Wider den Minimalismus

Minimalismus ist ja voll im Trend. Möglichst wenig, möglichst spartanisch, kein Besitz mehr, nur das Nötigste, schon wegen des nächsten Umzugs irgendwann oder weil Kapitalismus out ist, die Wohnung zu klein. Bücher liest man nur einmal, DVDs guckt man nur einmal, im Kleiderschrank hängt alles mögliche, was man eh nicht anzieht, keine Rumstehchen auf der Kommode, am besten gar keine Kommode, wozu auch, man hat ja kein Zeugs mehr, nur ein Sofa und einen Fernsehen. Nein, auch keinen Fernsehen, das geht auch mit dem Laptop.

Leute packen ihr gesamtes Hab und Gut in ein Lager, ziehen sich nackt aus und holen sich täglich eine Sache heraus, bis sie die wichtigsten Dinge wieder zu Hause haben. Alles andere ist unwichtig, braucht man nicht. Andere führen ein Wegschmeiß-und-Verschenk-Tagebuch im Netz, bei dem man täglich lesen kann, was sie heute endgültig und für immer und ewig aus dem Haushalt verbannt haben. Nicht an dem alten Kram hängen, sagen sie. Wozu die Muschel vom Strand von Sylt, ich kann mich auch ohne Muschel daran erinnern. Überall kann man die ultimativen Tipps und Tricks für den Weg zum Minimalisten lesen: Alles in eine Kiste packen und wenn man es nicht innerhalb eines Jahres herausgeholt hat, braucht man es wohl nicht. In der Küche muss eine gute Pfanne reichen und im Arbeitszimmer stehen die fünf wichtigsten Bücher, na gut, lass es zehn Bücher sein. Mehr braucht kein Mensch.

Pfannen

 

Ich aber sage: Doch. Der Mensch braucht mehr. Zumindest dieser Mensch hier braucht mehr. Ich habe lang genug bewundernd auf diese Menschen geschaut und beeindruckt von ihren Minimalismusabenteuern gelesen, habe das Thema in meinem Kopf hin und her gedreht und bin zu dem überraschenden Schluss gekommen: Ich möchte das nicht.

Ich möchte euren Minimalismus nicht. Ich mag mein Zeug, ich mag meine angesammelten Besitztümern, ich mag sie um mich herum haben, ich gucke sie gerne an, ich freue mich darüber. Nicht, weil ich so stolz bin, dass mir so viel gehört, sondern, weil sie Teil meiner Geschichte sind. Die Bücher um mich herum habe ich – na ja, zum größten Teil – gelesen. Sie waren mit mir in Urlaub, sind mit mir Bahn gefahren, lagen mit mir im Bett und auf dem Sofa. Meine Bilder sind teilweise schon mehrfach mit uns umgezogen. Der Reiskocher hat schon alle möglichen Phasen von Sushi bis Germknödel mitgemacht. Meine ersten CDs habe ich als Teenager gekauft und in meinem Kinderzimmer rauf- und runtergehört, während ich die Texte aus dem Booklet auswendig lernte. Die Tasse auf meinem Schreibtisch, in dem meine Stifte stehen, hat mein bester Freund aus New York mitgebracht.

Ich bin kein Messi. Unsere Wohnung ist üblicherweise halbwegs aufgeräumt und nicht vollgerümpelt. Wir werden sie auch nicht vollrümpeln. Ich will auch nicht, dass Leute mir was zum Hinstellen schenken oder nur dann, wenn ich auch sagen darf: „Danke, voll nett von dir, finde ich aber nicht so schön, dass ich es mir in die Wohnung stellen will, nimmst du das wieder mit?“  Ich habe einen Amazon-Wunschzettel und man kann mir jederzeit Dinge schenken, die man essen oder trinken kann, da muss man nicht noch übermäßig kreativ werden. Der größte Teil unserer Bücher, Klaviernoten, DVDs und Gesellschaftsspiele ist nach wie vor in 40 Kisten gepackt in einem Lagerraum, weil wir gar nicht wüssten, wohin damit. Aber wegschmeißen? Dazu steckt zu viel Liebe zu den Dingen in den Kisten, zu viel Interesse an diversen Themen, zu viel Zeit, die wir uns mit Sachen beschäftigt haben. Aussortieren ja, müsste man mal machen, sicher brauchen wir nicht alles davon, aber das meisten eben, das meiste brauchen wir doch. Nicht zum Überleben, aber zum Leben.

Brautstrauß

 

Dazu kommt: Ich mag das Zeug anderer Leute. Ich mag sehen, womit sie sich umgeben, was sie interessiert und interessiert hat, was ihnen wichtig ist und was sie in ihrem Leben angesammelt haben. Nichts ist langweiliger als ein Zimmer, in dem nur Möbel stehen, was soll das? Wer will denn so leben? Natürlich, das hat Vorteile: Man muss weniger putzen, weniger aufräumen, beim nächsten Umzug weniger schleppen, es ist immer automatisch ordentlich, man braucht kein zweites Regal, wenn das erste doch überraschend voll ist.

Nicht falsch verstehen, auch ich schmeiße Dinge weg, und spüre dabei eine gewisse Befriedigung. Bei dem letzten Umzug von Düsseldorf nach Essen haben wir mehrere Fuhren mit Müll zur Müllkippe gebracht und mit Freuden in Container geworfen. Ich überlege nur genauer, was ich wegwerfe. Im Zweifel fürs Behalten. Auf einer gewissen Ebene kann ich die Faszination des Wegwerfens nachvollziehen, aber es lässt sich eben nicht mit dem Glücksgefühl vergleichen, das sich einstellt, wenn ich in mein Bücherregal gucke. Das Bilderbuch von Dr. Seuss, das ich 1999 in New York gekauft habe oder das Buch über Seeotter, das ich 2009 in Monterey im Aquarium gekauft habe, oder die Lustigen Taschenbücher, die stellvertretend für die riesige Sammlung von Lustigen Taschenbüchern im Regal stehen, die Sammlung, die ich in einem Dingeloswerdwahn mit 16 oder 17 Jahren an den Sohn unseres Nachbarn verkaufte, viel zu billig und vor allem viel zu leichtsinnig. Was würde ich dafür geben, diese Sammlung wiederzuhaben. Ebenso wie meine Tagebücher (verbrannt, Teenager machen sowas), meine alten BRAVOs und die Briefe meiner Brieffreundinnen aus aller Welt (weggeschmissen, als Teenager denkt man, das würde einen nie wieder interessieren). Meinen Game Boy, WARUM ZUR HÖLLE HABE ICH MEINEN GAME BOY NICHT MEHR UND WAS HABE ICH DAMIT GEMACHT!?

Seuss

 

Überhaupt Nostalgie. Ja klar, wir alle werden im Netz eine Millionmilliarde Spuren hinterlassen. Wir sind ein Traum für die zukünftigen Generationen von Volkskundlern, es wird nie wieder Klagen darüber geben, dass es keine Primärquellen über das Leben der Menschen Anfang des Jahrtausends gibt. Wir hingegen saßen als Kinder bei den Großeltern, hielten vorsichtig die alten Schulbücher (Wie sonst habt ihr denn geglaubt lernte ich Sütterlin lesen?) in der Hand, blätterten immer und immer wieder durch die alten Fotoalben und standen ehrfürchtig vor dem Klappaltar, der kurz vor Weihnachten für ein paar Wochen zugeklappt wurde. Das alles wollen wir unseren Kinden und Enkeln vorenthalten. Sollen die doch unsere Facebookhistorie durchscrollen, wenn sie mehr über uns wissen wollen, zum Anfassen und Begucken gibt’s nichts mehr!

Dazu kommt, dass ich bereits zwei Behauptungen der Minimalismusbefürworter als für mich nicht tauglich enttarnt habe. Die meisten Dinge, so wird gesagt, würde man nie mehr vermissen. Ha! Unfug, sage ich. Ich vermisse regelmäßig Dinge, die ich weggeworfen oder nur sehr ungünstig verlegt habe, ich vermisse sogar die Dinge, die im Lager ihr Dasein fristen, ich hätte sie lieber bei mir. Ich würde sie gerne angucken, aus dem Regal holen, anfassen. Auch die Behauptung, was man ein Jahr nicht gebraucht hätte, würde man nie wieder brauchen, habe ich bereits als Humbug entlarvt. Ich finde zum Beispiel regelmäßig Kleider in meinem Kleiderschrank, die ich schon fast vergessen hatte und die ich dann mit Begeisterung wieder trage. Manchmal gehen Dinge kaputt, dann muss man sie wegschmeißen. Manchmal weiß man mit großer Sicherheit, dass man ein Ding nie wieder brauchen wird, dann kann man es auch wegschmeißen, verkaufen oder verschenken. Manchmal muss das Regal etwas leerer werden, manchmal werden alte Dinge durch neue Dinge ersetzt.

Aber dieser Hundert-Dinge-Minimalismus, das Reduzieren aufs Nötigste, der Wunsch nach Klarheit und das Streben nach Nichtbesitz, das ist nichts für mich. So bin ich nicht gemacht. Aber alle anderen dürfen natürlich weiter wegschmeißen und reduzieren, da stehe ich nicht im Weg. Irgendwann stehen dann alle in meiner Wohnung, mit großen Augen, wie in einem Museum und befingern vorsichtig Dinge.

Humidor

 

„Und was ist das?“ werdet ihr fragen.

„Ein Humidor“, werde ich antworten. „Für Zigarren. Haben wir geschenkt bekommen.“

„Darf ich mal aufmachen?“ werdet ihr fragen.

„Ist nix drin“, werde ich lächelnd sagen. „Aber so schön, guck mal, streichel mal drüber. Haben wir schon seit zwanzig Jahren.“

Und dann werdet ihr zum nächsten Ausstellungsstück gehen und ehrfürchtig meine Asterixsammlung begutachten.

„Fast komplett“, werde ich sagen. „Bis Band 26. Danach wurd’s doof. Und wenn ihr Band 10 sucht, der liegt gerade auf der Toilette. Damit man was zum Lesen hat.“

Das wird toll.

25 Antworten auf „Wider den Minimalismus“

  1. Ich glaube schon, dass jeder Mensch an Dingen hängt. Manche halt an vielen, andere an ganz wenigen.
    Selbst als begeisterte Wegwerferin (sehr ohne Ideologie) habe ich laut und lange geschrieen, als der Unterteller zu der Riesentasse in tausend Stücke zerbrach, die ich zum 13. Geburtstag auf sehr innigen Wunsch im edelsten Geschirrladen der Stadt gekauft bekam. Ich vermisse ihn sehr und werde ich wahrscheinlich ewig vermissen.

    1. Es ist immer die Balance, die man finden muss. Ich wende mich nur gegen den zumindest gefühlt in den letzten Jahren arg propagierten Minimalismus, der angeblich das Leben besser macht und die Vorstellung, Dinge wären grundsätzlich unwichtig.

  2. Wunderbar, danke! Jedes Wort spricht mir aus der Seele.
    Zwar versuche ich seit geraumer Zeit, Überflüssiges auszumisten, einfach weil meine entzückende, aber kleine Wohnung mittlerweile einen Vollstopfungsgrad erreicht hat, der mein Ordnungsbedürfnis und damit Wohlbefinden beeinträchtigt. Aber ich komme beim #ordnungschaffen eben deshalb so langsam voran, weil jeder Wegwerf-Akt gründliches Abwägen erfordert. Nie, niemals könnte ich meine alten Tagebücher und Liebesbriefe entsorgen; jedes Buch und jedes alte Mix-Tape ist irgendwie Teil meiner Biographie; auch (ausgewählte) Uni-Unterlagen der meistgeliebten Seminare werden dauerhaft bleiben – als Monument meiner einstigen, lange verlorenen Gelehrsamkeit. Und ja, auch in unserer Familie gibt es den Verlust Lustiger Taschenbücher zu beklagen, die von geldgierigen Teenagern leichtfertig verscherbelt wurden. Ich war’s nicht!

    1. Was Frau Nima sagt!

      Ganz toller Beitrag, den unterschreibe ich einfach so!
      Ich hab als Teenie meine ganzen CDs, u.a. eine große Sammlung Bravo Hits, weggeworfen, denn man hörte ja nicht mehr mit CD sondern nur noch gedownloadete Musik vom PC… Ich doofe Nuss.

  3. Auch ich bin sonst hier stiller Mitleser… Jedenfalls fühlte ich mich grade beim Lesen sehr verstanden. Mir kam das alles sehr bekannt vor. Und Lustige Taschenbücher hatte ich auch mal – ich fürchte die habe ich mal jemandem für seine Sammlung überlassen. Ob ich die wohl zurückfordern kann…? Aber meine alten Micky Maus Zeitschriften, die hab‘ ich noch!

    LG, Jen

  4. Liebe Anne,
    danke für Deinen sehr schönen Beitrag, der in etwa meine Gedanken zum Minimalismus widerspiegelt. Nichts gegen gelegentliches Entrümpeln, Reduzieren von Hab und Gut, gründliches Abwägen, ob und was man wirklich braucht. Aber mir geht der zur Schau gestellte Minimalismus, der anscheinend nur gepflegt wird, um sich als toller Gutmensch darzustellen, gehörig auf die Nerven. Klar, wir haben offensichtlich zu viel und dabei auch viel unnötiges Zeug. Aber wenn ich lese, dass Leute fast alle Möbel weggeben uns sich über leere Räume freuen,
    3 Monate nur mit 33 Kleidungsstücken auskommen wollen oder kaum Lebensmittel kaufen, weil sie erst alle Reste aufessen, bevor nachgekauft wird und sich rühmen in einer Woche außer Resten nur 6 kg Orangen gegessen und literweise Zitronenwasser getrunken zu haben, frage ich mich dann doch, ob diese Leute noch bei Verstand sind. Zum Leben gehört einfach mehr, als nur vom und mit dem Nötigsten zu leben!
    Ja auch ich vermisse Schallplatten und CD’s, die ich mal weggegeben habe. Einerseits, weil ich die Musik jetzt ab und an gern hören würde, mehr noch aber, weil wir manchmal mit den Kindern (15 und 7 Jahre) auf Bands zu sprechen kommen, von denen ich weiß, das ich da eine LP oder CD hatte. Dann schau ich in den reduzierten Bestand und….. muss feststellen: leider nicht mehr vorhanden, nix mit vorspielen. Das ist so schade!

    Herzliche Grüße
    Lars

  5. Erst gestern gab es japanische Kräker aus einem Schüsselchen vom Mt. Saint Michel.
    16 war ich und könnte heute noch den Laden zeigen.
    Trotzdem denke ich, dass die Erben mal viel zu tun haben werden mit wegwerfen. Aber das wird ihr Problem sein.

  6. Liebe Anne,
    es ist doch schön, das wir so unterschiedlich sind!!! Ich möchte niemandem mit meinem Minimalismus auf den Geist gehen – wen es nicht interessiert, der muss ja nicht lesen :o)
    Ich persönlich bin froh, dass ich diesen Trend entdeckt habe, der für mich aber gar kein Trend ist und womit ich einfach selbst angefangen habe und später festgestellt habe, dass es dafür einen Namen und eine „Art“ Bewegung gibt. Überall da wo es extrem und anstrengend wird, ist es nicht meins. 100 Dinge wären mir zu wenig.
    Mir geht es total gut, ohne die ganzen Sachen, die ich ausgemistet habe und ich hätte nur gerne in Paar Doc Martens wieder (wobei ich die aussortiert habe, als Minimalismus überhaupt kein Thema war). Ich fühle mich so wohl mit dem weniger (und reagiere einfach grundsätzlich sehr empfindlich auf jeden Besitz, fühle mich in gefüllteren Wohnungen einfach nicht wohl) – ich kenne andere Leute, denen es anders geht und das ist doch total in Ordnung. Ich habe meine Tagebücher entsorgt und bin total froh drum.

    Genieß deine Sachen, erfreu dich dran – dann haben sie doch auch einen tollen Nutzen!
    Liebe Grüße Nanne

  7. Erstmalig über Herzdame hier zum Lesen und gleich begeistert. Zum Thema viel mir spontan eine Szene aus „Münchner G´schichten“ Schlussszene der letzten Folge ein:
    die Möbelpacker haben Omas Möbel eingepackt, schließen die Tür des Lastwagens und einer meint – merkst was? der andere Nein!
    mir haben jetzt Möbel von 4 Zimmer die dann in ein Zimmer sollen – Türe schließt. Ende. Gelebtes Leben eben.

  8. Ich möchte hier eigentlich nur den minimalistischen Kommentar „Ja, genau das!“ hinterlassen.

    Mich beschäftigt das Thema zurzeit auch sehr und ich bin schließlich auch zum gleichen Schluss gekommen: Ich bin einfach keine Minimalistin, weil ich mein Herz gerne an Dinge mit Erinnerungen hänge und das auch bei anderen schätze. Ein toller Artikel, in dem ich mich sehr wiedererkannt habe.

    LG
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  9. Beim Lesen deines Textes ist mir eines klar geworden, du hast „Minimalismus“ nicht verstanden!, leider.
    Minimalismus bedeutet nicht wegschmeißen, was du so oft betonst, sondern Dinge, die für einen selbst überflüssig sind, entbehrlich, weiter zu geben, an jemanden, für der es gebrauchen kann. Es wird keiner gezwungen alles herzugeben und schon gar nicht die Dinge, an die man hängt.
    Du schreibst von dem „Hundert-Dinge-Minimalismus“, den gibt es nicht, auch nicht den fünfhundert!, das ist eine Erfindung, ein Ziel, ein Projekt, der sich irgendein „Minimalist“ ausgedacht hat. Wieso sollte man den einen Reiskocher loswerden wollen, wenn er praktisch ist, dann kannst du ja gleich deine Waschmaschine loswerden, das Beispiel hinkt so was von. Ich gehe mal davon aus, dass du in zwei Jahren überhaupt nicht mehr weißt, was genau in deinen 40 Kisten alles steckt. Und zum Schluss: ich rauche keine Zigarren, daher wir mich dein Humidor nicht die Bohne interessieren, und vor deiner Asterixsammlung kannst du alleine vor ehrfurcht erblassen und dich selbst bewundern.

  10. Ich für meinen Teil beschäftige mich schon einige Zeit mit dem Minimalismus und muss sagen, dass er mir persönlich schon etwas bringt und mir gut tut – aber in Maßen.
    Wie schon zuvor gesagt, es geht hier nicht um’s krampfhafte Wegschmeißen, viel mehr um’s „Raum für Neues schaffen“, das heißt zum einen „Raum im Zimmer“ und zum Anderen „Raum im Kopf“. Eine kahle Wohnung ohne jede Deko, nee danke, das ginge auch bei mir nicht. Und von meinen zig Mini-Schneekugeln von all den Städten, die ich schon bereist habe, würde ich mich für nichts in der Welt trennen. Aber während des Ausmistens ist mir dann eben umso klarer geworden, woran ich hänge, was mir wirklich wichtig ist. Und für mich war es befreiend, meinen Besitz etwas zu reduzieren (insbesondere im Bad, hihi), einfach schon aus praktischen Gründen (es gibt doch nix ätzenderes, als um zig Mini-Figürchen, die auf nem Regal stehen, drumrum zu putzen).

    Ist aber, wie so vieles, natürlich Ansichtssache. Mir hat der Minimalismus dabei geholfen, mich auf wesentliches zu konzentrieren und meinem eigenen Kosum(pf)verhalten etwas kritischer gegenüberzustehen. Hat mir also darüber hinaus noch Geld gespart. :)

  11. Hach, Du sprichst mir aus der Seele!

    Wie geheimnislos mir schon als Kind Wohnungen vorkamen, in denen sich nur das Notwendige befand.
    Mehr Raum in der Wohnung ist doch nicht unbedingt mehr Raum in Kopf? Und wenn, was macht man dann mit dem Raum im Kopf?

    Dinge haben eine Ausstrahlung. Über die Gestaltung und die Formen der Dinge vermittelt sich auch Geist. Ich bin auch der Meinung, dass man in einer Wohnung erkennen kann, wes Geistes Kind der Bewohner ist.

    In unserer heutigen Gesellschaft, die gefüllt ist mit industriell gefertigten Massenprodukten, deren Verfallsdatum vorprogrammiert ist und die wenig Talent haben, in Schönheit zu altern, möchte man sich natürlich gerne mal von solcherlei Ramsch trennen. Die Industrie freut sich an diesem Ausmusterungstrend, denn morgen verkauft sie uns den gerade ausgemusterten Ramsch aufs Neue, meist noch ein bisschen schlechter produziert, ein bisschen weniger beständig, als das vor kurzer Zeit Entsorgte.

    Gerade bei Bekleidung ist das ein tolles Motto, dass man alles wegschmeissen soll, was man seit einem Jahr nicht mehr getragen hat. Um so mehr langweilige und ewig gleiche Shirts kann man uns danach wieder verkaufen. Wieso man beim Aussortieren Geld sparen soll, ist mir ein Rätsel.

    Ich trage fast nur Second-Hand-Klamotten und profitiere vom Wegwerfwahn meiner Zeitgenossinnen. Manche Second-Hand-Kleidungsstücke habe ich seit ich 12 war, und ich trage sie immer noch. Das war eben damals noch eine ganz andere Stoffqualität und nicht für die Tonne produziert.

    Ich gehe gerne über Flohmärkte und bin erstaunt, was alles leichtherzig weggegeben wird, oft in völliger Unkenntnis des Materials, der Herkunft oder Bedeutung der Dinge, die abgegeben werden.

    Wir sind nun mal angewiesen auf die Dinglichkeit der Welt und alle digitalen Welten können diese nicht ersetzen. Spätestens wenn der Stecker gezogen wird, werden wir das zu spüren bekommen. Welches Buch will man dann noch auf seinem Reader lesen?

    Ich bin sicher nicht der Meinung, dass man niemals ausmisten soll. Natürlich ist das notwendig! Aber ich glaube einfach nicht, dass dieser Askese-Trend, der uns ein Leben in Schuhkarton-Wohnungen schmackhaft machen soll, die alle mit den gleichen Möbeln vom gleichen Hersteller ausgestattet sind und eine aufdringliche Übersichtlichkeit ausstrahlen, das Leben wirklich einfacher macht. Und ich finde durchaus Trost in der Schönheit eines Gegenstandes, wenn es mir mal nicht so gut geht. Denn Gegenstände erzählen auch etwas, sonst gäbs ja keine Kunst.

  12. Ein sehr interessanter Post, der mir nach wie vor aus der Seele spricht! Man kauft sich so viele Dinge, die man dann wieder aussortieren soll um Minimalist zu sein… Ich bereue es bei vielen Dingen auch, diese verkauft oder weggeschmissen zu haben, denn manche Sachen bekommt man einfach nicht mehr wieder! Meine alten Ordner vom Abi zum Beispiel und die Kugelschreiber, die ich weggeworfen habe, hätte ich jetzt so gerne wieder, einfach nur, um meine damalige Schrift und Aufschriebe wiederzusehen und mit den Kugelschreibern verbinde ich auch Urlaube und Vergangenes (außerdem hätte man die ja nochmal befüllen können) :( Und ich habe mal meine Glasperlensammlung für lächerlich wenig Geld verkauft… Ich könnte mich jetzt immernoch dafür erschlagen, es hat so lange gedauert, bis ich das alles zusammen hatte und wenn man es neu kauft ist es 1. nicht das gleiche 2. oft nicht möglich es wiederzubekommen und 3. doppelt ausgegebenes Geld… Minimalismus ist nichts für mich, Horten aber natürlich auch nicht…

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