Ein Thema, das das Internet (oder zumindest mein Internet) aktuell beschäftigt, ist der Spülsexismus. Ausgehend von dem Comic „You Should’ve Asked“ von Emma, die auch den schönen Begriff mental load erklärt, habe ich mehrere Artikel gelesen, die das Problem der Arbeitsteilung im Haushalt angingen. Es geht hier im Wesentlichen um die Frage, wie selbstverständlich wer in welchem Maße was tut und eben auch darum, ob klassische Hausarbeit immer noch hauptsächlich von Frauen erledigt wird.
Ich finde dieses Thema sehr spannend. Grundsätzlich habe ich mit meinem Mann Glück gehabt und würde behaupten, dass bei uns die Arbeit prinzipiell gerecht aufgeteilt ist. Wir haben auch keine Kinder, was vieles vereinfacht. Aber ich habe auch in den letzten Jahren gelernt, bei bestimmten Sachen loszulassen und Aufgaben abzugeben und dafür andere Dinge öfter zu übernehmen. Dieser Prozess ist überraschend schwierig, denn man muss auf einmal damit klarkommen, dass nicht alles genauso gemacht wird, wie man es selber machen würde. Hat man diesen Schock aber einmal überwunden, setzt die Phase der Erleichterung ein, aber dazu kommen wir später noch.
Was mich an vielen Beiträgen zu diesem Thema stört ist, dass sich alle einig sind, dass es so nicht gut ist und dass man auch relativ sicher ist, dass es nicht reicht zu diskutieren, allerdings konkrete Lösungsansätze fehlen. So dreht man sich dann im Kreis der Problembestätigung und kann so sicherlich auch ein paar Jahre weitermachen, nur ist damit natürlich auch niemandem geholfen. Deshalb an dieser Stelle ein paar Erfahrungen und Hinweise, wie man vielleicht doch ein paar Schritte vorwärts kommt.
Das Wort „Helfen“ verbannen
Der erste Schritt besteht darin, dass Wort helfen in Bezug auf Alltagsaufgaben aus dem Wortschatz zu verbannen. Nein, der Partner „hilft“ einem nicht, er erledigt seinen Teil der Aufgaben.
Natürlich gibt es durchaus auch Situationen, wo das Wort angebracht ist, aber eben für sehr konkrete Bitten, vor allem, wenn es um Dinge geht, die man wirklich nicht alleine erledigen kann, das schwere Paket die Treppe hochtragen zum Beispiel oder das Brett festhalten, während der andere eine Schraube reindreht.
Ansonsten wird ab sofort nicht mehr geholfen, nicht mehr beim Spülen, nicht beim Putzen, nicht beim Aufräumen, nicht bei der Wäsche, nicht beim Kinder-ins-Bett-bringen und auch sonst bei keiner Alltagsaufgabe.
Vor kurzem geisterte ein englischer Facebookbeitrag eines Mannes durch meine Timeline, der sinngemäß (ich finde den Beitrag leider nicht mehr, für Hinweise bin ich dankbar) sagte: Ich helfe meiner Frau nicht. Das ist zu fünfzig Prozent meine Wohnung und mein Haushalt, also ist es auch zu fünfzig Prozent meine Verantwortung.
Menschen sind unterschiedlich
Ich putze nicht. So. Jetzt ist es raus.
Ich putze nicht, weil ich einen Partner habe, der ein anderes Sauberkeitsbedürfnis hat und in der Zeit, die ich brauche, um etwas als dreckig wahrzunehmen, schon drei Mal drüber gewischt hat. Das war lange Zeit ein großes Konfliktthema, denn für ihn existierte ein Problem, das in meiner Welt nicht existierte. Für ihn existierten sogar zwei Probleme, nämlich erstens, dass es dauernd dreckig war und zweitens, dass ich mich irgendwie nicht dafür interessierte. Es hat überraschend lange gedauert, bis wir verstanden habe, warum wir uns nicht verstanden haben.
Für ihn war es vollkommen unverständlich, dass ich den Dreck nicht wahrnehmen würde und für mich war es unverständlich, dass er dauernd unzufrieden war, obwohl die Wohnung doch sauber war. Es hilft dann tatsächlich, darüber zu sprechen, allerdings am besten in einer Situation, wo nicht eine Person gerade wieder genervt ist, weil sie etwas tun musste, was der andere doch auch hätte machen können. Das Geheimnis ist: Der andere hat es einfach nicht als zu behebenden Missstand wahrgenommen. Nicht aus Bosheit, noch nicht mal aus Faulheit oder in der Gewissheit, dass der andere es schon erledigen würde, sondern einfach, weil er oder sie es nicht wahrgenommen hat.
Beziehungsarbeit ist eben auch, die Bedürfnisse des Partners kennenzulernen und zu respektieren. Was einen selber stört, empfinden andere nicht als störend, dafür sind sie furchtbar von Dingen genervt, die einem selber komplett egal sind. Es ist dann auch vollkommen unerheblich, ob man die Bedürfnisse des anderen nachvollziehen kann, man muss sie nur verstehen und respektieren und in seinen eigenen alltäglichen Handlungen berücksichtigen.
Ich weiß jetzt, dass meinen Mann die Krümel auf dem Tisch nerven, deswegen wische ich einmal drüber, obwohl ich selber auch mit einem ungewischten Tisch prima klarkommen würde. Dafür achtet er darauf, dass das Besteck zusammenpasst, wenn er den Tisch deckt, weil ich sonst noch mal in die Küche laufen und neues Besteck holen muss.
Einfach mal nicht machen
Eine einfache Lösung, die aber oft nicht gesehen wird ist, Dinge einfach nicht mehr zu tun. Das ist auch zugegebenermaßen nicht so einfach, wie es am Anfang klingt, denn je nach charakterlicher Disposition muss man so ein Nichtstun auch aushalten können. Man kann zum Beispiel im Kleinen anfangen und einfach mal nicht die leere Toilettenpapierrolle wegschmeißen und eine neue dranhängen. Das ist eine einfache Übung, um erst mal zu gucken, was passiert, wenn man etwas nicht tut. Im nächsten Schritt räumt man halt nicht die liegengebliebenen Klamotten vom Boden auf und schmeißt sie in den Wäschekorb. Oder – wenn man noch ausreichend saubere Kleidung hat – man wäscht halt mal einfach nicht. Oder eben: Man kauft halt mal nicht ein.
Was man nicht tun kann und was sich für diese Übung doch nicht so gut eignet, ist individuell und hängt auch von den Lebensumständen ab. Man kann die Konsequenzen vorher Gott sei Dank grob abschätzen. Wenn man nicht einkauft, muss man sich an den Vorräten bedienen, hungern, Pizza bestellen oder auswärts essen. Das klappt deutlich besser, wenn man keine Kinder hat (wobei die das mit der Pizza vielleicht gar nicht so schlimm fänden). Wenn man die Wäsche nicht wäscht, sind irgendwann keine sauberen Unterhosen mehr da. Im besten Fall ist der eigene Unterhosenvorrat größer, so dass der Partner schneller den Leidensdruck der nicht gewaschenen Wäsche zu spüren bekommt. Auch in dem Fall funktioniert es vermutlich besser, wenn man keine Kinder hat und es nur darum geht, ob der Partner mit einem hässlichen Hemd und Koalabärsocken ins Büro muss.
Dinge nicht zu tun ist anstrengend, gerade, wenn man sie vielleicht gar nicht so ungern macht, es wenig Aufwand wäre oder man eben selber unter den Konsequenzen leidet. Gerade deswegen ist diese Lösung so unbeliebt. Im schlimmsten Fall hat man einen Partner, den die Unordnung tatsächlich nicht stört und genug Geld, um jeden Abend Pizza zu bestellen, dann setzt auch der erwünschte Lerneffekt nicht ein und man muss sich etwas anderes überlegen. Im Normalfall stört es den anderen aber schon, lediglich die Leidensdruckschwelle ist etwas anders justiert.
Es hilft übrigens, wenn man selber ausreichend faul ist und einem das Nichtstun nur in seiner Konsequenz, aber nicht so sehr als Handlung per se stört. Man darf sogar schummeln und die eigenen Unterhosen waschen oder nur genau die Sachen einkaufen, die man selber mag. Das eigentliche Ziel der Übung ist, dass der andere selber auf die Idee kommt, etwas zu erledigen und es eben genau nicht gesagt bekommen muss.
In dem Artikel „Spülsexismus oder: Der sieht das einfach nicht“ von Mareike Döring heißt es:
Letztlich entsteht hierdurch aber auch ein Machtungleichgewicht. Wenn man sich mit Frauen* über das Zusammenleben mit Männern* unterhält, hört man nicht selten einen bestimmten Satz: «Der sieht das einfach nicht». Das ist nicht unbedingt als Anschuldigung gemeint, sondern eher der Ausdruck von Frust, der entsteht wenn jemand eine Woche lang über einen vollen Müllsack im Flur steigen kann. Im Grunde gibt es dann nur zwei Wege: 1. Man macht es eben doch selbst (auch wenn man sich vorgenommen hat es diesmal nicht zu tun) oder 2. Man weist darauf hin. Aber in beiden Fällen liegt die Verantwortung bei der aktiven und die Macht bei der passiven Partei.
Ich möchte hier noch einen dritten Weg vorschlagen: Den Müllsack stehen lassen, bis sich die Nachbarn beschweren. Das klappt auch nicht immer und kommt ein bisschen auf die eigene Geruchsempfindlichkeit und die Nachbarn an, aber der Weg existiert. Bei welchen konkreten Anlässen man ihn beschreitet und ob er immer zum Ziel führt, ist eine andere Frage.
Nicht verbessern
Hier kommt die zweite Durchhalteprüfung: Wenn der Partner tatsächlich Aufgaben erledigt, die vorher in den eigenen Zuständigkeitsbereich fielen, darf man nicht als großer Experte auftreten und zeigen, wie es richtig geht. Ich kann es nur aus eigener Erfahrung sagen. Da steht man nämlich gerade tapfer und eifrig dabei und tut etwas, was man vorher noch nie oder nur sehr selten gemacht, versucht ernsthaft sein Bestes und bekommt erstmal ein „Du machst es ja ganz falsch. Guck mal, wenn du es so machst wie ich, dann…“ zu hören.
Ich bin eine erwachsene, insgesamt sehr ausgeglichene Frau mit durchschnittlichem Geduldsfaden, aber auch bei mir dauert es dann ein niedrige Sekundenzahl, bis ich „Dann mach die Scheiße doch selber, wenn du es eh besser kannst!“ rufe und erbost Dinge auf den Boden werfe. Für die meisten Haushaltsaufgaben gilt sowieso: Es gibt meistens gar kein richtig und falsch, es gibt nur ein anders. Weil man aber etwas jahrelang alleine auf eine bestimmte Art erledigt hat, unterliegt man dem Irrglauben, das wäre die einzig richtige Art es zu tun.
Man kann die Wäsche anders aufhängen, die Spülmaschine anders einräumen und im Supermarkt andere Dinge kaufen. Man kann das Wohnzimmer von links nach rechts oder von vorne nach hinten saugen und die Papierstapel im Arbeitszimmer nach unterschiedlichen Kriterien sortieren. Natürlich gibt es auch richtig und falsch, aber darum geht es beim Korrigieren meistens nicht. So gerne wir möchten, dass der andere dies oder das auch mal erledigt, so schwer fällt es uns, zuzusehen, wie er oder sie die Arbeit völlig anders angeht. Auch hier kann man erstmal nur aushalten, etwas verzweifelt die Hände wringen, aber um Gottes Willen nichts sagen, es sei denn, man sieht, dass der Wollpullover in der 60-Grad-Wäsche landet oder das nicht spülmaschinenfeste Geschirr von Oma in die Spülmaschine geräumt wird. Dann, und nur dann, darf man etwas sagen.
Sobald sich die neue, schönere, bessere und gerechtere Aufteilung etwas gefestigt hat, darf man übrigens auch was sagen. Sollte die eigene Arbeitsweise nämlich tatsächlich besser sein, wird der Partner die guten Hinweise auch als solche einschätzen können und wenn nicht, ist es sein eigenes Problem.
Bei mir war es vor allem das Einkaufen, das ich schlecht abgeben konnte. Als auszuführende Aufgabe schon, aber am liebsten mit dem exakt gleichen Ergebnis, dass auch bei mir rausgekommen wäre. Ich habe gelernt: Mein Mann kauft andere Dinge ein als ich, aber man kann sie genauso gut essen und verbrauchen. Wenn man das einmal verstanden hat, ist man sogar doppelt erleichtert. Man hat nämlich nicht nur das Einkaufen abgeben, sondern auch die Entscheidung, was gegessen wird. Natürlich sprechen wir uns auch ab, ob es konkrete Wünsche gibt, was fehlt und was noch besorgt werden muss, aber ich habe gelernt, dass ich auch „Kauf einfach, was du meinst“ sagen kann und mein Leben dadurch nicht schlechter wird.
Warum gut gemeinte Ratschläge auch in anderen Bereichen kontraproduktiv sein können, darüber haben Kathrin Passig und ich auch schon in der Wired geschrieben.
Automatismen und Pläne
Menschen und ihre Bedürfnisse können sich ändern, aber man kann nicht jede erwünschte Veränderung erzwingen. Ich nehme zum Beispiel Schmutz immer noch nicht so wahr, wie mein Mann es tut. Aber ich wische jetzt einfach grundsätzlich Tische und Oberflächen nach dem Kochen und Essen ab. Ich habe Automatismen entwickelt und mache jetzt Dinge, die ich vorher nicht gemacht habe, einfach in bestimmten Situationen.
Wenn Sensibilisierung nicht klappt, dann tun es auch Automatismen und Pläne, an die man sich halten kann. Dann wird eben nach dem Essen der Tisch abgewischt, am Samstag wird gewaschen und am Abend wird alles, was im Schlafzimmer auf dem Boden rumliegt in den Schrank oder den Wäschekorb gepackt. Dann ist eben der eine am Mittwoch mit Einkaufen dran und der andere am Freitag. Zack, aus. Auch hier gilt wieder: Reden hilft. Und wenn sich irgendeine Regel als unpraktikabel oder anderweitig unbefriedigend erweist, muss man sie eben neu machen. Patricia Cammarata hat sehr ausführlich in ihrem Blog darüber geschrieben, wie sie in ihrer Beziehung Aufgaben und Verantwortlichkeiten permanent neu aushandelt und wie auch hier der Einsatz von geteilten Kalendern und Zeitplanungsapps helfen, den Alltag gerechter zu organisieren.
Grundsätzlich ist das Zusammenleben mit einem (oder mehreren) anderen Menschen immer ein Rezept für Konflikte. Ich glaube auch daran, dass wir hier nach wie vor ein gesellschaftliches Problem haben, dass man nicht mit ein paar guten Worten und einem Standardrezept gelöst bekommt.
Es ist aber auch so, dass es nicht nur immer die andere Seite ist, die etwas tun muss, damit es besser wird. Ganz selten nur treten Veränderungen ein, weil man mal darüber geredet hat. Menschen lernen besser, wenn sie etwas konkret erfahren. Während man intellektuell schon längst kapiert hat, dass man auch mal die Wäsche machen, die Spülmaschine einräumen oder fürs Abendessen einkaufen könnte, tritt der richtige Verstehensprozess dann ein, wenn man nur noch die löchrigen Strümpfe im Schrank hat, kein sauberes Glas mehr im Schrank steht und man den dritten Tag hintereinander Nudeln mit Ketchup essen muss.
Will man Verantwortung abgeben oder zumindest besser aufteilen, dann bedeutet das auch erstmal Arbeit. Vieles davon ist mentale Arbeit. Man muss mit dem Partner reden und zwar so, dass es über „Du musst auch mal helfen!“ hinausgeht. Man muss sich zurückhalten, Dinge nicht tun, den eigenen Leidensdruck aushalten und dabei zusehen, wie Dinge anders getan werden und nichts sagen dürfen. Das ist schwieriger als es klingt, es ist viel einfacher „Na, dann mach ich es halt schnell selbst“ zu murmeln und in alte Verhaltensmuster zu fallen. Aber die Mühe lohnt sich. Ich wage sogar zu behaupten: Für alle Beteiligten.