Was Marie Kondo mit Softwareentwicklung und Faulheit zu tun hat

Die gute Marie Kondo, deren Buch ich ja im letzten Jahr las und die meine Aufräumpläne doch hilfreich anstoßen und unterstützen konnte, hat jetzt eine Serie auf Netflix und deswegen dreht Twitter gerade wieder etwas frei. Die einen, weil sie jetzt aufräumen, die anderen, weil sie genervt sind von denen, die aufräumen. Und dann noch die, die genervt sind, von denen, die genervt sind von denen, die aufräumen. Es ist wie immer kompliziert.

Was zunächst auffällt, ist die offensichtliche Ahnungslosigkeit der Kondo-Kritiker in Bezug auf das, was tatsächlich in den Büchern und der Serie erzählt und vorgeschlagen wird. Es ist sehr anstrengend, wenn Marie Kondo und Minimalismus in dieselbe Kiste geworfen werden, obwohl das eine mit dem anderen gar nichts zu tun hat.

Interessant finde ich aber vor allem, dass Sinn und Zweck der Übung teilweise radikal missverstanden oder zumindest zu eigenen Kritikzwecken verdreht wird und unter den Verdacht der „Selbstoptimierung“ gestellt wird. In der ze.tt wird Marie Kondo als der natürliche Feind der Faulheit dargestellt. Dieser Eindruck ist nicht grundsätzlich falsch. Bei Kondo geht es sogar explizit darum, sich vorzustellen, wie das ideale Leben aussehen könnte und seine Umgebung dahingehend aufzuräumen. Es ist aber auch nicht richtig.

Man kann das ganz schön mit einem Vergleich aus der Softwareentwicklung erklären. In der Softwareentwicklung gibt es das Prinzip der technical debt. Damit meint man die ganze Schuld, die man im Laufe des Entwicklungsprozesses anhäuft, weil man an der einen Ecke geschludert hat, an der anderen Ecke etwas aus Zeit- oder Bequemlichkeitsgründen anders gemacht hat, an der nächsten einen fiesen Hack dringelassen hat, weil er nun mal funktioniert und man gerade keine Zeit oder Lust hatte, es besser zu machen und so weiter. Am Ende funktioniert zwar alles irgendwie, aber sobald man an den Code muss, dauert es zwei bis fünf Mal so lange, ein neues Feature einzubauen oder einen Bug zu beheben, weil alles unordentlich ist, man erst verstehen muss, wie der Code eigentlich funktioniert und weil es auch keine funktionierenden automatischen Tests gibt, hat man an einer anderen Stelle einen Fehler eingebaut, der erst zwei Wochen später auffällt und den sich niemand erklären kann.

Die offensichtliche Lösung ist, hier von Anfang an sauber zu programmieren. Wenn das nicht passiert ist, dann kann man entweder weiter rumfrickeln und neue technische Schuld ansammeln oder man setzt sich einmal hin und baut mit viel Mühe, Tränen, Schweiß und unter Verwendung vieler bunter Schimpfwörter das Programm so um, dass die Verfahren sauber dokumentiert und einheitlich ist, die einzelnen Dateien ordentlich benannt sind und alles da ist, wo man es vermuten würde. Beim nächsten Bug oder neuen Feature, weiß man dann deutlich schneller, wo man nachgucken muss, wie und wo man eine neue Datei anlegt, wie sie heißen muss und mit welchen Programmiermustern man arbeiten muss.

Wenn man sich jetzt seine Wohnung oder sein Haus wie ein Programm vorstellt, dann wird klar, dass es tatsächlich sinnvoller ist, wenn die Kerzen nicht sowohl in der Sideboardschublade und im Schrank sind, sondern nur an einem Platz, denn wenn man jetzt Kerzen sucht, dann muss man nicht an zwei Orten gucken, sondern nur an einem und man muss sowieso gar nicht mehr suchen, weil man ja weiß, wo sie sind.

Abgesehen von den Leuten, die es von Anfang an richtig machen, ist es wahrscheinlich, dass wir ähnlich wie die Softwareentwickler bei ihrem Programm im Laufe der Jahre ganz viel Aufräumschuld auf uns geladen haben.  Schuld ist hier nicht im Sinne eines moralischen Fehltrittes zu sehen, sondern als eine Menge kleiner und großer Nachlässigkeiten, die sich zu einem unübersichtlichen Haufen angesammelt haben.  Das heißt nicht zwingend, dass die Wohnung aussieht wie ein Messiehaushalt oder man überhaupt nichts mehr wiederfindet, sondern nur, dass man oft nicht genau weiß, wo was ist und dann eben an drei Stellen suchen muss und dann etwas neu kauft, weil man nicht auf die Idee kommt, noch an der vierten Stelle zu suchen, wo es gewesen wäre. Wir besitzen aus diesem Grund übrigens zwei Christbaumständer und es ist mir immer latent peinlich, dass wir zwei Christbaumständer besitzen, obwohl wir wirklich nie zwei Christbäume haben, einfach weil wir den ersten nicht mehr gefunden haben.

Was in der Softwareentwicklung Refactoring heißt, also der teilweise sehr zeitraubende und aufwändige Prozess, Programme so umzubauen, dass sie sauberer, schöner und leichter wartbar sind, ohne dass man dabei die Funktionalität verändert, ist ein bisschen das, was man mit Marie Kondo für die eigene Wohnung macht. Man guckt sich einfach alles einmal an, wirft das raus, was man definitiv nicht mehr braucht und sortiert das, was man behalten will, so, dass man sicher weiß, wo es ist und es auch sofort findet, wenn man es sucht. Außerdem sorgt man dafür, dass alles, was man besitzt so sortiert ist, dass man schnell sehen kann, was man hat. Wenn man das einmal gemacht hat – und das gilt sowohl fürs Programmieren als auch fürs Aufräumen – und sich dann ein bisschen zusammenreißt und keine neue Unordnung ins Haus (oder in den Programmcode) trägt, wird das Leben danach tatsächlich einfacher.

Dabei ist es eben auch sinnvoll, sich wirklich alles auf einmal anzugucken, um überhaupt entscheiden zu können, was man behalten will und was nicht und wie man es am besten wegsortiert. Beim Programmcode hilft es, wenn ich wirklich alle Funktionen beisammen habe, die das gleiche tun, damit ich entscheiden kann, welche davon ich behalten und wo sie am besten abgelegt ist, damit ich sie dann wiederfinde, wenn ich sie benutzen möchte. Eventuell stellt sich heraus, dass von den vier Funktionen drei exakt das gleiche tun und eine doch etwas anderes, dann behalte ich zwei oder baue die eine so um, dass sie beides kann. Wenn beim Aufräumen wirklich alle Klamotten auf einem Haufen liegen und ich auf einmal merke, dass ich überraschend gar nicht nur einen, sondern vier Wintermäntel habe, dann behalte ich vielleicht nur einen oder zwei, weil der eine wärmer ist und der andere eine Kapuze hat oder eben alle vier, weil mich Wintermäntel glücklich machen, denn sie sorgen dafür, dass ich nicht friere. Hauptsache ist, ich weiß nachher, wo sie sind und dass ich mir nächsten November keinen neuen kaufen muss.

Es geht hier eben nur bedingt um Perfektion und vor allem geht es nicht um Perfektion um der Perfektion willen, sondern darum, Zeit sinnvoller zu verwenden als mit dem Suchen von Dingen. Jetzt kann es da draußen Leute geben, die gerne Sachen suchen und damit meine ich nicht dass Pippi-Langstrumpfeske Suchen von verlorenen Dingen auf schwedischen Landstraßen, sondern das Suchen eines Briefumschlags oder eines Teelichts oder des fucking Christbaumständers, von dem man weiß, dass ER HIER IRGENDWO SEIN MÜSSTE, GRMBLFX! Ich gehöre nicht dazu. Wenn wir uns eine Aktivitätsspaßskala von 0 bis 10 vorstellen, bei der 0 überhaupt keinen Spaß macht (Haare aus Abflüssen friemeln) und 10 sehr viel (betrunken Karaoke singen), dann befindet sich Sachensuchen auf einer soliden 4. Es ist nicht wirklich schlimm, ich würde es aber lassen, wenn ich könnte.

Suchen ist etwas, dass man selten freiwillig tut. In der Realität sucht man meistens etwas, weil man es braucht und nicht, weil man gerade so irre Bock auf Suchen hat. Braucht man etwas und findet es nicht, dann hat man meistens zwei Möglichkeiten: Entweder man wirft Zeit oder Geld auf das Problem und von beidem hat man selten zu viel. In der Softwareentwicklung sieht das ähnlich aus, man braucht doppelt so lange, um etwas einzubauen oder verbringt einen halben Tag damit, etwas zu programmieren, was schon längst da ist, nur dass hier – zumindest im professionellen Kontext – Zeit meistens gleichbedeutend mit Geld ist.

Marie Kondo ein Lob der Faulheit gegenüberzustellen, ist unfair und fachlich falsch. Das Ziel ist ja vielmehr, in Zukunft weniger Zeit mit aufräumen verbringen zu müssen. Wenn alles erst mal einen Platz hat, dann stellt man das Ding wieder dahin, wo es hingehört und ist fertig mit Aufräumen. Das gleiche gilt für aufgeräumten Programmcode. Ist erst mal alles an seinem Platz, dann kann ich das neue Feature schneller einbauen und den Bug schneller fixen, vor allem aber kann ich mich bei der Arbeit auf das konzentrieren, was Spaß macht oder verbringe zumindest nicht unnötig viel Zeit mit etwas, was mir keinen Spaß macht.

Es gibt vieles, was man an Kondo seltsam, überflüssig oder binsenweisheitisch finden kann, doch der Vorwurf des Perfektionismus ist falsch. Marie Kondo ist kein Angriff auf das Menschenrecht auf Faulheit, sondern für manche Menschen überhaupt erst der Weg dahin. Das Ziel ist nicht, zu einem  perfekten Menschen zu werde, der in einer makellosen Wohnung sitzt und ein eigenes Geschäftsimperium aufbaut, sondern, nervige Sachen nicht öfter als nötig tun zu müssen. Statt dessen kann man Dinge tun, die einem mehr Spaß machen. Zum Beispiel faul auf der Couch liegen und eine Serienstaffel bingen. In Schlumperhosen. Mit ungewaschenen Haaren. Marie doesn’t care.

Tagebuchbloggen, 30.1.2019

Es war sehr viel los in den letzten Wochen, deswegen bin ich hauptsächlich müde. Am Freitag spielten wir in Essen-Steele unser erstes selbst organisiertes Konzert, Naila spielte und sang Coversongs auf der Gitarre, ich mixte Cover und eigene Songs an Klavier und Ukulele (nicht gleichzeitig, dafür fehlen mir ein paar zusätzliche Arme) und Kathi spielte mit kleiner Band Songs ihres Vaters, der auch Gitarre spielte und sang. An alle, die da waren, es war uns ein Fest und ich hoffe, ihr hattet ebenso viel oder zumindest fast genauso viel Spaß wie wir.

Foto von Naila Hussain

Wie sich überraschend rausstellte, reagierte die Lichtanlage, die sich am Donnerstag beim Test noch als sehr zahm und kooperativ zeigte, auch auf Sound, so dass der Applaus des Publikums optisch sehr passend mit einer kleinen Lichtorgeleinlage untermalt wurde. Sollten wir das noch mal in diesem Rahmen machen, müssen wir uns wohl doch noch mal intensiver mit diesem Gerät befassen.

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Mit den Aufräumaktionen geht es im Moment etwas zögerlicher und kleinteiliger voran, aber es geht voran. Folgendes ist in den letzten Wochen passiert:

  1. Ich sortierte den Inhalt der beiden kleinen Schubladen im Fernsehsideboard. Da hatten sich in den letzten Jahren Gebrauchsanleitungen, Kabel bekannter und unbekannter Herkunft, Kerzen, Lieferdienstspeisekarten und ähnliches  angehäuft. Die Schubladen sind sehr klein, so dass hier gar nicht so viel Raum für Chaos blieb, aber ich konnte die Kerzen zu den anderen Kerzen in den Schrank sortieren, Gebrauchsanleitungen längst nicht mehr in unserem Besitz befindlicher Geräte wegwerfen und den Rest entsorgen bzw. neu ordnen. Alles, was dann noch übrig blieb, durfte in einer der beiden Schubladen weiterleben, die andere Schublade ist jetzt unsere Süßigkeiten- und Knabberzeugschublade. Es ist die vielleicht beste Schublade in der Wohnung und wir sind glücklichere Menschen, seit Schokolade, Gummibärchen und Nüsschen, nicht wild durch die Wohnung verstreut rumliegen, sondern sich ausschließlich an diesem einen Ort praktischerweise direkt am Sofa befinden.
  2. Weiterhin habe ich Kulis aussortiert. In der Wohnung standen drei Becher mit einer wilden Mischung aus Kulis, Blei- und Buntstiften, Tintenrollern und Fine Linern und ich habe wirklich jeden einzelnen in die Hand genommen und ausprobiert, leider funktionierten die meisten noch, ich hätte mir weitreichenderes Versagen der Stifte gewünscht, um überzeugter wegwerfen zu können, denn ich tue mich sehr schwer damit, funktionierende Stifte wegzuwerfen. Immerhin sind es jetzt aber nicht mehr drei, sondern nur noch zwei Becher. Davon steht einer im Wohnzimmer und einer im Arbeitszimmer, das kann ich gerade noch so vertreten.
  3. Nach den Stiften sortierte ich Tee, daran scheiterte ich aber kläglich, denn noch schwerer als funktionierende Stifte wegwerfen fällt es mir, noch brauchbare Teebeutel wegzuwerfen. Ich kann auch nicht einfach den Anis-Kümmel-Tee wegwerfen, den ich wirklich nicht mag, denn er wird garantiert gebraucht, wenn das nächste Mal jemand krank ist und ich möchte nicht jedesmal neuen Anis-Kümmel-Tee kaufen müssen, weil gerade jemand krank ist, es ist sehr praktisch, im Krankheitsfall nicht erst Tee kaufen zu müssen. So schmiss ich nur ein paar Beutel weg, von denen ich definitiv wusste, dass sie schon deutlich zu lang ihr Dasein in unseren Schränken fristen und die auch einfach aufgrund ihrer etwas obskuren Geschmacksrichtung offensichtlich für alle Beteiligten uninteressant sind. Der Plan fürs neue Jahr lautet dann, einfach mehr Tee zu verbrauchen, das ist bestimmt auch gesund oder so.

Wir sind jetzt ohnehin an einem Punkt angekommen, wo es allmählich Sinn ergeben würde, sich die wahren Baustellen der Besitzanhäufung anzugucken, die sich im Keller, auf dem Speicher, in einer Abstellkammer und einem gemieteten Lagerraum befinden. Der Keller hat schon Fortschritte gemacht, alles andere, na ja.

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Seit gestern gibt es wieder eine neue Staffel „Das kleine Fernsehballett“ mit Stefan Niggemeier und Sarah Kuttner, dem von mir heißgeliebten Fernsehpodcast. Stefan berichtete darüber, wie er auf YouTube alte Folgen von „Password“ mit der bezaubernden Betty White geguckt hat, deswegen befand ich mich gestern Abend auf einmal in einem YouTube-Sog alter amerikanischer TV-Shows und landete irgendwann bei dieser tollen Ausgabe von „What’s My Line?“, dem Vorbild für „Was bin ich?“, mit Salvador Dalí. Unbedingt sehenswert wie übrigens die „Password“-Folgen auch.


Wer gerne liest, was ich hier schreibe und mir eine Freude machen will, kann mir etwas von der Wunschliste spendieren oder Geld ins virtuelle Sparschwein werfen.  Die Firma dankt.

Lieblingstweets im Januar (Teil 1)

PFLAUMENMUS-STULLEN! MARZIPANKAKAOEIER! GELDAUTOMATEN! BEERDIGUNGEN! UND GANZ VIEL MARIE KONDO! WENN DIESE TWEETS KEINEN JOY SPARKEN, WEISS ICH AUCH NICHT!

Bücher 2018 – Plätze 10 bis 6

10. The Biggerers von Amy Lilwall

Bei Lilwalls The Biggerers handelt es sich um eine Zukunftsvision, in der sich Menschen statt Haustiere kleine Menschen halten, die nicht sprechen können und laut Herstellerangaben auch sonst wenig Bedürfnisse haben. Als kleine unschuldige Minimenschen sollen sie den Leuten die Liebe zurückgeben, die sie im Alltag vermissen. Bonbon und Jinx sind solche Littlers und verbringen ihre Zeit damit, Fäden und Steinchen zu sammeln, bis sie merken, dass sie gar nicht so viel von ihren großen Besitzern unterscheidet.

Man braucht ein bisschen, um sich in die Sprache reinzulesen, der Text bleibt an vielen Stellen zunächst sehr vage und füllt die Welt erst nach und nach mit Details. Dies entspricht nicht zuletzt der Bewusstseinsfindung der kleinen und großen Menschen in diesem Buch. Lässt man sich aber darauf ein, dann ist diese Buch aber ein sehr lohnendes und ungewöhnliches Erlebnis.

The Biggerers von Amy Lilwall [Amazon-Werbelink]

 

9. The Lamb Will Slaughter the Lion und The Barrow Will Send What it May von Margaret Killjoy

Die Danielle-Cain-Reihe von Margaret Killjoy hat mir dieses Jahr viel Spaß gemacht. Bei den Büchern handelt es sich um Novellen, man ist also schnell durch, es fühlt sich an wie etwas längere Folgen einer sehr guten Fernsehserie, ein bisschen Supernatural aber in der Punk-Anarchie-Szene mit vielen LGBTQ-Charakteren, aber auch viel Grusel und Action. In The Lamb Will Slaughter the Lion landet Danielle Cain auf der Suche nach Hinweisen zum Selbstmord ihres besten Freundes in einem autonomen Dorf, das von einem blutrünstigen Dämonenhirsch heimgesucht wird. Die Geschichten sind im besten Sinn flott erzählt mit tatsächlich originellen und witzigen Dialogen und tollen Charakteren. Das nächste Buch der Reihe wird in jedem Fall auch gelesen, wenn es mal kommt.

The Lamb Will Slaughter the Lion und The Barrow Will Send What it May von Margaret Killjoy [Amazon-Werbelink]

 

8. The Girl from Everywhere von Heidi Heilig

Möglicherweise meine größte Überraschung des Jahres. Ich hatte das Buch schon auf dem Kindle und kam nur schwer in die Geschichte rein, so dass das angefangene Buch monatelang sein Dasein fristen musste. Dann wagte ich mich noch mal an die Piraten-Zeitreise-Geschichte und nach fünfzig Seiten gewinnt diese auf einmal sehr an Fahrt und wird dann richtig gut.

In The Girl from Everywhere geht es um Nix, die mit ihrem Vater und der Crew ihres Schiffs The Temptation mit Hilfe von alten Landkarten über die Meere und durch die Zeit reist. Das Ziel ihres Vaters ist das Hawaii des Jahres 1868, das Jahr in dem Nixs Mutter und die Liebe seines Lebens bei der Geburt von Nix starb. Während ihr Vater obsessiv nur dieses Ziel im Auge hat, hadert Nix. Was wird mit ihr passieren, wenn ihr Vater, um ihre Mutter zu retten, die Vergangenheit ändert? Gerade diese Vater-Tochter-Beziehung ist komplexer und überraschender als man es dem Buch in den ersten Seiten anmerkt. Letztlich ist es YA-Fantasy, aber so schön und fantasievoll, dass ich mir sogar eine Film- oder Serienadaption wünschen würde, einfach nur, weil die Schauplätze so toll  und die Figuren so gut ausgearbeitet sind.

The Girl from Everywhere von Heidi Heilig [Amazon-Werbelink]

 

7. Im Sommer wieder Fahrrad von Lea Streisand

Lea Streisand erzählt in Im Sommer wieder Fahrrad ihre eigene Geschichte und die ihre Großmutter, der Schauspielerin Ellis Heiden, von allen nur „Mütterchen“ genannt. Während ihre Freunde anfangen, Familien zu planen, Karriere zu machen oder generell aufregende Dinge zu tun, erkrankt Lea an Krebs und muss sich auf einmal ganz andere Sorgen machen und ganz andere Fragen stellen. In dieser Zeit fängt Lea an, wieder an ihre Großmutter zu denken, der unkonventionellen Ellis, die für sie auch immer ein wichtiger Ankerpunkt im Leben war. Mit einem Koffer voller Andenken begibt sie sich auf eine Reise in die Vergangenheit ihrer Großmutter und verliert gleichzeitig den Glauben an ihre eigene Zukunft nicht.

Lea Streisand schreibt nah und einfühlsam direkt an ihrem Leben und dem ihrer wichtigsten Menschen. Ein schönes, hoffnungsvolles Buch, nie zu ernst, aber auch nie beschönigend.

Im Sommer wieder Fahrrad von Lea Streisand [Amazon-Werbelink]

 

6. Hologrammatica von Tom Hillenbrand

Mein erstes Buch von Tom Hillenbrand, der sich ja in der deutschen Sci-Fi-Szene schon einen Namen gemacht hat. Im Jahr 2088 bekommt Galahad Singh den Auftrag, die verschwundene Programmiererin Juliette Perrotte aufzuspüren. Galahad ist Quästor, eine Art Privatdetektiv für verschwundene Personen. Dieser Job ist nicht ganz einfach, denn nach einem Zwischenfall vor vielen Jahren ist das massenhafte Speichern von Daten zur Unsitte erklärt worden. Erschwerend hinzu kommt, dass die Welt von Hologrammen überdeckt ist und durch die Möglichkeit, das gesamte Gehirn eines Menschen in einen kleinen Kasten zu laden und so den Körper wechseln zu können. Schnell wird Galahad klar, dass es sich hier um keinen Standardfall handelt und eher er sich’s versieht, steckt er mittendrin, wird gejagt von seltsamen Menschen mit seltsamen Schwertern, verliebt sich in den Quant Francesco, und gerät immer tiefer in einen Strudel seltsamer Ereignisse, die auf eine geheimnisvolle, vergessene Insel führen.

Das, was Tom Hillenbrand hier abgeliefert hat, ist ziemlich gut, spannend und einfallsreich. Die Geschichte ist ungewöhnlich dicht ohne dabei anstrengend zu sein. Man braucht etwas, um reinzukommen, dann kann man das Buch aber sehr schlecht wieder aus der Hand legen. Ich legte Hologrammatica meinem Mann ans Herz, als er auf Lektüresuche war und tatsächlich machte er danach direkt mit Drohnenland von Hillenbrand weiter.

Hologrammatica von Tom Hillenbrand [Amazon-Werbelink]

Kein Tagebuchbloggen, aber fast, 9.1.2019

Das Jahr ist schon wieder neun Tage alt, WANN IST DAS BITTE PASSIERT?

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Sie können immer noch am 25.1.2019 nach Essen-Steele zu einem Konzert kommen, wo ich und zwei andere talentierte Frauen musizieren und singen werden. Es gibt jetzt sogar eine Veranstaltungsseite auf Facebook, da stehen auch alle weiteren Infos.

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Bei Frau Novemberregen habe ich diese hübschen Fragen gefunden und mangels eigenem Erfindungsreichtum übernehme ich sie auch mal in diesem Blog.

Wie hoch ist Deine „Frauenquote“? Wieviele Bücher hast Du in diesem Jahr gelesen und/oder rezensiert? Wieviele davon wurden von Autorinnen verfasst?

Auch ich kann hier direkt auf meine Goodreads-Statistik zugreifen. Ich habe 65 Bücher gelesen oder gehört, davon waren (wenn ich richtig gezählt habe) 30 von Frauen. Die 50 Prozent wurden also nicht ganz erreicht, aber es scheint mir ausgewogen genug.

 

Welches Buch einer Autorin ist Dein diesjähriges Lesehighlight? (Warum?)

Ich, Eleanor Oliphant von Gail Honeyman [Amazon-Werbelink]. Da ich sowieso noch die Liste meiner Lieblingsbücher veröffenliche, kann ich da dann auch schreiben warum.

 

Welche Autorin hast Du in diesem Jahr für Dich entdeckt und was macht Sie für Dich so besonders?

Ich habe Anfang des Jahres Claire North entdeckt und war sehr angetan von The Sudden Appearance of Hope [Amazon-Werbelink]. Ende des Jahres habe ich dann noch 84K [Amazon-Werbelink] gelesen und wurde nicht enttäuscht. Besonders macht sie wohl die ungewöhnlichen Ideen und die tolle, auch stilistisch sehr eigene Umsetzung.

 

Welche weibliche Lebensgeschichte bzw. Biografie hat Dich in diesem Jahr besonders beeindruckt (und warum?)

Ich lese selten Biografien, aber ich bin vermutlich über diverse interessante weibliche Biografie gestolpert, schon allein, weil ich ja immer gerne bei jedem in der Wikipedia nachlese, was da so steht. Wussten Sie zum Beispiel, dass Dagmar Wöhrl 1977 Miss Germany war? Na gut, das ist jetzt nicht im streng feministischen Sinne beeindruckend, aber ein gutes Beispiel dafür, dass die Geschichte einer Person einen auf nicht geahnte Art und Weise überraschen kann.

 

Welches Buch einer Autorin möchtest Du in 2019 unbedingt lesen?

Ich möchte erst mal meinen Stapel ungelesener Bücher sowohl analog als auch digital abarbeiten. Ansonsten möchte ich endlich mal die Wayward-Children-Reihe von Seanan McGuire [Amazon-Werbelink] anfangen und mehr von Shirley Jackson lesen, We Have Always Lived in the Castle [Amazon-Werbelink] war nämlich schon sehr super.

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Wir haben jetzt neues Internet und noch besseres Fernsehen. Nachdem wir ja über Weihnachten überhaupt kein Internet und Fernsehen hatten, weil irgendein Port kaputt oder falsch geklemmt war oder was auch immer und ich etwas unentspannt zum ersten Mal seit langem, vielleicht sogar zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben, jemanden an einer Hotline zusammengefaltet habe und Wörter wie „eskalieren“ und „Vorgesetzter“ fielen, funktionierte das Einrichten des neuen Router und TV-Receivers wieder so abgefahren reibungslos, dass ich jeglichen Groll auf das magentafarbene Unternehmen direkt wieder eingemottet habe.

Jedenfalls konnten wir jetzt endlich das Finale von „Die Brücke“ gucken, das ging mit dem alten Receiver nicht, weil da in der ersten Folge die Ton- und Bildspur um mehrere Sekunden verschoben war, was die Folge komplett unguckbar machte. Die Saga über die schwedische Polizistin Saga Norén wäre dann auch abgehakt, exzellent wieder mal.

Auf Netflix sind wir jetzt bei der dritten Staffel von „The Fall“ mit einer krass attraktiven Gillian Anderson, man weiß überhaupt nicht, wo man hingucken soll, so schön ist diese Frau. Die Serie begeistert immer mehr, die ersten Folge der dritten Staffel hat eine beeindruckende Krankenhaussequenz, die mit ungewohnter Ruhe erzählt wird, wie sich die Serie überhaupt sehr viel Zeit für Szenen nimmt. Große Empfehlung.

Cabillaud, Venlo, 30.12.2018

Morgens aus dem Feiertagskoma erwacht und spontan überlegt nach Venlo zu fahren. Auf der Fahrt das Cabillaud ergoogelt und sehr direkt angesteuert, es liegt am Marktplatz im zweiten Stock des Theaters „De Maasport“, von der Dachterrasse hat man entsprechend einen Blick auf die Maas.

Da unsere Ankunftszeit um 14:30 Uhr etwas unorthodox war, saßen wir alleine im Restaurant und aßen uns gemütlich durch ein sehr schönes und kreatives Vier-Gänge-Menü, das Kalbfleisch war vielleicht etwas zu dick aufgeschnitten und der Hauptgang in der Portionsgröße zu viel, ansonsten gab es nichts zu klagen. Als Aperitif gab es einen belgischen Sekt von der Maas, da haben wir also auch diesbezüglich etwas dazu gelernt. Toller Nachmittag, überzeugendes Essen und ein sehr aufmerksamer Service.

Cabillaud, Venlo, 30.12.2018

Eingelegte Oliven, indisches Brot mit Artischokencreme und Puffreis, Kartoffelküchlein mit Grünkohlcreme und Käsemadeleines mit Brokkolicreme

Bonbon vom Sauerkohl mit Miso- und Ziegenkäsecreme und gerösteten Spinatsamen

Zweierlei Brot mit Butter, Öl und Salz

Kalbsfleisch mit Kürbis, Babymais, Olivenölpulver und Cracker

Fisch in Dashibrühe und Curryöl mit niederländischen Krabben

Hirsch mit Hirschragout in Fünf-Gewürze-Sauce mit Gemüse und Oliebol

Ananasmousse und Bananencreme mit Bergamotten-Eis

2018 als Fragebogen

The year in review. Und los:

Zugenommen oder abgenommen?

Zu. Gnagnagna.

Haare länger oder kürzer?

Länger oder kürzer als was? Ich trage keine Kurzhaarfrisuren, manchmal lasse ich den Frisör ran und dann kommt einigermaßen viel ab, aber immer mit dem Zusatz „Aber so, dass man sie noch zusammenmachen kann!“. Dieses Jahr gar kein Frisör, nur Mama durfte ein oder zwei Mal Spitzen schneiden. Also länger als irgendwann 2017 vermutlich.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?

Gleich. Allerdings kann ich wirklich nicht mehr ohne Brille gucken. Das heißt, ich kann schon, ich hab ja nur ein faules Auge und sehe ohne Brille erstaunlich gut, aber ich merke unbewusst einen Unterschied und suche dann verzweifelt die Brille.

Mehr Kohle oder weniger?

Ungefähr gleich. Es gab zwei Mal unverhofften Geldsegen, das war schön. Monatlich aber alles beim alten.

Mehr ausgegeben oder weniger?

Immer noch unentspannte Immobiliensituation (first world problem, I know), deswegen dank You Need A Budget einigermaßen gut zurechtgekommen. Ist aber immer noch Jammern auf hohem Niveau, denn ich kann noch problemlos jeden Monat Geld zur Seite legen, in Urlaub fahren und mir diverse andere Dinge leisten. Es könnte nur entspannter sein.

Mehr bewegt oder weniger?

Weniger als was? Nicht weniger als letztes Jahr, aber weniger als das Jahr davor, denke ich. Im Sommer öfter mal zum Laufen genötigt worden, zur kalten Jahreszeit habe ich mich da aber dezent rausgezogen. Das SUP viel zu selten rausgekramt, aber immerhin gehe ich immer noch gerne und viel zu Fuß.

Der hirnrissigste Plan?

3.500 Kilometer quer durch Europa in zwei Wochen abreißen zu wollen. Auf der anderen Seite wissen wir jetzt, wie’s geht und dass wir es beim nächsten Mal etwas langsamer angehen lassen.

Den Wohnungsschlüssel für die Spandauer Wohnung in die Hosentasche stecken, weil ich ja merken würde, wenn er rausfällt. Überraschung, ich habe nicht gemerkt, wie er rausfiel.

Die gefährlichste Unternehmung?

Im Sommer über eine Autobahnbrücke in Genua fahren.

In Südafrika zu zweit mit dem kleinen Leihwagen in der Dämmerung eine unbekannte Strecke zurück nach Johannesburg fahren, Highlight der Fahrt: Ein Schild mit dem beruhigenden Text „Hijacking Hotspot Next 6 km“. Ja, danke auch.

Bei Sturm und Regen die direkte Bergstrecke ins französische Dorf wählen, bei der uns Gott sei Dank über 20 Kilometer niemand entgegenkam.

Die teuerste Anschaffung?

Ein neues Bett. Hat aber mein Mann bezahlt.

Das leckerste Essen?

Bei Pure C in Cadzand und auf Gut Lärchenhof in Pulheim. Ja, okay, das waren auch zwei Sterneschuppen. Ansonsten in Essen wie gewohnt sehr gut im Petite Cave de Jeannette und bei Süßkind und Sauermann gegessen und kurz vor knapp noch die Anneliese entdeckt.

Das beeindruckendste Buch?

Ich mochte „Ich, Eleanor Oliphant“ von Gail Honeyman [Amazon-Werbelink] sehr gerne und fand „A Brief History of the Dead“ von Kevin Brockmeyer [Amazon-Werbelink] sehr toll.

Der ergreifendste Film?

Sehr geweint bei „Les Misérables“.

Das beste Lied?

Ich habe mal angefangen, die Highlights meines Spotify Mix der Woche in Playlisten zu sammeln, damit sie nicht so ungeordnet in meinen Favoriten rumdümpeln, das hilft bei der Suche nach den Highlights ein bisschen.

In Frankreich auch auf Wunsch eines einzelnen Herrn sehr oft „Chicago“ von Josienne Clarke und Ben Walker gehört:

Sehr begeistert von Amy Shark gewesen und sehr laut „All Loved Up“ gehört:

Ebenso in das Album „Goodnight Rhonda Lee“ von Nicole Atkins verliebt gewesen:

Und dann natürlich Ariana Grande hart gefeiert, zuletzt für „thank u, next“.

Das schönste Konzert?

Immer noch kein Konzert. Einmal dank Inkanina in der Oper gewesen und Bizets „Carmen“ gesehen.

Die meiste Zeit verbracht mit…?

Was soll sich an dieser Antwort ändern? Solange ich irgendwo festangestellt und verheiratet bin, wird die Antwort immer mit meinem Mann und meinen Kollegen sein, das ergibt sich quasi zwangsläufig, ich schmeiße sie raus, vielleicht darf sie wiederkommen, wenn sich irgendwas ändert.

Die schönste Zeit verbracht mit…?

Meinem Mann und der Familie. Die Großcousins und Großcousinen werden immer größer und toller und wenn ich mangels Geschwister schon keine Tante werden kann, dann wenigstens eine Top-Großcousine.

Vorherrschendes Gefühl 2018?

Irgendwann muss auch mal gut sein.

2018 zum ersten Mal getan?

Nach Südafrika geflogen, überhaupt in Afrika gewesen, Tiger- und Löwenbabys, ein Hyänenjunges und einen Geparden gestreichelt. Urlaub in einem Campingbus gemacht. Mit einem Tretboot die Gorges du Verdon vom Wasser bestaunt. In Brügge gewesen. Gesangsunterricht genommen. Erst einen, dann zwei, dann drei, dann vier Ukulele-Workshops gehalten.

2018 nach langer Zeit wieder getan?

In Italien gewesen, in den Niederlanden Urlaub gemacht, im Elsass gewesen, in Bonn gewesen. Langstrecke geflogen. Auf Flohmärkten gebummelt. Die Cousinen meiner Mutter wieder gesehen. Vor Publikum gespielt und gesungen. Mit anderen Leuten Urlaub gemacht (gut geklappt, gerne wieder). Ausgemistet (dauert noch an). Nicht Silvester gefeiert. Die Steuererklärung mitten im Jahr abgegeben (dafür aber auch zusammen mit der vom Jahr davor).

Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?

Langstreckenflüge in der komplett ausgebuchten Economy Class, vor allem der Rückflug, bei dem die Fluggesellschaft uns noch auseinandersetzte. Baustellen und Streckensperrungen auf meiner Pendelstrecke, die mir schöne Touren durchs Bergische Land und das ein oder andere ausgefüllte Fahrgastrechteformular einbrachten. Gutartigen Lagerschwindel.

Die wichtigste Sache, von der ich jemand überzeugen wollte?

Leider nichts für die Öffentlichkeit, immerhin rannte ich aber offene Türen ein.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

Der übliche Romantikscheiß halt.

Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

Siehe oben.

2018 war mit einem Wort…?

Erschöpfend.

 

Zum Fragebogen für 2017 geht es hier.

Zum Fragebogen für 2016 geht es hier.

Zum Fragebogen für 2015 geht es hier.

Zum Fragebogen für 2014 geht es hier.

Zum Fragebogen für 2013 geht es hier.

Lieblingstweets im Dezember (Teil 2)

DIRIGENTEN! KALTENTSAFTER! HEISSENTSAFTER! VÖLLEREI! SCHULPFE! EGG NOG! KÄSE! UND WEIHNACHTEN! SCHON WIEDER WEIHNACHTEN!

anna Bar und Restaurant, 17.12.2018

Ein wunderbares spontanes Abendessen mit zwei wundervollen Twittermenschen im Restaurant im anna hotel direkt am Münchener Hauptbahnhof. Es gab exzellente Dim Sum und ebenso tolle Cocktails, wir tauschten viele kulinarische Anekdoten aus und ich werde sicherlich wiederkommen, wenn ich mal wieder in München bin.

Da beide Cocktails von der „Cocktails of the Season“-Karte kamen, kann ich leider nicht mehr nachgucken, worum es sich genau handelt, aber sie waren beide sehr gut.

 

anna, 17.12.2018

Dim Sum Selektion

Variation von Crème Brûlée