Meine Lieblingsfarbe ist übrigens hellgrün

Wer mich heute sucht, ich bin drüben im Blog von der Zeit und beantworte den Proust-Fragebogen für Blogger.

Fun Fact am Rande: Ich wollte bei „Lieblingsbeschäftigung offline“ eigentlich „Lesen, Reiten, Schwimmen“ schreiben, so als Anspielung auf das, was damals in diesen Freundebüchern immer so drin stand, aber ich befürchtete, dass mein subtiler Witz mal wieder missverstanden würde und dann alle dann dächten, meine Lieblingsbeschäftigungen wären tatsächlich Lesen, Reiten und Schwimmen und das Risiko war mir einfach zu groß.

Wer vom Fragebogen auf diesen Blog gekommen ist: Herzlich Willkommen! Ich freue mich sehr, Sie auf diesem kleinen Blog begrüßen zu dürfen. Bleiben Sie doch noch ein bisschen und stöbern Sie, bis der Tee fertig ist. Keks dazu?

Wenn Sie sich für Bahnhöfe interessieren, kann ich meine Rubrik „Deutschland, deine Bahnhöfe“ empfehlen. Möchten Sie lieber das Internet erklärt bekommen, so habe ich auch hier schon das ein oder andere Phänomen durchleuchtet. Falls Sie sich eher für meine dunkle Vergangenheit interessieren, so erfahren Sie hier, warum ich nie ein Pferdemädchen wurde oder hier, wie ich mal daran scheiterte, eine Bravo Girl ins Haus zu schmuggeln. Und wenn Sie lieber traurige Geschichten lesen, dann empfehle ich das hier.

Daily Music: Was heute vor zehn Jahren so im Domradio lief

Letztens suchte ich etwas im Keller. Und wo ich schon mal im Keller war, suchte ich auch gleich noch die CD mit der Aufnahme von mir im Radio raus.

Das war nämlich so: Ich war mal im Radio und zwar in einem sehr, sehr langen Feature über Singer-Songwriterinnen, wo ich richtig viel erzählen und Sachen live spielen durfte. Allerdings war das auch nicht im WDR oder so, sondern im domradio, das man damals, in Zeiten, als Livestreaming im Internet noch nicht verbreitet war, nur über Satellit oder ähnlichen Unsinn hören konnte, also im Prinzip gar nicht. Dafür kannte ich den Moderator, weil ich nämlich ein paar Mal im Domforum aufgetreten war und weil die Leute das auch irgendwie gut fanden, was ich da so machte, durfte ich ins Radio. Das war sehr aufregend und ich habe vermutlich wieder sehr viel wirres Zeug erzählt, aber ich habe auch Gitarre gespielt und gesungen und das war dann ein bisschen weniger wirr.

Dass das am 7. August 2003, also wirklich vor genau zehn Jahren war, wusste ich übrigens nicht, das stand aber auf der CD drauf, deswegen glaub ich das einfach mal. Ist also totaler Zufall, aber natürlich ein Supergrund, einen meiner liebsten Songs aus der Aufnahme rauszuschneiden, amateurmäßig mit Audacity etwas zu pimpen und dann hier auf den Blog zu packen. Die Gitarre ist leider zu leise, dafür hört man aber auch nicht so gut, wo ich mich verspiele. Man muss das positiv sehen.

Und nun, without further ado: Was vor zehn Jahren so im Domradio lief. Ich nämlich zum Beispiel:

[audio:https://anneschuessler.com/wp-content/uploads/2013/08/Wondering-Song.mp3] oder hier zum Download

(Und wenn jetzt über die schlechte Tonqualität gemeckert wird: Ich hab das hier mit Mühe versucht, habe aber völlig zu Recht nie eine Karriere als Audioingenieur angestrebt. Ansonsten komm ich einfach demnächst mit einer Aufnahme vom iPhone, Klavier und Gesang mit fiesem Rauschen, schlimmer geht’s nämlich immer.)

Absurde Radiosender oder warum ich manchmal WDR 4 höre und das ernst meine

Wer mir auf Twitter folgt, der wird es vielleicht schon mitbekommen: Zwischen 22 Uhr und Mitternacht kann es durchaus vorkommen, dass ich WDR 4 höre. WDR 4, den absurdesten Sender des Westdeutschen Rundfunks. Der Schlagersender. Konservativ. Irgendwo in der Zeit steckengeblieben. So jedenfalls sind die Vorurteile. Und eventuell stimmen sie sogar.

Ich kann das aber gar nicht beurteilen, ich höre ja immer nur zwischen 22 Uhr und Mitternacht und da kommt „Am Rande der Nacht – Musik zum Träumen“, die vielleicht beste Musiksendung der gesamten deutschen Radiolandschaft, genauso absurd wie der Sender, aber dafür umso wunderschöner. Da wechselt Schlager mit Chanson, folgt Jazzstandard auf irgendeine Orchesterversion irgendeines Klassikers, kommt Folk nach Tango und hastenichgesehn. Auch wenn man hin und wieder mal das ein oder andere Kitschzeug aushalten muss, hier habe ich die großartigsten Stücke gehört, die sonst nie irgendwo laufen würden.

Zum Beispiel habe ich hier vor einiger Zeit diesen seltsamen minimalisten Sprechgesangschanson entdeckt und am nächsten Tag sofort auf den iPod geladen. Ging gar nicht anders.



Francoise Hardy – Modern Times

Heute folgte „Sabine Sabine Sabine“ von Trio auf Astrud Gilberto mit irgendwas. Ist ja eigentlich egal, was Astrud Gilberto singt, es ist immer gut.

Und dann kam das hier: „Papis Wiegenlied“ von Heinz Erhardt. Sicher, irgendwann schon mal gehört, vor Jahrenden (eher: Jahrendendenden), aber vor allem direkt wieder verliebt. In das Lied und natürlich den Dichter und Interpreten.

Gäbe es die Musik zum Träumen auf WDR 4 nicht, ich hätte das ein oder andere musikalische Kleinod verpasst, schon allein, weil es oft so weit weg von dem ist, was ich sonst so höre, dass ich gar nicht wüsste, wie ich drüber stolpern sollte. Man kann das wirklich gut hören. Und wenn dann doch was von Tony Marshall läuft, oder das Showorchester ein bisschen zu kitschig reinhaut, geschenkt. Woanders kommt auch schlechte Musik, aber die ist dann noch nicht mal amüsant.

Eine Tüte Gemischtes

Ich habe da mal eine Frage.

Wenn ich zum Bäcker gehe, dann sage ich immer so was wie: „Zwei Brötchen, ein Röggelchen, ein Weckchen eine Micke und das war‘s.“

Geschätzt in 95% der Fälle beende ich meine Bestellung mit einer Variation von „und das war’s“. Ich sehe das als Serviceleistung, denn dann weiß der Bäckereifachverkäufer sofort, dass danach nichts mehr kommt, dass genau das in eine Tüte kommt und ich danach zur Abrechnung bereit sind.

In ebenso geschätzt 95% packt der Bäckereifachverkäufer die Sachen zusammen und fragt „Darf’s sonst noch etwas sein?“

Ist das Absicht? Verkaufsstrategie? Bekommen die das vom Oberbäcker so vorgeschrieben? Oder hören die mir einfach nicht zu?

Im Briefkasten war heute eine wunderhübsche Karte mit der schwedischen Kronprinzessin mitsamt Gatten. Auf der Rückseite war ein ebenso wunderhübsches Gedicht. EINE LYRIKPOSTKARTE! FÜR MICH! Die Karte kam von Barbara, die vor ungefähr 10 Jahren oder so bei der großen Buchverlosung gewonnen und das Buch mit in den Urlaub nach Schweden genommen hat. So Post könnte ich gerne öfter kriegen.

Postkarte

 

Gedicht

Die beste Idee der Woche kam von L., die bei der Besichtigung unseres Turmzimmers sofort sagte: „Da würd ich ne Bibliothek draus machen!“ Seitdem gedeihen in mir Pläne zur Umrüstung dieses bisher als Rumpelkammer genutzten Raumes zur Turmbibliothek. Dass wir darauf nicht selbst gekommen sind.

Irgendwas wollte ich noch schreiben, hab ich aber vergessen. Wird wohl nicht so wichtig gewesen sein.

Wie ich (zweimal) versuchte, ein Pferdemädchen zu werden und (zweimal) scheiterte.

Die wunderbare Silent Tiffy und ich drohten uns gegenseitig damit, Ernst zu machen und über unser Ponyhof- bzw. Pferdemädchentrauma zu schreiben. Frau Schöner meldete auch Interesse an. Also kann man eigentlich auch gleich eine Blogparade draus machen und dazu aufrufen, die eigenen Erfahrungen auf Ponyhöfen und in Reitschulen aufzuschreiben, ob gut oder schlecht spielt keine Rolle. Sollte das tatsächlich Anklang finden (ich glaube Dinge ja immer erst, wenn ich sie sehe), werde ich die Links zu allen Geschichten sammeln. Ansonsten eben nicht.

Auf Twitter ging es heute um Pferde und Leute wie mich, die irgendwann mal krampfhaft versuchten, Pferdemädchen zu werden, und dabei kläglich scheiterten. Ich war sogar besonders gut (eventuell auch besonders lernresistent), ich versuchte nämlich zweimal sehr krampfhaft, diese Sache da mit den Pferden und dem Reiten total gut zu finden und musste beide Male mit hängenden Schultern und unbequemen Reiterhosen geschlagen vom Felde ziehen.

Aber fangen wir am Anfang an. Als Mädchen wird man irgendwann mit Pferden konfrontiert. Wie genau das passiert, und warum das so ist, man weiß es nicht, aber spätestens im Grundschulalter schwirrt irgendwann dieses Phantasiebild des glücklichen Mädchens mit seinem treuen Begleiters herum. Man hat gefälligst Pferde gut zu finden und weil man es meistens nicht besser weiß, glaubt man dann wirklich, man fände jetzt Pferde gut. Eigentlich ist es dann zwar so, dass man Pferde trotzdem irgendwie unheimlich findet, viel zu groß und unberechenbar, außerdem beim Ponyreiten eher unbequem, mäßig spannend und mit einem großen und unberechenbaren Maul, mit dem sie einem auf große und unberechenbare Art und Weise Möhren aus der Hand schnubbeln.

Aber man hat ja Pferde gut zu finden. Sagen alle. Vor allem die anderen Mädchen in der Schule. Und die Pferdezeitschriften. Und das Fernsehen. Und die Bücher. Und überhaupt alle. Also lässt man sich ein bisschen wider besseres Wissen aber mit den größtmöglichen guten Vorsätzen auf einem Ponyhof anmelden. In meinem Fall war ich neun, es war in den Sommerferien vor der fünften Klasse und der Ponyhof war irgendwo im Münsterland. WO AUCH SONST?

Selbstverständlich hatte ich eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie das abzulaufen hatte. Ich würde da auf den Ponyhof fahren, mit vielen anderen Mädchen zusammen reiten, spielen, in einem Zimmer schlafen, wir würden alle supergute Freundinnen werden und ich würde in Nullkommanix sowohl Reiten als auch Pferde gut finden lernen. Ich kannte mich aus, ich hatte nämlich sehr viele Schneiderbücher gelesen und da sind immer alle Freunde (außer die doofen, aber ich war ja nicht doof) und Pferde waren da auch immer super. Ich war bestens vorbereitet.

Was ich nicht bedacht hatte, war die Realität. Vor allem die realen neun- bis zwölfjährigen Mädchen. Und die realen Pferde. Und das sehr, sehr reale Reiten. Wer leichtfertig „Das Leben ist kein Ponyhof“ sagt, der war wahrscheinlich noch nie auf einem Ponyhof. Aber ich war auf einem Ponyhof und ich kann ziemlich sicher sagen: Auf dem Ponyhof ist es scheiße. Der Ponyhof ist voller Mädchen, die alle älter sind als man selber, sowieso mindestens zu zweit gekommen sind, schon seit Jahren reiten und außerdem schon seit einer Woche auf dem Ponyhof und dementsprechend voll die Checker sind, die alles bestimmen dürfen. (Zum Beispiel auch, dass jetzt alle den ganzen Berg Nutellabrote aufessen müssen, weil die Ponyhofbesitzerin die alle geschmiert hat und deswegen darf nichts übrigbleiben. NICHTS! KEIN EINZIGES BROT! WEIL WIR DANKBAR SEIN MÜSSEN! UND DESWEGEN MÜSSEN JETZT ALLE BROTE ESSEN, BIS KEIN EINZIGES MEHR ÜBRIG IST. True story.) Wenn man da nicht über einen alles überstrahlende Persönlichkeit verfügt, hat man sowieso keine Chance mehr, in den Club aufgenommen zu werden und freut sich ungefähr nach zwei Tagen schon auf den Abreisetag.

Aber es sind ja nicht nur die Mädchen, da sind auch noch die Pferde. Große Pferde. Unberechenbare Pferde. Und auf denen soll man reiten. Reiten! Wer hat sich diesen Unsinn ausgedacht, dass man auf einem Ponyhof dauernd reiten soll? Auf Pferden! Der Ponyhof gehörte einer Frau mit drei Töchtern, die alle drei für die Reitstunden und anderweitigen Aufgaben zuständig waren und bis auf eine eher wenig Verständnis für neunjährige Mädchen aufbrachten, die mit der Gesamtsituation überfordert waren und mit dem Reiten und den Pferden auch ein bisschen.

Ja. Ich habe auf Pferden gesessen. Ich bin geritten, Schritt, Trab und Galopp, wobei Schritt okay war, Trab eine einzige Zumutung und Galopp zwar unheimlich, aber immer noch besser als Trab. Ich war sehr tapfer.

Wenn man dann den Tag über ausreichend viel zum Reiten genötigt wurde, musste man abends in den kleinsten und dunkelsten Indoorpool der Welt, bekam dann irgendwelche Brote vorgesetzt und wurde abends im Schlafsaal wieder von Chefcheckermädchen auf seinen Status als Nichtclubmitglied zurückverwiesen. Man merkt es schon: Ein einziger Spaß! Wenn man einem Kind das mit den Pferden möglichst schnell wieder austreiben will, dann schicke man es zu einem möglichst ungünstigen Termin (kurz vor Ende der Ferien) in möglichst jungen Jahren alleine auf einen Ponyhof. Das klappt dann schon.

(Meine Eltern trifft hier übrigens keine Schuld. Ich wollte es ja so. Mittlerweile weiß ich, dass meine Mutter mich liebend gerne von diesem Ponyhof befreit hätte, aber der Gedanke, mich vorzeitig abholen zu lassen, kam mir überhaupt nicht. Aus unerfindlichen Gründen habe ich solche Sachen immer relativ knallhart durchgezogen.)

Man hätte jetzt denken können, dass mich diese Erfahrung für immer vom Pferdefieber geheilt hätte. Aber so einfach ist das ja nicht. Also sollte ich noch mal scheitern, aber diesmal musste ich dafür wenigstens nicht in einem Schlafsaal voller doofer Mädchen übernachten. Es war nämlich so:

Auf dem Gymnasium in Köln waren wir in meiner Klasse neun Mädchen. Vier davon waren Pferdemädchen. Vier fanden Boygroups super. Eine war ich. Um jetzt wenigstens irgendwo dazuzugehören, musste ich mich entscheiden: Pferde oder Boygroups. Weil es mir ein bisschen vernünftiger vorkam und außerdem das netteste Mädchen der Klasse auch zu den Pferdemädchen gehörte, entschied ich mich für die Pferde und verkündete, jetzt auch Reiten zu lernen.

(An dieser Stelle ist übrigens der Aufhänger der ganzen Geschichte zu finden. Es kann nämlich gut sein, dass die Reitschule, die ich zum Zwecke der Pferdemädchenstatuserreichung besuchte, genau die Reitschule ist, die Wibke Ladwig von Sinn und Verstand regelmäßig aufsucht. Kann aber auch nicht sein. Es gab zwei Reitschulen bei uns, eine in Dünnwald und eine in Dellbrück und ich habe vergessen, wo ich Reitstunden hatte. Der Name kam mir aber ein bisschen bekannt vor.)

Anscheinend hatte ich zu diesem Zeitpunkt die Erinnerungen an den Ponyhof erfolgreich verdrängt. Statt dessen verbrachte ich ganze Sommer mit Simone, mit der ich in der Grundschule in einer Klasse gewesen war, in deren Garten. Dort hatten wir einen ganzen Springparcours aufgebaut und spielten stundenlang Ponyhof. Die Geschichten waren voller Dramen und Tragödien, hatten aber meistens ein Happy End. Irgendwer war immer fürchterlich unglücklich und rannte weg, kam in Regenschauer, stürzte und brach sich irgendwelche Beine. Zwischendurch gab es Turniere, die man gewann oder auch nicht. Manchmal konnte man auch nicht teilnehmen, weil man sich ja gerade ein Bein gebrochen hatte (DRAMA!). Auch an dieser Stelle möchte ich auf einen erhöhten Konsum von Schneiderbüchern und Wendyheften verweisen, der unsere Ponyhofdramen mit den notwendigen Klischees, Storystereotypen und Schockmomenten fütterte.

Selbstverständlich konnte ich auf dem Fantasieponyhof total gut reiten. Sogar springen und Wettkämpfe gewinnen! Alles war möglich. Es hatte nur eben relativ wenig mit echten Pferden zu tun.

Wenn man dann tatsächlich Reitstunden nimmt, dann hat das überraschenderweise erschreckend viel mit richtigen Pferden zu tun und ich durfte feststellen, dass diese Tiere noch genauso groß und unheimlich waren wie auf dem Ponyhof. Aber ich war wieder tapfer. Ich ging zur Reitstunde. Und dann noch mal. Und noch mal. Ich langweilte mich ein bisschen beim Schritt, litt ausdauernd beim Trab und stand kleine Todesängste beim Galopp aus. Ich ließ mich vom Reitlehrer anschnauzen und ritt Runde um Runde im Kreis, striegelte nachher das Pferd und kratzte mit Todesverachtung Hufe aus, immer die Angst im Nacken, den Huf gleich im Gesicht zu haben.

Es war relativ simpel: Ich war kein Pferdemädchen und ich würde wohl auch keines werden. Das Leben war kein Ponyhof, glücklicherweise. Vor allem aber war das Leben auf dem Ponyhof kein Schneiderbuch. Es war nicht voll von glücklichen Mädchen, die beste Freundinnen waren und gemeinsam auf dem Rücken ihrer Lieblingspferde wilde Abenteuer bestehen. Es war voll von Mädchen, die etwas toll fanden, das ich mit Argwohn beäugte. Reiten war nicht leicht und wundervoll, sondern schwer und schmerzvoll und zwischenduch ziemlich langweilig. Pferde wurden nicht auf magische Weise zu Wesen, zu denen ich eine tiefe Verbindung hatte, zu besten Freunden gar. Nein, sie blieben große, unheimliche und unberechenbare Tiere, die mich genauso misstrauisch von der Seite anschielten wie ich sie und die vermutlich genauso wenig wollten, dass ich auf ihrem Rücken saß, wie ich auf ihrem Rücken sitzen wollte.

Es war vorbei. Ich war kein Pferdemädchen und ich sollte auch nie mehr versuchen, eins zu werden.

(Ich glaube ja, dass ich meine Mutter mit der Entscheidung, doch nicht reiten zu wollen, sehr glücklich gemacht habe. Glücklicher war sie wohl nur, als ich entschied, nicht mehr im Kinderchor singen zu wollen und meinen Eltern so schlimme mehrstündige Weihnachtskonzerte ersparte.)

Nichtsdestotrotz kann ein kleiner Teil von mir die Faszination nachvollziehen. Ich gucke dann ein bisschen neidisch auf Leute, die im Einklang mit der Natur und dem Tier und mit was man sonst noch so im Einklang sein kann über Wiesen und Felder galoppieren. Nicht zuletzt weiß ich zumindest, dass das, was da so einfach aussieht, mal überhaupt nicht einfach ist, dass man, wenn man auf so einem Pferd sitzt, von oben bis unten und von hinten bis vorne durchgeschüttelt wird, dass so ein Pferderücken irrsinnig breit und unbequem ist und dass man sich nicht so einfach mal auf ein Pferd setzen und losreiten kann.

Mit diesem Wissen denke ich alle paar Jahre mal, dass man vielleicht doch mal Reiten lernen sollte, nur für den Fall, dass man sich irgendwann mal in einer Notsituation befindet und zufälligerweise aber ein Pferd in der Gegend rumsteht (vorzugsweise mit Sattel und Zaumzeug). Dann wäre es nämlich total praktisch, Reiten zu können. Zugegebenermaßen fällt mir aber kein guter Grund ein, wie es zu so einer Notsituation kommen könnte, und dann denke ich wieder an den Ponyhof und die Reitstunden und dann denke ich, dass ich vermutlich doch nicht noch mal Reiten lernen muss. Und dann ist alles gut.

Literarische Jugendsünden: Jonathan

Meine intensivste Schreibphase hatte ich so grob zwischen 15 und 19. Da habe ich tatsächlich eine ganze Sammlung Kurzgeschichten und anderweitigen Kram rausgehauen. Ich hatte sogar eine alte Schreibmaschine, auf der ich sehr intellektuös rumgeklackert habe, obwohl zwei Räume weiter ein durchaus funktionstüchtiger Computer stand, mit dem das natürlich viel einfach gegangen wäre. Oft trug ich dabei einen Hut. Fragensenich.

In dieser Zeit entstand auch die Geschichte, mit der ich dann in der elften Klasse prompt den Schreibwettbewerb der Schuld gewann. Das Thema war „Zeit“, ich reichte zwei Geschichten ein. Die eine gewann den dritten Preis, die zweite den ersten. Im nächsten Jahr durfte man nur noch eine Geschichte einreichen. Ich reichte ein und gewann selbstverständlich überhaupt nichts, denn während ich beim ersten Mal einfach spontan etwas geschrieben hatte und mir keinerlei Chancen ausgerechnet hatte, versuchte ich beim zweiten Mal irgendeinem erfundenen literarischen Anspruch zu genügen. Es musste scheitern.

Die Geschichte, die damals den ersten Preis gewann, die mag ich auch heute noch. Auch wenn ich heute nicht mehr alles so schreiben würde, schon allein, weil ich nicht mehr so übelst von J.D. Salinger beeinflusst bin. Nichts gegen Herrn Salinger, der schreibt tolle Sachen, man muss nur eben nicht genauso schreiben wollen. Aber so habe ich das damals geschrieben, mit 15 oder 16 und deswegen ist das auch gut so.

Und wer wissen will, womit man 1996 so Schulschreibwettbewerbe gewinnen konnte, der klicke sich weiter zur Geschichte.

(Ansonsten hier als PDF runterladen.)

„Literarische Jugendsünden: Jonathan“ weiterlesen

Über Arschlöcher und solche, die es mal gewesen sein wollen

Weiteres Update (10.06.2013): Nach einigen Stunden intensiven Ein- und Ausatmens und der ein und anderen Diskussion weiß ich jetzt, dass ich mich in den letzten Tagen passenderweise auch wie ein Arschloch verhalten habe. Also sei noch mal klargestellt: Weder Felix Schwenzel noch Robert Basic sind schlechte Menschen, sie sind vielmehr Arschlöcher wie du und ich. Vor allem wie ich. Ich bitte dies bei der Lektüre des Textes zu berücksichtigen und das Folgende vielmehr als eine nicht ganz unaufgeregte Textkritik auf ungerechtfertigter Eskalationsstufe zu lesen. An dieser Stelle häuften sich Missverständnisse und persönliche Empfindlichkeiten zu einem etwas zähen Brei, aus dem wir uns jetzt hoffentlich alle langsam befreit haben. Dass es soweit kommen musste, tut mir leid. Den Text lasse ich so stehen, quasi als historisches Dokument einer etwas unnötigen und nicht immer fairen Diskussion und bitte auch darum, es als eben solches zu lesen.

Kiki schrieb heute einen sehr berührenden Text darüber, wie es ist, jahrelang unter Arschlöchern gelitten zu haben. Arschlöcher wie Robert Basic zum Beispiel, der in einem vermutlich provokativ gemeinten Beitrag dazu aufruft, man solle doch bitte mal zugeben, dass man auch fiese Seiten hätte und nicht immer scheinheilig so tun, als wäre man ausschließlich perfekt und toll. Felix Schwenzel kam dieser Aufforderung auf gewohnt ironisch-provokative Art und Weise nach, sein Text liest sich dankbarerweise weniger schlimm, man weiß aber trotzdem nicht so richtig, was der Sinn des Ganzen sein soll.

Update: Nach neuesten Entwicklungen (s. Kommentare) glaube ich, die Ironie im Text von Felix Schwenzel deutlich besser erkennen zu können. Es ist aber wie so oft, Ironie im Internet ist so eine Sache, die manchmal nach hinten losgeht, vor allem, wenn es um Themen geht, bei denen vielen Menschen, also zum Beispiel auch ich, aus guten Gründen deutlich emotional reagieren.

Jetzt ich. Nein, ich bin kein Engel. Ich bin nicht perfekt und ich habe in meinem Leben durchaus auch schon mal Arschlochverhalten an den Tag gelegt. Wie vermutlich wirklich fast jeder. Aber im Gegensatz zu den Herren Basic und Schwenzel glaube ich nicht, dass eine Aufzählung meiner Arschlochtaten irgendeinen Nutzen haben könnte. Oder, um es anders zu sagen: Es bringt nichts, zu wissen, dass ich in dieser oder jener Situation ein Arschloch war, solange ich nicht kapiert habe, dass es falsch war, ein Arschloch zu sein.

Es gibt keine Entschuldigung für Arschlochverhalten, es sei denn, man spricht sie selber aus. Wenn ich zehn Mal ein Arschloch war, und andere Leute aber hundert Mal, dann macht mich das zwar global betrachtet zu einem kleineren Arschloch, was aber nichts daran ändert, dass die zehn Mal, wo ich mich nicht im Griff hatte, zehn Mal zu viel waren und ich im Zweifelsfall in jedem einzelnen Fall einen Menschen verletzt habe.

Eine Selbstverständlichkeit sind nicht die zehn Mal, wo ich ein Arschloch war, sondern die neunzig Mal, wo ich es nicht war.

Ich habe viele Jahre unter so Arschlöchern wie Herrn Basic und Herrn Schwenzel es angeben gewesen zu sein gelitten, Kindern und Jugendlichen, die sich zielstrebig ihr Opfer ausgesucht haben, vorzugsweise jemanden, der irgendwie anders war, sich nicht gut wehren konnte und auch ansonsten im Sozialgefüge einer Schulklasse eher hinten anstand. Anders als Kiki würde ich durchaus sagen „Es lag an mir“, denn es lag selbstverständlich an mir oder an dem, was die anderen in mir zu sehen glaubten. Der Satz muss anders lauten: „Es war nicht meine Schuld.“

Ich war so, wie ich war und das wurde in dem Moment zum Problem, in dem andere meinten, man hätte nicht so zu sein und wenn man schon darauf bestand, sich nicht anpassen zu wollen, dann gehöre das zumindest bestraft. Aus so einer Opferrolle kommt man übrigens nicht so einfach wieder raus. Sie wird einem aufgedrückt und sie bleibt da. Richtig schlimm war es nur phasenweise, die meiste Zeit waren es eher kleine Sachen, Bemerkungen am Rande. Im Sport immer als letzte gewählt werden. Klingt harmlos, ist aber auf Dauer und mit der Verlässlichkeit und Gnadenlosigkeit, mit der es passierte, auch Gift fürs kindliche Ego.

Interessanterweise weiß ich, dass es mindestens zwei meiner Mitschülerinnen genau so ging, dass auch da gezweifelt und verzweifelt wurde, dass Wut da war, die sich zu Hause entlud, wenn es niemand mitbekam. Solidarität ergab sich daraus nicht, denn man wusste wohl um so besser, was für ein Glück es war, wenn man selber nicht in der Schusslinie stand.

Ich würde zwar zurückblickend nicht sagen, dass ich gemobbt wurde, aber – und das ist das eigentlich Schreckliche – es hat ausgereicht, um mir bis heute nachzuhängen. Auch ich weiß noch genau, wer damals am schlimmsten war, ich kenne die Namen und ich denke regelmäßig daran.

Letztlich habe ich damals halb bewusst und halb instinktiv das einzig Richtige gemacht. Ich habe mich nicht angepasst. Augen und Ohren zu und durch. Und weil ich selbstbewusst genug war und Eltern hatte, die mir immer den Rücken gestärkt haben, habe ich keine Schaden genommen, im Gegenteil. Ich weiß, wo meine Stärken sind, ich weiß, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann und dass das Wichtigste ist, das zu tun, was ich für richtig halt und nicht das, was andere mir vorschreiben wollen. Aber ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man zu keiner Gruppe in der Klasse dazugehört, und die anderen es einen merken lassen.

Herr Basic schreibt nun: „Klar habe ich Scheidungskinder in der Grundschule in die Mitte unseren “netten” Gruppe gestellt, gehänselt, bis das Gegenüber geflennt hat. Klar habe ich es sogar mal geschafft, dass eine Schülerin nie wieder in unser ach so tolles humanistisches Gymnasium zurückkehrte, weil ich ein Mobbingspacko war.“

Und das ist genau der Punkt, an dem mir die Hutschnur platzt, denn: Das ist überhaupt nicht „klar“. Ich weiß auch nicht, wie man auf die Idee kommen könnte, dass das „klar“ wäre, es ist das Gegenteil von „klar“. Es ist asozial und erschreckend und Arschlochverhalten vom Feinsten. Und es hat vor allem nichts mit „authentisch“ zu tun, sondern ist reine Koketterie.

Schlimmer aber noch ist, dass man an keiner Stelle eine Entschuldigung liest. Es bleibt einfach im Raum stehen, als Selbstverständlichkeit mit einem impliziten „Sowas haben wir doch alle schon mal gemacht gebt’s doch zu“. (Was beide Herren an dieser Stelle auch vergessen ist: Für jedes Arschlochtäterkind gibt es mindestens ein Opferkind. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Und meistens gibt es leider mehr Arschlochtäterkinder als Opferkinder, denn alleine zu mobben traut sich ja keiner.)

Die Antwort ist glücklicherweise: Nein. Ich habe sowas nicht gemacht. Was nicht heißen soll, dass ich nicht auch schon mal ein Arschloch war, aber ich war nie daran beteiligt, andere von der Schule zu mobben und tatsächlich waren auch die schlimmsten Leute in meiner Schule nicht so schlimm drauf, als dass ich glaube, dass diese Gefahr bei anderen bestanden hätte. Und die Momente, in denen ich Arschloch war, die tun mir furchtbar leid. Ich schäme mich dafür, ich wünschte, ich könnte sie rückgängig machen, ich stelle mir vor, wie ich mich dafür entschuldige und weiß, dass ich es nicht mehr könnte und schäme mich dann noch mal. Kein einziger dieser Arschlochmomente war übrigens klar oder selbstverständlich. Bei jedem einzelnen hätte ich mich anders entscheiden können. Bei jedem einzelnen habe ich jemanden schlecht behandelt.

Vor einigen Wochen erhielt ich eine Mail von jemandem, der sich bei mir entschuldigte für eine Sache, die knapp neun Monate vorher passiert war. Das kam für mich aus heiterem Himmel, ich hatte soweit wie möglich mit der Sache abgeschlossen, wir hatten keinen Kontakt mehr. Es gab für mich keinen nachvollziehbaren Anlass für diese Mail, ich hatte nicht damit gerechnet. Und gerade deshalb fand ich das so bemerkenswert. Denn es ist einfach, sich zu Hause still im Kopf einzugestehen, dass man vielleicht einen Fehler gemacht hat. Sich dagegen aufzuraffen und sich konkret bei jemandem zu entschuldigen, ist etwas ganz anderes.

Richtiger Mut ist nämlich nicht, Arschlochverhalten aufzuzählen, sondern die Konsequenzen aus der Erkenntnis zu ziehen anstatt um eine Absolution durch Solidarität zu betteln.

Denn ja, wir sind alle mal Arschlöcher. Arschlochsein ist menschlich. Aber das macht die einzelne Arschlochtat nicht besser, nicht selbstverständlich, nicht „klar“. Und wer das nicht verstanden hat, und wie Robert Basic mit seinem Arschlochverhalten hausieren geht, weil er glaubt, dass es ihn authentischer (implizit: besser) macht, der hat ungefähr nichts dazugelernt und steckt noch immer ganz fest in den Schuhen eines Schulhofmobbingspackos.*

*Dass Herr Basic auf die Kritik an seinem Artikel mit beleidigtem Märtyrertum reagiert, stützt diese Vermutung.

Mehrere sehr gute Tipps, wie man sich als Social-Media-Kasper nicht komplett blamiert.

Das ist nicht der erste Beitrag, der zu diesem Schmuckstück deutscher Beraterschreibkunst geschrieben wurde, aber ich konnte die Finger leider doch nicht davon lassen.

Was bisher geschah: Wilko Steinhagen brachte mich via Twitter auf diesen Artikel, ich sprach eine dringende Leseempfehlung auf Facebook aus, der einige Leute folgten. Dann schrieb erst Ninia etwas darüber und dann Kiki. (Jetzt können Sie hier weiter lesen.)

„Tipps, wie sich Frauen in sozialen Netzwerken noch besser präsentieren“ bekommt man heute auf deutsche startups zu lesen, präsentiert von Peer Bieber, seines Zeichens Gründer von TalentFrogs.de, außerdem Berater, Social-Media-Experte und weiß-der-Teufel-was-noch. Wichtige Hinweise also, extra für uns Frauen, die wir ja schon einiges nicht ganz verkehrt machen, aber eben auch noch nicht alles ganz richtig. Aber dafür haben wir ja den Erklärpeer, der uns allen nur helfen will. Also uns Frauen. Männer brauchen das nicht. Oder jedenfalls nicht so doll.

Ich weiß gar nicht, wo man anfangen soll, den Artikel auseinanderzunehmen, denn er bietet so viele Ansätze, dass man sich gar nicht für den schönsten entscheiden kann.

Fangen wir mal bei den fünf Unterschieden an. Frauen laden weniger oft ein Profilbild hoch, sie tendieren eher dazu, ihre Softskills als die „harten Fakten“ zu benennen, sie interessieren sich in ihrer Freizeit für „klischeehaft weibliche“ Dinge, haben nicht so viele Kontakte und haben angeblich öfter (als Männer?) Lücken im Lebenslauf.

Nun gut, den ersten und letzten Punkt kann ich so aus meiner Erfahrung nicht bestätigen, allerdings bin ich auch kein Personaler und sichte nicht täglich hunderte von Lebensläufen und Bewerbungsschreiben. Mein Lebenslauf ist lückenlos, ich bin außerdem der letzte Mensch, der sich scheut, Bilder von mir hochzuladen, aber ich kann auch nur von mir selbst sprechen.

Dass ich nicht so viele Kontakte habe, wenn es denn so ist, liegt tatsächlich daran, dass mir nichts daran liegt, einen Kontaktberg von Leuten, die ich sowieso nicht kenne, anzuhäufen. Die Kontakte, die ich habe, und dazu zähle ich auch den ein oder anderen Recruiter, habe ich sorgsam ausgesucht. Ich gucke mir die Leute und ihre Profile eben an, wäge ab, ob mir der Kontakt zu dieser Person sinnvoll erscheint und drücke dann entweder auf „Bestätigen“ oder „Ignorieren“. Selbst wenn Peer Bieber mir weismachen will, dass sich potentiell JEDER Kontakt VIELLEICHT IRGENDWANN MAL als SUPERNÜTZLICH erweist, sorry, das mag in der Theorie total gut klingen. In der Praxis umgebe ich mich selbst auf eher professionellen Social-Network-Plattformen wie Xing oder LinkedIn bevorzugt mit Leuten, die ich auch irgendwie zuordnen kann, denn nur dann weiß ich auch, wann und warum es sich lohnen könnte, sie anzusprechen.

Dass mir das zum Nachteil gereichen könnte, zweifle ich an. Und die Recruiteranfragen der letzten Monate sprechen auch dagegen.

Da ich über keine nennenswerten sozialen Kompetenzen verfüge, erledigt sich der zweite Punkt für mich sowieso. Meine Liste ist voll mit Hard Skills. Aber man muss dann auch mal hinterfragen, mit was für einem Selbstverständnis Personaler und Recruiter ihre Arbeit machen, wenn sie über einfachste Filterkompetenzen nicht hinauskommen. Für meinen Beruf sind tatsächlich zunächst die harten Fakten sehr entscheidend, das fängt schon bei der Frage der Programmiersprache an. Bei vielen anderen Berufen sieht es aber anders aus. Auf was wird da bitte gefiltert? Word? Excel? Zehnfingerschreiben? Alles Dinge, die man heutzutage voraussetzen sollte und vermutlich sogar voraussetzen kann.

Mag sein, dass der Zustand, den Peer Bieber beschreibt, tatsächlich der Realität entspricht und es ratsam ist, sich schnell ein paar Hard Skills aus den Fingern zu saugen, um die filternden Personaler glücklich zu machen. Ich möchte dem Tipp, sein Profil in dieser Hinsicht zu überprüfen, noch nicht mal widersprechen, aber was für armselige Verhältnisse sind das denn bitte?

Anekdote am Rande: Ich sprach bei der letzten Jobsuche geschlagene anderthalb Stunden mit der Angestellten einer ziemlich großen Jobvermittlungsagentur. Wir gingen alle meine Skills durch, meine Vorstellungen von Aufgaben (Softwareentwicklung, am liebsten mit .NET bzw. C#) und Vertrag (festangestellt, Vollzeit), meine aktuelle Situation (festangestellt, zwei Monate Kündigungsfrist), alles im Detail, fast neunzig Minuten lang. Eines der ersten „Jobangebote“, die ich dann von dieser Agentur bekam, war für eine dreimonatige Projektarbeit mit JavaScript, Beginn in zwei Wochen. Nichts, aber auch GAR NICHTS von dem, was ich der Mitarbeiterin am Telefon erzählt hatte, kam bei diesem Angebot auch nur annähernd zum Tragen.

Was uns anekdotisch und exkursmäßig auch zu einer der Eingangsschockersätze bringt: Frauen können zwar super netzwerken (Lüge: Ich kann überhaupt nicht gut netzwerken!), aber wir kriegen drei Mal weniger Jobangebote. (Oder „Jobofferten“, wie Peer Bieber es auf beraterdeutsch ausdrückt.) Dazu muss aber vielleicht auch mal gesagt werden, dass nach meiner ganz persönlichen groben Schätzung auch zwei Drittel aller Jobangebote, die ich so bekomme, sehr zielsicher an meinem Profil vorbeigehen. Die Insistenz, mit der sich Recruiter an einzelnen Buzzwords festklammern, ohne sich das Gesamtprofil auch nur drei Sekunden lang anzugucken, ist schon beeindruckend und sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Aber weiter. Ich tanze nicht, und Yoga mache ich auch nicht. Würde ich meine Kerninteressen aufschreiben, so würde da „Lesen, Musik, Internet“ stehen. Wenig aussagekräftig, aber vermutlich zumindest nicht klischeehaft weiblich. Puh. Selbst „Kochen“ ist vermutlich ungefährlicher als „Reiten“, auch wenn „Kochen“ wahrscheinlich jeder von sich behaupten kann, während „Reiten“ tatsächlich sowas wie Disziplin und Ausdauer erfordert. Ganz schlimme Dinge also, im Berufsleben völlig fehl am Platz. Auch das, was ich vom Yoga so höre, scheint mir alles andere als harmlos zu sein und ich habe größten Respekt vor Leuten, die sich nach der Arbeit noch eine Stunde die Muskeln verdehnen, während ich nur auf dem Sofa rumliege und mich für „Politik und Wirtschaft“ interessiere, mich also auf Twitter über „Hart aber fair“ lustig mache.

Auch hier will Peer Bieber vielleicht gar nichts Böses. Er will wirklich nur helfen. Es bleibt sogar zu befürchten, dass er recht hat. Aber auch darauf gibt es nur eine vernünftige Reaktion: WIE BESCHEUERT IST DAS DENN BITTE? Wie billig denken denn Berater, Personaler, Recruiter und wie sie sich noch so nennen, wenn ihnen bei Tanzen, Yoga und Reiten nichts besseres einfällt als die ältesten Klischees der Welt auszupacken? An welcher Stelle gibt es irgendein stichhaltiges Argument dafür, dass „Tanzen“ schlechter ist als „Fitness“, „Reiten“ schlechter als „Schwimmen“ und „Yoga“ blöder als „Golf“? Wer hat das entschieden und vor allem WARUM ZUR HÖLLE HAT DEN NIEMAND SOFORT MINUTENLANG AUSGELACHT?

Noch wichtiger: Wird mir hier wirklich erzählt, dass sich das System eben nicht an mich anpasst und ich mich dementsprechend bitteschön ans System anzupassen habe? Als guter Tipp? Tanzen und Yoga als die ultimative Erklärung dafür, warum Frauen halt keine Karriere machen können? Weil wir die fucking falschen Hobbys haben?

Wäre ich Berater, ich hätte an dieser Stelle zumindest zugegeben, dass das alles bevormundender Patriarchen-Bullshit ist, aber man sich eben selber überlegen muss, ob man das Spielchen mitmacht oder nicht. Soviel Ehrlichkeit sollte machbar sein.

Apropos Ehrlichkeit. Nachdem Peer Bieber uns also gesagt hat, dass wir ein ordentliches und professionelles Bild von uns hochladen, bitte schön keine Lücken im Lebenslauf haben sollten, uns ein paar Hard Skills aus den Fingern saugen und unsere Interessen noch mal gründlichst auf ihre Karrieretauglichkeit überprüfen sollten, kommt er mit dem ultimativen Social-Network-Tipp: Ehrlich bleiben. Denn es fällt selbstverständlich sofort auf, wenn man etwas erfindet, übertreibt oder anderweitig nicht so ganz die Wahrheit gesagt hat.

An welcher Stelle das ein besonderer Tipp für Frauen sein soll, die ja, wie Peer Bieber selber feststellt, eher zu Untertreibungen neigen und ihr Licht gerne mal unter den Scheffel stellen, bleibt unklar. Und auch dieser Tipp ist ja nicht prinzipiell verkehrt, er hat nur nichts und wieder nichts mit den Problemen von Frauen auf Social-Network-Plattformen zu tun. Es ist ein Hinweis, den jeder beherzigen sollte. Nicht nur bei der Jobsuche, sondern eigentlich so generell im Leben. Es ist außerdem ein Hinweis, der quasi im direkten Widerspruch zu den Ratschlägen steht, sich doch bitte einen lückenlosen Lebenslauf zurecht zu basteln, bei der Angabe der Interessen im Zweifelsfall nicht so ganz die Wahrheit zu sagen und doch bitte auch jeden Hansel als Kontakt zu bestätigen, damit es aussieht, als wäre man mit der ganzen Welt vernetzwerkt und ultrawichtig.

Was Peer Bieber in diesem hilfreichen Artikel präsentiert ist ein Sammelsurium von Selbstverständlichkeiten, die für Männer und Frauen gleichermaßen gelten und Unverschämtheiten, die zwar vielleicht in der Realität wirklich so stimmen, aber trotzdem genau das bleiben: Unverschämtheiten.

Was noch zu sagen bleibt, sind zwei Sachen: In einer Welt, in der Personaler tatsächlich so agieren, wie es Peer Bieber hier beschreibt, bleibt zu hoffen, dass ein ehrliches Profil, das meine Person zeigt und kein auf einen gestrigen Karrierepfad getrimmten Kunstmenschen, eben genau die Personaler und Recruiter geschickt aussiebt, die sowieso kein passendes Jobangebot für mich gehabt hätten. Auch bei der Jobsuche gibt es zwei Seiten, und es ist nicht nur der Arbeitgeber, der entscheidet, ob ich zu ihm passe, sondern auch ich, die entscheidet, ob der Arbeitgeber zu mir passt.

Und zweitens habe ich noch einen verdammt guten Tipp für Peer Bieber: Zeichensetzung ist dein Freund. Immer. Vor allem aber, wenn ich mich als Firmengründer und Experte auf einer professionellen Seite mit einem fachlichen Artikel präsentiere. Ich sag ja nur.

Handtuchtag

„Am 25. Mai ist ja Tag des Handtuchs“, sagt der Mann am Pfingstmontag.

Ich stutze. Für semi-geheimes Geekwissen bin in dieser Beziehung eigentlich ich zuständig. Woher weiß er das denn jetzt? Von mir schon mal nicht.

„Aha“, sage ich. „Aha.“

Und dann nach einer kleinen Denkpause: „Wer hat dir das überhaupt erzählt?“

„Der R. letztens.“

„Aber du weißt schon, worum’s geht, oder?“

„Na ja, Tag des Handtuchs eben. Heute ist ja auch Mühlentag. Dann gibt’s eben auch Tag des Handtuchs.“

Ha! Ich triumphiere innerlich. Gefährliches Halbwissen. Das kann ich besser.

„Das ist der Geburtstag von Douglas Adams“, sage ich. „Der mit dem Anhalter durch die Galaxis.“

„Und was hat das jetzt mit Handtüchern zu tun?“

„Weil im Anhalter durch die Galaxis steht, dass man auf jeden Fall immer ein Handtuch dabei haben soll.“

Schweigen. Brötchenkauen. Ich befürchte Schlimmes und tippe schnell auf meinem Handy rum.

„Na ja, stimmt so nicht ganz“, gebe ich etwas kleinlaut zu. „Ist gar nicht der Geburtstag gewesen, sondern ein zufälliges Datum.

„Ha!“ sagt der Mann. „Aber erst mal hier auf dicke Hose machen.“

„ABER DER REST STIMMT!“ sage ich.

—-

Gestern Abend sind wir zum Fußballgucken verabredet. Ich war noch Knabberzeugs kaufen, während der Mann einen Kollegen abholen fuhr.

„Sag mal“, fragt der Mann, als ich ankomme. „Was soll das eigentlich mit dem Handtuch? Hab ich mich heute Mittag schon gefragt.“

Ich grinse.

„Handtuchtag!“ sagt Doreen.

„Ich dachte, da kommst du von allein drauf“, sage ich.

—-

Am 25. Mai ist Handtuchtag, denn die erste Regel im Anhalter durch die Galaxis ist, dass man immer sein Handtuch dabei haben sollte. Man weiß nie, wofür man’s brauchen kann. Douglas Adams ist einer dieser Menschen, deren Tod mich nachhaltig schockiert hat. Ich finde das immer noch nicht okay. Deswegen packte ich gestern mein Handtuch ein und lief damit durch die Gegend.

Konkrete Einsatzmöglichkeiten gab es zwar keine, aber ich konnte es mir in der zweiten Halbzeit des Finalspiels immerhin regelmäßig über den Kopf ziehen, um die Spannung auszuhalten. Das ist ja auch schon mal was. Und wie so ein Tag mit Handtuch aussieht, das ist hier dokumentiert.

Handtuch 1

Das Handtuch und ich auf dem Weg in die Stadt.

Handtuch 2

Das Handtuch und ich in der U-Bahn-Station.

Handtuch 3

Das Handtuch im Einkaufszentrum.

Handtuch 4

Das Handtuch beim Mittagessen.

Handtuch 5

Das Handtuch im Buchladen.

Handtuch 6

Das Handtuch und ich warten auf die Bahn.

Handtuch 7

Das Handtuch in der Bahn.

Handtuch 8

Das Handtuch und ich auf dem Weg zum Fußballgucken.

Handtuch 9

Das Handtuch auf der Rolltreppe zum Supermarkt.

Handtuch 10

Das Handtuch beim Fußballgucken.

Handtuch 11

Das Handtuch und ich am Ende des Handtuchtages. Erschöpft, aber glücklich.

(So long, and thanks for all the fish.)

Der obligatorische, wenn auch etwas verspätete re:publica-Artikel.

re:publica, genau. Da war ich ja auch noch.

Es gibt viele Gründe, warum ich so lange damit gebraucht habe, darüber zu schreiben, aber der wichtigste und schwerwiegendste war wohl der, dass ich ein bisschen Abstand brauchte, um mich angemessen davon zu erholen. Es war alles ein bisschen viel.

Es war eben auch meine erste re:publica und auch wenn ich mich auf Konferenzen ja ganz gut schlage, das hier war etwas ganz anderes. Ich kannte ja jeden. Na ja, nicht jeden. Eigentlich nur einen Bruchteil. Aber ein Bruchteil von 5000 Menschen reicht ja immer noch locker aus, um mich völlig aus der Bahn zu werfen.

Ich werde auch gar nicht mehr viel über die Sessions schreiben, ich war pro Tag sowieso nur in ungefähr vier Sessions, den Rest der Zeit habe ich mit Leuten geredet oder irgendwo gesessen und einfach nur geguckt. Zwischen sechs und sieben Uhr abends habe ich sehr zuverlässig fluchtartig das Konferenzgelände verlassen, ich habe keine einzige der wunderbare Abendsessions gesehen, weil ich nicht mehr konnte, nicht mehr wollte.

Gleichzeitig habe ich die drei Tage im höchsten Maße genossen, ich habe mich über die ganzen Internetmenschen gefreut, die ich endlich mal treffen durfte, habe eher mäßige und eher tolle Vorträge gesehen, zum ersten Mal Club Mate getrunken (und sofort gemocht), und ebenso konfuse wie tolle Pläne geschmiedet.

Es war alles in allem überwältigend, und das war vielleicht auch der Grund, warum ich es nicht länger als acht Stunden pro Tag ausgehalten habe und am dritten Tag deutlich geschwächelt habe, was die soziale Interaktion anging, was vor allem der arme Dentaku und Yolande abgekriegt haben, wofür ich mich nachträglich noch mal entschuldigen möchte. Es lag nicht an euch, es lag an mir. Ich war gleichzeitig übervoll und sehr, sehr leer. (Nachtrag: Doreen sagte irgendwann, man würde mir auch ansehen, dass ich nicht mehr so richtig dabei wäre. An dieser Stelle möchte ich auch noch mal Doreen und Sandra dafür danken, dass sie erstens mit nach Berlin kamen, alleine hätte ich mich nämlich gar nicht getraut und zweitens, dass sie die drei Tage mit meinem überforderten und abwechselnd hyperaktiven und geistesabwesenden Ich so bravourös und verständnisvoll ausgehalten haben.)

Weil ansonsten auch schon fast alles gesagt wurde, was auf der re:publica passiert ist, hier meine persönlichen Highlights:

  • Jeder, der auf mich zukam und „Ich wollte nur mal Hallo sagen“ sagte.
  • Und jeder, auf den ich zukam und „Ich wollte nur mal Hallo sagen“ sagte.
  • Das Wetter. Aber ich hatte ja auch Urlaub, da muss das so.
  • Berlin. So allgemein. Berlin bei schönem Wetter im Mai im Besonderen.
  • Die Pappkisten. Jede einzelne davon. Mehr Pappkisten für die Welt.
  • Der beleuchtete Würfel auf Stage 1. Hätte ich gerne für zu Hause für zum Draufstarren.

Der netteste Mensch auf der ganzen re:publica war übrigens die Kaltmamsell. Ich habe selten in meinem Leben jemanden getroffen, der so viel Sympathie und Nettigkeit ausstrahlt. Und das will was heißen, denn schon allein auf der re:publica waren unglaublich viele wahnsinnig nette Menschen. Trotzdem gehörten zu den drei meistgeäußerten Sätzen meinerseits neben „Ich glaub, ich bin durch für heute.“ und „Das ist hier alles total toll, aber auch unglaublich anstrengend und meinetwegen können wir jetzt auch gehen.“ der Satz „Also, aber der netteste Mensch auf der re:publica ist ganz sicher die Kaltmamsell. Die ist so nett, ich weiß gar nicht, wie das geht.

Am Schluss war ich froh, wieder in der richtigen Welt anzukommen, in einer Welt, wo die Chance, dass der Sitznachbar twittert weniger als zehn Prozent ist. Drei Tage Filterbubble ist toll, aber drei Tage sind auch genug. Für den Rest des Jahres darf die Filterbubble mehrheitlich in meinem Computer wohnen (gelegentliche Ausnahmen sind selbstverständlich immer willkommen).

Aber es ist gut möglich, dass ich im nächsten Jahr wieder dabei bin, schon allein wegen der konfusen, aber tollen Pläne, die geschmiedet wurden. Und auch sonst.