Letzte Woche Donnerstag saß ich wieder am Flügel und habe gespielt und gesungen. Vor Leuten. Vor Leuten, die ich nicht kenne. Lieder, die ich geschrieben habe und Lieder, die andere Leute geschrieben haben.
Ich wollte eigentlich einen “Zum ersten Mal”-Artikel basteln, aber das wäre gleich mehrfach gelogen gewesen. Ich hätte ihn “Zum ersten Mal wieder auf der Bühne” nennen können, aber letzten Donnerstag war ich ja schon das zweite Mal wieder auf der Bühne. Und außerdem wäre das auch schon eine Spitzfindigkeit gewesen, denn ich war ja eben nur zum ersten Mal wieder auf der Bühne.
Zum ersten Mal auf der Bühne, und zwar nicht im Zusammenhang mit Schulaufführungen oder Musikschulvorspielen war ich mit 17. Vielleicht war ich auch schon 18, ich müsste noch mal den Flyer suchen, auf dem mein Name steht und dazu irgendwas wie “Singer-Songwriter aus Leverkusen” oder so. Ich hab den Zettel noch, sowas wirft man ja nicht weg. Ich war auf jeden Fall noch sehr jung.
Der allererste Auftritt lief so, dass ich irgendwo gesehen hatte, dass man im Domforum in Köln auftreten könnte, wenn man irgendwo anruft und sagt, dass man das möchte. Ich hab nicht angerufen, weil ich damals eine unglaubliche und völlig irrationale Anrufbeantworterphobie hatte. Ich hab eine Postkarte geschrieben. Das hat aber gereicht, so dass mich auf einmal jemand anrief und sowas sagte wie, hey, ja, du hast ja eine Postkarte geschrieben und willst du nicht dann und dann bei uns spielen? Und ich sagte ja.
Der erste Auftritt war toll. Alles war super, ich habe gesungen und Leute haben applaudiert und nachher haben wir Leute gesagt, dass das gut war und haben mich mit Menschen verglichen, deren CDs ich kannte und liebte und alles war toll. Meine Eltern waren nicht dabei, weil meine Eltern mich kennen und wussten, dass ich sowas erstmal alleine machen muss. Dafür hat meine Mutter einen Bekannten engagiert, damit doch irgendwer im Publikum ist, den ich kenne, falls doch irgendwas ist.
(Danach durften meine Eltern übrigens immer zugucken und zuhören und haben das auch gerne getan. Nur beim ersten Mal eben nicht.)
Aber alles war super. Und ich habe danach noch mal im Domforum gespielt und im Bonn im Café Tiferet (das es meines Wissens nicht mehr gibt) und im Bürgerforum Köln-Kalk. Ich besitze eine Kassette, eine Mini-Disc (für die ich kein Abspielgerät besitze) und eine CD von Auftritten und dem einen Mal, wo ich im Radio war.
Und dann wurde es auf einmal mehr mit Arbeit und weniger mit Musik und vor allem Auftritten und überhaupt habe ich festgestellt, dass es sauschwierig ist, in Deutschland Orte zu finden, wo man auftreten kann, ohne dass man gleich die ganze Technik selbst anschleppen muss. Ich habe zwei Gitarren und ein Klavier. Die Gitarren kann ich mitnehmen, das Klavier leider nicht, bzw. eines davon könnte ich sogar, aber dafür fehlt mir dann das Auto.
An all den Orten, wo ich bisher gespielt habe, gab es wunderbare Menschen, die mir geholfen haben, die sich um die Technik gekümmert haben, Kabel ein- und umgesteckt haben und mir sogar gesagt haben, ob was gut oder schlecht klingt und was ich machen muss, damit es besser wird, denn ich habe für sowas kein Gefühl. Ich kann Songs schreiben und covern. Ich kann am Klavier sitzen oder eine Gitarre in die Hand nehmen und ich kann das zumindest so ausreichend gut, dass andere Leute das gerne hören.
Um so glücklicher war ich, als ich rausgefunden habe, dass in der Frankfurt Art Bar in Sachsenhauen jeden Donnerstag Open Mic Night ist und dass die da sogar ein Klavier haben. Beim ersten Mal war ich nur da, um die Lage zu sondieren und ich war begeistert. Jeder darf 15 Minuten spielen, selbstgeschriebenes, gecovertes, mit Gesang und Instrumental. Alles ist wunderbar heimelig, es gibt Apfelwein, Whisky und Portwein und zu Essen auch. Und vor allem eben tolle Musik von vielen tollen Menschen, die manchmal direkt von der Arbeit kommen, um hier ein paar Minuten lang auf der Bühne zu stehen.
Aber es geht ja ums Lampenfieber. Ich kann gut mit Lampenfieber. Eben wegen der Schulaufführungen und der Musikschulvorspiele und weil ich gute Erfahrungen gemacht habe. Aber auch, weil ich weiß, dass einem eigentlich nichts passieren kann. Dass man, wenn man sich verspielt, einfach wieder anfängt und hofft, dass es keiner merkt. Dass man, wenn man sich hoffnungslos verspielt hat, das dann einfach sagt und noch mal neu anfängt. Und dass die meisten Leute es schon bewunderswert genug finden, dass man sich überhaupt auf so eine Bühne traut.
Das Lustige ist aber, man hat trotzdem Lampenfieber. Völlig egal, wie oft man das schon gemacht hat. Völlig egal, wie oft ich ein Stück schon gespielt hab und weiß, das kann ich jetzt, da mach ich keine Fehler und wenn schon, ist auch nicht so schlimm. Das Lampenfieber ist immer da. Es macht, dass ich hibbelig bin und nervös. Es macht vor allem, dass ich denke, ich müsste auf Toilette, was sich dann meistens als irrige Annahme entpuppt. Es macht interessanterweise nicht, dass ich Angst habe oder es mir auf einmal anders überlegen möchte oder auf einmal meine Fähigkeiten in Frage stelle. Dafür hab ich das dann wahrscheinlich doch schon zu oft gemacht.
So war das auch beim ersten Auftritt in der Frankfurt Art Bar. Ich bin als erste des Abends auf die Bühne geschlichen. Hab mich hingesetzt und ein paar Worte gesagt und dann hab ich gespielt. Ein Lied von mir, dann “Cross-Eyed Bear” von Damien Rice und dann noch eins von mir. Meine Hände haben gezittert und meine Stimme auch. Aber es war toll. Und es war gut. Und ich war den ganzen Abend noch high auf Adrenalin oder was das ist, was der Körper dann in Massen ausschüttet.
Beim zweiten Mal war’s schon besser, ich hab weniger gezittert und war auch ein bisschen weniger nervös, vielleicht auch deswegen, weil mich Leute wiedererkannt haben und ich mir gesagt habe, das ist bestimmt ein gutes Zeichen. Vielleicht auch, weil ich wieder ein bisschen mehr wusste, was ich da eigentlich mache. Weil es ein bisschen vertrauter war. Oder vielleicht auch nur, weil ich vorher mehr Apfelwein getrunken hatte.
Und es war wieder gut und beim nächsten Mal nehme ich vielleicht die Ukulele mit. Dann bin ich bestimmt wieder ein bisschen nervöser, denn mit Ukulele, das hab ich noch nie vor fremden Leuten gemacht. Das ist neu. Aber auf der anderen Seite, das Lampenfieber ist eh immer da, und es ist ein gutes Fieber. Es macht, dass ich vorher aufgeregt bin und nachher auch und vor allem macht es, dass ich mich freue wie blöd.
Es ist wunderbar, dass es solche Orte wie die Frankfurt Art Bar gibt, ich bin auch dankbar, dass es damals das Domforum gab, das mich zum ersten Mal auf die Bühne gelassen hat und all die Leute, die gesagt haben, ja klar, bei uns kannst du auch auftreten. Und wenn hier jemand noch gute Tipps hat, wo es ähnlich wunderbare Orte gibt, dann bitte alle her damit.
So ist das nämlich mit dem Lampenfieber. Es ist ganz furchtbar und schrecklich und gleichzeitig ganz wunderbar und es soll bitte auch nie weggehen. Denn wenn man nicht nervös ist, bevor man auf die Bühne geht, dann ist auch irgendwas nicht richtig.
Die Frankfurt Art Bar findet man im Ziegelhüttenweg 32 in Frankfurt-Sachsenhausen und jeden Donnerstag ist Open Mic Night und manchmal bin ich auch da.
Wäre zu gerne dabei gewesen und hätte dich mal wieder gehört. Sowohl die Podcasts als auch Jamie Affolk sind mir in sehr guter Erinnerung.
Re-Spekt, kann ich da nur sagen.
Ich habe irrationale Angst davor, vor anderen Leuten alleine zu singen. Das Instrumentelernen hab ich relativ bald aufgegeben. Ich bin Sängerin, nur halt im Chor. ;-)
Ich habe ja auch eine ausgeprägte extrovertierte Ader, das hat nicht jeder, ist wahrscheinlich auch gut so.
Aber ich glaube, dass mich vor allem die jahrelangen Musikschulvorspiele geprägt haben, da lernt man eben, dass einem eigentlich nichts passieren kann und man nachher eher stolz auf sich sein kann. Obwohl es auch andere Klavierschüler gab, die dann durchgesetzt haben, nicht mehr vorspielen zu müssen.