Im September waren wir zwei Wochen im Urlaub, ich habe also noch mehr gelesen als sonst so üblich.
Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit
Harari erzählt die Geschichte der Menschheit von der Stein- bis in die Neuzeit. Tatsächlich fand ich vor allem die frühen Kapitel sehr spannend und erkenntnisreich. Danach wurde es irgendwann etwas schnell und verwirrend, vielleicht habe ich aber auch nur zu schnell gelesen, das mache ich gerne so, ich vergesse auch immer schnell wieder, was ich so alles gelesen habe, bei Sachbüchern ist das nicht immer von Vorteil. Aber die interessantesten Dinge bleiben trotzdem hängen und so weiß ich jetzt, dass sich die ersten Bauern vermutlich weniger gesund und ausgewogen ernährt haben wie ihre Vorgänger, die noch gejagt und gesammelt haben. Und man kann sich eben die Frage stellen, ob Fortschritt immer so super ist, aber das fragen wir uns ja sowieso dauernd.
Meike Winnemuth: Um es kurz zu machen: Über das unverschämte Glück, auf der Welt zu sein
Dass Meike Winnemuth eine tolle Frau ist, die tolle Sachen macht, um dann tolle Bücher darüber zu schreiben, das muss ich hier hoffentlich keinem erzählen. Das hier ist eine Sammlung ihrer Kolumnen aus diversen Zeitschriften. Ich habe das stilecht auf einem kleinen Strandstühlchen im Sand am Meer gelesen. Das liest sich zackig durch, na komm, eine Geschichte noch, huch, Buch zu Ende! Ein Buch zum Glücklichmachen. Gelacht habe ich auch. Eine ausführliche Rezension folgt.
Ned Beauman: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort
Vom Klappentext her hatte ich wirklich eine komplett andere Geschichte erwartet, irgendwas vollkommen absurdes mit Teleportationsmaschinen und so weiter. Tatsächlich kommt eine Teleportationsmaschine vor, diese ist aber nur der Aufhänger für die Geschichte von Egon Loeser, erfinderischer Bühnenbilder und überzeugt davon, dass die Welt ihm noch irgendwas schuldig ist. Dieser trifft im Berlin des Jahres 1931 auf einer Party auf seine ehemalige Nachhilfeschülerin Adele Hitler (keine Verwandtschaft) und ist von da an von dem Gedanken besessen, eben diese ins Bett zu bekommen. Was sich schwieriger rausstellt als gedacht, so dass Egon Loeser von Berlin über Paris bis nach Los Angeles jagt, immer auf der Suche nach Adele und immer vom Pech und dem Gefühl verfolgt, alle anderen hätten es besser als er. Das macht den Protagonisten nicht unbedingt sympathischer, das Buch ist aber dennoch ein großer Spaß und tatsächlich doch noch schön absurd, nur eben nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe.
Megan Shepherd: The Cage
Im Urlaub abends angefangen und durchgelesen. Wie spät es dann war, weiß ich nicht, ich habe absichtlich nicht auf die Uhr geschaut. Das spricht schon mal für das Buch. Die Geschichte: Fünf Jugendliche wachen in einer seltsamen Umgebung auf. Alles ist da: Wüste, Meer, Wald und eine kleine Stadt, in der sie versorgt werden, aber was sollen sie hier? Ab hier gibt es Spoiler, also aufgepasst: Tatsächlich sind die fünf Teenager gefangen in einem Habitat von Außerirdischen. Was der Plan ist, das verrate ich jetzt natürlich nicht. Das Buch ist offensichtlich ausreichend spannend, sonst hätte ich es ja nicht in einem Zug gelesen. Die Geschichte wird gut durchgezogen und hat alles, was eine ordentliche YA-Science-Fiction braucht, da kann man nicht klagen. Aber: Ich war bis zum Schluss nicht sicher, ob mir das alles nicht zu absurd ist. Wirklich erklären kann ich nicht, was mich gestört hat, es war eher so ein dumpfes Gefühl, dass ich hier als Leser etwas zu leicht um den Finger gewickelt wurde. Auf der anderen Seite wurde ich ordentlich unterhalten, also ist es vielleicht auch egal. Eine deutsche Übersetzung konnte ich bislang nicht finden, kommt aber bestimmt auch.
The Cage von Megan Shepherd, erschienen 2015 bei Balzer & Bray, 405 Seiten [Amazon-Werbelink]
Maximilian Buddenbohm: Zwei, drei, vier: Wie ich eine Familie wurde
Es bot sich an, auch mal etwas von Herrn Buddenbohm zu lesen. Das heißt, ich lese ja dauernd etwas von Herrn Buddenbohm, nur eben in seinem Blog und nicht als Buch. Letzteres kann man aber auch schön machen. In diesem Buch schreibt Maximilian Buddenbohm davon, wie er die Herzdame kennenlernte, sie heiratete und mit erst dem einen und dem anderen Sohn eine richtige Familie mit allem drum und dran wurde. Auch für Leute wie mich, die ja dank Blog das Gefühl haben könnten, eh alles zu wissen, standen da noch viele neue Dinge drin. Und amüsant war es auch noch, aber das sind wir ja aus dieser Ecke nicht anders gewohnt.
Naomi Novik: Uprooted
Sehr schöne Fantasy, wirklich, das habe ich – das kann ich schon mal vorwegnehmen – sehr gerne gelesen. Alle zehn Jahre kommt der Drachen von seiner Burg und wählt ein junges Mädchen aus, dass für zehn Jahre bei ihm bleiben wird. Was in diesen zehn Jahren passiert, weiß niemand, aber alle im Dorf wissen, dass Kasia die Auserwählte sein wird. Kasia, die schöne, kluge. Auch Agnieszka, Kasias beste Freundin, weiß das. Und dann kommt natürlich alles anders, man verrät wirklich überhaupt nichts, wenn man sagt, dass der Drachen (der kein Drachen ist, sondern nur ein geheimnisvoller Mann) Agnieszka auswählt. Denn die Geschichte geht dann in eine völlig andere Richtung, als man so gewohnt ist. Das ist alles sehr schön geschrieben, sehr dicht und spannend. Auch so ein Buch, bei dem ich mit dem Lesen nicht aufhören wollte.
Uprooted von Naomi Novik, erschienen 2015 im Del Rey Verlag, 448 Seiten [Amazon-Werbelink]
John Green: Paper Towns
John Green mal wieder. Den schätze ich ja schon wegen seiner Videos für Mental Floss. Seine Jugendbücher gehen ja auch weg wie warme Semmel und werden dann verfilmt und gehen dann noch mehr weg wie warme Semmel. Paper Towns heißt in der deutschen Übersetzung Margos Spuren und kam auch kürzlich in die Kinos. Quentin ist seit jeher in seine Nachbarin Margo verliebt, in der High School gehört er aber eher zu den Außenseitern, während Margo zu den hippen Leuten gehört. Dann steht sie eines Tages bei ihm am Fenster und fordert ihn auf, ihr bei einem kleinen Rachefeldzug zu helfen, der sie eine Nacht lang quer durch die Stadt treibt. Am nächsten Tag ist Margo verschwunden. Quentin ist davon überzeugt, dass Margo ihm Spuren hinterlassen hat, die ihm zeigen, wo sie ist und begibt sich mit seinen Freunden auf die Suche. Das Buch endet lustigerweise sehr antiklimaktisch und man muss ein bisschen nachdenken, bis man versteht, dass es vielleicht nie um Margo ging, sondern um das, was Quentin bewegt, um sie zu finden. Sehr solide Jugendliteratur, da muss man sich um die Jugend von heute nicht sorgen, wenn sie wirklich sowas liest.
Ingrid Jonach: When the World was Flat (and we were in love)
Noch mal YA-Science-Fiction. Girl meets boy. Boy ist etwas schwer zugänglich, yadayadayada, hatten wir alles schon, liest sich aber in diversen Variationen ja immer ganz flockig, gerade im Urlaub. Wenn es dann zum Science-Fiction-Teil kommt, wird es irgendwann meines Erachtens etwas unlogisch, vielleicht habe ich aber nur nicht aufgepasst. Die Pointe kann ich dann auch wieder nicht vorwegnehmen, deswegen darf hier auch wieder kein Buzzword fallen, denn dann wäre schon wieder alles verraten. Ich hab’s gern gelesen, trotz bekannten Mustern und anfechtbarer Logik. Man liest das so runter und ist dabei gut unterhalten, mehr will man ja manchmal gar nicht. Die Kindle-Version kostet auch nur 2 Euro, da kann man wirklich nicht meckern.
Armin Maiwald: Aufbau vor laufender Kamera
Die Autobiografie von Armin Maiwald. Anfang des Jahres waren wir bei der Lesung, das war schon sehr interessant. Maiwald ist übrigens der, der Die Sendung mit der Maus erfunden hat. Ich bin immer wieder irritiert, dass niemand den Namen kennt und ich das jedes Mal erklären muss. Maiwald schreibt also alles auf, von seiner Kindheit im und nach dem Krieg, von den ersten Schritten beim Fernsehen, von seiner Familie und überhaupt allem. Man lernt eine Menge über die Geschichte des Fernsehens, man ahnt ja gar nicht, was früher alles nicht oder nur mit sehr viel Aufwand überhaupt funktionierte. Man lernt auch eine Menge über Köln. Maiwald schreibt ungefähr so, wie er auch seine Sachgeschichten erzählt. Bei jedem anderen Autoren hätte mich das vielleicht verwirrt, hier passt es. Sehr tolles, persönliches Buch.
Mathias Malzieu: Der kleinste Kuss der Welt
Ein schönes kurzes Märchen voll mit wunderbaren Sätzen. Das bisher beste Buch von Mathias Malzieu. Ich habe hier darüber geschrieben.
Inger-Maria Mahlke: Wie ihr wollt
Eines der Bücher, dass mir beim Anlesen der Bücher auf der Longlist des Deutschen Buchpreises gut gefiel und dann noch auf die Shortlist kam. Erzählt wird die Geschichte von Mary Grey, die bei der englischen Königin in Ungnade fiel und seit Jahren Hausarrest hat. Mary Grey erzählt selber und schreibt in ihrer Gefangenschaft ihre Geschichte auf, die letztlich auch die Geschichte des Kampfs um die Macht ist. Das Ganze ist auf der einen Seite ganz flott und amüsant erzählt, allerdings kommt man durch Zeitsprünge und etwas verwirrende Bezeichnungen der weiteren Verwandtschaft schnell durcheinander und muss entweder mit der Verwirrung leben oder dauernd bei Wikipedia nachschlagen. Da hilft auch der Stammbaum oder das kurze Personenregister im Buch nicht so viel. Zudem bleiben die Figuren (was auch an der allgemeinen Verwirrung liegt) sehr unnahbar. Was zurückbleibt: Das ganz gute Gefühl, dass man selber nie und nimmer in die Intrigen einer Königsfamilie verwickelt sein möchte. Ein gutes Buch, doch doch, man muss sich eben drauf einlassen. Ob’s für den Buchpreis reicht, keine Ahnung, ich habe die anderen Bücher nicht gelesen und auch vermutlich einen anderen Geschmack als die Juroren. Ungewöhnlich und – um mal ein Klischee zu bedienen – mutig ist es allemal.
Danke für die Tipps!
Wenn irgendwas auf einer Liste für den Buchpreis steht, ist das für mich immer ein Hinweis, das Buch _nicht_ zu lesen. Der Buchpreis und ich, wir haben einfach unterschiedliche Qualitätskriterien, wie mir scheint.
Ich probiere ja gerne neben meinen bekannten Präferenzen mal was Neues aus. Ich habe, glaube ich, vorher noch nie ein Buchpreisbuch gelesen, man will ja auch mal wissen, ob man eventuell was verpasst. (Die Befürchtung bleibt: Nein, vermutlich nicht.)