Blut spenden

Wenn ich erzähle, dass ich Blutspenden gehe, dann sind die Leute immer ganz erstaunt. Meistens passiert das in so einem Nebensatz, oder weil’s gerade wegen irgendwas anderem eben um Blutspenden geht, und dann gucken immer alle so halb erstaunt und halb ehrfürchtig, so als wäre das eine ganz besondere Leistung.

Dabei ist das ganz einfach. Aber fangen wir mal am Anfang an.

Das erste Mal Blutspenden war ich vor über zwei Jahren. Der Mann war gerade in Australien und ich lief allein durch Düsseldorf und kam an einem Blutspendemobil vorbei, das mitten in der Düsseldorfer Altstadt geparkt war. Weil ich das sowieso immer schon mal machen wollte und mir lediglich die elende Prokrastination im Weg stand, tigerte ich zielstrebig auf einen Menschen mit rotem Kreuz auf der Arbeitskleidung zu und bot mich als potentielle Blutspenderin an.

So bekam ich alles erklärt, musste den Fragebogen ausfüllen, wurde mit Cola abgefüllt, auf eine Liege verfachtet, mir wurde eine Nadel in den Ellebogen gesteckt und irgendwann war ein halber Liter abgepumpt, es gab noch lecker belegte Brötchen zu essen und ich durfte mir eine Tafel Ritter Sport aussuchen.

Wenn man dann erst einmal Blut gespendet hat, kriegt man praktischerweise die Information, wann man als nächstes wo spenden kann, zugeschickt und dann ist auch der Aufwand nicht mehr so groß und selbst professionelle Prokrastinierer wie ich schaffen es, den nächsten Termin wahrzunehmen.

Mit dem Umzug nach Essen wurde es noch einfacher, da gibt es nämlich mitten in der Stadt ein Blutspendezentrum des DRK, das von Montag bis Samstag geöffnet hat. Schön daran ist, dass hier alles eben nicht so provisorisch für einen Tag aufgebaut ist, sondern immer da ist und dadurch alles ein bisschen einfacher und gemütlicher wirkt.

Und damit komm ich zum eigentlichen Punkt: Blutspenden ist total einfach. Man muss eigentlich nichts tun, außer lächeln, ein paar Kreuzchen machen, ein paar Fragen beantworten, und ansonsten hauptsächlich trinken, essen, rumsitzen und liegen. Im Wesentlichen muss man trinken, essen und liegen. Das kann ich.

In Essen läuft das also so ab: Man meldet sich unten an der Rezeption an, wo man schon mal freundlich angelächelt wird, denn beim Blutspenden sind eigentlich alle immer nett zu einem. Das ist auch ein weiterer Grund, Blut spenden zu gehen, man wird mit Nettigkeit und Fürsorge geradezu überschüttet, weil sich alle so freuen, dass man freiwillig gekommen ist, um ein bisschen was von seinem Blut abzugeben.

Es gibt also nicht nur Essen und Trinken für umme, nebenbei wird auch noch das Karmakonto aufgestockt, während Menschen um einen herumwuseln, einen anlächeln und sich dauernd nach dem Befinden erkunden.

Wenn man sich angemeldet hat, kriegt man ein Klemmbrett mit dem Fragebogen und dem Ausweis und dann darf man oben ins Bistro und sich da mit Getränken seiner Wahl abfüllen lassen, um den Blutdruck auf Tour zu bringen. Außerdem muss man noch Kreuzchen auf dem Fragebogen machen und dann zum Arzt zur Voruntersuchung.

Der Arzt piekst einmal ins Ohr, guckt sich den Fragebogen an, fragt noch mal nach, wenn was zu klären ist, misst den Blutdruck und dann darf man spenden oder nicht. Ich durfte bisher immer spenden, auch wenn mein Blutdruck immer so ein bisschen am unteren Ende der Akzeptanzskala rumkrebselt.

Danach darf man auf die Liege und wird gefragt, wo man denn bitte schön gepiekst werden möchte. Ich hab da keine Vorlieben, ich weiß auch nicht, warum man lieber in den einen als in den anderen Arm gepiekst werden wollen könnte, aber es gibt auch da bestimmt Gründe.

Ich möchte hier nicht lügen, also sag ich mal lieber gleich, dass ich die Nadel sehr groß finde. Aber die können das gut da, machen das ja den ganzen Tag lang, und dann liegt man eigentlich nur da, hat im besten Fall einen Knautschball zum Pumpen in der Hand und wartet nur, bis das Plastikding voll ist. Wenn es soweit ist, wird man wieder abgekoppelt, kriegt einen schicken Angeberverband, muss noch ein bisschen liegenbleiben und wird dann ins Bistro zum Stärken geschickt.

Beim DRK kriegt man immer noch ein lustiges Geschenk und darf sich eine Tafel Schokolade mitnehmen. Ich hab da schon eine astreine Taschenlampe bekommen, einen Regenschirm, den ich gegen eine Dose eingelegten Hering getauscht habe (andere Geschichte), ein Desinfektionsspray, einen tollen Kuli und zur fünften Spende in Essen einen Ritzenhoff-Flaschenöffner.

Dafür mach ich’s natürlich nicht. Ich mache das, weil ich’s kann. Ich mache das, weil ich das sinnvoll finde. Ich mache das, weil es einem total einfach gemacht wird. Weil die Leute so nett sind. Weil es mich außer ein bisschen Zeit nichts kostet. Weil es tatsächlich irgendwie entspannend ist, auf einer Liege liegen zu müssen und nichts zu tun.

Man kann jetzt darüber diskutieren, ob man beim DRK spenden soll oder doch lieber direkt im Krankenhaus. Ich kenne mich da nicht aus, ich gehe optimistisch davon aus, dass mein Blut sinnvoll verwendet wird, dass es zu jemandem kommt, der es brauchen kann. Das ist für mich die Hauptsache, der Rest ist mir zunächst wumpe. Ich lasse mir da aber gerne erklären, wie das alles so funktioniert und bin auch dankbar für Hinweise, wo man das sonst noch machen kann und wie das da funktioniert.

Man kann auch darüber diskutieren, ob es noch zeitgemäß bzw. diskriminierend ist, dass u.a. homosexuelle Männer offiziell nicht spenden dürfen. An dieser Stelle geht es mir jedoch vor allem darum, klarzustellen, dass es keine besondere Leistung meinerseits ist, wenn ich zur Blutspende gehe. Es ist ganz einfach, es ist auch gar nicht unangenehm und es gibt kaum einen Grund, warum man das nicht machen sollte (außer eben, weil man aus welchem Grund auch immer nicht darf). Es hilft ja auch nicht, aus Protest nicht spenden zu gehen.

Wer mehr wissen will, der sollte sich bei der Textzicke umgucken, die hat nämlich erst gestern darüber geschrieben und war ein bisschen fleißiger als ich, was das Zusammensuchen von Links und Telefonnummern angeht.

Der wichtigste Link ist wohl der zum Deutschen Roten Kreuz: http://www.blutspende.de/

Alternativ kann man sich auch bei den Krankenhäusern über die Möglichkeit einer Blutspende informieren (hier z.B. das Universitätsklinikum Essen). Dort wird man meines Wissens eher finanziell entlohnt, da ich noch nicht da war, kann ich auch nicht sagen, inwiefern sich das Procedere von dem beim DRK unterscheidet.

Es gibt sehr viele gute Gründe fürs Blutspenden, ziemlich wenig dagegen. Also aufraffen, Termin nachgucken, hingehen, sich betüddeln lassen und glücklich wieder nach Hause gehen. Im Zweifelsfall mit Schokolade in der Tasche.

Blutspende

6 geleistete Vorspenden, Ende September darf ich wieder. Yeah!

Nie wieder… bis zum nächsten Mal!

Als der Mann nach Hause kommt, liege ich gerade auf dem Bett und rufe verzweifelt “Das mach ich NIE WIEDER!”

Als ich die ersten Cupcakes fertig dekoriert habe, quieke und juchze ich ganz mädchenhaft und rufe dem Mann zu, dass es mir jetzt egal ist, wie müde er ist, “du MUSST jetzt leider gucken kommen, es geht nicht anders”.

Als wir um halb neun die ersten sieben Transportboxen mit Cupcakes zum Hochzeitsaustragungsort bringen und da noch zu Abend essen, klebt mein ganzer Körper nach Zuckerguss.

Als ich mit Nina, Clara und Noah während der Hochzeit die restlichen Cupcakes dekoriere, bin ich vollkommen hin und weg, wie toll das alles aussieht.

Als ich die Etagere aufbaue und alles zusammensetze und mit Glitzerherzchen dekoriere, bin ich noch hinner und noch wegker.

Als alles steht und alle kommen und gucken und staunen, bin ich stolz wie Oskar. Ach quatsch, wie hundert Oskars. TAUSEND OSKARS! DREITAUSEND MILLIONEN OSKARS HOCH DREI!

Nein, ich möchte das nie wieder tun. Und ja, natürlich würde ich sofort wieder zusagen, wenn mich jemand fragt. So anstrengend, so furchtbar, so aufregend, so grandios, so unglaublich toll!

Übrigens, Rezepte folgen im Foodblog nebenan… nur ein bisschen Geduld bitte.

Handschuh

Box

Fähnchen

Fertig

Und das sind die kleinen Kuchenstars:

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Hugo

Guinness-Schoko

Kirsch

20120727_doreen joern_1903

Kuchen

Cupcakes

Anschneiden

100 Cupcakes (und ein Kuchen): Der große Tag

Der eigentliche große Tag ist ja morgen, aber der ganze Kuchenkram muss heute gebacken werden, deswegen ist für mich heute der große aufregende Tag, an dem sich rausstellen wird, ob alles so hinhaut, wie ich mir das vorstelle.

Kurz: Ich werde heute geschätzt 100 Cupcakes (also vier Sorten) und einen kleinen Kuchen backen und die werden dann morgen bei der Hochzeit hoffentlich sowohl ein geschmacklicher als auch ein optischer Genuss sein.

Um neun Uhr der erste Notfall. Keine Minze im EDEKA. Aber ich bin hoffnungsfroh. Erstens ist heute Wochenmarkt und zweitens brauch ich die nur für eine Sorte Cupcakes und die mach ich dann halt als letztes.

Ansonsten muss jetzt gerade noch der Kirschtee ziehen und dann geht’s weiter. Livebloggen wäre voll die tolle Idee, aber das ist mir dann doch ein bisschen zu riskant. Dafür darf man mir unter dem Hashtag #100cupcakes bei Twitter folgen, das wird bestimmt auch amüsant genug. Und fotografiert wird ohnehin.

Ansonsten stelle ich vor:

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Die Zutaten, minus Milch, den restlichen Butterpäckchen, Frischkäse und Minze. Und natürlich den ultrageheimen Geheimzutaten für die ultrageheimen Geheimcupcakes.

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Lebensretter Nummer 1: Kitchen Aid.

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Lebensretter Nummer 2: Musik.

Ist das alles aufregend.

Zum ersten Mal: Für einen Artikel im Spiegel Online interviewt werden

Sollte es irgendwer nicht mitbekommen haben: Ich war Ende Juni im Spiegel Online. Genauer gesagt wurde ich in einem Artikel über Frauen in der IT-Branche zitiert.

Wie es dazu kam und wie das so war, das erzähl ich jetzt. Das war nämlich so:

Vor ein paar Monaten schrieb ich in dem anderen Blog darüber, wie doof ich das finde, dass es in meinem Beruf so wenig Frauen gibt. Da dieser Blog eher so mäßig frequentiert wird (ich könnte da auch mal wieder was schreiben), war das Feedback eher so gehtso, die großen Diskussionen blieben jedenfalls aus.

Dann trudelt vor ein paar Wochen am Montag eine Mail von einer Mitarbeiterin von Spiegel Online ein. Ob ich Lust hätte zu einem Telefoninterview, es ginge um Frauen in der IT-Branche. Ja sicher hab ich das. Frauen in der IT-Branche, da kann ich sogar richtig was zu sagen, vor allem, weil ich das ja bin, also eine Frau in der IT-Branche.

Der Artikel soll nächste Woche schon erscheinen, Interview also möglichst diese Woche, wann ich eben kann. Mittwochs feiert Oma Geburtstag, Freitag ist große Team-Präsentation, Donnerstag ist möglicherweise Stress wegen großer Team-Präsentation am Freitag. Dienstag, schlage ich vor. Dienstag ist eigentlich nichts, da kann ich auch früh nach Hause gehen.

Ob ich mich irgendwie vorbereiten solle, frage ich noch, ob man die Fragen schon vorher kriegt, und sich dann kluge Sachen dazu ausdenken kann, damit man am Telefon nicht auf einmal anfängt, wirres Zeug zu reden. Das traue ich mir nämlich durchaus zu. Gerade bei Themen, die mich emotional auch mal ein bisschen aufregen, da fange ich gerne an, wirres Zeug zu reden. In meinem Kopf klingt das dann zwar alles viel besser, intelligenter und geordneter, aber das weiß ja leider keiner außer mir.

Nein nein, kommt die Antwort, vorbereiten braucht man sich nicht, wir würden einfach am Telefon nett reden und das wäre schon okay so. Ein bisschen klingt mir das ja nach einer Falle, “nett reden”, ja klar, und dann sagt man was Wirres und prompt steht man dann mit einem wirren Zitat in der Zeitung. Aber ich vertraue da mal darauf, dass das auch ernst gemeint ist und das mit “nett reden” auch wirklich einfach nur “nett reden” gemeint ist. Dienstag also, 17 Uhr. Geht klar.

Ich bin hibbelig.

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Dienstag nachmittag verlasse ich das Büro schön pünktlich, um rechtzeitig zu Hause zu sein. Vorher mache ich noch ein paar kryptische Andeutungen auf Twitter, aber erzählt habe ich kaum jemandem davon. Ich bin da schrecklich zweckpessimistisch und verrate sowas immer erst, wenn es auch wirklich soweit ist. Je mehr Leute von sowas wissen, desto mehr Leute fragen dann nach und desto mehr Leute muss man dann im schlimmsten Fall erzählen: “Nee, war doch nichts.” Also ganz ruhig bleiben, aber innen rumhibbeln wie blöd.

Meinen Artikel im englischen Blog habe ich auch noch mal gelesen, damit ich überhaupt weiß, was ich da gesagt habe, und festgestellt, dass ich da total gute Sachen geschrieben habe. Faszinierend. Auch die anderen Blogartikel, die ich damals verlinkt habe, gucke ich mir noch mal an, damit das mit den Fakten auch einigermaßen hinhaut, sollte ich mich dazu hinreißen lassen, irgendwas faktenähnliches zu behaupten. Ich mache mir Notizen auf einem Post-It, exakt zwei, damit ich wesentliche Punkte nicht komplett vergesse und das war’s. Mehr kann ich jetzt nicht tun. Außer warten und hibbeln.

Um kurz nach fünf klingelt das Telefon. Das Interview geht los. Und tatsächlich, es ist total nett, wir reden eine knappe Dreiviertelstunde. Die Fragen sind gut, ich kann mich gar nicht verhaspeln, weil sie so schön formuliert sind, dass ich sofort den Faden kriege und auch behalte. Gut recherchiert sind sie auch, ich merke, da hat sich jemand den Artikel durchgelesen, hat sich ein bisschen mit meiner Person beschäftigt und sich Gedanken darüber gemacht, was man mich fragen könnte. Zwischendurch ist irgendwann mal die Verbindung weg, das passiert aus Gründen, die ich nicht verstehe gelegentlich mal, wenn ich telefoniere. Aber dann klingelt das Telefon wieder und wir reden weiter.

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Als ich auflege hab ich ein gutes Gefühl. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwas gesagt zu haben, das ich im Nachhinein doof finden könnte. Nach mir kommen noch zwei Interviews, das hab ich auch erfahren, außerdem bekomme ich eine Mitschrift der Zitate, die verwendet werden sollen und kann dann noch abnicken bzw. Einspruch erheben, wenn da was dabei sein sollte, das ich so nicht gut finde. Wie versprochen schicke ich noch eine Mail mit ein paar Links, auf die ich im Gespräch hingewiesen habe. Später kommt eine Mail zurück mit einem Dankeschön und der Anmerkung, sie habe sich jetzt auch schon zwei Bücher bestellt zum Thema “Geschichte der Informatik”. Das finde ich erstens total schön und erinnert mich zweitens daran, dass ich mich damit ja eigentlich auch noch mal ein bisschen beschäftigen könnte.

Die Mitschrift kommt einen Tag später. Passt alles so, das schreibe ich auch zurück. Allerdings ahne ich schon zu diesem Zeitpunkt, dass mindestens eines der Zitate ein Aufregerzitat sein könnte. Ich finde mich aber damit ab, dass man, wenn man interviewt wird und dann nachher Teile des Interviews aus dem Kontext des Gesamtgesprächs gerissen veröffentlicht werden, durchaus missverstanden werden kann und verbuche das schon mal vorträglich als wichtigen Erfahrungswert.

Danach bin ich weiter hibbelig und kann die nächste Woche kaum abwarten. Montag passiert nichts, Dienstag auch nicht, dann habe ich Panik, dass meine letzte Mail mit den Fotos und Blogverlinkungsinstruktionen nicht angekommen sein könnte und panike innerlich ein bisschen rum, bis ich eine Nachfragemail schreibe, ob denn alles heil angekommen sei. Ja, sei es, kommt die Antwort zurück, und der Artikel erscheint morgen. Morgen ist Mittwoch, ich schreibe noch einen Kryptiktweet und gebe den informierten Kreisen Bescheid, morgen das Karriereressort des Spiegel Online etwas aufmerksamer zu beobachten.

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Mittwoch passiert nichts. Ich drücke F5 auf der Spiegel-Online-Seite, aber ohne Erfolg. Auf Nachfragen muss ich mit einem “Na ja, wohl doch nicht heute” antworten und weiß wieder, warum ich so ungern irgendwelche Ankündigungen mache, wenn ich selber keine Kontrolle darüber habe, ob etwas passiert oder nicht. Ich behalte aber erstaunlicherweise die Ruhe. Was weiß ich, wie das bei so einer Online-Redaktion funktioniert. Kein Grund zur Unruhe, das wird schon kommen, nur eben dann nicht heute.

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Am Donnerstagmorgen also das gleiche Spielchen, hibbeliges Neuladen der Spiegel-Online-Seite, bis der Kollege gegenüber auf einmal vorliest “Mädels in der IT-Branche”. Hihi, denke ich, hihihi, und rufe die Seite auf. Erstmal gucken, ob ich überhaupt drin vorkomme. Ah ja, da steht mein Name, ich bin Pionierin, toll ist das. Auf die Bilder zum Artikel geklickt, da bin ich auch. Nur den Link zum Blog finde ich erst nicht, der steht rechts an der Seite, wo er wirklich nicht die Bohne zu finden ist. “Guck halt mal die Bilderstrecke”, sage ich total kryptisch und dann klickt der Kollege die falsche Bilderstrecke an, bis er schließlich doch mal ein bisschen weiterliest und über meinen Namen stolpert. Hihihi!

In der Zwischenzeit schreibe ich noch eine Mail, Artikel hab ich gefunden, finde ich gut, schreibe ich, aber das mit dem Link ist ein bisschen doof, den findet da doch niemand, ob man da nicht den Namen als Link nehmen könnte im Artikel selber. Und einen Grammatikfehler hab ich auch gefunden. Keine Ahnung, wie das in so einer Online-Redaktion funktioniert, aber ich steh ja nicht jeden Tag im Spiegel Online, ich finde, da kann man auch ein bisschen pedantisch sein, rein aus egoistischen Gründen. Tatsächlich kommt wenig später eine Mail zurück, schön, dass mir der Artikel gefällt, und das mit dem Link und dem Fehler ist jetzt behoben. Ich bin begeistert, denn insgeheim habe ich gar nicht damit gerechnet, dass man noch nachträglich und so schnell auf Änderungsvorschläge reagiert.

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Jetzt kann ich auch Mails rumschicken und auf Twitter und Facebook davon erzählen. Yeah! Ich bin im Spiegel Online! Lest das alle! Im Büro ist das Feedback sehr positiv, das freut mich jetzt mal extra. Und auch sonst scheinen sich die Leute darüber zu freuen und ich mich damit erst recht. Dann machen wir alle den Fehler, die Kommentare zu dem Artikel zu lesen und ich falle ein bisschen vom Glauben ab. Schon fast toll ist ja, dass mein Aufregerzitat direkt im allerersten Kommentar einen Hitlervergleich provoziert, damit hab selbst ich nicht gerechnet. Und man weiß ja auch, dass man keine SpOn-Kommentare lesen soll, aber ich mach’s jetzt natürlich trotzdem und bin doch ein bisschen entsetzt über das, was da abgeht. Schnell vergessen und weiterfreuen.

Abends sind wir auf der Gourmetmeile in Essen unterwegs und ein bisschen ist das natürlich auch hier Thema. Der Mann kommt nicht über die Kommentare im Diskussionsforum hinweg, auch wenn ich ihm mehrfach erkläre, dass das doch mittlerweile bekannt ist, dass man die nicht lesen soll. Den Hitlervergleich finden wir aber alle ob seiner Absurdität doch ein bisschen witzig und irgendwann nennen mich alle nur noch Adolfine.

Und das war’s dann eigentlich schon. Der Rummel um den Urheberrechtsartikel war um Längen größer, schon nach einem Tag ist der Artikel von den Headlines über die rechte Spalte im Archiv versandet. Die Onlinewelt ist schnelllebig, der Ruhm kurz, aber Spaß gemacht hat es trotzdem. Die Frage, ob ich sowas noch mal machen würde, stellt sich kaum: Na klar würde ich!

2012 halb rum. Eine Bilanz.

2012 ist halb rum. Ach komm, geh wech! ist ein halbes Jahr halt. Offiziell habe ich den ersten Artikel meiner Erinnerung nach am 6. Januar geschrieben und ihn einfach vordatiert, weil es um Vorsätze ging und die macht man ja bekanntlich am ersten Tag des Jahres.

Die Vorsätze lauteten wie folgt:

Mehr machen.
Mehr Ja sagen.
Mehr Nein sagen.
Mehr Tomatensalsa essen.

Insgesamt hat das sehr prima geklappt. Gemacht habe ich eine ganze Menge (dazu später mehr), sehr oft Ja gesagt und gelegentlich auch mal Nein gesagt. Sogar das mit dem Tomatensalsa hat geklappt, ich weiß jetzt, wie man schnell selbst welches macht (Koriander ist dabei ganz wichtig) und habe als Bonusfeature auch noch gelernt, wie einfach und lecker Guacamole ist.

Ich habe angefangen, Gitarrenunterricht zu nehmen, bin zwei Mal aufgetreten, wir haben Songs aufgenommen, ich habe unzählige Fotos gemacht, dabei mitgeholfen, ein Bloggerinnen-Netzwerk zu gründen, habe zwei Mal Currysoßen und einmal deutsche Rieslingweine verkostet, war in AschaffenburgFulda, Mainz, Münster und Brüssel, auf drei Konzerten (Randy, Florence und Elvis), bin geklettert, habe viele Torten und Cupcakes gebacken, bin mit der Seilbahn auf ein Schloss gefahren und wieder runter, habe die Burns‘ Night mitgefeiert, war in der Oper, aufm Dorf in Oberorke und im Spiegel Online.

Ein paar Dinge habe ich nicht geschafft. Das mit dem Steppen hat nicht geklappt, das ist zwar schade, aber im Moment reicht mir einmal die Woche Gitarrenunterricht aus, also verschiebe ich dieses Projekt ein bisschen nach hinten. Ich habe mich sogar darum gekümmert, aber es war schwieriger als ich dachte, eine Tanzschule zu finden, die Anfängerkurse fürs Steptanzen anbietet. Aufgetreten bin ich auch nur zwei Mal, da muss jetzt nach der Sommerpause was passieren, denn das ist definitiv zu wenig. Auch an dem Buch, dass ich im Dezember so schön geschrieben habe, habe ich nicht weitergearbeitet, weil es sehr einfach ist, so etwas vor sich hin zu prokrastinieren. Wir waren nicht in Hamburg und nicht noch mal in Edinburgh, wie ich eigentlich total euphorisch geplant hatte. Dafür sind wir viel im Ruhrgebiet rumgegondelt und da war’s auch schön.

Insgesamt fällt die Bilanz aber sehr positiv aus. Ich habe dieses Jahr bis jetzt zumindest gefühlt deutlich mehr gemacht und erlebt als sonst. Ich habe mich öfter aufgerafft, habe mehr gewagt und ausprobiert, habe eben schneller und öfter “Ja!” gesagt. Ich habe tolle Leute kennengelernt und bin durch schöne Städte gelaufen. Das Bloggen und Fotografieren hat dabei sehr geholfen, denn ich bin motivierter, wenn nachher etwas Fassbares dabei rauskommt. Und natürlich hat es geholfen, dass das mit dem Blog so gut angelaufen ist, dass es positives Feedback gab und erkennbares Interesse. Ich behaupte gar nicht erst, Besucherzahlen würden mich nicht interessieren, natürlich tun sie das und natürlich schiele ich auf meine Blogstatistik und freue mich, wenn es mehr Leser werden. Vor allem freue ich mich aber, wenn ich Kommentare kriege oder sogar – wie in einem Fall – eine nette Mail eines Lesers. Das dürft ihr ruhig öfter machen.

Deswegen gibt es hier auch noch mal kurz ein paar Zahlen zum Blog von Januar bis (einschließlich) Juni:

Blogstatistik

Haha, ohne Zahlen, die darf man sich selber überlegen. Das im Mai war zu geschätzt 75% der Urheberrechtsartikel und im Juni hat der Artikel auf Spiegel Online noch mal nachgeholfen. Aber auch ansonsten geht die Kurve nach oben und ja, das freut mich.

  • Artikel: 173
  • Kommentare: 564 (inklusive meiner Antworten und Trackbacks)
  • Page Views: 38.536 (davon geschätzt 15.000 ob des Urheberrechtsartikels)
  • Abonnenten (laut Google Reader): 83

Lieblingssuchanfragen (gefühlt, denn Statcounter speichert immer nur die letzten paar Tage oder Wochen):

  • Irgendwas mit Bubble Tea.
  • Die Frage, ob Marc Blucas verheiratet ist. (Ich weiß es doch auch nicht!)
  • Irgendwas mit Cinemaxx und Lovechair. (Dazu empfehle ich diesen Artikel.)
  • Diverse Anfragen Bahnhöfe betreffend.
  • Irgendwas mit Starbucks und Tassen und meistens auch Klauen.

Ich muss mal anfangen, die schönsten Suchanfragen zu sammeln, da sind nämlich richtige Perlen dabei und dann bin ich wieder zu langsam und Statcounter weiß nichts mehr davon. Insofern beende ich diesen Halbjahresrundumschlag mit der allerallerbesten Suchanfrage. Und bevor mich das jemand fragt: Nein, ich weiß auch nicht, warum man ausgerechnet damit auf diesem Blog landet. Ich weiß auch nicht, ob ich’s wissen will. Sei’s drum, hier ist sie nun, die schönste Suchanfrage, die irgendeinen armen Tropf auf meine in diesem Bezug total unhilfreiche Seite geführt hat:

bei mir ist es so das ich plötzlich sehr schnell ejakuliere

Hachja. In diesem Sinne also: Auf ein weiterhin tolles Jahr 2012!

15 Minuten Ruhm und ein Godwin’s Law-Rekord

Das war ja auch noch…

Letzte Woche Donnerstag war ich im Spiegel Online in einem Artikel über Frauen in der IT-Branche. Da ich das über diverse Kanäle schon weitergelinkt habe, ist das hier im Blog so ein bisschen vergessen worden.

Frauen in der IT-Branche: Mädels, wo seid ihr?

Wie ich schon befürchtet hatte, war mein Zitat zur Einführung von Informatik als Pflichtfach ein Prachtstück, was (Mis-)Interpretierfähigkeit angeht. Dazu werde ich aber demnächst noch was schreiben, genauso wie über mein allererstes Telefoninterview. Immerhin habe ich damit einen Rekord geschafft, was den Beweis von Godwin’s Law angeht, denn anscheinend war Hitler irgendwann mal der Meinung, Physik und Chemie gehörten abgeschafft.

Der entsprechende Kommentar wurde mittlerweile aus dem SpOn-Forum gelöscht. Die erschütterndste Erkenntnis war dabei für mich vor allem, dass im SpOn-Forum tatsächlich moderiert wird. Fast schade eigentlich, mein erster Hitlervergleich und ich habe noch nicht mal einen Screenshot.

Männerfrei

Dieses Wochenende will ich endlich mal wieder einen Testhochzeitskuchen backen. Weil der Bräutigam sich Schokolade wünscht, habe ich mir den Guinness-Schoko-Kuchen aus dem Backbuch der Hummingbird Bakery rausgeguckt und brauche dazu… na?… Guinness.

Doreen und ich stehen also am Eingang vom Edeka, um Guinness zu kaufen, wir haben männerfrei, denn die sind beide auf einem Junggesellenabschied. Also, auf dem gleichen. “Guck mal, Bratwurst mit Feta”, sagt Doreen. “Auch lecker”, sage ich. “Wir könnten eigentlich auch grillen”, sagt Doreen. “Könnten wir”, sage ich.

Also kaufen wir Bratwurst mit Feta, Schweinenackensteaks in Bärlauchmarinade, Cevapcici und Schweinebauchfackeln, außerdem Erdbeeren, Sekt und Weißwein. Was die Männer auf diesem suspekten Junggesellenabschied können, das können wir schon lange.

Abends sitzen wir bei Doreen auf dem Balkon, reden ein bisschen, entscheiden, dass wir so langsam Durst kriegen und machen erstmal die Erdbeerbowle nach Doreens Spezialrezept. Erdbeerbowle nach Doreens Spezialrezept geht im Wesentlichen so, dass man Tiefkühlerdbeeren in Alkohol mariniert und auftauen lässt und dann anderen Alkohol dazugießt, bis die Schüssel voll ist. Erdbeerbowle nach Doreens Spezialrezept ist wärmstens zu empfehlen.

Dann sitzen wir weiter auf dem Balkon und reden solange, bis wir Hunger kriegen. Der Grill wird angeschmissen, es gibt Salat und Tomaten mit Mozzarella und natürlich das Grillfleisch und alles ist lecker.

Irgendwann sind wir satt, reden, bis es dunkel wird und gucken dann noch zu, wie Frankreich auch in der zweiten Halbzeit kein Tor macht.

Und das passiert also, wenn männerfrei ist. Grillen und Fußball. Und dazwischen viel Erdbeerbowle und Balkonunterhaltung.

Salat

Bowle

Grill

Blume

Tisch gedeckt

Fleisch

Fackel

Da könnt ich mich aufregen! Ein Metarant.

Ich bin ja im Allgemeinen ein sehr friedliebender Mensch. Wir hatten das schon. Ein bisschen zu friedliebend manchmal. Bevor ich mich mit jemandem anlege, gehe ich meistens lieber und lasse Idioten Idioten sein ohne mich weiter drum zu kümmern.

Leider kann ich das nicht immer, und mit den Jahren haben sich da bei mir ein paar schnuckelige wunde Punkte etabliert. Höchstempfindliche Trigger sozusagen, die mich in Sekundenschnelle zu einer kleinen Furie werden lassen, die wildfremde Menschen anschreit.

Immerhin sind diese Trigger gut zu benennen und dementsprechend einzuschätzen. Da hätten wir im Angebot:

  • Vordrängeln, mehr oder weniger egal wie, wo und wobei
  • In der Bahn einsteigen, bevor die anderen ausgestiegen sind*
  • Einfach über den Zebrastreifen fahren, obwohl ich da rübergehen will
  • Im Auto von hinten drängeln

Da ich selten Auto fahre, ist der letzte Punkt aktuell eher eine Ausnahmeerscheinung. Im Übrigen ist meine Standardreaktion bei Autobahndränglern einfach ein bisschen langsamer zu fahren (2 bis 3 km/h weniger reichen), bringt also bei mir nichts.

Das mit dem Zebrastreifen ist ja leider so, dass man da wenig machen kann, sondern nur heftigst dem Fahrzeug hintergestikulieren kann, was dem Fahrer dann vermutlich wieder ziemlich egal ist. Oder selbst wenn es ihm nicht egal ist, dann hat bisher noch keiner umgedreht und sich entschuldigt. Das heißt, das stimmt nicht. Eine Fahrerin hat sich tatsächlich mal bei mir entschuldigt, und es war wohl wirklich eher etwas Schusseligkeit. Immerhin.

Bei den ersten beiden Punkten aber handelt es sich um Situationen, bei denen man die Leute anbrüllen kann. Vor allen anderen. Und ja, ich komme mir dabei auch immer etwas doof vor und ja, ich mache es trotzdem. Weil sich anscheinend in meinem Leben einmal zu oft irgendwer vorgedrängelt hat und weil sich auch einmal zu oft irgendein Trottel in die Bahn gedrängelt hat, während noch eine ganze Reihe Leute nicht ausgestiegen waren.

Ich glaube, es ist wirklich so: Das ist mir schon zu oft passiert und nach 31 Jahren sind mir die Beweggründe für so ein Verhalten immer noch völlig schleierhaft. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich für diese Sachen so sensibilisiert bin, dass ich Harmonieknubbel mich in Nullkommanix in eine keifende Furie verwandel. Es gibt andere Sachen, die sind genauso doof oder dööfer und über die reg ich mich nicht so auf. Da dreh ich mich um und geh weiter, jedenfalls metaphorisch gesprochen.

Heute war wieder sowas. Die Leute knubbeln sich an der Zugtür, die Tür geht auf, eine ganze Reihe Leute steigt aus, mehr Leute, noch mehr. Irgendwann seh ich, wie sich von rechts eine kleine Frau lauernd neben die Tür stellt und sich zwischen den Aussteigenden reindrängelt.

Trigger erwischt. Furienalarm.

Ich brülle der Frau hinterher, was das für ne Unverschämtheit sei und dass man sowas nicht mache, sich einfach reinzudrängeln.

Im Zug sehe ich die gleiche Frau nochmal, wie sie gerade einen Koffer hochhievt und pampe sie noch mal an, nur für den Fall, dass sie das eben nicht mitbekommen hat.

Dann weiter im Abteil, da ist noch ein freier Platz und… huch!… da sitzt doch die Reindränglerin. Ups, denke ich, böser Fehler. Falsche Frau angepampt, die war das gar nicht, sah nur ähnlich aus.

Also die Sitznachbarin noch mal angepampt. Die ist eher unzufrieden mit der Gesamtsituation, und erklärt erstmal, dass sie nur schnell ihrem Mann beim Gepäckraustragen geholfen hat und schnell zu ihrem Platz zurück wollte, weil da doch ihr ganzes Gepäck ist.

Ups. Richtige Frau angepampt, jetzt schon zweifach, aber offensichtlich tendenziell vollkommen grundlos.

Ich entschuldige mich ungefähr fünfzig Mal, versuche die Wogen noch irgendwie zu glätten, habe aber leider auch weder Kuchen noch Schokolade zur Beschwichtigung dabei. Die Frau bleibt unbeeindruckt und findet mich weiter eher scheiße. Muss ich jetzt wohl mit leben und ein anderer Platz ist auch nicht mehr frei. Mist. Dumm gelaufen.

Mein schlechtes Gewissen treibt mich noch mal zurück zu der wirklich vollkommen zu Unrecht angepampten Frau, bei der ich mich noch mal entschuldige, weil ich sie angebrüllt habe, war aber eine Verwechslung, tut mir wirklich leid, nicht mein Tag heute. Sie findet immerhin gut, dass ich noch mal zum Entschuldigen vorbeikomme. Wenigstens hier ein kleiner Karmaerfolg.

Jeder hat vermutlich so kleine Trigger, die einen zum keifenden Monster werden lassen. Ich habe meine und ich weiß auch, welche das sind.

Also groß hinter die Ohren schreiben: Immer aufpassen, dass sich die Furie dann doch nicht zu sehr daneben benimmt. Ein bisschen Aufregen kann das Karma ab. Aber wenn’s daneben geht, dann muss man sich auch Entschuldigen können. Auch wenn’s ein bisschen peinlich ist. Peinlicher ist, wenn man’s nicht tut.

—-

*Sonderregelung: Wenn es so aussieht, als käme keiner mehr, weil eine kleine Lücke in der Aussteigerschlange entstanden ist bzw. jemand viel zu spät merkt, dass er aussteigen muss, dann ist das okay. Die Furienalarmtaste bleibt dann auch unberührt.

Zugfahren und Fußball

Fußball

Ich stehe am Kölner Hauptbahnhof und habe noch zwanzig Minuten totzuschlagen, bis der Intercity nach Essen abfährt. In der Markthalle haben sie eine Leinwand aufgebaut und alle stehen und sitzen davor und gucken.

Es ist die zwölfte Minute und Lahm hat den Ball, kurz vorm Tor, aber dann hüpft ihm der Ball irgendwie nach hinten über die Hacke und da steht schon ein Niederländer und das war’s dann mit der Torchance.

“Fuck”, entfährt es mir.

Die Frau vor mir dreht sich um, wir gucken uns an und lachen.

“Ja aber, ist doch wahr”, sag ich noch, denn so ist es doch.

Das ist das Schöne am Fußball, dafür kann ich mich auch begeistern, für dieses Zusammengucken und Freuen und Leiden. In der Markthalle im Kölner Hauptbahnhof, in der DB-Lounge, überall. Wie aus dem Nichts sprießen da die Leinwände und Fernseher aus dem Boden und Menschen versammeln sich davor und gucken gebannt, was passiert. Ich mag das und deswegen guck ich zwar eigentlich keinen Fußball, aber wenn WM oder EM ist, dann schon. Sogar Oma guckt im Übrigen, hat sie erzählt, jedenfalls die deutschen Spiele.

Die Frau vor mir dreht sich noch mal um. Wieviel Uhr es ist, möchte sie wissen.

Es ist neun Uhr, sage ich ihr.

“Schön, dann hab ich ja noch drei Minuten.”

Ich habe auch noch zwei Minuten, dann geht’s zum Bahnsteig. Wenn ein Tor fällt werde ich das schon hören, denke ich, während ich auf dem Bahnsteig warte, auf den Zug, der bis zwei Minuten vor Abfahrt noch nicht mal angeschlagen ist, was mich leicht nervös macht.

Im Intercity sagt der Schaffner die Ergebnisse durch, auf die besonders gemeine Tour.

“In der 28. Minute ist ein Tor gefallen”, sagt er. “Von Mario Gomez.”

Diese paar Sekunden zwischen dem ersten Teil des Satzes und dem zweiten Teil machen mich ganz kirre.

Beim zweiten Tor macht er es genauso. Beide Male rufe ich laut “Yeah!”.

Alle anderen im Abteil sind still. Bin wohl der einzige EM-Enthusiast hier.

Zugfahren und Fußball. Es ist seltsam, aber es geht.