Ich habe in der letzten Zeit drei Mal über „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry [Werbelink] nachgedacht. Einmal, weil Frau Herzbruch über einen katastrophalen Theaterbesuch schrieb, dann weil in der FAZ ein Artikel über die anstehenden Neuübersetzungen des Buches stand (das Buch ist nämlich bald gemeinfrei) und dann weil es im Techniktagebuchredaktionschat heiß her ging und wir über witzige und weniger witzige Tweets diskutierten und dabei auch in Ecken gerieten, bei der der Vergleich mit Zitaten aus dem kleinen Prinzen sehr nahe lag.
Es ist eben schon schlimm mit diesem Buch, dass so sehr zum Sinnbild esoterisch-philosophisch verklärter Menschen geworden ist, dass man es als normal halbwegs rational-aufgeklärter Mensch eigentlich schon aus Prinzip doof finden muss.
Mein Problem ist nur: Ich finde „Der kleine Prinz“ nicht doof. Im Gegenteil: Ich mag das Buch. Ich finde die Zeichnungen sehr hübsch, die Geschichten originell. Ich finde auch gut, dass das Buch so kurz ist, es gibt so viele lange Bücher, dass man froh sein sollte, dass es Bücher gibt, in denen der Autor auch mal einfach nicht alles im Detail erzählen musste. Das ist alles lobenswert. Schon der Einstieg mit dem Bild von der Schlange und dem Elefanten, ich finde das hat was. Dann die ganzen Planeten mit den seltsamen bekloppten Menschen, das sind doch gute Ideen und in der Kürze überzeugend ausgeführt und passend bebildert. Ich erzähle das jetzt alles aus der Erinnerung. Irgendwann kommt noch das mit dem Fuchs in der Wüste (ich mag Füchse!) und der Schlange und irgendwann soll irgendwer irgendwem ein Schaf malen, aber egal. Das ist ja keine Buchbesprechung hier. In unserem Haushalt befinden sich ziemlich sicher mindestens zwei Ausgaben des kleinen Prinzen, davon einer auf französisch. Ich habe das mehrfach gelesen, das kann man machen, gutes Buch.
Das Problem ist also nicht das Buch, sondern die anderen Menschen, die das Buch gut finden.
Ich stand mal in einem Buchladen und musste da folgenden schlimmen Satz mithören: „Es müsste mehr Bücher wie den kleinen Prinzen geben!“ Nein, hab ich da sofort gedacht, müsste es nicht. Bitte nicht noch mehr Bücher, aus denen man sich hemmungslos immer wieder der selben esoterisch-philosophischer Zitate bedienen kann, um sie in irgendwelche Alben oder auf Karten zu schreiben, und dann Sonnenblumen drumrum zu malen. Da steckt auch überhaupt kein Mehrwert drin, jeder halbwegs Mainstreamliterarisch bewanderte Mensch kennt dieses elende „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, das ist weder überraschend noch originell noch sonst irgendwas positives.
Meine Grundschullehrerin war so ein Mensch. Der kleine Prinz, Mozart und Sonnenblumen. Einmal haben wir zu Sankt Martin Sonnenblumenlaternen gebastelt. Ich mochte meine Grundschullehrerin wie jedes normale Grundschulkind seine Lehrerin mag, aber im Nachhinein muss man vielleicht sagen, dass sie eben auch Unfug gemacht hat. Gesellschaftlich anerkannten Unfug zwar, aber trotzdem Unfug. So eine emotionale Bindung an eine Blumenart kann einfach nicht gut sein.
Wenn ich mich also demnächst wieder abfällig über den kleinen Prinzen äußern sollte, ich meine damit eigentlich gar nicht das Buch, sondern diese bestimmte Geisteshaltung, die ich mit Liebhabern des Buches verbinde und mit der ich so gar nichts anfangen kann. Das Buch ist unschuldig. Das wird nur seit Jahren von der Sonnenblumenliga für ihre obskuren Zwecke missbraucht.
Antoine de Saint-Exupéry hat das alles so bestimmt nicht gewollt.
Das Buch selbst gefällt mir auch, ich bin da, wie viele andere auch, in der Mittelstufe im Französischunterricht drauf gestossen und es hat mich dazu gebracht, noch mehr von Saint-Ex zu lesen, was ich nie bereut habe. Mich stören noch weniger die Eso-Brigaden als die Anbieter von Kleiner-Prinz-Merchandise wie Puzzles, Uhren, Bettwäsche etc. Diese komplett durchdeklinierte Diddlmausierung des Buchs finde ich grässlich. Andererseits: Wenn es den Menschen halt Freude macht und den Alltag versüsst, sollen sie ihren Kaffee halt aus einem Becher mit dem Kleinen Prinzen drauf trinken, das macht das Buch ja nicht schlechter. Besser als Kaffeebecher mit “Kill ‚em all – let God sort ‚em out” … mit so jemandem sässe ich vermutlich noch ungerner im selben Büro.
Hach, Du hast nicht unrecht und erklärst besser als ich es je konnte, weshalb bei mir das Buch seit Jahren im Gestell vor sich hin mottet.
Die Sonnenblumenliga a.k.a. „Jeder Tag, an dem du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag“-Fraktion.
Elendiger Wohlfühlzitatismus!
„Nur wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß wie Wolken schmecken.“