Zum ersten Mal: Für einen Artikel im Spiegel Online interviewt werden

Sollte es irgendwer nicht mitbekommen haben: Ich war Ende Juni im Spiegel Online. Genauer gesagt wurde ich in einem Artikel über Frauen in der IT-Branche zitiert.

Wie es dazu kam und wie das so war, das erzähl ich jetzt. Das war nämlich so:

Vor ein paar Monaten schrieb ich in dem anderen Blog darüber, wie doof ich das finde, dass es in meinem Beruf so wenig Frauen gibt. Da dieser Blog eher so mäßig frequentiert wird (ich könnte da auch mal wieder was schreiben), war das Feedback eher so gehtso, die großen Diskussionen blieben jedenfalls aus.

Dann trudelt vor ein paar Wochen am Montag eine Mail von einer Mitarbeiterin von Spiegel Online ein. Ob ich Lust hätte zu einem Telefoninterview, es ginge um Frauen in der IT-Branche. Ja sicher hab ich das. Frauen in der IT-Branche, da kann ich sogar richtig was zu sagen, vor allem, weil ich das ja bin, also eine Frau in der IT-Branche.

Der Artikel soll nächste Woche schon erscheinen, Interview also möglichst diese Woche, wann ich eben kann. Mittwochs feiert Oma Geburtstag, Freitag ist große Team-Präsentation, Donnerstag ist möglicherweise Stress wegen großer Team-Präsentation am Freitag. Dienstag, schlage ich vor. Dienstag ist eigentlich nichts, da kann ich auch früh nach Hause gehen.

Ob ich mich irgendwie vorbereiten solle, frage ich noch, ob man die Fragen schon vorher kriegt, und sich dann kluge Sachen dazu ausdenken kann, damit man am Telefon nicht auf einmal anfängt, wirres Zeug zu reden. Das traue ich mir nämlich durchaus zu. Gerade bei Themen, die mich emotional auch mal ein bisschen aufregen, da fange ich gerne an, wirres Zeug zu reden. In meinem Kopf klingt das dann zwar alles viel besser, intelligenter und geordneter, aber das weiß ja leider keiner außer mir.

Nein nein, kommt die Antwort, vorbereiten braucht man sich nicht, wir würden einfach am Telefon nett reden und das wäre schon okay so. Ein bisschen klingt mir das ja nach einer Falle, “nett reden”, ja klar, und dann sagt man was Wirres und prompt steht man dann mit einem wirren Zitat in der Zeitung. Aber ich vertraue da mal darauf, dass das auch ernst gemeint ist und das mit “nett reden” auch wirklich einfach nur “nett reden” gemeint ist. Dienstag also, 17 Uhr. Geht klar.

Ich bin hibbelig.

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Dienstag nachmittag verlasse ich das Büro schön pünktlich, um rechtzeitig zu Hause zu sein. Vorher mache ich noch ein paar kryptische Andeutungen auf Twitter, aber erzählt habe ich kaum jemandem davon. Ich bin da schrecklich zweckpessimistisch und verrate sowas immer erst, wenn es auch wirklich soweit ist. Je mehr Leute von sowas wissen, desto mehr Leute fragen dann nach und desto mehr Leute muss man dann im schlimmsten Fall erzählen: “Nee, war doch nichts.” Also ganz ruhig bleiben, aber innen rumhibbeln wie blöd.

Meinen Artikel im englischen Blog habe ich auch noch mal gelesen, damit ich überhaupt weiß, was ich da gesagt habe, und festgestellt, dass ich da total gute Sachen geschrieben habe. Faszinierend. Auch die anderen Blogartikel, die ich damals verlinkt habe, gucke ich mir noch mal an, damit das mit den Fakten auch einigermaßen hinhaut, sollte ich mich dazu hinreißen lassen, irgendwas faktenähnliches zu behaupten. Ich mache mir Notizen auf einem Post-It, exakt zwei, damit ich wesentliche Punkte nicht komplett vergesse und das war’s. Mehr kann ich jetzt nicht tun. Außer warten und hibbeln.

Um kurz nach fünf klingelt das Telefon. Das Interview geht los. Und tatsächlich, es ist total nett, wir reden eine knappe Dreiviertelstunde. Die Fragen sind gut, ich kann mich gar nicht verhaspeln, weil sie so schön formuliert sind, dass ich sofort den Faden kriege und auch behalte. Gut recherchiert sind sie auch, ich merke, da hat sich jemand den Artikel durchgelesen, hat sich ein bisschen mit meiner Person beschäftigt und sich Gedanken darüber gemacht, was man mich fragen könnte. Zwischendurch ist irgendwann mal die Verbindung weg, das passiert aus Gründen, die ich nicht verstehe gelegentlich mal, wenn ich telefoniere. Aber dann klingelt das Telefon wieder und wir reden weiter.

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Als ich auflege hab ich ein gutes Gefühl. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwas gesagt zu haben, das ich im Nachhinein doof finden könnte. Nach mir kommen noch zwei Interviews, das hab ich auch erfahren, außerdem bekomme ich eine Mitschrift der Zitate, die verwendet werden sollen und kann dann noch abnicken bzw. Einspruch erheben, wenn da was dabei sein sollte, das ich so nicht gut finde. Wie versprochen schicke ich noch eine Mail mit ein paar Links, auf die ich im Gespräch hingewiesen habe. Später kommt eine Mail zurück mit einem Dankeschön und der Anmerkung, sie habe sich jetzt auch schon zwei Bücher bestellt zum Thema “Geschichte der Informatik”. Das finde ich erstens total schön und erinnert mich zweitens daran, dass ich mich damit ja eigentlich auch noch mal ein bisschen beschäftigen könnte.

Die Mitschrift kommt einen Tag später. Passt alles so, das schreibe ich auch zurück. Allerdings ahne ich schon zu diesem Zeitpunkt, dass mindestens eines der Zitate ein Aufregerzitat sein könnte. Ich finde mich aber damit ab, dass man, wenn man interviewt wird und dann nachher Teile des Interviews aus dem Kontext des Gesamtgesprächs gerissen veröffentlicht werden, durchaus missverstanden werden kann und verbuche das schon mal vorträglich als wichtigen Erfahrungswert.

Danach bin ich weiter hibbelig und kann die nächste Woche kaum abwarten. Montag passiert nichts, Dienstag auch nicht, dann habe ich Panik, dass meine letzte Mail mit den Fotos und Blogverlinkungsinstruktionen nicht angekommen sein könnte und panike innerlich ein bisschen rum, bis ich eine Nachfragemail schreibe, ob denn alles heil angekommen sei. Ja, sei es, kommt die Antwort zurück, und der Artikel erscheint morgen. Morgen ist Mittwoch, ich schreibe noch einen Kryptiktweet und gebe den informierten Kreisen Bescheid, morgen das Karriereressort des Spiegel Online etwas aufmerksamer zu beobachten.

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Mittwoch passiert nichts. Ich drücke F5 auf der Spiegel-Online-Seite, aber ohne Erfolg. Auf Nachfragen muss ich mit einem “Na ja, wohl doch nicht heute” antworten und weiß wieder, warum ich so ungern irgendwelche Ankündigungen mache, wenn ich selber keine Kontrolle darüber habe, ob etwas passiert oder nicht. Ich behalte aber erstaunlicherweise die Ruhe. Was weiß ich, wie das bei so einer Online-Redaktion funktioniert. Kein Grund zur Unruhe, das wird schon kommen, nur eben dann nicht heute.

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Am Donnerstagmorgen also das gleiche Spielchen, hibbeliges Neuladen der Spiegel-Online-Seite, bis der Kollege gegenüber auf einmal vorliest “Mädels in der IT-Branche”. Hihi, denke ich, hihihi, und rufe die Seite auf. Erstmal gucken, ob ich überhaupt drin vorkomme. Ah ja, da steht mein Name, ich bin Pionierin, toll ist das. Auf die Bilder zum Artikel geklickt, da bin ich auch. Nur den Link zum Blog finde ich erst nicht, der steht rechts an der Seite, wo er wirklich nicht die Bohne zu finden ist. “Guck halt mal die Bilderstrecke”, sage ich total kryptisch und dann klickt der Kollege die falsche Bilderstrecke an, bis er schließlich doch mal ein bisschen weiterliest und über meinen Namen stolpert. Hihihi!

In der Zwischenzeit schreibe ich noch eine Mail, Artikel hab ich gefunden, finde ich gut, schreibe ich, aber das mit dem Link ist ein bisschen doof, den findet da doch niemand, ob man da nicht den Namen als Link nehmen könnte im Artikel selber. Und einen Grammatikfehler hab ich auch gefunden. Keine Ahnung, wie das in so einer Online-Redaktion funktioniert, aber ich steh ja nicht jeden Tag im Spiegel Online, ich finde, da kann man auch ein bisschen pedantisch sein, rein aus egoistischen Gründen. Tatsächlich kommt wenig später eine Mail zurück, schön, dass mir der Artikel gefällt, und das mit dem Link und dem Fehler ist jetzt behoben. Ich bin begeistert, denn insgeheim habe ich gar nicht damit gerechnet, dass man noch nachträglich und so schnell auf Änderungsvorschläge reagiert.

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Jetzt kann ich auch Mails rumschicken und auf Twitter und Facebook davon erzählen. Yeah! Ich bin im Spiegel Online! Lest das alle! Im Büro ist das Feedback sehr positiv, das freut mich jetzt mal extra. Und auch sonst scheinen sich die Leute darüber zu freuen und ich mich damit erst recht. Dann machen wir alle den Fehler, die Kommentare zu dem Artikel zu lesen und ich falle ein bisschen vom Glauben ab. Schon fast toll ist ja, dass mein Aufregerzitat direkt im allerersten Kommentar einen Hitlervergleich provoziert, damit hab selbst ich nicht gerechnet. Und man weiß ja auch, dass man keine SpOn-Kommentare lesen soll, aber ich mach’s jetzt natürlich trotzdem und bin doch ein bisschen entsetzt über das, was da abgeht. Schnell vergessen und weiterfreuen.

Abends sind wir auf der Gourmetmeile in Essen unterwegs und ein bisschen ist das natürlich auch hier Thema. Der Mann kommt nicht über die Kommentare im Diskussionsforum hinweg, auch wenn ich ihm mehrfach erkläre, dass das doch mittlerweile bekannt ist, dass man die nicht lesen soll. Den Hitlervergleich finden wir aber alle ob seiner Absurdität doch ein bisschen witzig und irgendwann nennen mich alle nur noch Adolfine.

Und das war’s dann eigentlich schon. Der Rummel um den Urheberrechtsartikel war um Längen größer, schon nach einem Tag ist der Artikel von den Headlines über die rechte Spalte im Archiv versandet. Die Onlinewelt ist schnelllebig, der Ruhm kurz, aber Spaß gemacht hat es trotzdem. Die Frage, ob ich sowas noch mal machen würde, stellt sich kaum: Na klar würde ich!

2012 halb rum. Eine Bilanz.

2012 ist halb rum. Ach komm, geh wech! ist ein halbes Jahr halt. Offiziell habe ich den ersten Artikel meiner Erinnerung nach am 6. Januar geschrieben und ihn einfach vordatiert, weil es um Vorsätze ging und die macht man ja bekanntlich am ersten Tag des Jahres.

Die Vorsätze lauteten wie folgt:

Mehr machen.
Mehr Ja sagen.
Mehr Nein sagen.
Mehr Tomatensalsa essen.

Insgesamt hat das sehr prima geklappt. Gemacht habe ich eine ganze Menge (dazu später mehr), sehr oft Ja gesagt und gelegentlich auch mal Nein gesagt. Sogar das mit dem Tomatensalsa hat geklappt, ich weiß jetzt, wie man schnell selbst welches macht (Koriander ist dabei ganz wichtig) und habe als Bonusfeature auch noch gelernt, wie einfach und lecker Guacamole ist.

Ich habe angefangen, Gitarrenunterricht zu nehmen, bin zwei Mal aufgetreten, wir haben Songs aufgenommen, ich habe unzählige Fotos gemacht, dabei mitgeholfen, ein Bloggerinnen-Netzwerk zu gründen, habe zwei Mal Currysoßen und einmal deutsche Rieslingweine verkostet, war in AschaffenburgFulda, Mainz, Münster und Brüssel, auf drei Konzerten (Randy, Florence und Elvis), bin geklettert, habe viele Torten und Cupcakes gebacken, bin mit der Seilbahn auf ein Schloss gefahren und wieder runter, habe die Burns‘ Night mitgefeiert, war in der Oper, aufm Dorf in Oberorke und im Spiegel Online.

Ein paar Dinge habe ich nicht geschafft. Das mit dem Steppen hat nicht geklappt, das ist zwar schade, aber im Moment reicht mir einmal die Woche Gitarrenunterricht aus, also verschiebe ich dieses Projekt ein bisschen nach hinten. Ich habe mich sogar darum gekümmert, aber es war schwieriger als ich dachte, eine Tanzschule zu finden, die Anfängerkurse fürs Steptanzen anbietet. Aufgetreten bin ich auch nur zwei Mal, da muss jetzt nach der Sommerpause was passieren, denn das ist definitiv zu wenig. Auch an dem Buch, dass ich im Dezember so schön geschrieben habe, habe ich nicht weitergearbeitet, weil es sehr einfach ist, so etwas vor sich hin zu prokrastinieren. Wir waren nicht in Hamburg und nicht noch mal in Edinburgh, wie ich eigentlich total euphorisch geplant hatte. Dafür sind wir viel im Ruhrgebiet rumgegondelt und da war’s auch schön.

Insgesamt fällt die Bilanz aber sehr positiv aus. Ich habe dieses Jahr bis jetzt zumindest gefühlt deutlich mehr gemacht und erlebt als sonst. Ich habe mich öfter aufgerafft, habe mehr gewagt und ausprobiert, habe eben schneller und öfter “Ja!” gesagt. Ich habe tolle Leute kennengelernt und bin durch schöne Städte gelaufen. Das Bloggen und Fotografieren hat dabei sehr geholfen, denn ich bin motivierter, wenn nachher etwas Fassbares dabei rauskommt. Und natürlich hat es geholfen, dass das mit dem Blog so gut angelaufen ist, dass es positives Feedback gab und erkennbares Interesse. Ich behaupte gar nicht erst, Besucherzahlen würden mich nicht interessieren, natürlich tun sie das und natürlich schiele ich auf meine Blogstatistik und freue mich, wenn es mehr Leser werden. Vor allem freue ich mich aber, wenn ich Kommentare kriege oder sogar – wie in einem Fall – eine nette Mail eines Lesers. Das dürft ihr ruhig öfter machen.

Deswegen gibt es hier auch noch mal kurz ein paar Zahlen zum Blog von Januar bis (einschließlich) Juni:

Blogstatistik

Haha, ohne Zahlen, die darf man sich selber überlegen. Das im Mai war zu geschätzt 75% der Urheberrechtsartikel und im Juni hat der Artikel auf Spiegel Online noch mal nachgeholfen. Aber auch ansonsten geht die Kurve nach oben und ja, das freut mich.

  • Artikel: 173
  • Kommentare: 564 (inklusive meiner Antworten und Trackbacks)
  • Page Views: 38.536 (davon geschätzt 15.000 ob des Urheberrechtsartikels)
  • Abonnenten (laut Google Reader): 83

Lieblingssuchanfragen (gefühlt, denn Statcounter speichert immer nur die letzten paar Tage oder Wochen):

  • Irgendwas mit Bubble Tea.
  • Die Frage, ob Marc Blucas verheiratet ist. (Ich weiß es doch auch nicht!)
  • Irgendwas mit Cinemaxx und Lovechair. (Dazu empfehle ich diesen Artikel.)
  • Diverse Anfragen Bahnhöfe betreffend.
  • Irgendwas mit Starbucks und Tassen und meistens auch Klauen.

Ich muss mal anfangen, die schönsten Suchanfragen zu sammeln, da sind nämlich richtige Perlen dabei und dann bin ich wieder zu langsam und Statcounter weiß nichts mehr davon. Insofern beende ich diesen Halbjahresrundumschlag mit der allerallerbesten Suchanfrage. Und bevor mich das jemand fragt: Nein, ich weiß auch nicht, warum man ausgerechnet damit auf diesem Blog landet. Ich weiß auch nicht, ob ich’s wissen will. Sei’s drum, hier ist sie nun, die schönste Suchanfrage, die irgendeinen armen Tropf auf meine in diesem Bezug total unhilfreiche Seite geführt hat:

bei mir ist es so das ich plötzlich sehr schnell ejakuliere

Hachja. In diesem Sinne also: Auf ein weiterhin tolles Jahr 2012!

15 Minuten Ruhm und ein Godwin’s Law-Rekord

Das war ja auch noch…

Letzte Woche Donnerstag war ich im Spiegel Online in einem Artikel über Frauen in der IT-Branche. Da ich das über diverse Kanäle schon weitergelinkt habe, ist das hier im Blog so ein bisschen vergessen worden.

Frauen in der IT-Branche: Mädels, wo seid ihr?

Wie ich schon befürchtet hatte, war mein Zitat zur Einführung von Informatik als Pflichtfach ein Prachtstück, was (Mis-)Interpretierfähigkeit angeht. Dazu werde ich aber demnächst noch was schreiben, genauso wie über mein allererstes Telefoninterview. Immerhin habe ich damit einen Rekord geschafft, was den Beweis von Godwin’s Law angeht, denn anscheinend war Hitler irgendwann mal der Meinung, Physik und Chemie gehörten abgeschafft.

Der entsprechende Kommentar wurde mittlerweile aus dem SpOn-Forum gelöscht. Die erschütterndste Erkenntnis war dabei für mich vor allem, dass im SpOn-Forum tatsächlich moderiert wird. Fast schade eigentlich, mein erster Hitlervergleich und ich habe noch nicht mal einen Screenshot.

Männerfrei

Dieses Wochenende will ich endlich mal wieder einen Testhochzeitskuchen backen. Weil der Bräutigam sich Schokolade wünscht, habe ich mir den Guinness-Schoko-Kuchen aus dem Backbuch der Hummingbird Bakery rausgeguckt und brauche dazu… na?… Guinness.

Doreen und ich stehen also am Eingang vom Edeka, um Guinness zu kaufen, wir haben männerfrei, denn die sind beide auf einem Junggesellenabschied. Also, auf dem gleichen. “Guck mal, Bratwurst mit Feta”, sagt Doreen. “Auch lecker”, sage ich. “Wir könnten eigentlich auch grillen”, sagt Doreen. “Könnten wir”, sage ich.

Also kaufen wir Bratwurst mit Feta, Schweinenackensteaks in Bärlauchmarinade, Cevapcici und Schweinebauchfackeln, außerdem Erdbeeren, Sekt und Weißwein. Was die Männer auf diesem suspekten Junggesellenabschied können, das können wir schon lange.

Abends sitzen wir bei Doreen auf dem Balkon, reden ein bisschen, entscheiden, dass wir so langsam Durst kriegen und machen erstmal die Erdbeerbowle nach Doreens Spezialrezept. Erdbeerbowle nach Doreens Spezialrezept geht im Wesentlichen so, dass man Tiefkühlerdbeeren in Alkohol mariniert und auftauen lässt und dann anderen Alkohol dazugießt, bis die Schüssel voll ist. Erdbeerbowle nach Doreens Spezialrezept ist wärmstens zu empfehlen.

Dann sitzen wir weiter auf dem Balkon und reden solange, bis wir Hunger kriegen. Der Grill wird angeschmissen, es gibt Salat und Tomaten mit Mozzarella und natürlich das Grillfleisch und alles ist lecker.

Irgendwann sind wir satt, reden, bis es dunkel wird und gucken dann noch zu, wie Frankreich auch in der zweiten Halbzeit kein Tor macht.

Und das passiert also, wenn männerfrei ist. Grillen und Fußball. Und dazwischen viel Erdbeerbowle und Balkonunterhaltung.

Salat

Bowle

Grill

Blume

Tisch gedeckt

Fleisch

Fackel

Da könnt ich mich aufregen! Ein Metarant.

Ich bin ja im Allgemeinen ein sehr friedliebender Mensch. Wir hatten das schon. Ein bisschen zu friedliebend manchmal. Bevor ich mich mit jemandem anlege, gehe ich meistens lieber und lasse Idioten Idioten sein ohne mich weiter drum zu kümmern.

Leider kann ich das nicht immer, und mit den Jahren haben sich da bei mir ein paar schnuckelige wunde Punkte etabliert. Höchstempfindliche Trigger sozusagen, die mich in Sekundenschnelle zu einer kleinen Furie werden lassen, die wildfremde Menschen anschreit.

Immerhin sind diese Trigger gut zu benennen und dementsprechend einzuschätzen. Da hätten wir im Angebot:

  • Vordrängeln, mehr oder weniger egal wie, wo und wobei
  • In der Bahn einsteigen, bevor die anderen ausgestiegen sind*
  • Einfach über den Zebrastreifen fahren, obwohl ich da rübergehen will
  • Im Auto von hinten drängeln

Da ich selten Auto fahre, ist der letzte Punkt aktuell eher eine Ausnahmeerscheinung. Im Übrigen ist meine Standardreaktion bei Autobahndränglern einfach ein bisschen langsamer zu fahren (2 bis 3 km/h weniger reichen), bringt also bei mir nichts.

Das mit dem Zebrastreifen ist ja leider so, dass man da wenig machen kann, sondern nur heftigst dem Fahrzeug hintergestikulieren kann, was dem Fahrer dann vermutlich wieder ziemlich egal ist. Oder selbst wenn es ihm nicht egal ist, dann hat bisher noch keiner umgedreht und sich entschuldigt. Das heißt, das stimmt nicht. Eine Fahrerin hat sich tatsächlich mal bei mir entschuldigt, und es war wohl wirklich eher etwas Schusseligkeit. Immerhin.

Bei den ersten beiden Punkten aber handelt es sich um Situationen, bei denen man die Leute anbrüllen kann. Vor allen anderen. Und ja, ich komme mir dabei auch immer etwas doof vor und ja, ich mache es trotzdem. Weil sich anscheinend in meinem Leben einmal zu oft irgendwer vorgedrängelt hat und weil sich auch einmal zu oft irgendein Trottel in die Bahn gedrängelt hat, während noch eine ganze Reihe Leute nicht ausgestiegen waren.

Ich glaube, es ist wirklich so: Das ist mir schon zu oft passiert und nach 31 Jahren sind mir die Beweggründe für so ein Verhalten immer noch völlig schleierhaft. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich für diese Sachen so sensibilisiert bin, dass ich Harmonieknubbel mich in Nullkommanix in eine keifende Furie verwandel. Es gibt andere Sachen, die sind genauso doof oder dööfer und über die reg ich mich nicht so auf. Da dreh ich mich um und geh weiter, jedenfalls metaphorisch gesprochen.

Heute war wieder sowas. Die Leute knubbeln sich an der Zugtür, die Tür geht auf, eine ganze Reihe Leute steigt aus, mehr Leute, noch mehr. Irgendwann seh ich, wie sich von rechts eine kleine Frau lauernd neben die Tür stellt und sich zwischen den Aussteigenden reindrängelt.

Trigger erwischt. Furienalarm.

Ich brülle der Frau hinterher, was das für ne Unverschämtheit sei und dass man sowas nicht mache, sich einfach reinzudrängeln.

Im Zug sehe ich die gleiche Frau nochmal, wie sie gerade einen Koffer hochhievt und pampe sie noch mal an, nur für den Fall, dass sie das eben nicht mitbekommen hat.

Dann weiter im Abteil, da ist noch ein freier Platz und… huch!… da sitzt doch die Reindränglerin. Ups, denke ich, böser Fehler. Falsche Frau angepampt, die war das gar nicht, sah nur ähnlich aus.

Also die Sitznachbarin noch mal angepampt. Die ist eher unzufrieden mit der Gesamtsituation, und erklärt erstmal, dass sie nur schnell ihrem Mann beim Gepäckraustragen geholfen hat und schnell zu ihrem Platz zurück wollte, weil da doch ihr ganzes Gepäck ist.

Ups. Richtige Frau angepampt, jetzt schon zweifach, aber offensichtlich tendenziell vollkommen grundlos.

Ich entschuldige mich ungefähr fünfzig Mal, versuche die Wogen noch irgendwie zu glätten, habe aber leider auch weder Kuchen noch Schokolade zur Beschwichtigung dabei. Die Frau bleibt unbeeindruckt und findet mich weiter eher scheiße. Muss ich jetzt wohl mit leben und ein anderer Platz ist auch nicht mehr frei. Mist. Dumm gelaufen.

Mein schlechtes Gewissen treibt mich noch mal zurück zu der wirklich vollkommen zu Unrecht angepampten Frau, bei der ich mich noch mal entschuldige, weil ich sie angebrüllt habe, war aber eine Verwechslung, tut mir wirklich leid, nicht mein Tag heute. Sie findet immerhin gut, dass ich noch mal zum Entschuldigen vorbeikomme. Wenigstens hier ein kleiner Karmaerfolg.

Jeder hat vermutlich so kleine Trigger, die einen zum keifenden Monster werden lassen. Ich habe meine und ich weiß auch, welche das sind.

Also groß hinter die Ohren schreiben: Immer aufpassen, dass sich die Furie dann doch nicht zu sehr daneben benimmt. Ein bisschen Aufregen kann das Karma ab. Aber wenn’s daneben geht, dann muss man sich auch Entschuldigen können. Auch wenn’s ein bisschen peinlich ist. Peinlicher ist, wenn man’s nicht tut.

—-

*Sonderregelung: Wenn es so aussieht, als käme keiner mehr, weil eine kleine Lücke in der Aussteigerschlange entstanden ist bzw. jemand viel zu spät merkt, dass er aussteigen muss, dann ist das okay. Die Furienalarmtaste bleibt dann auch unberührt.

Zugfahren und Fußball

Fußball

Ich stehe am Kölner Hauptbahnhof und habe noch zwanzig Minuten totzuschlagen, bis der Intercity nach Essen abfährt. In der Markthalle haben sie eine Leinwand aufgebaut und alle stehen und sitzen davor und gucken.

Es ist die zwölfte Minute und Lahm hat den Ball, kurz vorm Tor, aber dann hüpft ihm der Ball irgendwie nach hinten über die Hacke und da steht schon ein Niederländer und das war’s dann mit der Torchance.

“Fuck”, entfährt es mir.

Die Frau vor mir dreht sich um, wir gucken uns an und lachen.

“Ja aber, ist doch wahr”, sag ich noch, denn so ist es doch.

Das ist das Schöne am Fußball, dafür kann ich mich auch begeistern, für dieses Zusammengucken und Freuen und Leiden. In der Markthalle im Kölner Hauptbahnhof, in der DB-Lounge, überall. Wie aus dem Nichts sprießen da die Leinwände und Fernseher aus dem Boden und Menschen versammeln sich davor und gucken gebannt, was passiert. Ich mag das und deswegen guck ich zwar eigentlich keinen Fußball, aber wenn WM oder EM ist, dann schon. Sogar Oma guckt im Übrigen, hat sie erzählt, jedenfalls die deutschen Spiele.

Die Frau vor mir dreht sich noch mal um. Wieviel Uhr es ist, möchte sie wissen.

Es ist neun Uhr, sage ich ihr.

“Schön, dann hab ich ja noch drei Minuten.”

Ich habe auch noch zwei Minuten, dann geht’s zum Bahnsteig. Wenn ein Tor fällt werde ich das schon hören, denke ich, während ich auf dem Bahnsteig warte, auf den Zug, der bis zwei Minuten vor Abfahrt noch nicht mal angeschlagen ist, was mich leicht nervös macht.

Im Intercity sagt der Schaffner die Ergebnisse durch, auf die besonders gemeine Tour.

“In der 28. Minute ist ein Tor gefallen”, sagt er. “Von Mario Gomez.”

Diese paar Sekunden zwischen dem ersten Teil des Satzes und dem zweiten Teil machen mich ganz kirre.

Beim zweiten Tor macht er es genauso. Beide Male rufe ich laut “Yeah!”.

Alle anderen im Abteil sind still. Bin wohl der einzige EM-Enthusiast hier.

Zugfahren und Fußball. Es ist seltsam, aber es geht.

Einfach mal glücklich sein lassen

Ich bin bekanntermaßen eine Weltschönrednerin. Das macht mich auf der einen Seite irre sympathisch und umgänglich, auf der anderen Seite kann es aber auch tierisch nervig sein, denn es bedeutet auch, dass ich mir sehr erfolgreich einreden kann, alles wäre eigentlich super, wenn es vielleicht auch mal angesagt wäre, sich aufzuregen und zu beschweren.

Im Wesentlichen bin ich einfach lieber glücklich als auf mein Recht zu bestehen. Das kann auch bedeuten, dass ich Konfliktsituationen aus dem Weg gehe, aber ich weiß genau, dass, wenn ich mich jetzt da aufrege und rumstreite, ich nachher nur selber ein paar Stunden schlecht drauf bin. Da vergesse ich das lieber schnell wieder, finde einen guten Grund, warum alles eigentlich so okay ist und bin weiter zufrieden.

Kann sein, dass dadurch zwei, drei, fünf, zehn oder hundert Menschen bisher nicht von mir angepfiffen wurden, obwohl es vielleicht angebracht gewesen wäre. Vielleicht hat sich fünf Minuten später jemand anders aufgeregt, jemand, der das besser kann als ich und der das vielleicht auch braucht, um glücklich zu sein. Es gibt so Leute, die eine Konfrontration glücklicher macht, die unzufrieden sind, weil so unangesprochene Aufreger an ihnen nagen, und das ist genauso okay wie sich die Welt schön zu reden. Auf keinen Fall sollen alle Leute so sein wie ich, das wäre ganz furchtbar, das ist ja gerade das Schöne, das Leute anders sind und das wir alle unsere eigenen Empfindlichkeiten haben und gleichzeitig ganz unterschiedliche Wege zum Glücklichsein.

Es können auch nicht immer alle glücklich sein. Das wäre wunderschön, wenn das so wäre, geht aber leider nicht, denn manchmal hängt das Glück des anderen leider vom Kummer eines anderen ab – und das muss noch nicht mal absichtlich geschehen. Aber so lange es geht und so lange wie wir uns beim Durchsetzen unseres eigenen Glücks nicht gegenseitig unglücklich machen, bin ich sehr doll der Meinung, jeder soll erst mal das machen, was ihn glücklich macht.

Es ist geradezu vermessen, irgendjemandem vorzuschreiben, wie er bitte schön glücklich zu sein hätte, was ein akzeptables Maß an Gefühlsoffenbarung wäre und wann er sich bitte schön zurückhalten sollte. Ich möchte auch nicht gezwungen werden, mich beim nächsten verspäteten Zug mit dem armen Schaffner anzulegen, rein aus Prinzip. Dann bin ich nämlich nachher ganz mies drauf, kreuzunglücklich und beim nächsten Mal kommt der Zug im Zweifelsfall trotzdem nicht früher.

Warum ich das schreibe? Weil ich mich heute ganz doll aufgeregt habe. Es ging um das Video mit dem unglaublich rührenden Lip-Dub-Heiratsantrag, dass gerade aktuell so die Runden macht. Ich saß davor und fing an zu weinen, weil ich es so unheimlich toll und schön und rührend fand, wie sich da jemand so eine Mordsarbeit gemacht, die ganzen Leute mobilisiert, sich eine mehrminütige Choreografie ausgedacht hat, alles, um seine Freundin zu fragen, ob sie ihn heiraten will.

Ich glaube auch, dass ausnahmslos alle, die bei diesem Heiratsantrag mitgemacht haben, einen irren Spaß gehabt haben. Ich glaube, die Verlobte-in-Spe saß die ganze Zeit hinten auf dem Auto und war nur noch hin und weg und überwältigt. Ich glaube, das ist eine Geschichte, die man nie vergisst und an die man sich immer wieder gerne erinnert.

Das finden anscheinend nicht alle so. Auf Facebook entbrannte eine kurze Diskussion bei jemandem, der das Video auch dort geteilt hat. Nun finde ich es vollkommen okay, wenn nicht alle mit Tränen in den Augen vor diesem Video sitzen. Ich erwarte das auch nicht und ich weiß sehr wohl, dass ich für diese Art Gefühlsduselei extrem empfänglich bin. Mit Flash-Mobs kriegt man mich eigentlich immer, erst recht, wenn Musik eine Rolle spielt. Dass andere Leute da nicht so drauf abfahren, davon gehe ich mal aus, das ist total in Ordnung.

Von Gruppendruck war die Rede, davon, dass das Video gruselig und der Typ (also der zukünftige Bräutigam) aus dem Horrorkabinett sei, ein schnauzbärtiger Gebrauchtwarenhändler und das sowieso alles narzisstischer Hochzeitsterror sei, eklige Inszenierung von Gefühlen als Realityshow.

Und ich denke noch… BITTE? In was für einer Welt sind wir eigentlich angekommen, wo ich das wie auch immer zur Schau gestellte Glück von mir völlig fremden Personen erstmal in Frage stellen und schlecht machen muss? Wie verbittert müssen wir eigentlich noch werden, um hinter allem, was wir sehen, eine oberflächliche, von Narzissmus getriebene Inszenierung von unechten Gefühlen zu sehen? Und brauch ich das wirklich, dass ich über jemanden, der jetzt vielleicht keine Schönheit per se ist, sage, dass er aus dem Horrorkabinett sei?

Man kann dieses Video scheiße finden, inszeniert und gefühlsduselig. Man kann sich fragen, ob es eine tolle Idee ist, seine Freundin vor versammelter Mannschaft zum Ja-Wort zu drängeln, man kann auch hinterfragen, ob man sowas dann im Internet veröffentlicht. Alles vollkommen berechtigt. Aber teilweise strotzten besagte Kommentare (nicht alle, wohlgemerkt, einige waren nämlich auch wieder angetan, anderen war es wahrscheinlich schlichtweg egal) so vor Zynismus und Bitterkeit, und das entlud sich vor allem auf den armen Initiator und Ja-Frager.

(Mal abgesehen davon, wenn man jemanden fragt, ob er ihn heiraten will, dann setzt man ihn immer unter Druck, selbst wenn man dabei zu zweit auf dem Sofa sitzt. Denn was passiert jetzt, wenn der andere “Nein” sagt, ist dann die Beziehung direkt vorbei, streitet man sich erstmal tagelang und zehrt das so an der Beziehung, dass in ein paar Monaten dann Schluss ist? Vielleicht keins davon, vielleicht steckt die Beziehung das locker weg, vielleicht aber auch nicht. Bei einem Heiratsantrag wird aber immer irgendwie ein “Ja” erwartet, vollkommen unabhängig davon, wie viele Leute mit anwesend sind.)

Mein Vorschlag: Einfach mal glücklich sein lassen. Einfach mal am Glück der anderen erfreuen und keinen Haken suchen. Keiner muss beim Gucken eines solchen Videos weinen. Viel besser noch: Man muss es gar nicht gucken. Das ist ja das total tolle am Internet und generell an der Welt, dass man viele Dinge, die man nicht mag, gar nicht tun muss. Ich muss zum Beispiel auch keine Bananen essen. Oder mir ein teures Auto kaufen. Oder mir Musik anhören, die ich nicht mag.

Wenn alles halbwegs gut läuft, dann kann ich meine Freizeit (und oft sogar meine Arbeit) mit Sachen füllen, die mich glücklich machen und die Sachen, die mich unglücklich machen, sein lassen. Das funktioniert nicht immer, aber erstaunlich häufig. Und ich möchte, dass andere Leute das auch tun können. Und wenn ich lese, wie manche Leute das Glück von anderen zerreden und miesmachen, dann verwirrt mich das sehr.

Auf gut Kölsch gesagt: Man muss auch jünne künne. Ich sage: Genau so ist es. Und wenn das jetzt alles naiv und rosarot und furchtbar optimistisch klingt, dann ist das richtig so. Aber ich bin lieber all das, als zynisch, bitter und unglücklich zu sein. Und ich falle lieber einmal mehr mit diesem Optimismus auf die Schnauze, als dass ich mit einem wohlbalancierten Pessimismus sicher durchs Leben schreite.

Wir machen da gerade was: Musik-Teaser

Mal was total anderes zum Thema Urheber und so. Der Mann und ich sitzen nämlich im Moment dran und arrangieren ein paar Songs. Vor allem sitzt der Mann dran, ich muss die Songs nur schreiben, ab und zu mal was ins Mikro singen und gelegentlich hilfreiche Kommentare zum Arrangement einwerfen.

Als kleinen Teaser haben wir einfach mal was hochgeladen. Wer jetzt sagt: „Boah, das ist ja nur Bass und Gesang“, der hat das knallhart durchschaut. Aber deswegen ist es ja auch ein Teaser und kein fertiger Song. Es gibt (totaler Wahnsinn) sogar auch noch eine zweite Strophe UND eine Bridge, aber man muss sich ja was aufsparen für später.

Ob wir an dieser Stelle jetzt regelmäßig den Zwischenstand präsentieren oder weiterhin im stillen Kämmerlein vor uns hinwerkeln, wird sich noch rausstellen. Vielleicht geht auch alles ganz schnell und das Ding ist fertig, bevor wir’s selber gemerkt haben.

Hier gibt’s jetzt jedenfalls schon mal eine Vorschau auf das, was so kommen soll. Kommentare und Kritik sind herzlich willkommen. Ansonsten vor allem: Viel Vergnügen!

[audio:https://anneschuessler.com/Sweet_Tea_Raw.mp3|titles=Sweet Tea (Teaser)]

Ich bin die Böse

Liebe Urheber.

Ich habe heute einen Text gelesen, den 1.500 von euch unterzeichnet haben, weil sie ihn offensichtlich gut, richtig, unterstützungs- und umsetzungswürdig finden. Ich habe den Text gelesen und war etwas… nun ja… erschüttert. Offensichtlich fühlt ihr euch sehr bedroht von denen, die da draußen ein bisschen lauter werden und irgendetwas bezüglich Reformierung des Urheberrechtes schwafeln. Das sind eure Feinde, die wollen euch ans Leder, ans Geld und an die Kunst. Um das ganze einfacher zu gestalten, biete ich einfach ein Feindbild an, mit dem ihr dann in Zukunft super arbeiten könnt: mich.

Liebe Urheber, ich bin die Böse.

Ich wollte letzte Woche noch einen furchtbar bösen Artikel über die ebenso furchtbar bösen Piraten schreiben. Dann habe ich mal geguckt, was so im Parteiprogramm der NRW-Piraten steht und dann habe ich den doch nicht geschrieben, denn was da drin stand, war überhaupt gar nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte. Eigentlich war es ganz vernünftig, vielleicht ein bisschen wischi-waschi und bestimmte Stellen sollten wohl noch mal ordentlich durchdiskutiert werden. An keiner Stelle stand da aber: “Wir sind dafür, dass in Zukunft alles umsonst ist und alle Urheber ihre Rechte abgeben und anschließend verhungern.” Das stand da nicht. Echt nicht.

Dann kam euer Schreiben und das liest sich auf den wenigen Zeilen so unglaublich verbohrt und uneinsichtig, dass ich feststellen musste: “Mist, ich stehe wohl doch auf der anderen Seite.” Eigentlich stehe ich einfach irgendwo dazwischen. Das Problem ist nur, so wie ihr euch in diesem kurzen Text geriert, mit dieser Hybris des besseren Menschen und der Gewissheit, sämtliche Moral auf der eigenen Seite zu haben, das macht euch nicht zwingend sympathisch. Und das, was ich daraus lese, ist sehr simpel: Ich bin die Böse.

Ich bin die Böse, weil ich der Meinung bin, dass das Teilen von Inhalten im Netz normal und moralisch nicht verwerflich ist. Ich bin die Böse, weil ich nicht glaube, dass das Teilen von Inhalten im Netz im Großen und Ganzen den Urhebern schadet. Zugegebenermaßen habe ich dafür keine Zahlen. Ich kann nur von dem ausgehen, was ich bei mir selber und meiner Umwelt beobachte. Ich gebe jedenfalls nicht weniger Geld für Musik und Bücher aus, nur weil ich auch mal was im Internet für lau höre. Maximal wird das Geld anders verteilt, weil ich im Internet auf Künstler und Urheber stoße, die ich so vielleicht gar nicht gefunden hätte. Das geht natürlich auch auch auf euer Portemonnaie. Denn Geld, was ich für Pomplamoose ausgebe, das ist dann möglicherweise nicht mehr für das neueste Album einer etablierteren Band übrig. Klar. So, wie ich mich kenne, und ich kenne mich ziemlich gut, kaufe ich mir dann aber eher kein neues Paar Schuhe und einfach beide Alben.

Ich bin die Böse, weil ich die zumindest gefühlte Sonderstellung der GEMA im internationalen Vergleich für höchst albern, anmaßend und anachronistisch halte. Vor ein paar Wochen war ich bei meinen Eltern und wollte meinem Vater ein bisschen Musik von Florence + the Machine vorspielen, weil wir am gleichen Abend auf ein Konzert von Florence gehen wollten. Meine Vesuche, auf YouTube ein Video eines der bekannteren Stücke zu finden, scheiterten alle kläglich. Wobei das Finden eigentlich kein Problem darstellte, es gab genug davon, nur in Deutschland durfte man sich keins davon angucken. Also, dachte ich, bin ich mal klug und wir gehen direkt auf die offzielle Seite von Florence + the Machine, da wird’s bestimmt was geben. Gab’s auch. Nämlich eingebettete Videos von YouTube. Die man in Deutschland nicht gucken darf. Letztlich endete es so, dass ich meinen Laptop auspackte, und ein bisschen in meinem iTunes gewühlt habe. Das kann doch so nicht gewollt sein.

Ich bin die Böse, weil ich glaube, dass das Internet für viele, viele Künstler die erste Möglichkeit ist, ihre Kunst öffentlich zugänglich zu machen. Vielleicht erschreckt euch das ja auch so, dass man eben nicht mehr auf den Schutz der Verlage, Labels und Verwertungsgesellschaften angewiesen ist und trotzdem Geld verdienen kann. Ich mache da einfach mal eine simple Rechnung: Ich habe z.B. hundert Euro im Monat, die ich in Bücher, Musik, Kino und so investieren kann. Vor dem Internet gab es 50 Künstler, an die ich mein Geld verteilen konnte. Also bekam im gerechtesten Fall jeder 2 Euro von mir. Total super. Jetzt, wo die Filter wegfallen, sowohl was die Vertriebswege als auch die lokale Beschränkung angeht, gibt es 500 Künstler, an die ich mein Geld verteilen kann. Oder 5.000. Dass da für den einzelnen weniger übrig bleibt, ist ein sehr simpler und nachvollziehbarer Effekt. Das hat nicht zwingend etwas damit zu tun, dass ich mir auf einmal ganz viel kostenlos runterlade, sondern, dass ich mein Geld jetzt eventuell auch an die Urheber verteile, die vorher gar nicht auf eurem Plan standen. Weil es eben jetzt geht. Wer das doof findet, der entlarvt sich zumindest schon mal selber als egoistischer Sack. Was ja jetzt für mich als Geldgeber auch ein ganz guter Indikator ist, wem ich in Zukunft mein Geld eher nicht gebe.

Ich bin im Übrigen auch die Böse, weil ich meinen kreativen Output umsonst ins Netz stelle und weil ich das, was andere Leute für umsonst ins Netz stellen, angucke. Man stelle sich vor, was da an Zeit draufgeht, die wir alle sonst mit Bezahlcontent verbringen könnten. Mein Blog ist kein großes Literatenwerk, meine Fotos keine Kunst, aber ich schreibe und fotografiere gerne und ich freue mich darüber, wenn andere Leute das lesen und gut finden. Und anderen Leuten scheint es ebenso zu gehen. Wer weiß, was da an Geld verloren geht, nicht weil Leute kopieren oder verleihen, sondern weil sie einfach andere kostenlose Angebote nutzen.

Ich bin die Böse, weil ich ungehemmt anpinne, verlinke, empfehle und zitiere. Das muss man sich mal vorstellen, da finde ich etwas im Internet, was ich gut finde und dann verbreite ich das einfach weiter übers Internet, möglicherweise noch mit einem Bild, das ich gar nicht selber gemacht habe. Und dann schreibe ich noch sowas dazu wie: “Guckt mal, wie toll dieses Produkt ist und ihr kriegt das hier für soundsoviel Euronen.” MIT EINEM BILD, DAS ICH GAR NICHT SELBER GEMACHT HABE. Und dann geht nachher noch jemand hin und kauft sich dieses Produkt. Wo kommen wir denn hin, wenn das alle machen würde. Oder das mit dem Zitieren, das ich fleißig auf quote.fm betreibe, wo ich mit einem schönen Zitat drauf hinweise, dass hier, da und dort im Internet ein Text steht, den ich total gut finde und von dem ich gerne möchte, dass ihn andere auch lesen.

Liebe Urheber, ich bin die Böse.

Ich bin die Böse, obwohl ich schon mit sechzehn fast mein gesamtes Taschengeld für CDs verbraten haben, und meine CD-Sammlung vermutlich so zwischen 400 und 500 CDs beinhaltet. Dazu kommen noch (laut Statistik) 1205 total legal bei iTunes erworbene Titel. Die rund 50 Bücher, die ich im Jahr lese, kaufe ich mir fast alle neu selbst, weil ich die meisten davon in der Bücherei eh nicht bekommen würde und musste sie schon in Stapeln an Büchereien und Second-Hand-Läden verschenken, damit wieder Platz im Regal ist. Ich bin die Böse, trotz meines Lovefilm- und meines Audible-Abos, trotz der hunderte Euro, die ich in den letzten zwei Jahren für Konzert-Karten ausgegeben habe, trotz der Kinokarten und der Tatsache, dass ich jenseits von Kino und Lovefilm immer noch DVDs und BluRays kaufe.

Trotzdem muss ich mir immer wieder anhören, wie böse wir Internetmenschen sind, weil wir immer nur alles umsonst haben wollen und nicht mehr bereit wären, Geld für Kunst zu bezahlen. Liebe Urheber, ich bin sehr wohl dafür, dass ihr Geld für das bekommt, was ihr macht. Es ist mir eigentlich auch schnurzpiep, was ihr bekommt, ich wage überhaupt nicht, eine Meinung darüber zu haben, was welcher Inhalt wert sein sollte. Wenn hunderttausend Leute ein Buch kaufen wollen, dann liegt es mir fern, beurteilen zu wollen, ob das Buch bzw. dessen Autor das jetzt verdient hätte oder nicht. Ich bin für Kulturförderung und ich hab noch nicht mal was gegen die GEZ.

Trotzdem funktioniert die Art, wie das Urheberrecht gehandhabt wird in meinen Augen nicht mehr und ich habe schlicht und einfach ein Problem damit, als jemand, der von dem ihm zur Verfügung stehenden Geld einen nicht unerheblichen Anteil sehr, sehr direkt in vom Urheberrecht betroffene Konsumgüter und Veranstaltungen steckt, dann noch kriminalisiert zu werden.

Es enttäuscht mich, wenn sich in der Liste der 1.500 Urheber Namen von Leuten finde, die ich sehr gern mag, rein als Künstler, ich kenne sie ja nicht persönlich. Frank Goosen, beispielsweise, bei dem ich jetzt nicht sicher bin, ob ich sein neuestes Buch nicht doch lieber erstmal von meiner Audible-Liste schmeißen sollte. Oder Charlotte Roche, deren Bücher ich zwar gar nicht lesen möchte, die ich aber jahrelang verehrt habe, weil sie mit Roger Willemsen zusammen Pipi machen war (die Sendung, in der das passierte, musste ich im Übrigen auf YouTube gucken, weil sie nie ausgestrahlt wurde). Oder Sven Regener, dessen Echauffierungsvideo ich lieber nicht gucken möchte, um mir die Musik von Element of Crime nicht mental zu vermiesen. (Übrigens alles legal erworben. Gekauft! FÜR RICHTIGES GELD!) Liebe Urheber, das, was ihr da macht, ist ein großer Vertrauensbruch. Ihr traut mir nicht. Ihr glaubt, ich will euch was Böses. Will ich gar nicht. Ich will nur was ändern. Und weil das, was ich ändern will, möglicherweise auch euch und euer Leben betrifft, findet ihr das nicht gut.

Liebe Urheber, ich hab eine Idee. Wie wär’s mal mit Dialog? Wie wär’s mal damit, sich die Vorschläge anzuhören, wie mit dem Urheberrecht umgegangen werden könnte? Nicht gut? Umständlich? Aufwändig? Zu krass?

Hm. Tja. Dann bleibt es wohl dabei: Ich bin die Böse.

025

Aus lauter Nettigkeit hab ich euch noch ein prima Feindbild gebastelt. Und jetzt kommt der Knaller: Ihr dürft es ausdrucken, aufhängen und mit Pfeilen drauf werfen. UND IHR MÜSST MIR KEINEN CENT BEZAHLEN! WIE GEIL IST DAS DENN?!?