts und würde dabei gerne aus dem Fenster gucken und mich an der hübschen Landschaft erfreuen. Hier kommt das nächste Problem: Aus mir schleierhaften Gründen werden Busse gerne auf beiden Seiten komplett von oben bis unten und von hinten bis vorne mit Werbung tapeziert. Das mit der Werbung verstehe ich ja noch, dafür bekommt man Geld und kann schönere Busse kaufen oder alte Busse reparieren. In gefühlt acht von zehn Fällen werden dabei aber die Fenster mit tapeziert und man kann die entzückenden Schafe auf den hübschen Wiesen nur durch ein auf der Außenscheibe aufgeklebtes Lochmuster sehen.

Und genau das scheint mir das Grundproblem beim Busfahren zu sein: Im Zug brauche ich nicht aus dem Fenster zu gucken, da kann ich nämlich lesen, ich könnte aber aus dem Fenster gucken, weil bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, Werbung an einen RE oder gar einen ICE zu kleben. Im Bus, wo ich nicht lesen kann und ich auf einmal große visuelle Kapazitäten frei habe, mit denen ich prima aus dem Fenster gucken könnte, kann ich das nicht, weil ich eh alles nur hinter einem Grauschleier erahnen kann. Da hat doch jemand nicht richtig mitgedacht! Das ergibt doch so alles keinen Sinn!

Es ist aber auch ein bisschen egal, weil ich nur noch morgen einmal nach Ratingen und wieder zurück muss und ab nächster Woche wieder mit Zügen fahren darf. Das ist vielleicht dann auch für alle Beteiligten ganz gut, denn entweder meine Verfassung wird zunehmend schlechter oder der Busfahrer heute hatte es besonders eilig, nach Essen zu kommen. Möglicherweise wollte er auch das Fußballspiel nicht verpassen. So habe ich mich jedenfalls erfolgreich zurückgehalten und auch heute nicht in den Bus gekotzt. Ich bin ein bisschen stolz auf mich und wenn in der nächsten Woche jemand, der aussieht wie ich, in Essen in die Bahn steigt und spontane Loblieder auf den Schienenverkehr intoniert, dann ist jetzt hoffentlich auch klar, wie es dazu kommen konnte. Es war mal wieder der Schienenersatzverkehr mit Bussen.

3 Antworten auf „Schienenersatzverkehr – Keine Liebesgeschichte“

  1. Nicht in den Bus gekotzt – jeden Tag eine gute Tat!

    Aber bei uns hier in Würzburg fahren die Busfahrer ja auch, als müssten sie vor einer Horde Aliens flüchten.

  2. Ich empfehle Handarbeiten und große Kopfhörer.
    Ersteres gegen die Langeweile, zweiteres dagegen, von jeder zweiten Omi angequatscht zu werden. Wenn du ob des Busfahrer-Fahrstils Angst hast, beim Stricken Maschen fallen zu lassen, probier es mal mit Nadelbinden (google fragen)

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